Strafbarkeit sexueller Belästigung – Nein heißt Nein!
Durch den amerikanischen Film-Produzenten Harvey Weinstein wurde weltweit eine Debatte losgetreten, die als „me too“ Bewegung Berühmtheit erlangt hat. Im Zuge dieser Bewegung kam die Frage auf, welches Verhalten im Hinblick auf die Annäherung zwischen einem Mann und einer Frau von der Frau als sexueller Übergriff gewertet werden muss. Natürlich erreichte die Debatte auch Deutschland und mit dieser Debatte wurden Fragen aufgeworfen, welches Verhalten denn bereits einen Straftatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches erfüllen würde. Dass Vergewaltigungen als extremes Sexualdelikt einen Straftatbestand erfüllt dürfte jedem Menschen hierzulande klar sein. Die Frage ist jedoch, welche sexuellen Verhaltensweisen unterhalb der Vergewaltigung ebenfalls eine gesetzliche Strafbarkeit darstellt.
Es gibt auch unterhalb der Vergewaltigung ein sehr breites Spektrum von Verhaltensweisen, die im Hinblick auf die Sexualität als strafbar angesehen werden. Durch die „Nein bedeutet Nein“ Reform wurde dieses Spektrum weitreichend geändert.
Die gesetzliche Situation
Bezeichnend für das deutsche Sexualstrafrecht gilt das Datum des 11.11.2016. Mit diesem Datum trat die Änderung des StGB (Strafgesetzbuch) in Deutschland in Kraft, welches vor diesem Datum von Kritikern weitestgehend als unzureichend angesehen wurde. Einer der Gründe für die Änderung des Sexualstrafrechts war der Umstand, dass für die Strafbarkeit der Handlung zunächst erst einmal eine gewisse Schwelle überschritten werden musste. Diese Schwelle war im Bereich der „einiger Erheblichkeit“ der sexuellen Handlung angesiedelt. Maßgeblich hierfür ist der § 184h Strafgesetzbuch, welcher jedoch durch die Änderung des Sexualstrafrechts nicht berührt wurde. Über diesen Umstand hinaus musste ein Täter zunächst erst einmal die Kriterien für den sexuellen Missbrauch im Sinne der §§ 174 fortfolgende Strafgesetzbuch erfüllen, um eine strafrechtliche Würdigung seines Verhaltens zu erfahren.
Diese Kriterien lauten
- sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
- sexuelle Nötigung im Sinne des § 177 Strafgesetzbuch
Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen umfasste auch Menschen, die sich in einem Ausbildungs- oder Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis zu dem Täter befinden. Die Strafbarkeit des Handelns ist jedoch nicht nur auf Handlungen an dem Opfer beschränkt, ein Täter kann auch Handlungen an sich selbst vor den Augen des Opfers vornehmen und damit eine Strafbarkeit des Handelns auslösen.
Im Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung im Sinne des § 177 Strafgesetzbuch ist es überdies auch erforderlich, dass der Täter eine Drohung gegenüber dem Opfer ausspricht oder die schutzlose Lage eines Opfers ausnutzt bzw. Gewalt gegen das Opfer anwendet.
Sowohl in der neuen als auch in der alten Fassung des Sexualstrafrechts ist die Vergewaltigung gem. § 177 StGB nach wie vor ein besonders schwerwiegender Fall.
Das Grabschen war in früheren Zeiten nicht strafbar
In der alten Fassung des Sexualstrafrechts wurden in erster Linie die sogenannten „echten Sexualdelikte“ strafrechtlich verfolgt. Verhaltensweisen wie beispielsweise Po- bzw. Busen-Grabscher, welche heutzutage durchaus als sexuelle Belästigung angesehen werden, waren in früheren Zeiten hingegen regelmäßig nicht strafbar. Der Grund hierfür lag in dem Umstand, dass derartige Verhaltensweisen die vorgenannten Hürden der Straftatbestände aus damaliger Sichtweise heraus nicht erfüllt haben. Sowohl die notwendige Erheblichkeit im gesetzlichen Sinne als auch die Kriterien eines Missbrauchs bzw. von einer Nötigung wurden durch diese Verhaltensweisen nicht erfüllt.
Selbst der gezielte Griff zwischen der Schritt der Frau galt als nicht strafbar, sofern er über der Bekleidung der Frau stattgefunden hat. Dies wurde sogar seitens des BGH (Bundesgerichtshof) mit Beschluss aus dem Jahr 21.09.2005, Aktenzeichen 2 StR 311/05 bestätigt.
Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch die Strafbarkeit aufgrund einer Beleidigung im Sinne der §§ 185 fortfolgende abgelehnt. Der Grund für die Ablehnung lag in dem Umstand, dass der BGH die Gesetzesgeberbewertung des Sexualstrafrechts nicht unterlaufen wollte. In dieser Hinsicht jedoch gibt es seitens der unterschiedlichen Gerichte auch unterschiedliche Sichtweisen, sodass von einer einheitlichen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden kann. In einigen Fällen wurde der Griff in den Schritt der Frau als Beleidigung gewertet und in anderen Fällen wiederum nicht. Ebenso verhält es sich auch mit der Bewertung einer Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle.
2016 – „Nein bedeutet Nein“
Durch die traurig-berühmte Silvesternacht von Köln zum Jahreswechsel 2015/2016 wurde eine Debatte, die bereits seit sehr langer Zeit auch emotional geführt wurde, wieder aufgenommen. Die Debatte beschäftigte sich auch mit der Notwendigkeit einer Verschärfung des damalig geltenden Sexualstrafrechts. Die herbeigesehnte 50. Änderung des StGB trat dann auch mit dem 11.11.2016 in Kraft. Diese Änderung verlief unter dem Motto „Nein bedeutet Nein“ und beinhaltete völlig neue Tatbestände sowie Vorschriften, die ihren Weg in das Strafgesetzbuch fanden. Ebenso wurden etliche bereits vorhandene Tatbestände sowie auch Vorschriften abgeändert. Die Folge war auch eine grundlegende Strafbarkeitsänderung im Hinblick auf sexuelle bzw. sexualisierte Verhaltensweisen. Im Zuge dieser Reform wurde auch der § 177 Strafgesetzbuch völlig neu gefasst und auch mit dem § 184i Strafgesetzbuch ein komplett neuer Tatbestand für die sexuelle Belästigung in das Strafgesetzbuch aufgenommen.
Der sexuelle Übergriff ist ein völlig neuer Tatbestand
Sowohl der erste als auch der zweite Absatz des § 177 Strafgesetzbuch wurden mit der Neufassung zu einem vollständig neuen Tatbestand abgeändert. Das Resultat dieser Abänderung ist letztlich der sexuelle Übergriff, der nunmehr nicht zwingend an ein Verhalten von nötigender Natur gekoppelt ist, sondern vielmehr einen erkennbaren Willen der anderen Person voraussetzt. Die Strafbarkeit hängt dementsprechend davon ab, ob die Handlung ausdrücklich gegen einen erkennbaren Willen der anderen Person stattfindet.
Die Gründe, warum die andere Person die Handlungen letztlich ablehnt, sind absolut unerheblich.
Gem. § 177 Absatz 2 Strafgesetzbuch ist die Nötigung zu der sexuellen Handlung lediglich eine Fallkonstellation, welche sämtliche sexuellen Handlungen umfasst, die von einem Täter unter Ausnutzung von bestimmten Situationen wie beispielsweise einem „Überraschungsmoment“ vorgenommen werden. Hierbei darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass die Erheblichkeitsschwelle gem. § 184h Strafgesetzbuch nicht angetastet wurde. Dementsprechend dürfte in der gängigen Praxis das „Grabschen“ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als strafbare Handlung angesehen werden, wobei die Einzelfallprüfung stets angewandt wird. Es ist daher durchaus möglich, dass ein Gericht das Grabschen durchaus als strafbare Handlung wertet.
Wer als Mann die Ansicht vertritt, dass Grabschen grundsätzlich keine Strafe nach sich zieht, der irrt gewaltig. Die sexuelle Belästigung ist seit der Reform im Jahr 2016 gem. § 184i Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Diese Verhaltensweise kann mit einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren oder alternativ dazu mit einer Geldstrafe geahndet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Handlung nicht einen anderweitigen Straftatbestand, der eine schwerere Strafe nach sich zieht, erfüllt. Es darf nicht vergessen werden, dass es in der gängigen Praxis durchaus Fallkonstellationen bzw. Situationen gibt, in denen ein Mann und eine Frau sich näher kommen. Diese Situationen sind, sofern sie einvernehmlich erfolgen, natürlich nicht strafbar. Ebenfalls darf nicht vergessen werden, dass es auch durchaus heikle Situationen im Leben eines Menschen gibt. Als Beispiel hierfür sei die heimliche Affäre zwischen einem verheirateten Mann und einer Frau genannt, im Rahmen derer sich die Frau in den Mann verliebt und diesen zu einer festen Beziehung verleiten möchte. Wird diese Erwartungshaltung letztlich seitens des Mannes enttäuscht, so sind die Gefühle der Frau verletzt. Eine verletzte Frau kann indes überaus irrational vorgehen, nur um den Mann zu schaden. Der Vorwurf der sexuellen Belästigung ist in diesem Fall sehr schnell ausgesprochen, sodass der Mann auf gar keinen Fall vorverurteilt werden darf.
Es soll an dieser Stelle auf gar keinen Fall die Schwere einer tatsächlichen sexuellen Belästigung relativiert werden. Es gibt zahlreiche Männer, die sich gegenüber einer Frau unangemessen verhalten und diese Frauen müssen auf jeden Fall von dem Gesetzgeber geschützt werden. Die Einzelfallprüfung ist hierfür jedoch absolut unerlässlich. Wenn Sie weitergehende Fragen zu dieser Thematik haben können Sie sich gern an uns als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei wenden.