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Pflichtverteidigerbeiordnung bei drohender Fahrerlaubnisentziehung eines Berufskraftfahrers

Ein riskantes Wendemanöver nach einem Unfall könnte für einen Berufskraftfahrer existenzbedrohend werden. Steht mehr als nur ein Führerschein auf dem Spiel, wenn ein Gericht über Pflichtverteidigung und Berufsfreiheit entscheidet? Der Fall eines vermeintlichen Unfallflüchtigen in Schleswig-Holstein wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Lage von Menschen, deren Job am seidenen Faden der Fahrerlaubnis hängt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Itzehoe
  • Datum: 02.11.2023
  • Aktenzeichen: 14 Qs 160/23
  • Verfahrensart: Sofortige Beschwerde im Strafverfahren zur Pflichtverteidigerbeiordnung
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Fahrerlaubnisrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Angeschuldigte: Berufskraftfahrer, der seit 32 Jahren in seinem Beruf tätig ist; ihm droht im Falle einer Verurteilung der Entzug der Fahrerlaubnis, was seinen Arbeitsplatz und seine Berufsfreiheit erheblich beeinträchtigen würde; beantragte die Beizordnung eines Pflichtverteidigers zur Wahrung seiner Rechte.
    • Staatsanwaltschaft: Erhob die Anklage wegen unberechtigten Verlassens des Unfallorts und machte geltend, dass der Angeschuldigte seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verloren haben könnte.
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt: Der Angeschuldigte wird beschuldigt, sich unberechtigt vom Unfallort entfernt zu haben; durch seine langjährige Tätigkeit als Berufskraftfahrer steht bei einer Verurteilung die drohende Fahrerlaubnisentziehung im Raum, was den Verlust seines Arbeitsplatzes und einen erheblichen Eingriff in seine Berufsfreiheit zur Folge hätte.
    • Kern des Rechtsstreits: Ob angesichts der zu erwartenden gravierenden Rechtsfolgen – insbesondere der drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis und dem damit verbundenen Verlust des Arbeitsplatzes – die zwingende Beizordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich ist.
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung: Der Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg wurde aufgehoben; dem Angeschuldigten wurde ein Pflichtverteidiger zugeordnet; die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen werden von der Staatskasse übernommen.
    • Begründung: Die Bestellung eines Pflichtverteidigers war aufgrund der erheblichen potenziellen Rechtsfolgen, namentlich der drohenden Fahrerlaubnisentziehung und des daraus resultierenden Arbeitsplatzverlustes, unter Berufung auf § 140 Abs. 2 StPO zwingend angezeigt.
  • Folgen: Das Urteil sichert dem Angeschuldigten in einem Verfahren mit weitreichenden persönlichen und beruflichen Konsequenzen den Zugang zu rechtlicher Verteidigung; zudem werden die finanziellen Lasten des Verfahrens durch die Kostenübernahme der Staatskasse abgefedert.

Der Fall vor Gericht


Pflichtverteidiger für Berufskraftfahrer: LG Itzehoe stärkt Berufsfreiheit bei drohender Fahrerlaubnisentziehung

Mann in Arbeitskleidung verlässt unfreiwillig Unfallszene mit beschädigtem Lieferwagen in deutscher Stadt.
Pflichtverteidiger für Berufskraftfahrer bei Fahrerlaubnisentziehung | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landgericht (LG) Itzehoe hat mit Beschluss vom 02.11.2023 (Az.: 14 Qs 160/23) die Rechte von Berufskraftfahrern gestärkt, denen im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung die Fahrerlaubnisentziehung droht. Das Gericht ordnete die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für einen Berufskraftfahrer an, dem vorgeworfen wird, sich unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung des Rechts auf rechtliche Vertretung, insbesondere wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht und die Berufsfreiheit eingeschränkt wird.

Der Fall: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und die Folgen für den Berufskraftfahrer

Dem Angeschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Strafrecht) unerlaubt von einem Unfallort entfernt zu haben. Dies führte zu der Annahme, dass er sich gemäß § 69 Abs. 1 StGB als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, was die Fahrerlaubnisentziehung zur Folge hätte.

Der Berufskraftfahrer ist seit 32 Jahren bei einem Unternehmen beschäftigt und dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, um seinen Beruf ausüben zu können. Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der zu erwartenden Rechtsfolge war ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Pinneberg und die sofortige Beschwerde

Das Amtsgericht Pinneberg hatte zuvor einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeschuldigte sofortige Beschwerde beim Landgericht Itzehoe ein. Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das in der StPO (Strafprozessordnung) geregelt ist und dazu dient, Entscheidungen eines Gerichts schnellstmöglich überprüfen zu lassen.

Die Begründung des Landgerichts Itzehoe: Schwere der Rechtsfolge und Berufsfreiheit

Das Landgericht Itzehoe gab der sofortigen Beschwerde statt und hob den Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg auf. Zur Begründung führte das Gericht an, dass gemäß § 140 Abs. 2 Var. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen sei, da aufgrund der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.

Das Gericht betonte, dass bei der Beurteilung der Schwere der Rechtsfolge eine Gesamtbetrachtung aller zu erwartenden Konsequenzen erforderlich sei. Neben einer möglichen Freiheitsstrafe sind auch Sicherungsmaßnahmen, Nebenfolgen und mittelbare Nachteile zu berücksichtigen, wie beispielsweise der drohende Verlust des Arbeitsplatzes.

Das Landgericht stellte fest, dass dem Angeschuldigten im Falle der Fahrerlaubnisentziehung der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Zudem wäre er daran gehindert, seinen Beruf bis zu einem etwaigen Wiedererwerb der Fahrerlaubnis auszuüben. Dies stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Die Bedeutung des Urteils für Berufskraftfahrer und das Recht auf Verteidigung

Dieses Urteil des Landgerichts Itzehoe unterstreicht die Bedeutung des Rechts auf rechtliche Vertretung, insbesondere für Berufskraftfahrer, die aufgrund einer Straftat um ihre Fahrerlaubnis und damit um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Es verdeutlicht, dass die Gerichte die individuellen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen, insbesondere die wirtschaftlichen und beruflichen Konsequenzen einer möglichen Fahrerlaubnisentziehung.

Die Entscheidung zeigt, dass der drohende Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der Fahrerlaubnisentziehung ein gewichtiges Argument für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sein kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ausübung des Berufs von der Fahrerlaubnis abhängig ist und somit ein Eingriff in die Berufsfreiheit vorliegt.

Zusammenfassung der zentralen Punkte

  • Ausgangslage: Einem Berufskraftfahrer wird vorgeworfen, sich unberechtigt vom Unfallort entfernt zu haben, was die Fahrerlaubnisentziehung zur Folge haben könnte.
  • Entscheidung des LG Itzehoe: Anordnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers für den Angeschuldigten.
  • Begründung: Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge (drohender Verlust des Arbeitsplatzes) und Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
  • Relevanz: Stärkung der Rechte von Berufskraftfahrern bei drohender Fahrerlaubnisentziehung und Betonung der Bedeutung der rechtlichen Vertretung in solchen Fällen.

Die Kostenentscheidung

Das Landgericht Itzehoe entschied, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten von der Staatskasse zu tragen sind. Diese Entscheidung beruht auf § 465 StPO analog.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Gericht stellt klar, dass bei drohender Fahrerlaubnisentziehung eines Berufskraftfahrers ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn der Betroffene beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. Die Schwere der Rechtsfolgen wird dabei nicht nur an der Strafe gemessen, sondern auch an den existenziellen Auswirkungen wie dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes. Dies stellt einen wichtigen Grundsatz zum Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG dar.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als Berufskraftfahrer in ein Strafverfahren verwickelt sind, bei dem Ihnen die Entziehung der Fahrerlaubnis droht, haben Sie Anspruch auf einen Pflichtverteidiger – auch wenn Sie sich einen Anwalt finanziell nicht leisten können. Dies gilt besonders, wenn Sie langjährig als Berufskraftfahrer tätig sind und Ihr Arbeitsplatz von der Fahrerlaubnis abhängt. Der Staat erkennt damit die existenzielle Bedeutung Ihrer Fahrerlaubnis an und stellt sicher, dass Sie in einem solchen Verfahren nicht ohne anwaltlichen Beistand dastehen. Dies verbessert Ihre Verteidigungsmöglichkeiten erheblich.

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In Fällen, in denen die Fahrerlaubnis und damit die Möglichkeit, den Beruf als Kraftfahrer auszuüben, bedroht sind, wird die Situation schnell komplex. Die Frage, wie schwerwiegende Eingriffe in die berufliche Zukunft bewertet werden sollten, verlangt eine präzise Prüfung der individuellen Umstände, um mögliche Folgen frühzeitig zu erkennen.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann habe ich als Berufskraftfahrer Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Ein Berufskraftfahrer hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Diese richten sich nach § 140 der Strafprozessordnung (StPO), der die sogenannte „notwendige Verteidigung“ regelt. Der Anspruch hängt nicht vom Einkommen ab, sondern von der Schwere der Tat, der Komplexität des Falls oder der persönlichen Situation des Beschuldigten.

Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers

Ein Pflichtverteidiger wird beigeordnet, wenn:

  • Die Schwere der Tat dies erfordert (§ 140 Abs. 2 StPO). Dies ist häufig bei Straftaten wie Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) oder Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) der Fall.
  • Die Sach- oder Rechtslage besonders schwierig ist. Beispielsweise können komplexe technische Fragen zur Unfallursache oder zur Fahreignung eine schwierige Rechtslage darstellen.
  • Dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen werden soll und dies existenzielle Auswirkungen hat, wie etwa den Verlust des Arbeitsplatzes bei Berufskraftfahrern (§§ 69, 69a StGB).
  • Der Beschuldigte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, etwa aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen.

Besonderheiten für Berufskraftfahrer

Für Berufskraftfahrer spielt die Fahrerlaubnis eine zentrale Rolle. Droht eine Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) oder ein Fahrverbot, kann dies existenzbedrohend sein. In solchen Fällen kann ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, wenn:

  • Der Verlust der Fahrerlaubnis unmittelbar den Arbeitsplatz gefährdet. Dies ist insbesondere relevant, wenn keine anderen beruflichen Alternativen bestehen.
  • Die Tat erhebliche berufliche Konsequenzen nach sich zieht, etwa bei Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) oder anderen schweren Verkehrsdelikten.

Beispiele aus der Praxis

  1. Ein Berufskraftfahrer wird wegen Trunkenheit im Verkehr angeklagt. Aufgrund der drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis und der damit verbundenen beruflichen Existenzgefährdung wird ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet.
  2. Nach einem Verkehrsunfall wird dem Fahrer vorgeworfen, fahrlässig gehandelt zu haben. Die komplexe Sachlage zur Unfallursache und die drohenden rechtlichen Konsequenzen rechtfertigen eine Pflichtverteidigung.
  3. Ein Verkaufsfahrer begeht eine Verkehrsunfallflucht unter beruflichem Zeitdruck. Das Gericht berücksichtigt die besondere berufliche Situation und ordnet einen Pflichtverteidiger an.

Wichtige Hinweise

  • Rechtzeitiger Antrag: Ein Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers sollte möglichst früh gestellt werden, idealerweise bereits im Ermittlungsverfahren (§ 141 Abs. 3 StPO).
  • Keine automatische Beiordnung: Nicht jede drohende Entziehung der Fahrerlaubnis führt automatisch zur Bestellung eines Pflichtverteidigers. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
  • Berufliche Abhängigkeit: Die besondere Abhängigkeit von der Fahrerlaubnis als Berufskraftfahrer kann ein entscheidendes Argument sein.

Rechtliche Grundlagen

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen sind:

  • § 140 StPO: Notwendige Verteidigung
  • §§ 69, 69a StGB: Entziehung der Fahrerlaubnis
  • § 111a StPO: Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Berufskraftfahrer sollten sich bewusst sein, dass die drohende Entziehung ihrer Fahrerlaubnis schwerwiegende Konsequenzen haben kann und in bestimmten Fällen ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht.


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Was kostet mich ein Pflichtverteidiger als Berufskraftfahrer?

Die Kosten eines Pflichtverteidigers hängen von mehreren Faktoren ab, darunter der Ausgang des Strafverfahrens und die gesetzlichen Regelungen zur Vergütung. Für Berufskraftfahrer, die in einem Verfahren wegen Fahrerlaubnisentziehung stehen, gelten folgende Aspekte:

1. Grundsätzliche Kostenregelung

  • Die Vergütung eines Pflichtverteidigers wird nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festgelegt. Sie ist in der Regel niedriger als die eines Wahlverteidigers (ca. 80 % der Mittelgebühr eines Wahlverteidigers).
  • Die Kosten setzen sich aus verschiedenen Gebühren zusammen, z. B. einer Grundgebühr (aktuell ca. 176 €), Verfahrensgebühren (ca. 145 €), und Terminsgebühren (zwischen 150 € und knapp 700 €, je nach Aufwand).
  • Seit Januar 2025 wurden die Gebühren durch das Kostenrechtsänderungsgesetz um etwa 9 % erhöht, was die Gesamtkosten leicht ansteigen lässt.

2. Wer trägt die Kosten?

  • Freispruch oder Einstellung des Verfahrens: In diesen Fällen übernimmt die Staatskasse die Kosten des Pflichtverteidigers vollständig.
  • Verurteilung: Der Angeklagte muss die Verfahrenskosten, einschließlich der Pflichtverteidigergebühren, selbst tragen. Die Staatskasse streckt die Zahlung vor, fordert diese aber später vom Verurteilten zurück.
  • Finanzielle Situation: Anders als bei der Prozesskostenhilfe im Zivilrecht spielt das Einkommen des Angeklagten keine Rolle. Auch bei geringem Einkommen müssen die Kosten bei einer Verurteilung zurückgezahlt werden.

3. Zusätzliche Gebühren bei Fahrerlaubnisentziehung

  • Bei Verfahren zur Fahrerlaubnisentziehung können zusätzliche Gebühren entstehen, z. B. für Verwaltungsakte oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Diese sind jedoch nicht Teil der Pflichtverteidigerkosten und müssen separat getragen werden.

4. Beispielrechnung

Stellen Sie sich vor, Sie werden wegen eines Verkehrsdelikts angeklagt, das zu einer Fahrerlaubnisentziehung führen könnte:

  • Grundgebühr: ca. 176 €
  • Verfahrensgebühr: ca. 145 €
  • Terminsgebühr (z. B. für eine Hauptverhandlung): ca. 300 € Gesamtkosten: ca. 621 € (ohne zusätzliche Auslagen oder Zuschläge).

Wichtige Hinweise

Wenn Sie freigesprochen werden oder das Verfahren eingestellt wird, entstehen Ihnen keine Kosten für den Pflichtverteidiger, da diese von der Staatskasse übernommen werden. Bei einer Verurteilung müssen Sie jedoch mit Rückforderungen rechnen.

Berufskraftfahrer sollten beachten, dass der Verlust der Fahrerlaubnis nicht nur finanzielle Belastungen durch Anwaltskosten mit sich bringt, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf ihre berufliche Existenz haben kann.


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Wie läuft das Verfahren zur Bestellung eines Pflichtverteidigers ab?

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt nach den Regelungen der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere nach § 140 StPO. Dieses Verfahren ist besonders relevant, wenn für Berufskraftfahrer bei drohendem Fahrerlaubnisentzug schwerwiegende Konsequenzen wie der Verlust des Arbeitsplatzes drohen.

Voraussetzungen für die Bestellung

Ein Pflichtverteidiger wird bestellt, wenn ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vorliegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn:

  • Die Schwere der Tat oder die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen dies erfordern (z. B. drohender Führerscheinentzug mit gravierenden beruflichen Konsequenzen für Berufskraftfahrer).
  • Die Sach- oder Rechtslage so schwierig ist, dass ein Laie sich nicht selbst verteidigen kann.
  • Es offensichtlich ist, dass der Beschuldigte nicht in der Lage ist, seine Verteidigung eigenständig wahrzunehmen (§ 140 Abs. 2 StPO).

Ablauf des Verfahrens

  1. Antragstellung:
    • Der Betroffene oder sein Wahlverteidiger beantragt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Dies kann bereits im Ermittlungsverfahren geschehen (§ 141 Abs. 3 StPO).
    • Der Antrag sollte gut begründet sein, z. B. mit Verweis auf drohende schwerwiegende Konsequenzen wie den Verlust der Fahrerlaubnis und damit verbundene berufliche Nachteile.
  2. Prüfung durch das Gericht:
    • Das zuständige Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung vorliegen.
    • Bei Berufskraftfahrern wird berücksichtigt, ob ein Führerscheinentzug faktisch einem Berufsverbot gleichkommt und damit die Schwere der Tat oder Rechtsfolge gegeben ist.
  3. Entscheidung:
    • Das Gericht entscheidet über die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
    • Wird dem Antrag stattgegeben, übernimmt das Gericht die Auswahl und Bestellung des Pflichtverteidigers.
  4. Kostenübernahme:
    • Die Kosten des Pflichtverteidigers werden zunächst von der Staatskasse übernommen. Sollte der Betroffene jedoch verurteilt werden, können diese Kosten später auf ihn umgelegt werden (§ 465 StPO).

Beispiel aus der Praxis

Ein Berufskraftfahrer mit mehreren Eintragungen im Verkehrszentralregister beantragt einen Pflichtverteidiger, da ihm bei einer weiteren Verurteilung die Entziehung der Fahrerlaubnis droht. Das Landgericht Mainz entschied in einem solchen Fall zugunsten des Betroffenen, da ein Führerscheinentzug für ihn einem Berufsverbot gleichkäme und damit die „Schwere der Tat“ erreicht war.

Wichtige Hinweise

  • Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt nicht automatisch; sie muss beantragt werden.
  • Berufskraftfahrer sollten in Fällen drohender Fahrerlaubnisentziehung frühzeitig aktiv werden und das Gericht über mögliche berufliche Konsequenzen informieren.

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Betroffene auch in komplexen Verfahren eine angemessene Verteidigung erhalten.


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Welche Bedeutung hat die drohende Fahrerlaubnisentziehung für die Pflichtverteidigerbestellung?

Die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis kann ein zentrales Kriterium für die Bestellung eines Pflichtverteidigers sein, insbesondere bei Berufskraftfahrern, deren Existenz direkt von der Fahrerlaubnis abhängt.

Rechtliche Grundlage

Gemäß § 140 Abs. 2 StPO ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn die „Schwere der Tat“ oder die „Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen“ dies erfordert. Dabei wird nicht nur die Höhe der zu erwartenden Strafe berücksichtigt, sondern auch schwerwiegende Nachteile, die sich aus der Verurteilung ergeben können. Ein solcher Nachteil kann der Verlust der Fahrerlaubnis sein, insbesondere wenn dieser mit gravierenden Folgen für das berufliche und private Leben des Angeklagten verbunden ist.

Bedeutung für Berufskraftfahrer

Für Berufskraftfahrer, deren Tätigkeit unmittelbar von einer gültigen Fahrerlaubnis abhängt, wiegt eine drohende Entziehung besonders schwer. Der Verlust des Führerscheins führt in solchen Fällen oft zum Verlust des Arbeitsplatzes und damit zu erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Gerichte haben in solchen Fällen regelmäßig entschieden, dass die Schwere der Rechtsfolgen eine Pflichtverteidigerbestellung rechtfertigt:

  • Landgericht Itzehoe (2023): Ein Berufskraftfahrer, der seit Jahrzehnten in seinem Beruf tätig ist, hätte im Falle des Führerscheinentzugs nicht nur seinen Arbeitsplatz verloren, sondern wäre auch daran gehindert, seinen Beruf bis zum Wiedererwerb der Fahrerlaubnis auszuüben. Dies stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar und rechtfertigt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
  • Landgericht Mainz (2009): Ein 61-jähriger Berufskraftfahrer hätte bei einem Führerscheinentzug faktisch ein Berufsverbot bis zum Rentenalter erlitten. Dies wurde als ausreichend gravierend angesehen, um einen Pflichtverteidiger beizuordnen.

Abgrenzung zu anderen Fällen

Nicht jede drohende Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt automatisch die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Entscheidend ist die Schwere der Konsequenzen:

  • Bei einfachen Verkehrsverstößen ohne weitreichende berufliche oder soziale Folgen wird eine Pflichtverteidigerbestellung in der Regel abgelehnt.
  • Liegen jedoch besondere Umstände vor, wie etwa eine existenzielle Abhängigkeit vom Führerschein oder eine schwierige Sach- oder Rechtslage, kann dies anders beurteilt werden.

Praktische Relevanz

Wenn Sie als Berufskraftfahrer von einem Verfahren betroffen sind, bei dem Ihnen der Führerscheinentzug droht, sollten Sie darauf achten, dass die möglichen beruflichen Konsequenzen im Verfahren berücksichtigt werden. Dies kann entscheidend dafür sein, ob Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird.


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Kann ich mir meinen Pflichtverteidiger selbst aussuchen?

Ja, Sie haben grundsätzlich die Möglichkeit, Ihren Pflichtverteidiger selbst vorzuschlagen.

Wie funktioniert die Auswahl eines Pflichtverteidigers?

Nach § 142 Abs. 5 Strafprozessordnung (StPO) haben Sie das Recht, vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers einen Anwalt Ihres Vertrauens zu benennen. Dieser Anwalt wird dann als sogenannter Wahlpflichtverteidiger bestellt, sofern keine wichtigen Gründe dagegen sprechen. Solche Gründe könnten sein:

  • Der vorgeschlagene Anwalt ist nicht verfügbar oder lehnt das Mandat ab.
  • Es bestehen Zweifel an der Eignung des Anwalts für den konkreten Fall.

Wenn Sie keinen Anwalt benennen, wählt das Gericht einen Pflichtverteidiger aus einem Verzeichnis geeigneter Anwälte aus.

Was passiert, wenn kein Vorschlag gemacht wird?

Falls Sie keinen Anwalt vorschlagen oder Ihr Vorschlag abgelehnt wird, bestimmt das Gericht einen Pflichtverteidiger aus einer Liste der Bundesrechtsanwaltskammer. Dabei wird in der Regel ein Fachanwalt für Strafrecht ausgewählt oder ein Anwalt, der sich für Pflichtverteidigungen bereit erklärt hat.

Besondere Bedeutung für Berufskraftfahrer

Gerade für Berufskraftfahrer, denen der Entzug der Fahrerlaubnis droht, ist die Wahl eines kompetenten Anwalts entscheidend. Der Verlust der Fahrerlaubnis kann schwerwiegende berufliche Konsequenzen haben, wie etwa den Verlust des Arbeitsplatzes. In solchen Fällen wird häufig ein Pflichtverteidiger beigeordnet, da die Rechtsfolgen als besonders einschneidend gelten (§ 140 Abs. 2 StPO). Es ist daher ratsam, frühzeitig einen erfahrenen Strafverteidiger vorzuschlagen, um eine optimale Verteidigung sicherzustellen.

Kann ich den Pflichtverteidiger wechseln?

Falls Sie mit Ihrem zugewiesenen Pflichtverteidiger unzufrieden sind, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Wechsel beantragen (§ 143a Abs. 2 StPO). Dies ist jedoch nur möglich, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, wie z. B. ein gestörtes Vertrauensverhältnis.

Praktischer Hinweis

Wenn Sie einen bestimmten Anwalt als Pflichtverteidiger wünschen, sollten Sie diesen frühzeitig kontaktieren und klären, ob er bereit ist, das Mandat zu übernehmen. Informieren Sie anschließend das Gericht über Ihren Vorschlag.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Pflichtverteidiger

Ein vom Gericht bestellter Rechtsanwalt, der die Verteidigung eines Beschuldigten in einem Strafverfahren übernimmt, wenn eine Pflichtverteidigung gesetzlich vorgeschrieben ist oder das Gericht sie für notwendig hält. Die Kosten trägt zunächst der Staat. Grundlage ist § 140 StPO (Strafprozessordnung).

Beispiel: Bei schweren Straftaten oder wenn dem Beschuldigten mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe droht, muss das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen.


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Fahrerlaubnisentziehung

Die gerichtliche Maßnahme, mit der einem Verkehrsteilnehmer die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wird. Basiert auf § 69 StGB bei Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Entziehung erfolgt für mindestens 6 Monate und erfordert eine neue Fahrerlaubnisprüfung.

Beispiel: Nach einer Unfallflucht kann das Gericht die Fahrerlaubnis entziehen, weil der Täter sich als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen hat.


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Sofortige Beschwerde

Ein Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, das innerhalb einer Woche eingelegt werden muss. Es ermöglicht die schnelle Überprüfung von Beschlüssen durch das nächsthöhere Gericht. Geregelt in §§ 311ff. StPO.

Beispiel: Die Ablehnung eines Pflichtverteidigers kann durch sofortige Beschwerde angefochten werden.


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Angeschuldigter

Bezeichnung für eine Person im Strafverfahren, gegen die bereits öffentliche Klage erhoben wurde, aber noch kein Hauptverfahren eröffnet ist. Unterscheidet sich vom Beschuldigten (vor Anklageerhebung) und vom Angeklagten (nach Eröffnung des Hauptverfahrens).


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Rechtsfolge

Die gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen, die sich aus einem bestimmten Verhalten oder einer Handlung ergeben. Im Strafrecht umfasst dies Haupt- und Nebenstrafen sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung.

Beispiel: Die Fahrerlaubnisentziehung ist eine Rechtsfolge der Unfallflucht.


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Berufsfreiheit

Ein durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschütztes Grundrecht, das die freie Wahl und Ausübung des Berufes garantiert. Einschränkungen sind nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes möglich, wenn wichtige Gemeinwohlbelange dies rechtfertigen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 140 Abs. 2 StPO (Notwendige Verteidigung): Die Vorschrift regelt die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Fällen, in denen die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich macht. Bei der Bewertung sind alle möglichen Rechtsfolgen in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die drohende Fahrerlaubnisentziehung und der damit verbundene Arbeitsplatzverlust stellen eine besonders schwere Rechtsfolge dar, die eine Pflichtverteidigerbestellung rechtfertigt.
  • § 69 Abs. 1 StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis): Diese Norm ermöglicht dem Gericht, einem Täter die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die Entziehung ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung, keine Strafe. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dem Berufskraftfahrer droht wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort die Entziehung der Fahrerlaubnis, was seine berufliche Existenz gefährdet.
  • Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit): Das Grundrecht garantiert die freie Wahl des Berufs und dessen ungehinderte Ausübung. Eingriffe in die Berufsfreiheit müssen verhältnismäßig sein und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Entziehung der Fahrerlaubnis würde einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit des seit 32 Jahren tätigen Berufskraftfahrers darstellen.
  • § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort): Die Vorschrift stellt das unerlaubte Entfernen vom Unfallort unter Strafe und soll die Beweissicherung nach Verkehrsunfällen gewährleisten. Der Tatbestand wird als Indiz für die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gewertet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort bildet die Grundlage für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Das vorliegende Urteil


LG Itzehoe – Az.: 14 Qs 160/23 – Beschluss vom 02.11.2023


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