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Rechtswidrigkeit – Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen eines nichtbeschuldigten Dritten

LG Limburg – Az.: 1 Qs 72/12 – Beschluss vom 22.06.2012

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers durch Beschluss des Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn … rechtswidrig war.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Limburg a. d. Lahn führt gegen die Beschuldigen … ein Ermittlungsverfahren … Sie sollen mehrere Gegenstände eines … Unternehmens, …, entwendet und später teilweise dem Verkauf zugeführt haben.

Die Ermittlungen … ergaben, dass … der Zeuge …, der gewerbsmäßig den An- und Verkauf … über die Versteigerungsplattform … betreibt, diesen Beamer über die Versteigerungsplattform von dem Anbieter … gekauft und dann zeitnah weiter veräußert hat.

Nachdem der Zeuge … auf polizeiliche Nachfrage wegen weiterer Einzelheiten zum Käufer Rücksprache mit seinem Steuerberater gehalten hatte, teilte er den Ermittlungsbeamten …1 mit: „der Name ist M…, …strasse …, …“. Über www…de wurde … als zur Postleitzahl gehöriger Ort ermittelt. Mit weiterer Verfügung der Staatsanwaltschaft vom … ist vermerkt, dass aufgrund dieser Mitteilung des Zeugen eine Durchsuchung bei „Herrn M…“ erforderlich sei. Die Staatsanwaltschaft beantragte … den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses in Bezug auf die Person sowie die Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des „Herrn M…“ mit der Begründung, dass nach den bisherigen Ermittlungen wegen des Verdachts des Diebstahls/ der Hehlerei gegen die Beschuldigten zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung des Beamers … führen werde. Die auf Veranlassung des Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn nach den vollständigen Personalien durchgeführte Einwohnermeldeamtsanfrage ergab „A… M…“ als vollständige Vor- und Zunamen.

Mit dem angefochtenen Beschluss … ordnete das Amtsgericht Limburg a. d. Lahn daraufhin gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung des Beschwerdeführers sowie seiner Wohn- und Geschäftsräume einschließlich sämtlicher Nebenräume in der …, zum Zwecke des Auffindens des Beamers … sowie die Beschlagung dieses Gegenstandes gemäß §§ 94, 98 StPO an.

Aufgrund des Ermittlungsgesuches der Staatsanwaltschaft Limburg a.d. Lahn … begaben sich Beamte der Polizeistation … am … zur Wohnanschrift des Beschwerdeführers, wo sie dessen Ehefrau … antrafen. Nachdem die Beamten der Ehefrau des Beschwerdeführers den Durchsuchungsbeschluss eröffnet hatten, gab diese den Beamer, den die Polizei vorläufig sicherstellte, sowie die auf sie lautende Rechnung … zu dem Gerät heraus.

Mit Schriftsatz vom 26. April 2012 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt und beantragt, festzustellen, dass dieser Beschluss unrechtmäßig sei. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass nicht er, sondern seine Ehefrau den Beamer gekauft habe, der Beamer auf Anfrage auch ohne Beschluss sofort herausgegeben worden wäre und der Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30. April 2012 die Abhilfe versagt.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 304 StPO zulässig.

Der Beschwerdeführer verfügt über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Es entfällt nicht durch den Vollzug der Durchsuchung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Rz. 15, § 105; Rz. 18a, Vor § 296 m. w. N.). Es kommt ferner nicht darauf an, ob vorliegend tatsächlich die Durchsuchung in der Wohnung vollzogen worden ist.

Jedenfalls haben die Polizeibeamten auf Weisung der Staatsanwaltschaft unmittelbar zu dem Vollzug des angefochtenen Beschluss angesetzt. Denn sie haben sich zu der Wohnung des Beschwerdeführers begeben und über die Mitteilung des Besuchsgrundes den Vollzug des Beschlusses gegenüber seiner Ehefrau angekündigt. Unter diesem Eindruck erfolgte die Herausgabe des Beamers und später auch der dem Erwerb zugrunde liegenden Rechnung.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt lag ein Eingriff in Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2008 (Az. 2 BvR 683/08 <18 f> – zitiert nach juris) hierzu ausgeführt:

„(…) Auf die von dem Landgericht aufgeworfene Frage, ob bereits die bloße Existenz eines Durchsuchungsbeschlusses in den Ermittlungsakten, von der der Betroffene in der Regel keine Kenntnis hat, bereits einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG darstellt, kommt es hier nicht an. Denn der angegriffene Durchsuchungsbeschluss befand sich nicht nur in den Akten, vielmehr haben die Ermittlungsbehörden unmittelbar zu der Durchsuchung angesetzt. Die Durchsuchungsbeamten haben die Räumlichkeiten des Beschwerdeführers betreten, ihm den Durchsuchungsbeschluss vorgelegt, den Vollzug des Beschlusses angekündigt und unter dem Eindruck dieses Beschlusses und der drohenden Durchsuchung seine Kooperation veranlasst. Von dem Vollzug der Durchsuchung durch Durchsuchungsbeamte unterscheidet sich der hiesige Fall nur dadurch, dass der Beschwerdeführer das Öffnen seiner Schränke und Schubladen und die Durchsicht seiner Räumlichkeiten und Unterlagen durch die Herausgabe der gesuchten Gegenstände abwenden konnte. Der Beschwerdeführer wurde in die Lage versetzt, die Unverletzlichkeit seiner Geschäftsräume gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt verteidigen und sich gegen das Eindringen des Staates in seine grundrechtlich geschützte Sphäre zur Wehr setzen zu müssen. Damit hat sich die in dem Durchsuchungsbeschluss angelegte Bedrohung der Unverletzlichkeit der Wohnung in einem Maße realisiert, dass hier – anders als das Landgericht meint – von einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff auszugehen ist. Auch wenn es nicht zu einer Durchsuchung im Sinne eines „wahllosen Herumwühlens“ (vgl. BVerfGE 75, 318 <327>) kommt, bedeutet das Eindringen staatlicher Organe regelmäßig einen schweren Eingriff in die persönliche Lebenssphäre des Betroffenen (vgl. BVerfGE 75, 318 <328>).

Von einer freiwilligen Herausgabe der gesuchten Unterlagen durch den Beschwerdeführer oder gar von einem Verzicht auf den Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG (zur Einwilligung vgl. Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 55) kann hier keine Rede sein. Dies würde voraussetzen, dass die Einwilligung frei von jedem physischen und psychischen Zwang ist. Hier war dem Beschwerdeführer aber nicht die Wahl gegeben, den Durchsuchungsbeamten die Durchsuchung zu verwehren. Denn hätte er sich nicht zur freiwilligen Herausgabe entschieden, hätten die Durchsuchungsbeamten die Durchsuchung zur Auffindung der gesuchten Unterlagen durchgeführt. (…)“

Die Kammer schließt sich dieser Bewertung ohne Einschränkungen an.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Anordnung der Durchsuchung war fehlerhaft. Sie genügt nicht den gemäß Artikel 13 Abs. 1, Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 GG, §§ 103, 105 StPO zu stellenden Anforderungen.

Gemäß § 103 StPO kann bei einem unverdächtigen Dritten die Durchsuchung grundsätzlich angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen vermuten lassen, dass sich bestimmte als Beweismittel dienende Gegenstände in dessen Räumen befinden. Dabei sind bei der Durchsuchung nach § 103 StPO bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, erhöhte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen (BVerfG vom 03.07.2006, Az. 2 BvR 299/06 <29> – zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht.

Der Durchsuchungsbeschluss beschreibt zwar die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Taten und auch die zu suchenden Gegenstände ebenso wie die Verbindung zwischen den Beschuldigten und den ihnen zur Last gelegten Taten sowie dem Beschwerdeführer. Dieser Zusammenhang beruht jedoch nicht auf den gesicherten Ermittlungsergebnissen, sondern nur auf Schlussfolgerungen ohne hinreichend fundierte Tatsachengrundlage.

Der Zeuge … hatte den ermittelnden Beamten lediglich den Nachnamen des „Käufers“, eine Strasse mit Hausnummer und eine Postleitzahl genannt. Die ermittelnde Behörde hat hieraufhin eine Recherche über das Internetportal … vorgenommen und dabei den Ortsnamen zu der Postleitzahl ermittelt. Ohne weitere Prüfung wurde gefolgert, dass es sich bei dem „Käufer“ um „Herrn M…“ handeln müsse. Weitere Ermittlungen mit dem Ziel der Konkretisierung der Person erfolgten nicht. So wurden die Rechnungsunterlagen, die der Zeuge … in seiner Vernehmung selbst angesprochen hatte und aus denen sich, wie die später von der Ehefrau des Beschwerdeführers übergebene Rechnung belegt, neben der Adresse auch deutlich ergibt, dass nicht „Herr M…“, sondern Frau … M… den Beamer erworben hatte, nicht bei dem Zeugen Bischoff zuvor nachgefragt.

Zudem sind vor der Anordnung der Durchsuchung keine weniger einschneidenden Maßnahmen in Erwägung gezogen worden.

Eine Durchsuchungsanordnung darf nur ergehen, wenn nach dem Prinzip des geringst möglichen Eingriffs eine den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahme in gleichem Umfang nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Vorliegend hätte der Beschwerdeführer jedenfalls zunächst durch einen Beschluss gemäß § 95 StPO unter Androhung von Ungehorsamsfolgen zur Herausgabe des Beamers aufgefordert werden können.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert nämlich in aller Regel, dass der Dritte zunächst zu einer freiwilligen Herausgabe des gesuchten Beweismittels ausgefordert wird. Dieser, dem § 95 Abs. 1 StPO inne wohnende Rechtsgedanke ist grundsätzlich bei Fällen der Durchsuchung bei Dritten gemäß § 103 StPO im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Dem Herausgabeverlangen wird nicht bereits dadurch genüge getan, dass dieses Aufforderungen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bevorstehenden Durchführung einer Durchsuchung erfolgt. Anhaltspunkte dahingehend, dass vorliegend über eine derartige Vorgehensweise der Durchsuchungszweck hätte gefährdet sein können, bestanden nach dem Ermittlungsergebnis nicht. Insbesondere ergaben sich keine Anhaltspunkte für einen unmittelbaren Kontakt des Beschwerdeführers zu den Beschuldigten.

Letztlich hätte als milderes Mittel ein Vorgehen gemäß § 95 Abs. 2 StPO – freilich nach vorangegangener Beschlagnahmeanordnung – zur Verfügung gestanden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs.1 StPO.

 

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