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Richter als Zeuge einer Straftat – Ausschluss von Ausübung des Richteramtes

AG Rudolstadt, Az.: 260 Js 15751/18 2 Cs, Beschluss vom 14.03.2019

Gründe

I.

1. Der Angeklagte Sven B. steht nach den bisherigen Erkenntnissen in Verdacht, am 12.02.2018 gegen 13.45 Uhr im Flur des 2. Obergeschosses des hiesigen Amtsgerichtsgebäudes den als Zeugen geladenen Polizeibeamten David Br. und André K. den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt zu haben, um diese zu verhöhnen. In der Hauptverhandlung vom 17.01.2019 hat der Verteidiger des Angeklagten den Vorsitzenden, Richter am Amtsgericht Mäder, der nach dem Geschäftsverteilungsplan zur Mitwirkung in diesem Verfahren berufen ist, als Zeugen zum Beweis der Tatsache benannt, daß der Angeklagte am Tattag im Flur den beiden Polizeibeamten nicht den „Stinkefinger“ gezeigt hat. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ist diesem Beweisantrag nicht entgegengetreten. Der Vorsitzende hat in seiner Selbstanzeige vom 22.01.2019 erklärt, Zeuge des Tatgeschehens gewesen zu sein und deshalb die eigene Vernehmung nunmehr für unumgänglich zu erachten.

II.

2. Der betroffene Vorsitzende ist bei dieser Sachlage von der Ausübung des Richteramtes in entsprechender Anwendung des § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen.

3. Nach dem selbstverständlichen Grundsatz, daß niemand in derselben Sache zugleich Richter und Zeuge sein kann, ist ein Richter nach § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge vernommen ist. Allein die Benennung als Zeuge oder die bloße Möglichkeit einer Vernehmung genügt indes nicht (Graf-Cirener, StPO, 3. Aufl., § 22 Rn. 31). Andernfalls hätten es Verfahrensbeteiligte in der Hand, durch bloße Benennung von Richtern als Zeugen das Gericht ohne sachlichen Grund an der Ausübung des Amtes zu hindern und eine geordnete Rechtspflege unmöglich zu machen (BGHSt 7, 330, 331; LR-Siolek, StPO, 27. Aufl., § Rn. 42). Jedoch ist im vorliegenden Fall, den der Gesetzgeber ersichtlich übersehen hat, zu berücksichtigen, daß der Vorsitzende nach seiner eigenen – zutreffenden – Einschätzung, wie sich aus seiner Selbstanzeige ergibt, Zeuge in diesem Verfahren sein wird. Er würde somit gleichzeitig Richter und Zeuge in der erneuten Hauptverhandlung sein. Dies will aber § 22 Nr. 5 StPO gerade vermeiden. Dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Grundsatz, wonach niemand in derselben Sache zugleich Richter und Zeuge zu sein vermag, kann demgemäß nur dadurch Rechnung getragen werden, daß der betroffene Vorsitzende auch ohne vorherige Vernehmung in dem gesamten Verfahren, daß aufgrund der Identität des historischen Ereignisses die Verfolgung einer bestimmten Straftat zum Gegenstand hat, vom Richteramt ausgeschlossen ist. Sonst wäre der zur Entscheidung berufene Richter sachwidrigerweise gezwungen, sich zunächst selbst zu vernehmen, um den Ausschlußgrund des § 22 Nr. 5 StPO herbeizuführen mit der Folge, daß der gesamte Prozeß neu zu beginnen hätte, oder müßte, um eine Wiederholung der Hauptverhandlung zu vermeiden, das gesamte Verfahren in Anwesenheit eines Ergänzungsrichters durchgeführt werden. In einem solchen Fall ist deshalb vielmehr schon aus prozeßökonomischen Gründen eine, weil das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG im Strafverfahrensrecht nicht gilt (vgl. KG, NJW 1979, 1668, 1669; Krey/Heinrich, Deutsches Strafverfahrensrecht, 2. Aufl., Rn. 7), entsprechende Anwendung des § 22 Nr. 5 StPO geboten (vgl. LG Lüneburg, StV 2005, 77, 78; AG Brandenburg, StraFo 2007, 501, 502; SK StPO-Weßlau/Deiters, 5. Aufl., § 22 Rn. 18; AnwK StPO-Werner, 2. Aufl., § 22 Rn. 10; KMR-Neubeck, StPO, 8. Aufl., vor § 48 Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., vor § 48 Rn. 15).

4. Weil der Auschluß des betroffenen Richters bei einer entsprechenden Anwendung des § 22 Nr. 5 StPO allerdings nicht zweifelsfrei kraft Gesetzes erfolgt, hat dieser Richter, der seine Vernehmung als Zeuge für erforderlich hält, um eine Umgehung des von § 30 StPO vorgesehenen Verfahrens, das auch der Bestimmung des gesetzlichen Richters dient (BGHSt 25, 122, 125; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 30 Rn. 1) und in dem den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör zu gewähren ist (BVerfG, NStE Nr. 1 zu § 30 StPO), zu verhindern, regelmäßig eine Anzeige nach § 30 StPO zu fertigen; vom Richteramt ist er erst dann ausgeschlossen, wenn die hierfür notwendige Entscheidung, mit der die Selbstanzeige für begründet erklärt wird, ergeht. So ist hier infolgedessen verfahren worden.

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