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Schmähkritik – Voraussetzungen

Ein Journalist nennt eine Bundestagsabgeordnete „es“ und löst damit einen Rechtsstreit aus, der bis vor das Kammergericht Berlin geht. Das Gericht musste abwägen zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Politikerin und der Meinungsfreiheit des Journalisten. Am Ende entschied das Gericht, dass die Äußerung zwar herabwürdigend, aber noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Fall dreht sich um die Frage, ob die Äußerungen des Angeklagten im Kontext einer politischen Abstimmung als Beleidigung im Sinne des Gesetzes zu werten sind.
  • Der Angeklagte sprach die betroffene Politikerin während einer Videoaufzeichnung beleidigend an und machte abfällige Bemerkungen über deren Geschlechtsidentität.
  • Die Schwierigkeit bestand darin, die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und strafbarer Beleidigung zu ziehen.
  • Das Landgericht Berlin entschied, dass die Äußerungen des Angeklagten keine Beleidigung darstellten und sprach ihn frei.
  • Das Gericht stellte fest, dass die Äußerungen nicht den erforderlichen Grad an Missachtung ergaben, um eine Beleidigung zu begründen.
  • Diese Entscheidung zeigt, dass Äußerungen, die im Kontext politischer Auseinandersetzungen fallen, manchmal als weniger gravierend angesehen werden könnten.
  • Die Auswirkungen der Entscheidung sind, dass die Meinungsfreiheit in politischen Diskussionen stärker gewichtet wird, solange keine eindeutige und grobe Herabsetzung vorliegt.
  • Dieser Fall könnte dazu führen, dass ähnliche Äußerungen in der Zukunft als zulässig angesehen werden, was rechtliche Unsicherheiten in der öffentlichen und politischen Äußerung verstärken könnte.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Kontextes und der Absicht hinter Äußerungen bei der Bewertung von Beleidigungen.
  • Für Bürger besteht weiterhin ein Risiko, sich in der öffentlichen Auseinandersetzung in rechtlichen Grauzonen zu bewegen, insbesondere bei emotionalen oder polemischen Themen.

Schmähkritik im deutschen Recht: Folgen und Grenzen der Meinungsäußerung

Schmäht eine Person öffentlich eine andere, kann dies schwerwiegende rechtliche Folgen nach sich ziehen. Im deutschen Recht wird die Schmähkritik als eine besondere Form der Meinungsäußerung betrachtet, die jedoch nicht denselben Schutz wie die allgemeine Meinungsfreiheit genießt. Die Grenze zwischen zulässiger Kritik und unzulässiger Schmähung verläuft oft an der Stelle, an der persönliche Angriffe und Herabwürdigungen die sachliche Auseinandersetzung über ein Thema ablösen. Dies ist besonders relevant in Zeiten, in denen soziale Medien und öffentliche Plattformen eine verstärkte Diskussion und manchmal auch Hetze ermöglichen.

Es ist wichtig, die Voraussetzungen für Schmähkritik zu verstehen, um zu erkennen, wann eine Äußerung rechtlich problematisch werden kann. Neben der diffamierenden Absicht müssen auch die spezifischen Umstände der Äußerung betrachtet werden. So könnte der Kontext, in dem eine kritische Bemerkung getätigt wird, entscheidend dafür sein, ob sie als Schmähkritik oder als legitime Meinungsäußerung eingestuft wird. Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der diese Thematik vertieft und verschiedene rechtliche Aspekte beleuchtet.

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Der Fall vor Gericht


Bundestagsabgeordnete als „es“ bezeichnet: Urteil des Kammergerichts Berlin

Im Januar 2024 entschied das Kammergericht Berlin in einem aufsehenerregenden Fall über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Ein Journalist hatte eine Bundestagsabgeordnete als „es“ bezeichnet und damit eine hitzige Debatte über Beleidigung und freie Meinungsäußerung ausgelöst.

Der Vorfall vor dem Reichstag

Am 7. April 2022 hielt sich der Angeklagte, ein Journalist, vor dem Reichstagsgebäude auf. An diesem Tag fand im Bundestag die Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 statt. Der Mann führte Interviews mit verschiedenen Abgeordneten und filmte dabei auch die Bundestagsabgeordnete T. Ga, als diese das Gebäude betrat.

Während die Politikerin sich dem Eingang näherte, rief der Journalist in ihre Richtung: „Haben Sie sich umoperieren lassen? Mann ist Mann und Frau ist Frau, vergessen Sie das nicht!“ Er fügte hinzu: „Wir beobachten Sie ganz genau, Schritt für Schritt.“ In einem anschließenden Gespräch mit einem Begleiter äußerte der Angeklagte über die Abgeordnete: „Ja, das ist dieser umoperierte Typ da. […] Das ist ’n Bundestagsabgeordneter, der hat sich zur Frau umoperieren lassen.“ Sein Gesprächspartner entgegnete: „Der hat seinen Dödel noch“, woraufhin der Angeklagte antwortete: „Ach der hat den noch, ja, ok. Ja es ist ’n Mann. Mann ist Mann und Frau ist Frau.“ Der Begleiter kommentierte: „Es fühlt sich als Frau“, was der Angeklagte zustimmend wiederholte.

Veröffentlichung und juristische Folgen

Der Journalist veröffentlichte das Video mit seinen Äußerungen noch am selben Tag auf seinem öffentlich zugänglichen Telegramkanal. Bereits am Folgetag löschte er die Aufnahme wieder. Dennoch zog die Veröffentlichung juristische Konsequenzen nach sich.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten zunächst wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Das Landgericht Berlin hob dieses Urteil jedoch in der Berufungsverhandlung auf und sprach den Mann frei. Gegen diesen Freispruch legte die Staatsanwaltschaft Berlin Revision ein, die nun vom Kammergericht verworfen wurde.

Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit

In seiner Urteilsbegründung setzte sich das Kammergericht detailliert mit der Frage auseinander, ob die Äußerungen des Journalisten als strafbare Beleidigung zu werten sind. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass es sich zwar um ein ehrverletzendes Werturteil handelte, dieses jedoch nicht die Schwelle zur Strafbarkeit überschritt.

Das Gericht betonte, dass bei der rechtlichen Bewertung eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Abgeordneten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten vorgenommen werden müsse. Dabei seien verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, wie Inhalt und Form der Äußerung, der Anlass sowie die Wirkung.

Keine Schmähkritik oder Angriff auf die Menschenwürde

Die Richter stellten klar, dass die Äußerungen des Journalisten weder als Schmähkritik noch als Angriff auf die Menschenwürde zu werten seien. Für eine Schmähung fehle es an dem erforderlichen Merkmal, dass die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe. Stattdessen sah das Gericht einen – wenn auch unsachlichen – Bezug zur öffentlichen Debatte über Geschlechtsidentität.

Auch ein Angriff auf die Menschenwürde wurde verneint. Die Verwendung des Pronomens „es“ für die Abgeordnete sei zwar herabwürdigend, spreche ihr aber nicht grundsätzlich das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit ab.

Zulässige Machtkritik trotz persönlicher Herabwürdigung

Das Kammergericht wertete die Äußerungen des Angeklagten letztlich als zulässige, wenn auch grenzwertige Form der Machtkritik. Es verwies darauf, dass die Grenzen zulässiger Kritik bei Politikern, die bewusst in die Öffentlichkeit treten, weiter zu ziehen seien als bei Privatpersonen. Die persönliche Herabwürdigung der Abgeordneten wurde dabei durchaus gesehen, trat aber in der Abwägung hinter die Meinungsfreiheit zurück.

Das Gericht sah in den Äußerungen trotz ihrer unsachlichen und teils diskriminierenden Form einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Es berücksichtigte dabei auch den Kontext der bevorstehenden Bundestagsabstimmung und die begrenzte Verbreitung des Videos.

Mit diesem Urteil hat das Kammergericht Berlin die Grenzen der Meinungsfreiheit im politischen Diskurs neu ausgelotet. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf künftige Debatten um den respektvollen Umgang in der politischen Auseinandersetzung haben wird.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil des Kammergerichts Berlin unterstreicht die weite Auslegung der Meinungsfreiheit im politischen Diskurs. Selbst grenzwertige Äußerungen wie die Bezeichnung einer Bundestagsabgeordneten als „es“ können als zulässige Machtkritik gewertet werden, solange sie einen Bezug zur öffentlichen Debatte aufweisen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei Politikern die Schwelle zur strafbaren Beleidigung höher liegt als bei Privatpersonen, was den Spielraum für kontroverse politische Auseinandersetzungen erweitert.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil erweitert den Spielraum für kontroverse Äußerungen im öffentlichen Diskurs, insbesondere gegenüber Politikern. Auch wenn Sie harte oder respektlose Kritik äußern, solange diese einen Bezug zu einer öffentlichen Debatte oder dem politischen Wirken der Person hat, ist sie wahrscheinlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings sollten Sie vorsichtig sein: Reine Beschimpfungen oder Äußerungen, die nur darauf abzielen, jemanden zu diffamieren, können weiterhin strafbar sein. Das Gericht prüft den Kontext Ihrer Aussage genau. Kritisieren Sie also sachbezogen, auch wenn Sie dabei pointiert oder polemisch sein dürfen.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie grundlegende Informationen und wertvolle Einblicke zu häufig gestellten Fragen rund um das komplexe Zusammenspiel von Schmähkritik und Meinungsfreiheit. Hier werden zentrale Aspekte beleuchtet, die Ihnen helfen, die rechtlichen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Debatten besser zu verstehen. Tauchen Sie ein in die Themen, die uns alle betreffen.


Was ist der Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik?

Die Meinungsfreiheit ist ein fundamentales Grundrecht, das in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist. Sie schützt die freie Äußerung und Verbreitung von Meinungen, auch wenn diese pointiert, polemisch oder überspitzt sind. Selbst scharfe oder verletzende Kritik fällt grundsätzlich unter den Schutz der Meinungsfreiheit.

Im Gegensatz dazu stellt die Schmähkritik einen Sonderfall dar, bei dem der Schutz der Meinungsfreiheit zurücktritt. Eine Äußerung gilt als Schmähkritik, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Es geht also primär darum, jemanden zu beleidigen oder herabzuwürdigen, ohne dass ein sachlicher Bezug erkennbar ist.

Wichtige Merkmale der Schmähkritik:

  1. Persönliche Kränkung: Die Äußerung zielt hauptsächlich darauf ab, die betroffene Person zu diffamieren.
  2. Fehlender Sachbezug: Es fehlt ein erkennbarer Zusammenhang zu einer sachlichen Auseinandersetzung.
  3. Enge Auslegung: Der Begriff der Schmähkritik ist von Verfassungs wegen eng auszulegen, da er die Meinungsfreiheit einschränkt.
  4. Seltener Ausnahmefall: Schmähkritik wird nur in wenigen Fällen angenommen, meist bei Privatfehden oder persönlichen Auseinandersetzungen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede beleidigende oder überzogene Äußerung automatisch als Schmähkritik gilt. Selbst eine polemische oder scharfe Kritik kann noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, solange ein Mindestmaß an Sachbezug erkennbar ist.

Wenn Sie sich unsicher sind, ob eine Äußerung als Schmähkritik einzustufen ist, sollten Sie folgende Fragen stellen:

  • Gibt es einen erkennbaren Sachbezug in der Kritik?
  • Steht die Auseinandersetzung mit einem Thema im Vordergrund oder die persönliche Herabwürdigung?
  • Handelt es sich um eine Äußerung zu einem Thema von öffentlichem Interesse?

Je mehr die Äußerung auf eine sachliche Auseinandersetzung abzielt, desto eher ist sie von der Meinungsfreiheit geschützt. Bedenken Sie, dass die Grenze zwischen zulässiger Kritik und Schmähkritik oft fließend ist und im Einzelfall von Gerichten beurteilt werden muss.

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Wann überschreitet eine Äußerung die Grenze zur Schmähkritik?

Eine Äußerung überschreitet die Grenze zur Schmähkritik, wenn die persönliche Herabwürdigung einer Person im Vordergrund steht und nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema. Der Übergang ist oft fließend und muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

Folgende Aspekte sind entscheidend:

Fehlen eines Sachbezugs: Wenn Ihre Kritik keinen erkennbaren Bezug zu einem konkreten Sachverhalt hat, sondern sich ausschließlich auf persönliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen konzentriert, kann dies als Schmähkritik gewertet werden.

Unverhältnismäßigkeit: Eine überzogene, maßlos übertriebene Kritik, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht, kann die Grenze zur Schmähkritik überschreiten.

Diffamierende Wortwahl: Die Verwendung besonders herabwürdigender, beleidigender oder ehrverletzender Ausdrücke kann ein Indiz für Schmähkritik sein. Bedenken Sie: Je schärfer Ihre Formulierung, desto höher das Risiko.

Kontext der Äußerung: Der Zusammenhang, in dem eine Aussage getätigt wird, spielt eine wichtige Rolle. Eine Äußerung im Rahmen einer hitzigen politischen Debatte wird möglicherweise anders bewertet als dieselbe Aussage in einem privaten Gespräch.

Fehlen jeglicher sachlicher Grundlage: Wenn Ihre Kritik auf nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen beruht oder völlig aus der Luft gegriffen ist, kann dies ebenfalls zur Einstufung als Schmähkritik führen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede scharfe oder polemische Kritik automatisch eine Schmähkritik darstellt. Die Meinungsfreiheit schützt auch zugespitzte und überspitzte Äußerungen, solange sie einen erkennbaren Sachbezug aufweisen.

Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Äußerung als Schmähkritik gewertet werden könnte, fragen Sie sich: Trage ich mit meiner Aussage zu einer sachlichen Diskussion bei, oder geht es mir primär darum, jemanden persönlich zu verletzen oder herabzuwürdigen? Im Zweifelsfall ist es ratsam, Ihre Kritik sachlich und respektvoll zu formulieren und sich auf konkrete Fakten oder Handlungen zu beziehen, anstatt persönlich zu werden.

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Welche Rolle spielt der Kontext bei der Beurteilung von Schmähkritik?

Der Kontext spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung, ob eine Äußerung als Schmähkritik einzustufen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung wiederholt betont, dass eine isolierte Betrachtung einzelner Aussagen nicht ausreicht, um Schmähkritik festzustellen.

Bedeutung des Kontexts

Der Kontext umfasst verschiedene Aspekte:

  1. Anlass der Äußerung: Es ist wichtig zu prüfen, ob die Aussage in einem sachlichen Zusammenhang steht oder völlig losgelöst davon getätigt wurde. Eine Äußerung, die auf den ersten Blick beleidigend erscheint, kann im Kontext einer sachlichen Auseinandersetzung durchaus zulässig sein.
  2. Gesamtzusammenhang: Die Gerichte müssen die gesamte Kommunikationssituation berücksichtigen. Dazu gehören auch vorherige Äußerungen oder Handlungen der beteiligten Personen.
  3. Form und Stil: Satirische oder künstlerische Darstellungen genießen einen besonderen Schutz. Was in einem sachlichen Kontext als Schmähung gelten könnte, kann in einem satirischen Rahmen zulässig sein.
  4. Zielgruppe und Verbreitungsweg: Es macht einen Unterschied, ob eine Äußerung in einem privaten Gespräch, in den sozialen Medien oder in einer öffentlichen Veranstaltung getätigt wird.

Abgrenzung zur zulässigen Kritik

Der Kontext hilft bei der Unterscheidung zwischen Schmähkritik und zulässiger, wenn auch scharfer Kritik. Schmähkritik liegt nur vor, wenn die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache. Selbst polemische und überspitzte Äußerungen können durch den Kontext gerechtfertigt sein, wenn sie Teil einer sachbezogenen Auseinandersetzung sind.

Praktische Bedeutung

Für Sie bedeutet das: Wenn Sie eine möglicherweise beleidigende Äußerung beurteilen, sollten Sie immer den gesamten Kontext betrachten. Fragen Sie sich:

  • In welchem Zusammenhang wurde die Äußerung getätigt?
  • Gibt es einen sachlichen Bezug oder geht es nur um persönliche Angriffe?
  • Wie ist der Ton der gesamten Diskussion oder des Mediums, in dem die Äußerung erfolgte?

Diese ganzheitliche Betrachtung hilft Ihnen, die Grenze zwischen zulässiger Kritik und unzulässiger Schmähung besser zu erkennen.

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Warum sind Politiker bei der Bewertung von Schmähkritik anders zu behandeln als Privatpersonen?

Politiker müssen in Bezug auf Schmähkritik eine höhere Toleranzschwelle aufweisen als Privatpersonen. Dies liegt vor allem daran, dass sie als öffentliche Personen bewusst in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit treten und somit auch verstärkt Kritik ausgesetzt sind.

Gründe für die unterschiedliche Behandlung:

  1. Öffentliche Rolle: Politiker nehmen freiwillig eine Position ein, in der sie Entscheidungen treffen, die das Leben vieler Menschen beeinflussen. Daher müssen sie mit einer intensiveren öffentlichen Auseinandersetzung rechnen.
  2. Meinungsbildungsprozess: Kritik an Politikern ist oft Teil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Eine zu strenge Auslegung von Schmähkritik könnte diesen Prozess behindern.
  3. Machtverhältnis: Politiker verfügen über mehr Ressourcen und Einfluss, um sich gegen Kritik zu wehren, als Privatpersonen. Dies rechtfertigt einen geringeren Schutz vor überspitzter Kritik.
  4. Sachbezug: Bei Äußerungen über Politiker wird eher ein Sachbezug angenommen, selbst wenn die Kritik sehr scharf formuliert ist. Eine Schmähkritik liegt erst vor, wenn die Diffamierung der Person eindeutig im Vordergrund steht.

Praktische Auswirkungen:

  • Höhere Schwelle für Schmähkritik: Was bei einer Privatperson bereits als Schmähkritik gelten könnte, kann bei einem Politiker noch als zulässige, wenn auch scharfe Kritik eingestuft werden.
  • Breiterer Interpretationsspielraum: Äußerungen über Politiker werden tendenziell wohlwollender interpretiert. Selbst harte Kritik wird oft noch als Beitrag zur öffentlichen Debatte gesehen.
  • Recht zum Gegenschlag: Politiker müssen unter Umständen auch übersteigerte Reaktionen auf ihre eigenen öffentlichen Äußerungen hinnehmen, solange diese noch als adäquate Reaktion verstanden werden können.

Es ist wichtig zu betonen, dass diese erhöhte Toleranz nicht grenzenlos ist. Auch Politiker genießen den Schutz ihrer persönlichen Ehre. Eine Äußerung, die jeglichen Sachbezug vermissen lässt und ausschließlich auf die Herabwürdigung der Person abzielt, kann auch bei Politikern als unzulässige Schmähkritik gewertet werden.

Wenn Sie also öffentlich Kritik an einem Politiker üben möchten, können Sie sich durchaus schärfer ausdrücken als gegenüber einer Privatperson. Achten Sie jedoch darauf, dass Ihre Kritik einen erkennbaren Bezug zur politischen Tätigkeit oder zu öffentlichen Äußerungen des Politikers hat. So bleiben Sie im Rahmen des rechtlich Zulässigen und tragen konstruktiv zur öffentlichen Debatte bei.

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In welcher Weise kann die Meinungsfreiheit die Menschenwürde einschränken?

Die Meinungsfreiheit kann die Menschenwürde nicht einschränken. Vielmehr ist es umgekehrt: Die Menschenwürde setzt der Meinungsfreiheit Grenzen.

Die Meinungsfreiheit ist ein fundamentales Grundrecht in unserer Demokratie. Sie erlaubt es jedem, seine Ansichten frei zu äußern – auch wenn diese provokant, schockierend oder verstörend sein mögen. Doch dieses Recht ist nicht grenzenlos.

Die Menschenwürde bildet eine absolute Grenze der Meinungsfreiheit. Äußerungen, die die Menschenwürde anderer verletzen, sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aussage als Meinung oder Tatsachenbehauptung einzustufen ist.

Eine Verletzung der Menschenwürde liegt vor, wenn einer Person ihr Achtungsanspruch als Mensch abgesprochen wird. Dies kann geschehen durch:

  • Herabwürdigung einer Person zum bloßen Objekt
  • Aberkennung der Gleichwertigkeit eines Menschen
  • Infragestellung des Lebensrechts einer Person oder Gruppe

Beispiel: Die Aussage „Alle [Angehörige einer bestimmten Gruppe] sind Untermenschen und sollten ausgerottet werden“ wäre keine zulässige Meinungsäußerung, sondern eine strafbare Volksverhetzung.

In der Praxis ist die Abgrenzung oft schwierig. Nicht jede beleidigende oder verletzende Äußerung tastet gleich die Menschenwürde an. Gerichte müssen im Einzelfall sorgfältig abwägen zwischen dem Schutz der Menschenwürde und der Bedeutung der Meinungsfreiheit.

Wichtig: Auch harte Kritik, Überspitzungen oder Provokationen können noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Die Schwelle zur Menschenwürdeverletzung ist erst überschritten, wenn der Kern der menschlichen Persönlichkeit angegriffen wird.

Wenn Sie unsicher sind, ob eine Äußerung die Grenze zur Menschenwürdeverletzung überschreitet, fragen Sie sich: Wird hier einer Person oder Gruppe der grundsätzliche Wert als Mensch abgesprochen? Wird sie als minderwertig dargestellt? Nur wenn dies eindeutig der Fall ist, liegt in der Regel eine Verletzung der Menschenwürde vor.

Schmähkritik als besondere Form der Menschenwürdeverletzung

Eine spezielle Form der Menschenwürdeverletzung ist die sogenannte Schmähkritik. Sie liegt vor, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht.

Für Schmähkritik gelten besonders strenge Voraussetzungen:

  • Die Äußerung muss sich auf eine konkrete Person beziehen.
  • Der beleidigende, herabwürdigende Charakter muss im Vordergrund stehen.
  • Es darf kein oder nur ein ganz geringer Sachbezug vorhanden sein.

Beispiel: Die Aussage „Der Bürgermeister ist ein korruptes Schwein“ könnte als Schmähkritik eingestuft werden, wenn sie ohne jeden sachlichen Kontext erfolgt.

Gerichte sind bei der Annahme von Schmähkritik sehr zurückhaltend. In den meisten Fällen wird eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht vorgenommen, bei der auch der Kontext der Äußerung berücksichtigt wird.

Wenn Sie sich kritisch äußern möchten, konzentrieren Sie sich auf die Sache und vermeiden Sie persönliche Angriffe. So bleiben Sie in der Regel im Rahmen der Meinungsfreiheit, ohne die Menschenwürde anderer zu verletzen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Schmähkritik: Schmähkritik ist eine besonders schwerwiegende Form der Beleidigung, bei der nicht die sachliche Auseinandersetzung, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie überschreitet die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung und ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Um als Schmähkritik zu gelten, muss die Äußerung die Person herabwürdigen und jeglichen sachlichen Bezug vermissen lassen. Gerichte prüfen dabei den Kontext, die Intention und die Wirkung der Aussage. Anders als bei normaler Kritik gibt es bei Schmähkritik keine Abwägung mit der Meinungsfreiheit – sie ist grundsätzlich unzulässig.
  • Machtkritik: Machtkritik bezeichnet eine Form der Kritik, die sich gegen Personen oder Institutionen in Machtpositionen richtet. Sie genießt einen besonderen Schutz durch die Meinungsfreiheit, da sie für eine funktionierende Demokratie essentiell ist. Bei Machtkritik werden höhere Maßstäbe angelegt als bei Kritik an Privatpersonen – Politiker müssen mehr aushalten. Dennoch gibt es Grenzen: Auch Machtkritik darf nicht zu reiner Diffamierung oder einem Angriff auf die Menschenwürde werden. Gerichte prüfen, ob ein Sachbezug zum politischen Wirken besteht. Machtkritik kann pointiert, polemisch und überspitzt sein, solange ein Mindestmaß an sachlicher Auseinandersetzung erkennbar ist.
  • Ehrverletzendes Werturteil: Ein ehrverletzendes Werturteil ist eine subjektive Meinungsäußerung, die geeignet ist, das Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Anders als bei Tatsachenbehauptungen geht es um Werturteile, die nicht dem Beweis zugänglich sind. Ob ein ehrverletzendes Werturteil noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, hängt vom Einzelfall ab. Gerichte prüfen, ob ein Sachbezug besteht, wie gravierend die Ehrverletzung ist und ob die Äußerung zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Ein Beispiel wäre die Bezeichnung eines Politikers als „Versager“ im Kontext seiner Amtsführung. Auch wenn dies ehrverletzend ist, kann es je nach Kontext noch zulässige Kritik sein.
  • Persönlichkeitsrecht: Das Persönlichkeitsrecht schützt die Integrität und Würde des Einzelnen. Es umfasst u.a. das Recht am eigenen Bild, den Schutz der Privatsphäre und den Schutz der persönlichen Ehre. Bei öffentlichen Äußerungen muss oft zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit abgewogen werden. Für Personen des öffentlichen Lebens wie Politiker gelten dabei andere Maßstäbe – sie müssen mehr Kritik aushalten. Das Persönlichkeitsrecht ist nicht schrankenlos; es findet seine Grenzen, wo überwiegende schutzwürdige Interessen anderer oder der Allgemeinheit betroffen sind. Ein Beispiel wäre die Veröffentlichung privater Details eines Politikers, die für dessen Amtsausübung relevant sind.
  • Angriff auf die Menschenwürde: Ein Angriff auf die Menschenwürde liegt vor, wenn einer Person ihr Wert als Mensch abgesprochen und sie zum bloßen Objekt degradiert wird. Dies geht über eine „normale“ Beleidigung hinaus und ist verfassungsrechtlich nie zulässig – auch nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Gerichte prüfen, ob die Äußerung den Kern der menschlichen Persönlichkeit angreift. Ein Beispiel wäre die Bezeichnung von Menschen als „Ungeziefer“. Die Schwelle zum Angriff auf die Menschenwürde ist sehr hoch. Auch harte Kritik oder Beleidigungen erreichen diese Schwelle in der Regel nicht, solange die Person nicht entmenschlicht oder ihr grundsätzliches Lebensrecht abgesprochen wird.
  • Abwägung zwischen Grundrechten: Bei der Abwägung zwischen Grundrechten wie Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht wägen Gerichte die betroffenen Rechtsgüter gegeneinander ab. Es gibt keine absolute Rangfolge der Grundrechte. Stattdessen wird im Einzelfall geprüft, welchem Recht unter Berücksichtigung aller Umstände der Vorrang gebührt. Faktoren sind u.a. die Schwere des Eingriffs, die Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung und der Status der betroffenen Person. Bei Politikern fällt die Abwägung oft zugunsten der Meinungsfreiheit aus. Die Abwägung soll einen schonenden Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechten herstellen. Ein Beispiel wäre die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht eines Politikers bei der Berichterstattung über dessen Privatleben.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 185 StGB (Beleidigung): Dieser Paragraph stellt die Kundgabe von Nichtachtung oder Missachtung gegenüber einer Person unter Strafe, wenn dadurch deren Ehr- und Achtungsanspruch verletzt wird. Es geht um Äußerungen, die den sozialen Geltungswert einer Person herabsetzen. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Bezeichnung einer Bundestagsabgeordneten als „es“ und die damit verbundenen Äußerungen eine strafbare Beleidigung darstellen.
  • Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit): Dieses Grundrecht garantiert jedem das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Es ist ein zentraler Bestandteil der Demokratie und schützt auch provokante und kritische Äußerungen. Im vorliegenden Fall wurde die Meinungsfreiheit des Journalisten gegen das Persönlichkeitsrecht der Bundestagsabgeordneten abgewogen.
  • Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde): Dieses Grundrecht garantiert die Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen. Es bildet die Grundlage aller anderen Grundrechte und verbietet jegliche Form der Herabwürdigung oder Entmenschlichung. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Äußerungen des Journalisten die Menschenwürde der Bundestagsabgeordneten verletzen.
  • Art. 2 Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht): Dieses Grundrecht schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Menschen. Es umfasst unter anderem das Recht auf Achtung der Privatsphäre, auf Schutz der Ehre und auf informationelle Selbstbestimmung. Im vorliegenden Fall wurde das Persönlichkeitsrecht der Bundestagsabgeordneten durch die Äußerungen des Journalisten beeinträchtigt.
  • § 193 StGB (Verleumdung): Dieser Paragraph stellt die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen unter Strafe, wenn dadurch der Ruf einer Person geschädigt wird. Es geht um die vorsätzliche Verbreitung von Lügen, die geeignet sind, das Ansehen einer Person zu beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Äußerungen des Journalisten unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten, die eine Verleumdung darstellen könnten.

Das vorliegende Urteil

 

KG Berlin – Az.: 2 ORs 38/23 – Urteil vom 29.01.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Juni 2023 wird verworfen.

Die Landeskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten am 2. März 2023 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60,00 Euro. Das Landgericht Berlin hob das Urteil am 26. Juni 2023 auf seine Berufung hin auf und sprach den Angeklagten frei. Die Berufungskammer traf Feststellungen zum Hintergrund des Angeklagten und der betroffenen Bundestagsabgeordneten T Ga sowie zum Sachverhalt. Zum Geschehensablauf lauten die Urteilsgründe wie folgt:

„Am 7. April 2022 fand im Bundestag die Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 statt. Der Angeklagte hielt sich im Rahmen seiner Tätigkeit als „Go“-Journalist – gemeinsam mit dem gesondert verfolgten R B – auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude auf und führte mehrere Interviews mit Bundestagsabgeordneten, unter anderem mit Ar La (CDU) und C Li (FDP), die er jeweils auf Video aufzeichnete und später auf seinem Telegramkanal veröffentlichte. Ebenso filmte er mit seiner Kamera, wie die Bundestagsabgeordnete T Ga auf dem Weg zur parlamentarischen Abstimmung das Reichstagsgebäude betrat. Während die Abgeordnete sich dem Eingang des Gebäudes näherte, äußerte der Angeklagte in deren Richtung: „Haben Sie sich umoperieren lassen? Mann ist Mann und Frau ist Frau, vergessen Sie das nicht! Menschenskinder, ich find das oberpeinlich, was Sie abziehen. Und das von meinen Steuergeldern, was soll der Scheiß? Hörn Sie mal auf damit, Mann ist Mann und Frau ist Frau. […] Wir beobachten Sie ganz genau, Schritt für Schritt.“ In dem folgenden Gespräch mit dem gesondert verfolgten B äußerte der Angeklagte sodann in Bezug auf T Ga: „Ja, das ist dieser umoperierte Typ da. […] Das ist ’n Bundestagsabgeordneter, der hat sich zur Frau umoperieren lassen.“ Daraufhin bekundete der gesondert verfolgte B: „Der hat seinen Dödel noch“, woraufhin der Angeklagte antwortete: „Ach der hat den noch, ja, ok. Ja es ist ’n Mann. Mann ist Mann und Frau ist Frau.“ Dies kommentierte der gesondert verfolgte B mit den Worten: „Es fühlt sich als Frau“, die der Angeklagte anschließend zustimmend – und in die Kamera lächelnd – wiederholte.

Das Video mit den vorgenannten Worten des Angeklagten in Richtung der Abgeordneten Ga und dem anschließenden Dialog zwischen ihm und dem gesondert verfolgten B veröffentlichte der Angeklagte am selben Tag gegen 18.00 Uhr auf seinem für jedermann frei abrufbaren Telegramkanal „Ak Man“. Am Folgetag löschte er das Video. Es konnte nicht näher festgestellt werden, wie viele Personen das Video in der Zeit der Veröffentlichung sahen.“

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte, auch im Übrigen zulässige und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden.

1. Entgegen der Rechtsansicht der Revision hat das Landgericht zurecht bereits den objektiven Tatbestand des § 185 StGB verneint. Beleidigung im Sinne dieser Vorschrift ist die Kundgabe von Nichtachtung oder Missachtung gegenüber einem anderen in der Weise, dass dem Betroffenen der ethische, personale und soziale Geltungswert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch dessen grundsätzlich uneingeschränkter Ehr- und Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird. Dies kann durch Äußerung eines herabsetzenden Werturteils unmittelbar gegenüber dem Betroffenen oder auch durch Äußerung eines solchen in Bezug auf diesen gegenüber einer dritten Person geschehen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – [2] 121 Ss 160/15 [57/15], 2 Ws 215/15 – mwN; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. September 2015 – 1 [8] Ss 654/14 –, juris).

Ob eine Äußerung beleidigenden Inhalt hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt ist dabei unter Berücksichtigung aller das Tatgeschehen maßgeblich prägenden äußeren und – soweit diese nach außen erkennbar geworden sind – inneren Umstände des Einzelfalls allein nach dem objektiven Sinngehalt der Äußerung zu bestimmen. Maßstab für die insoweit vorzunehmende Auslegung ist, wie ein alle maßgeblichen tatprägenden Umstände kennender unbefangener verständiger Dritter die Äußerung versteht. Auf die subjektive Sicht und Bewertung des Adressaten sowie auf nach außen nicht hervorgetretene Vorstellungen, Absichten und Motive des sich Äußernden kommt es nicht an (vgl. BVerfGE 93, 266; BGHSt 19, 235; OLG Karlsruhe aaO; KG NJW 2005, 2872). Bloße Ungehörigkeiten, Distanzlosigkeiten, Taktlosigkeiten und auch grobe Unhöflichkeiten im Umgang mit anderen stellen noch keine Missachtung im Sinne des § 185 StGB dar. Vielmehr muss eine eindeutige Abwertung des Betroffenen mit einem gewissen Gewicht vorliegen.

Lassen der sprachliche Zusammenhang und die bestimmenden außertextlichen Begleitumstände der inkriminierten Äußerung mehrere Auslegungen zu, sind alle in Frage kommenden, nicht von vornherein fernliegenden alternativen Deutungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen (vgl. BVerfGE 93, 266; BayObLG NJW 2005, 1291). Dabei ist bereits bei der Prüfung und Bewertung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit der Beleidigung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE aaO; OLG Karlsruhe aaO).

Die Auslegung, ob und inwieweit eine Äußerung nach ihrem – allein maßgeblichen – objektiven Erklärungsinhalt ehrverletzenden Charakter hat, fällt in den alleinigen Verantwortungsbereich des Tatrichters (vgl. BGHSt 21, 371; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2022, 181). Dem Revisionsgericht ist insoweit, ebenso wie bei der Beweiswürdigung, eine eigene Wertung versagt. Ihm obliegt lediglich die Prüfung, ob der Tatrichter sich bei der Bewertung von zutreffenden rechtlichen Erwägungen hat leiten lassen (vgl. BGHSt 37, 55), ob die Auslegung auf einem Rechtsirrtum beruht, gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln verstößt oder ob sie lückenhaft ist, weil nicht alle tatprägenden Begleitumstände berücksichtigt und nicht alle in Betracht kommenden Deutungsmöglichkeiten geprüft sind (vgl. OLG Frankfurt am Main aaO mwN; OLG Karlsruhe aaO mwN).

2. Der Angeklagte hat mit der Äußerung „Es fühlt sich als Frau“ nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung der Berufungskammer eine als Ehrkränkung der Betroffenen anzusehende Meinung geäußert.

Das Landgericht hat die Äußerung des Angeklagten ausgehend von deren objektivem Sinngehalt ausgelegt. Es hat sich damit auseinandergesetzt, inwieweit die Äußerung – insbesondere der Teil „fühlt sich als Frau“ – einen Bezug zur Person, zu Bekundungen und zu politischen Aktivitäten der betroffenen Bundestagsabgeordneten hat. Des Weiteren hat es in der Verwendung des Wortes „es“ einen Bezug zu aktuellen Debatten um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen gesehen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hat das Landgericht dann den Schluss gezogen, dass der Angeklagte aus Sicht des alle maßgeblichen tatprägenden Umstände kennenden unbefangenen verständigen Dritten der Betroffenen mit seinen Worten abgesprochen hat, Mann oder Frau zu sein. Zurecht, ohne dass ein Verstoß gegen Auslegungsregeln oder eine Außerachtlassung weiterer Deutungsmöglichkeiten zu erkennen wäre, hat die Berufungskammer in der Äußerung daher ein ehrverletzendes Werturteil gesehen.

3. Die Berufungskammer hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung und keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt. Sie hat erkannt, dass eine Verurteilung auf der Grundlage des § 185 StGB daher eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits erfordert (vgl. BVerfG NJW 2016, 2870 mwN; Burkhardt/Pfeier, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 192; Mann, Die Strafbarkeit wegen Beleidigung im „Kampf ums Recht“, in: FS für Alexander Ignor, S. 191ff).

a) Soweit die Revision vorträgt, dass in der Äußerung des Angeklagten eine Schmähung zu sehen sei, hinter der die Meinungsfreiheit ohne eine Einzelfallabwägung zurücktritt (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN; BVerfGE 82, 43), hat das Landgericht eine solche zutreffend verneint.

aa) Die Rechtsprechung hat den Begriff der Schmähkritik eng definiert (vgl. BVerfG EuGRZ 2013, 637; BVerfGE 93, 266). Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BVerfG NJW 2020, 2631). Denn gerade Kritik darf auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden, und die Grenze zulässiger Meinungsäußerung liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN).

Im verfassungsrechtlichen Sinn ist Schmähung danach anzunehmen, wenn eine Äußerung unter Berücksichtigung ihres Anlasses und Kontextes (vgl. BVerfG NJW 2009, 749 mwN) keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; NJW 2020, 2636 mwN).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das Landgericht zurecht angenommen, dass die Äußerung des Angeklagten in ihrem Kontext keine Schmähung darstellt. Der Revision ist dabei zuzugeben, dass die Worte des Angeklagten (auch) auf den persönlichen Geltungsanspruch der Betroffenen abzielen. Dem steht jedoch – entgegen der Revisionsbegründung – ein vom Landgericht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe knapp, aber zutreffend beschriebener Sachbezug gegenüber.

Betroffen von der verfahrensgegenständlichen Äußerung des Angeklagten ist eine Bundestagsabgeordnete, die sich nach den Urteilsfeststellungen in der Vergangenheit unter anderem öffentlich zu ihrem Personenstand und ihrer persönlichen Haltung zu Verfahren für Namens- und Personenstandsänderungen erklärt hat. Sie hat sich zudem zum geltenden Transsexuellengesetz geäußert. Sie betrat das Reichstagsgebäude zur Abstimmung, als der Angeklagte, der sich vor Ort befand und verschiedene andere Politiker interviewte, sie filmte, sich in ihre Richtung äußerte und schließlich das Gespräch mit der verfahrensgegenständlichen Bemerkung aufnahm. Es liegt daher ersichtlich kein Fall vor, in dem eine vorherige Auseinandersetzung nur äußerlich zum Anlass für eine diffamierende Bemerkung dient oder in dem aus dem Schutz der Anonymität des Internets heraus Verunglimpfungen getätigt worden sind (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622). Auch die Revisionsbegründung weist auf keinen derartigen Sachverhalt hin.

Das Landgericht hat anhand des Videos zudem festgestellt, dass sich der Redebeitrag des Angeklagten nicht in den inkriminierten Worten erschöpfte. Vielmehr äußerte er sich mehrfach – in Richtung der Betroffenen sowie im Gespräch mit dem gesondert verfolgten B – und brachte dabei insgesamt polemisch, überspitzt und unsachlich zum Ausdruck, dass er die von ihrem rechtlichen Personenstand differierende geschlechtliche Identität der Betroffenen nicht anerkennt. Dass die Betroffene ihm gerade aufgrund ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete bekannt war und er dieser Tätigkeit Bedeutung zumaß, ergibt sich ebenfalls aus seinem Redebeitrag. Die für strafwürdig befundene Äußerung dient damit entgegen der Revisionsbegründung nicht allein der abschätzigen Bewertung des äußeren Erscheinungsbildes und der gelebten Geschlechtsidentität der Betroffenen. Vielmehr steht sie auch (noch) im Zusammenhang mit deren Wirken in der öffentlichen Meinungsbildung zu einer Neuregelung von Rechten für transgeschlechtliche Menschen.

Dem steht nicht entgegen, dass der vom Landgericht festgestellte Anlass für den Angeklagten, sich vor dem Bundestag aufzuhalten, die anstehende Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 gewesen ist. Denn eines Grundes für eine geäußerte Kritik bedarf es gerade nicht. Die abfällige Äußerung des Angeklagten ist daher nicht schon deshalb als Schmähung zu qualifizieren, weil sich kein inhaltlicher Zusammenhang zu dem Thema der anstehenden Abstimmung herstellen lässt.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht zudem verneint, dass die Äußerung des Angeklagten die Menschenwürde angreift, die als Fundament aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist (vgl. BVerfG 93, 266; BVerfGE 107, 275; KG, Beschluss vom 26. November 2019 – [5] 161 Ss 165/19 [34/19] – mwN). Da das Berufungsgericht auch insofern alle Feststellungen zum Tatsachverhalt vollständig getroffen hat, kann der Senat diese Beurteilung vornehmen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. August 2023 – 204 StRR 202/23 –, juris).

aa) Die verfassungsrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Menschenwürde schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Menschen, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfGE 87, 209). Sie ist nicht schon immer dann angegriffen, wenn durch eine Äußerung die Ehre oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen tangiert ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich mithin gegen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit und nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richten (vgl. BVerfG NJW 2001, 61 mwN; BGHSt 40, 97).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt ein Angriff auf die Menschenwürde nicht vor, obwohl der Angeklagte die Betroffene herabwürdigt, wenn er das Pronomen „es“ verwendet, um über sie zu sprechen.

Zum einen gehört die geschlechtliche Identität einer Person nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur engeren persönlichen Lebenssphäre, die nicht primär durch Art. 1 Abs. 1 GG, sondern durch das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung als allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt wird (vgl. BVerfGE 115, 1 [14] mwN; BVerfGE 96, 56 [61]). Art. 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 GG garantiert insoweit als Teil dieser Lebenssphäre den intimen Sexualbereich, der die sexuelle Selbstbestimmung des Menschen und damit das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung umfasst (BVerfGE 128, 109 [124]; BVerfGE 115, 1 [14]). Zwar nimmt die Zuordnung zu einem Geschlecht typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Ihr kommt für die individuelle Identität unter den gegebenen Bedingungen herausragende Bedeutung zu und auch in alltäglichen Lebensvorgängen spielt sie eine wichtige Rolle (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]). Dennoch wird die geschlechtliche Identität in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung regelmäßig als „ein“ konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. November 2023 – 1 BvR 1915/23 –, juris), nicht als der die menschliche Würde ausmachende Kern bezeichnet. Durch die Bezeichnung einer Person als „gleichsam geschlechtsloses Wesen“ (UA S. 5) wird daher nicht per se die Menschenwürde angegriffen.

Zum anderen ergibt auch die erforderliche Gesamtschau der Umstände (vgl. KG, Beschluss vom 27. Dezember 2001 – [4] 1 Ss 297/01 [166/01] –, juris mwN), dass kein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt. Einzubeziehen ist, dass der Angeklagte der Betroffenen zunächst vorwirft, sich „oberpeinlich“ zu verhalten, und unter anderem – unsachlich und mit diskriminierender Konnotation – ausdrückt, dass er einen Wechsel der Geschlechtsidentität ablehnt. Die insoweit von ihm verwendete Ansprache „Sie“ mag überspitzte Höflichkeit und ebenfalls herabwürdigend gemeint gewesen sein. Der Redebeitrag in seiner Gesamtheit adressiert die Betroffene aber als Person. Unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs ist die Äußerung damit nicht dahingehend zu verstehen, dass der Angeklagte der Betroffenen mit dem Wort „es“ das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abspricht.

4. Die von der Strafkammer vor dem Hintergrund der Verneinung der Fallkonstellationen der Schmähung, der Formalbeleidigung und des Menschenwürdeangriffs vorgenommene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Bundestagsabgeordneten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

a) Liegt keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung oder kein Angriff auf die Menschenwürde vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen eine Person in ihrer Ehre herabgesetzt wird, kein Indiz für den Vorrang der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfG NJW 2022, 1523). Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ anknüpft. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falls und der Situation, in der die Äußerung erfolgte (vgl. BVerfG aaO; NJW 2020, 2622 jeweils mwN).

Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören. Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BayObLG, Beschluss vom 15. August 2023 – 204 StRR 292/23 –, juris).

Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen – unter Umständen weitreichenden – gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG aaO mwN; KG, Beschluss vom 1. Juni 2023 – 4 ORs 37/23 –).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen hat die Berufungskammer eine Abwägung vorgenommen, in die sie die maßgeblichen Tatumstände, insbesondere Inhalt und Form der betreffenden Äußerung sowie die Person des Äußernden, der Betroffenen und die Anzahl der Rezipienten, eingestellt hat.

aa) Das Landgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Äußerung des gesondert verfolgten B wiederholte. Die Äußerung sei einerseits spontan und mündlich erfolgt, durch die Veröffentlichung auf dem Telegramkanal des Angeklagten jedoch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Landgericht hat diesbezüglich zudem festgestellt, dass der Angeklagte das Video nach einem Tag löschte. Die sich daraus ergebende Würdigung des Landgerichts, dass die Zugänglichkeit des Videos nur für einen begrenzten Zeitraum und für einen begrenzten Personenkreis bestand, ist möglich und weder lückenhaft noch unklar oder widersprüchlich.

bb) Das Landgericht hat zudem in seine Abwägung einbezogen, dass der Angeklagte vor dem Bundestag zu der damals unmittelbar bevorstehenden Abstimmung zur Corona-Impfpflicht mehrere Politiker interviewte und die verfahrensgegenständliche Äußerung im Rahmen dieser Beschäftigung tätigte. Er habe sich dort „zur kritischen Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Handeln aufgehalten“ (UA S. 9). Insoweit hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte auch auf das öffentliche Wirken der Betroffenen als Bundestagsabgeordnete abzielte. Es hat daraus unter erschöpfender Würdigung der dazu getätigten Feststellungen den nachvollziehbaren Schluss gezogen, dass es sich bei der Äußerung um zulässige Machtkritik handelt; zumal der Angeklagte die Betroffene nach den Urteilsgründen auch als mit (seinen) Steuergeldern finanzierte Abgeordnete ansprach.

In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kammer zutreffend, dass unter dem Gesichtspunkt der Machtkritik nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlaubt ist (vgl. BVerfG NJW 2022, 680; BVerfG NJW 2022, 1523). Gerichte haben unter dem Aspekt der Machtkritik aber Auslegung und Anwendung des Art. 10 Abs. 2 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen, der in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern, die bewusst in die Öffentlichkeit treten, weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen (vgl. BVerfG NJW 2022, 680 mwN). Dies gilt mithin auch für die Betroffene, deren persönliche Herabwürdigung das Landgericht ebenso gewürdigt hat wie die Tatsache, dass sie als Bundestagsabgeordnete weithin bekannt ist und erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit beansprucht.

cc) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Berufungskammer in einer Gesamtbetrachtung die herabwürdigende Äußerung des Angeklagten als einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung betrachtet hat, hinter den der Ehrschutz der Betroffenen im Ergebnis zurücktritt. Denn die Berufungskammer hat insbesondere die maßgeblichen tatprägenden Begleitumstände rechtsfehlerfrei festgestellt und in ihrer Abwägung berücksichtigt. Soweit das Landgericht zuletzt darauf verweist, dass die Benutzung des Wortes „es“ auch einen „Bezug zur aktuellen Debatte um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen“ aufweist (UA S. 11), ist auch diese Wertung ohne Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln. Zwar wäre dagegen einzuwenden, dass es die aktuellen Debatten nicht gäbe, wenn das Pronomen „es“ geschlechtliche Identitäten hinreichend abbilden würde, und erkennt auch die Berufungskammer an, dass der Angeklagte mit „es“ gerade kein (gängigeres) geschlechtsneutrales Pronomen verwendet hat. Allerdings ist die sprachliche Entwicklung hinsichtlich verschiedener geschlechtlicher Identitäten weder in Bezug auf die Selbstbezeichnung noch in Bezug auf die Fremdbezeichnung bisher abgeschlossen. Die Würdigung des Landgerichts hält daher revisionsrechtlicher Prüfung stand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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