AG Hattingen – Az.: 24 Cs 237/11 – Urteil vom 22.02.2012
Der Angeklagte wird wegen Beleidigung und übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verurteilt.
Im Übrigen wird er freigesprochen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Soweit er freigesprochen wurde, trägt die Landeskasse seine notwendigen Auslagen und die Verfahrenskosten.
§§ 185, 183, 53 StGB
Gründe
I. Zur Person
Der …-jährige Angeklagte ist verheirateter Vater von … Kindern, von denen eins unterhaltsberechtigt ist. Als selbständiger … betreibt er ein Unternehmen in H. Strafrechtlich ist er bis zum … nicht in Erscheinung getreten.
II. Zur Sache
An diesem Tag führte der Polizeibeamte S. in … am Fahrbahnrand der H.-Straße Geschwindigkeitsmessungen durch. Der Angeklagte nahm dies wahr und ärgerte sich darüber, weil er der Ansicht war, es handele sich um Maßnahmen, die lediglich dem Gewinnstreben der Behörden dienten. Es kam sodann zu einer Konfrontation mit dem Polizeibeamten S., die Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht I waren. In diesem Verfahren wurde der Angeklagte wegen Beleidigung des Polizeibeamten zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den Polizeibeamten als „Arschloch“ bezeichnet hatte. Der Angeklagte beharrte bis zuletzt darauf, er habe lediglich das Wort „Abzocker“ benutzt, was keine Beleidigung darstelle. Der Antrag auf Zulassung der Berufung des Angeklagten hatte keinen Erfolg. Das Urteil wurde am rechtskräftig.
Der Angeklagte, der bis zum heutigen Tag seine Behauptung aufrecht erhält, gegenüber dem Polizeibeamten nicht das Wort „Arschloch“ benutzt zu haben, konnte dies nicht akzeptieren. Am veröffentlichte er in einem sogenannten Hilfeforum auf den Servern der Firma H1 den folgenden Eintrag:
„P.S., Polizeibeamter, wer hat schon einmal ein gerichtliches Verfahren mit besagtem Beamten gehabt??? Wir haben ein OWi-Verfahren mit dem Zeugen S. (Polizeibeamter) gehabt, wir unterlagen, in der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Zeugen S. um einen zuverlässigen Zeugen des Gerichts handelte, hatte für mich den üblen Beigeschmack, als dass sich vorher mit dem Richter und der Staatsanwaltschaft abgesprochen wurde, frei nach dem Motto, was nicht passt, wird passend gemacht, wer hat die gleichen Erfahrungen gemacht oder hatte ebenfalls unangenehme Belastungen mit oder gegen Herrn S. vor Gericht gesessen zu haben und musste sich die, meiner Meinung nach Unwahrheiten, des Herrn S. anhören, für mich heißt dieser Mann sofort der Münchhausen der Polizei!!!“
Der Geschädigte, der anlässlich einer Suche nach seinem Namen zufällig am Kenntnis von dem Eintrag nahm, erstattete Strafanzeige gegen den Angeklagten. Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am gab dieser einen unter dem Datum gefertigten Schriftsatz als Einlassung zum Vorgang ab. In diesem Schriftsatz behauptete er unter anderem, der Polizeibeamte S. hätte vor Gericht eine Falschaussage getätigt und leide nach seiner Meinung an einer ausgeprägten Profilneurose. Wegen dieser Äußerung stellte der Polizeibeamte erneut Strafantrag, nachdem er durch seinen Prozessvertreter davon erfahren hatte.
Am x schrieb der Angeklagte an die Staatsanwaltschaft F eine erneute Einlassung als Beschuldigter, in der es unter anderem heißt: „Nun werde ich abermals vorgeladen wegen „falscher Verdächtigungen“, ich schreibe nun mal auf Deutsch, ich weiß nicht, was dieser, bei allem Respekt gegenüber der Justiz, begnadete Vollpfosten überhaupt von mir will, auf solche Polizeibeamten kann der deutsche Staat getrost verzichten und zum Leidwesen werden solche Leute auch noch aus Steuergeldern bezahlt. Sie haben es in der Hand, diesen Polizeibeamten S. in die Schranken zu weisen, … “
III. Beweiswürdigung
Die vorstehenden Feststellungen hat der Angeklagte in Bezug auf die darin enthaltenen Tatsachen eingeräumt. Er hat glaubhaft zugegeben, sowohl den Eintrag bei H1, als auch die beiden Schreiben an Polizei und Staatsanwaltschaft verfasst zu haben.
IV. Rechtliche Würdigung
Soweit das Verhalten des Angeklagten im Vorfall vom im Zusammenhang mit der Behauptung, der Polizeibeamte S. hätte vor Gericht eine Falschaussage getätigt und leide an einer ausgeprägten Profilneurose steht, war der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen. Zwar impliziert diese Äußerung, dass der Zeuge S. vor Gericht falsch ausgesagt und somit eine Straftat begangen hat, was den Vorwurf der falschen Verdächtigung begründen könnte. Soweit kommt auch ein Vergehen der üblen Nachrede in Betracht. Im Hinblick auf § 164 StGB fehlt es jedoch bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands, da diese Behauptung des Angeklagten nicht geeignet war, gegen den Zeugen S. ein Strafverfahren einzuleiten. Der Angeklagte hat mit dieser Äußerung nämlich nichts anderes getan, als seine – wenn auch zur Überzeugung des Gerichts irrige – Auffassung, er habe seinerzeit nicht das Wort Arschloch sondern das Wort Abzocker benutzt und der Zeuge S. habe insoweit wahrheitswidrig etwas anderes angegeben, zu perpetuieren. Er hat dies aber nicht damit verbunden, neue – falsche – Tatsachen zu behaupten, so dass – wie tatsächlich auch geschehen – für alle Beteiligten klar war, dass es sich lediglich um die Fortsetzung des uneinsichtigen Verhaltens des Angeklagten handelt und nicht um Beschuldigungen von neuer Qualität. Dass der Angeklagte die erneute Behauptung, der Zeuge S. habe im Prozess etwas Falsches widergegeben, mit seiner Einschätzung verbindet, dieser leide an einer ausgeprägten Profilneurose, ist weder eine Beleidigung noch eine üble Nachrede. Der Angeklagte verleiht hier lediglich seiner Überzeugung Ausdruck, ohne diese mit an sich abwertenden oder nachweislich falschen Begriffen zu untermauern. Insoweit war der Angeklagte freizusprechen.
Im Übrigen hat der Angeklagte sich wegen Beleidigung (Verwendung des Wortes „begnadeter Vollpfosten“ in seinem Schreiben vom an die Staatsanwaltschaft) sowie wegen übler Nachrede (H1-Eintrag) strafbar gemacht.
Das Wort „begnadeter Vollpfosten“ stellt eine Herabsetzung und ehrverletzende Bezeichnung dar, die den Zeugen als jemanden qualifiziert, der auf dem Niveau eines Stücks unbelebter Materie vegetiert. Dadurch wird dieser Würde und Ehre herabgesetzt.
Im Hinblick auf den Eintrag bei H1 hat der Angeklagte den Tatbestand der üblen Nachrede verwirklicht, § 186 StGB. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass die Verwendung des Wortes Münchhausen in Bezug auf den Zeugen S. isoliert betrachtet keine Beleidigung darstellt. Allerdings impliziert diese Bezeichnung, dass der Zeuge ein Lügner sei, was der Angeklagte in demselben Blog-Eintrag noch vertieft. Dabei handelt es sich um die Behauptung einer Tatsache, die geeignet ist, den Zeugen verächtlich zu machen und daher in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
Der Angeklagte handelt vorliegend nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Grundsätzlich ist er selbstverständlich berechtigt, das gegen ihn verhängtet Urteil für falsch und den Zeugen S. für einen Lügner zu halten. In geeigneter Form werden entsprechende Äußerungen auch als Ausdruck der Meinungsfreiheit des Angeklagten (Artikel 5 Grundgesetz) zu tolerieren sein. Die Form der Beleidigung (Vollpfosten) oder der üblen Nachrede durch die Veröffentlichung der nicht erweislich wahren Aussage, der Zeuge S. sei ein Lügner, ist jedoch nicht gerechtfertigt.
V. Strafzumessung
Bei der Strafzumessung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser inzwischen versucht hat, den Eintrag bei H1 entfernen zu lassen, was ihm bislang allerdings noch nicht gelungen ist. Ebenfalls mildernd ist berücksichtigt worden, dass der Angeklagte subjektiv offenbar tatsächlich fest davon überzeugt ist, nicht „Arschloch“ sondern „Abzocker“ gesagt zu haben und damit Opfer eines Justizirrtums geworden zu sein. Die damit verbundene subjektive Empörung ist nachvollziehbar. Aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände nach § 46 StGB hielt das Gericht für beide Taten eine Geldstrafe von jeweils 40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen, woraus die ausgeurteilte Gesamtgeldstrafe gebildet werden konnte. Bei der Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes ist das dem Angeklagten zur Verfügung stehende monatliche Einkommen berücksichtigt worden.
VI. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467 StPO.