Gesetzliche Regelungen: Wann ist Sterbehilfe strafbar und was ist erlaubt?
I. Einleitung zum Thema Sterbehilfe
Das Thema Sterbehilfe in Deutschland ist eine hochemotional geführte Debatte, da sie nicht nur ethisch-moralische Fragestellungen aufwirft, sondern in der Praxis zumeist auch eine Vielzahl von Personen und deren Interessen (Patienten und Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal, Vertreter von Glaubensgemeinschaften, Hospize sowie Sterbehilfevereinigungen) dadurch berührt werden. Hinzu kommen der demografische Wandel und die fortschrittlichen Entwicklungen der modernen Medizin, die uns ein immer länger währendes Leben verspricht. Auch der Gesetzgeber hat mittlerweile auf diese Thematik reagiert und unter anderem die sog. Patientenverfügung bzw. deren Verbindlichkeit in § 1901a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgenommen und mit der Schaffung des Straftatbestandes der Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Strafgesetzbuch (StGB) auf die zunehmende Verbreitung von gewerbsmäßigen Sterbehilfevereinigungen – die man bisher beispielsweise aus der Schweiz kannte – reagiert.
Die Rechtsanwaltskanzlei Kotz aus Kreuztal bei Siegen möchte mit diesem Beitrag die aktuelle Rechtslage zum Thema Sterbehilfe in Deutschland abbilden und die unterschiedlichen Begrifflichkeiten näher erläutern. Sollten Sie als betroffener Patient, als Angehöriger, als (behandelnder) Arzt oder als Pflegepersonal eine darüber hinaus gehende rechtliche Beratung rund um das Thema Sterbehilfe benötigen, so zögern Sie nicht uns zu kontaktieren und einen Termin für ein Beratungsgespräch zu vereinbaren. Vor dem Hintergrund zweier viel beachteter Beschlüsse des Bundesgerichtshofs, in denen es um die Wirksamkeit von Patientenverfügungen ging (BGH, Beschluss vom 06.07.2016 – Az. XII ZB 61/16 sowie Beschluss vom 08.02.2017 – Az. XII ZB 604/15), weisen wir Sie in diesem Zusammenhang an dieser Stelle darauf hin, dass die Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskanzlei Kotz Ihnen auch gerne bei der Erstellung und/oder Neufassung einer rechtswirksamen und verbindlichen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht behilflich sind. Sprechen Sie uns einfach an – Wir helfen gerne.
II. Die passive Sterbehilfe
Hinsichtlich der Sterbehilfe existieren einige Begrifflichkeiten, die leider bei weitem nicht so deutlich und selbsterläuternd erscheinen, wie man es gemeinhin vermuten würde. Zunächst einmal lässt sich die Sterbehilfe grob einerseits in die sog. aktive Sterbehilfe und andererseits in die sog. passive Sterbehilfe unterteilen. Unter der passiven Sterbehilfe versteht man den Behandlungsabbruch im weitesten Sinne, d.h. die Unterlassung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Hierbei kommt der Beachtung des (mutmaßlichen) Patientenwillens bzw. des in einer Patientenverfügung erklärten Willens eine besondere Bedeutung zu. Die passive Sterbehilfe ist Ärzten in Deutschland in Grenzen bereits erlaubt: Mediziner machen sich nicht strafbar, wenn sie auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichten – also wenn sie einen Patienten nicht wiederbeleben oder künstlich beatmen. Allerdings wird es mitunter dann schon komplizierter, wenn beispielsweise die künstliche Beatmung bereits aufgenommen wurde und dann abgebrochen wird bzw. werden soll. Problematisch erscheint hierbei, dass es sich um ein aktives Tun handelt. Allerdings haben Gerichte bereits in mehreren Grundsatzurteilen geurteilt, dass ein Abbruch der Behandlung dann erlaubt ist, wenn der Patient an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet und seine Einwilligung erteilt hat (z.B. mittels einer Patientenverfügung). Unter diesen Voraussetzungen darf der behandelnde Arzt auch das Beatmungsgerät abschalten und somit passive Sterbehilfe unter den o.g. Voraussetzungen in Form einer aktiven Handlung leisten, ohne sich der Gefahr einer strafrechtlichen Konsequenz ausgesetzt zu sehen.
III. Die aktive Sterbehilfe
Als aktive Sterbehilfe gelten dabei alle Handlungen und Maßnahmen, die anstelle der tödlich verlaufenden Krankheit den Tod bringen. Die aktive Sterbehilfe hingegen lässt sich einerseits in eine direkte aktive Sterbehilfe und andererseits in eine indirekte aktive Sterbehilfe unterteilen. Unter der direkten aktiven Sterbehilfe versteht man die direkte und gezielte Tötung einer Person auf Grund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches durch die Verabreichung von Medikamenten oder einer Injektionslösung (z.B. Insulin oder Kaliumchlorid). Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland gesetzlich verboten (§ 216 StGB – Tötung auf Verlangen). Eine Tötung ohne eine entsprechende Willensäußerung des Betroffenen wird nicht als aktive Sterbehilfe betrachtet, sondern als Mord (§ 211 StGB) oder als Totschlag (§ 212 StGB) geahndet. Unter der indirekten aktiven Sterbehilfe wird die unter der Verabreichung analgesierender (also schmerzstillender) oder sedierender (also beruhigender) Medikamente im Präfinalstadium in Kauf genommene Lebensverkürzung durch die Nebenwirkungen verstanden. Darunter versteht man beispielsweise die Verabreichung stark schmerzstillender Medikamente (z.B. Morphin), die aber aufgrund der starken Nebenwirkungen und der hohen Dosierung mitunter zu einem dadurch bedingten Todeseintritt führen können. Dies ist erklärtermaßen nicht das Primärziel der Behandlung, jedoch nimmt man diese Nebenwirkungen und somit auch den frühzeitigen Todeseintritt billigend in Kauf. Der auf diese Weise (be)handelnde Arzt wird durch die Annahme des Rechtfertigungsgrundes des Rechtfertigenden Notstandes gem. § 34 StGB gerechtfertigt, so dass im Ergebnis keine Strafbarkeit besteht.
IV. Die Beihilfe zur Selbsttötung – Der assistierte Suizid
Die Beihilfe zur Selbsttötung ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der gesamten Sterbehilfedebatte. Dazu müssen jedoch wiederum einige Begrifflichkeiten vorab abgeklärt werden. Der Suizid ist laut der Weltgesundheitsorganisation ein Akt der vorsätzlichen Selbsttötung. Der Bundesgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung von der Straflosigkeit der Selbsttötung aus, wenn sie frei und eigenverantwortlich gewollt und verwirklicht ist. Beihilfe zum Suizid leistet derjenige, der einem Menschen, der sich selbst tötet, dabei Hilfe leistet. Da die Beihilfe aus strafrechtlicher Sicht nur hinsichtlich einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat möglich ist (Prinzip der limitierten Akzessorietät), scheidet folgerichtig eine Beihilfe zum Suizid (mangels Haupttat) und somit eine Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht aus. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Tatherrschaft über das Geschehen beim Suizidenten liegt. Sofern eine andere Person aktiv das Geschehen übernimmt, liegt keine (straffreie) Beihilfe zur Selbsttötung, sondern mitunter eine strafbare Tötungshandlung vor. Durch die Einführung des § 217 StGB erfahren die o.g. Grundsätze zur Straffreiheit im Rahmen des assistierten Suizids eine Einschränkung, sofern der Suizidhelfer geschäftsmäßig im Sinne des § 217 StGB handelt. Der Strafrahmen des § 217 StGB sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Dort heißt es:
„(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“
Ungeachtet dessen birgt auch der ärztlich assistierte Suizid rechtliche Unsicherheiten. Unter Umständen können in dieser Konstellation Abgrenzungsprobleme entstehen, die bei anderen Menschen nicht auftreten, weil der Arzt eine Behandlungspflicht haben könnte, die andere Menschen nicht haben und deren Vernachlässigung zum Beispiel dazu führen könnte, einen ärztlich assistierten Suizid als Totschlag durch Unterlassen zu bewerten. Hiermit ist die sog. Garantenstellung des Arztes (vgl. § 13 StGB), und eine mögliche Strafbarkeit gem. §§ 212, 13 StGB gemeint. Praktisch besteht jedoch in den Fällen, in denen der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Patienten feststeht kein Strafbarkeitsrisiko mehr, da einerseits die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen in § 1901a BGB unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung geregelt ist und andererseits der BGH im sog. Fuldaer Fall (BGH, Urt. v. 25.06.2010 – Az. 2 StR 454/09) Folgendes erkannt hat: „1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. 2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden.“. Auch für einen Nichtgaranten wäre grundsätzlich an eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB zu denken, sobald der Suizident über seiner die Besinnung (juristisch: die Tatherrschaft) verliert. Die Rechtsprechung betrachtet den Suizidversuch als einen Unglücksfall im Sinne dieser Vorschrift.
Was auch den meisten Ärzten nicht bewusst sein dürfte: strafrechtlich ist ihnen der ärztlich assistierte Suizid erlaubt. Dem stehen jedoch die Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern eindeutig und einhellig entgegen. In § 16 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) heißt es diesbezüglich: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen oder Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ (Hervorhebung durch den Verfasser) Darüber hinaus ist auch im Falle des Besorgens oder Bereitstellens tödlicher wirkender Medikamente an eine Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu denken (zu diesen Themenkomplexen aus strafrechtlicher Sicht ausführlicher unsere Beiträge unter Strafrecht-Infos: „Betäubungsmittelstrafrecht (BtMG)“ und „Einführung in das Medizinstrafrecht“). Exakt in diese Kerbe schlägt auch ein sehr aktuelles und umstrittenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. vom 02.03.2017 – Az. 3 C 19.15) indem es entschieden hat, dass schwerkranke Menschen unter gewissen Umständen Zugang zu tödlichen Medikamenten bekommen können. Konkreter ging es in dem Urteil um den Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine schmerzlose Selbsttötung erlaubt. In extremen Ausnahmefällen dürfe der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaubt, nicht verwehrt sein. Allerdings entscheidet diese Anfrage kein Arzt oder Apotheker, sondern der Weg geht über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
V. Fazit zum Thema Sterbehilfe in Deutschland
Die Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskanzlei Kotz aus Kreuztal bei Siegen stehen Ihnen in jeder Lebenssituation bei. Dieser Beitrag zeigt recht deutlich, wie wichtig es nicht nur für einen selbst als potentiell Betroffenen, sondern vor allem auch für die uns nahestehenden Personen und Angehörigen ist, möglichst konkret und verbindlich zu wissen, wie wir uns unseren Lebensabend im Allgemeinen aber auch den Tod im Speziellen vorstellen. Vereinbaren Sie einfach einen Termin für ein Beratungsgespräch und erhalten Sie sämtliche Vorsorgeleistungen kompetent und aus „einem Guß“. Wir beraten Sie in allen Lebens- und Rechtsfragen, die sich zum Lebensende hin stellen, damit Ihnen zumindest diese Last frühzeitig von der Schulter genommen werden kann. Gemeinsam erstellen wir für Sie ein Testament oder einen Erbvertrag, überprüfen und/oder erstellen für Sie eine rechtswirksame und den neuesten Anforderungen entsprechende Patientenverfügung und eine inhaltlich abgestimmte Vorsorgevollmacht. Doch auch wenn es Probleme hinsichtlich der Wahrung Ihres Patientenwillens und Ihres Selbstbestimmungsrechts gibt, lassen wir Sie nicht alleine und helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Wünsche. Sollten Sie noch weitergehende Fragen haben, so zögern Sie nicht, uns jederzeit zu kontaktieren und einen Termin für ein Beratungsgespräch in unserer Kanzlei in Kreuztal bei Siegen zu vereinbaren. Auf Wunsch besuchen wir Sie natürlich auch gerne bei Ihnen zu Hause.
Wir sind auch in schwierigen Zeiten mit ganzer Kraft für Sie da! – Ihr Team der Rechtsanwaltskanzlei Kotz.