Wann ist ein Täter schuldunfähig nach § 20 StGB? Was bedeutet Schuldunfähigkeit im Strafrecht im einzelnen?
Das deutsche Strafrecht kennt viele Faktoren, die bei der Strafbemessung eines Täters berücksichtigt werden wollen. Vor der eigentlichen Strafbemessung kommt zunächst erst einmal die Frage der Schuldfähigkeit, die geklärt werden muss. Der lateinische Grundsatz „nulla poena sine culpa“, der besagt, dass kein Täter verurteilt werden kann, wenn er seine Tat ohne Schuld begangen hat, ist auch für das deutsche Strafrecht maßgeblich. Diese Verfahrensweise hat durchaus seinen Grund, auch wenn es so mancher juristische Laie nicht zur Gänze nachvollziehen kann. Es soll ja schlussendlich niemand eine Verurteilung hinnehmen müssen, der keine Schuld trägt bzw. vor dem Gesetz diese nicht tragen kann. Die Schuldfrage jedoch ist gerade vor dem Hintergrund der Schuldfähigkeit nicht immer einfach zu klären, da die Tat an sich nicht immer auch die Schuldfähigkeit beinhaltet. Eine genauere Differenzierung setzt das Strafrecht für die Verurteilung voraus.
Nicht jeder Täter handelt laut Gesetz auch immer schuldhaft. Das deutsche Gesetz kennt durchaus schuldmindernde oder schuldausschließende Gründe, welche in jedem Prozess geprüft werden.
Die Definition von Schuld
Zunächst erst einmal ist es wichtig, den Begriff der Schuld genau zu definieren und dabei die verschiedenen Schuldformen zu beleuchten. Überdies muss im Zusammenhang mit der Definition von Schuld auch der Einfluss des Schuldgrades betrachtet werden. Um den Begriff der Schuld zu definieren müssen zwei Grundfähigkeiten eines Täters geprüft werden:
- Die Fähigkeit zur Einsicht der Strafbarkeit des Handelns
- die Steuerungsfähigkeit
Die Fähigkeit zur Einsicht der Strafbarkeit des Handelns nimmt Bezug auf die Fähigkeit des Täters, seine Tat sowohl juristisch als auch moralisch zu bewerten und die Auswirkungen auf das Opfer sowie auf den Täter im Hinblick auf die Unrechtmäßigkeit einzusehen. Wer hierzu in der Lage ist und dennoch eine Straftat begeht, handelt vor dem Gesetz dann schuldhaft, wenn das zweite Kriterium der Steuerungsfähigkeit ebenfalls gegeben ist. Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit ist es maßgeblich, dass ein Täter auch dazu in der Lage ist, die Umsetzung der Einsicht und eine Steuerung des Verhaltens vorzunehmen. Sollte einem Täter auch nur eines dieser beiden Kriterien aus Gründen von Drogenmissbrauch oder aufgrund von seelischen Störungen abgesprochen werden ist es möglich, dass die Schuldfähigkeit des Täters eingeschränkt ist. Hierbei kommt es dann darauf an, in welchem Umfang die Einschränkung vorliegt und auf welchen Umstand sie sich bezieht. Von einer verminderten Schuldfähigkeit wird in der gängigen Praxis dann gesprochen, wenn die Schuldunfähigkeit nur im Bezug auf den direkt erfolgten Tatverlauf gesehen wird. In einem derartigen Fall ist dann jedoch auch die Bestrafung des Täters möglich und rechtlich zulässig, da eine Schuldfätigkeitseinschränkung zwar vorliegt, jedoch die Unrechtmäßigkeit des Handelns für den Täter erkennbar gewesen ist.
Die Schuldausschlussgründe
Es gibt durchaus Täter im Strafrecht, bei denen der Gesetzgeber von vornherein die Schuldunfähigkeit annimmt. In der Regel hängt dies mit dem Alter des Täters zusammen, da in Deutschland auf der Grundlage des § 19 StGB (Strafgesetzbuch) Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres als nicht straffähig gelten und demnach auch schuldunfähig sind. Der Gesetzgeber sagt, dass Kinder, bedingt durch die mangelnde Reife die beiden oben genannten Kriterien nicht erfüllen können.
Für Täter mit psychischen oder seelischen sowie körperlichen Beeinträchtigungen kann auch eine Schuldunfähigkeit bestehen. Diese begründet sich dann auf den § 20 StGB.
Für Jugendliche gibt es in Deutschland die Regelung der bedingten Schuldfähigkeit. Diese gilt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bei Tätern, die zwar sozial und emotional eine gewisse Reife im Vergleich zu Kindern erreicht haben. Hierbei handelt es sich jedoch stets um eine sogenannte Einzelfallprüfung.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass eine automatisierte Annahme der Schuldunfähigkeit grundsätzlich nicht vorliegt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Vermutung, die entsprechend überprüft werden muss. Sollte ein jugendlicher Täter aufgrund von geistiger oder sittlicher Unreife eine Schuldunfähigkeit aufweisen, so kann auf der Grundlage des § 3 JGG (Jugendgerichtsgesetz) auch keine Strafe erfolgen. Die Überprüfung der Schuldunfähigkeit erfolgt mithilfe eines Gutachtens. Anstelle einer Strafe können jedoch besondere Erziehungsmaßnahmen angeordnet werden, welche die sittliche bzw. soziale als auch geistige Reife des Täters fördern sollen.
Das Strafrecht kennt aktuell vier Formen der Schuldfähigkeit, die je nach Alter sowie dem geistigen Zustand des Täters zur Anwendung gebracht werden. Die volle Schuldfähigkeit, die verminderte Schulfähigkeit, die bedingte Schuldfähigkeit für Jugendliche und die Schuldunfähigkeit für Kinder. In einem Strafprozess versucht natürlich jeder Verteidiger, die Schuldfähigkeit seines Mandanten infrage zu stellen bzw. diese zumindest anzuzweifeln. Das Strafrecht sieht hierbei im Hinblick auf den Nachweis jedoch sehr strenge Kriterien vor, die erfüllt werden müssen. Ärztliche Befundberichte müssen die verminderte Schuldfähigkeit bzw. die Schuldunfähigkeit des Täters eindeutig zweifelsfrei belegen. Auch Behandlungspläne oder Medikamentenverordnungen können diesbezüglich dienlich sein, allerdings wird in der gängigen Praxis in der Regel ein Gutachten in gesonderter Form in Auftrag gegeben.
Wird die verminderte Schuldfähigkeit oder die Schuldunfähigkeit erfolgreich nachgewiesen, so kann sich dies auf der Grundlage des § 21 StGB strafmildernd zugunsten des Täters auswirken. Hierbei sollte jedoch zwingend der Konjunktiv beachtet werden, da es für ein Gericht keinen Zwang zur Strafmilderung gibt. Vielmehr muss die verminderte Schuldfähigkeit bzw. die Schuldunfähigkeit immer im genauen Zusammenhang mit der Tat bzw. den genauen Tatumständen betrachtet werden. Überdies muss auch zwingend erwähnt werden, dass sich aus einer verminderten Schuldfähigkeit auch keine vollständige Straffreiheit ergibt. Der Gesetzgeber differenziert hier zwischen den sogenannten Schuldaussetzungsgründen sowie den Strafmilderungsgründen, sodass ein Angeklagter auf jeden Fall eine anwaltliche Verteidigung in einem Strafprozess benötigt. Das Gesetz hat diesbezüglich einen Rechtsanspruch für angeklagte Menschen geschaffen, auf welches die angeklagte Person ausdrücklich verzichten muss, wenn sie keinen anwaltlichen Beistand wünscht.
Ratsam ist dies auf gar keinen Fall, da das Strafrecht mitunter sehr drastische Strafen für ein Verbrechen kennt. Freiheitsentzug ist in Deutschland sogar auf lebenslanger Basis möglich, was natürlich einen gravierenden Einschnitt in das Leben darstellt. Mitunter ist sogar die sogenannte SV, die anschließende Sicherungsverwahrung in einem Gefängnis, als Strafe für ein Verbrechen denkbar. Dies stellt natürlich einen gravierenden Einschnitt in das Leben eines Menschen dar und wird in der Regel auch nur dann verhängt, wenn ein besonders schwerwiegendes Verbrechen in einem Gerichtsprozess nachgewiesen werden konnte. Mitunter gibt es jedoch schuldmildernde Umstände, denen sich ein Täter überhaupt nicht bewusst ist. Es gibt beispielsweise Medikamente, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit eines Menschen zwingend notwendig sind und die Psyche oder auch die geistige Verfassung beeinträchtigen. Die Einnahme derartiger Pharmazeutika kann unter sehr bestimmten Umständen auch Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit eines Menschen haben, was jedoch ein juristischer Laie im Vorfeld überhaupt nicht wissen kann. Aus diesem Grund ist die anwaltliche Verteidigung in einem Strafprozess auf jeden Fall erforderlich. Wir als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei verfügen über ein kompetentes Team von Fachanwälten für Strafrecht, welche Ihnen zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf das Strafrecht kann zwar grundsätzlich kein ganz bestimmter Ausgang des Verfahrens in Aussicht gestellt werden, allerdings werden alle wichtigen Gesichtspunkte des Falles vor Gericht durch uns beleuchtet.