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Strafantragstellung bei Onlinewache der Polizei – Unwirksamkeit

Digitale Technologie im Rechtssystem

In der digitalen Ära, in der wir leben, hat die Technologie viele Aspekte unseres Lebens revolutioniert, einschließlich der Art und Weise, wie wir mit rechtlichen Angelegenheiten umgehen. Ein solcher Fall, der kürzlich die Aufmerksamkeit der Justiz erregt hat, betrifft die Einreichung eines Strafantrags über eine Onlinewache der Polizei.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Cs 500 Js 24368/20   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Ein über eine Onlinewache der Polizei eingereichter Strafantrag erfüllt nicht die schriftlichen Anforderungen des § 158 Abs. 2 StPO.

Summary

  • Der Beschluss wurde vom AG Auerbach (Vogtland) am 26.01.2021 unter dem Aktenzeichen 3 Cs 500 Js 24368/20 gefasst.
  • Das Verfahren in Bezug auf den Angeschuldigten wurde gemäß §206a StPO eingestellt.
  • Die Verfahrenskosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden von der Staatskasse getragen.
  • Das Hauptproblem war ein fehlender formgerechter Strafantrag, der nicht mehr nachgereicht werden konnte, da die Frist für den Strafantrag bereits abgelaufen war.
  • Der Strafantrag bezog sich auf eine Beleidigung gegen eine Mitarbeiterin des Jobcenters vom 11.08.2020 und wurde online durch ihren Vorgesetzten am 12.08.2020 gestellt.
  • Beleidigungen können gemäß §194 Abs. 1 S. 1 StGB nur auf Antrag verfolgt werden.
  • Alle Strafanträge wegen Beleidigung müssen die Formvorschrift des §158 Abs. 2 StPO erfüllen, die eine schriftliche Form bei der Polizei erfordert.
  • Die Schriftform wird als schriftlich niedergelegt, aber nicht notwendigerweise als unterschrieben verstanden.
  • Ein Hauptargument gegen die Gültigkeit des Online-Strafantrags ist die Anonymität des Vorgangs. Selbst wenn die IP-Adresse erfasst wird, kann nur der Computer, nicht aber der Nutzer identifiziert werden.
  • Das Schriftformerfordernis dient nicht nur dem Schutz des Empfängers, sondern auch dem des Erklärenden, um vor den Folgen einer voreiligen Erklärung geschützt zu werden.
  • Die Schutzfunktion der schriftlichen Form würde verloren gehen, wenn man einen nur online gestellten Strafantrag als ausreichend betrachten würde.
  • Die Entscheidung über die Kosten basiert auf den §§ 464, 467 Abs. 1 StPO.

Der Fall: Ein Strafantrag über die Onlinewache

Im August 2020 wurde eine Mitarbeiterin des Jobcenters beleidigt. Der Vorfall wurde am nächsten Tag, dem 12. August, von ihrem Dienstvorgesetzten über die Onlinewache der Polizei Sachsen gemeldet. Hierbei wurde die Frage, ob ein Strafantrag gestellt werden soll, mit „Ja“ beantwortet. Dies mag auf den ersten Blick wie eine einfache und effiziente Methode erscheinen, um rechtliche Schritte einzuleiten. Doch hier liegt das rechtliche Dilemma.

Rechtliche Herausforderungen und Interpretationen

Internetwache Polizei Strafantrag
(Symbolfoto: Jarretera /Shutterstock.com)

Das Kernproblem dieses Falls ist die Frage, ob ein über eine Onlinewache eingereichter Strafantrag den formalen Anforderungen des § 158 Abs. 2 StPO genügt. Laut diesem Paragraphen muss ein Strafantrag schriftlich bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft eingereicht werden. Bei anderen Behörden, wie der Polizei, muss der Antrag ebenfalls schriftlich gestellt werden. Dies bedeutet, dass der Antrag in physischer Form und nicht digital vorliegen muss.

Die rechtliche Herausforderung besteht darin, dass die Schriftform in der Regel eine eigenhändige Unterschrift erfordert. Dies stellt sicher, dass der Antragsteller seinen Verfolgungswillen eindeutig und schriftlich zum Ausdruck bringt. Es gibt jedoch Interpretationen, die besagen, dass die Schriftform auch dann gewahrt ist, wenn der Strafantrag lediglich schriftlich niedergelegt, aber nicht unbedingt unterschrieben ist.

Gerichtliche Entscheidung und Auswirkungen

Das Gericht hat in diesem Fall entschieden, dass ein über eine Onlinewache eingereichter Strafantrag nicht den formalen Anforderungen genügt. Ein Hauptargument war, dass die Nutzung der Onlinewache im Kern ein anonymer Vorgang bleibt. Selbst wenn die IP-Adresse erfasst wird, kann nur der Computer, nicht aber der Nutzer identifiziert werden. Dies unterscheidet sich von anderen Methoden, bei denen der Antragsteller persönlich vor einem Polizeibeamten erscheint.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Schriftformerfordernis nicht nur dem Schutz des Empfängers dient, sondern auch dem des Erklärenden. Es soll sicherstellen, dass der Antragsteller die Tragweite seiner Erklärung versteht und vor übereilten Entscheidungen geschützt wird.

Schlussfolgerung

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend. Es betont die Bedeutung der traditionellen schriftlichen Form in rechtlichen Angelegenheiten und stellt sicher, dass die Identität des Antragstellers zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es hebt auch die potenziellen Risiken und Unklarheiten hervor, die mit der Einreichung von rechtlichen Dokumenten über digitale Plattformen verbunden sind.

Das Fazit dieses Urteils ist klar: Während die Technologie viele Aspekte unseres Lebens verbessert hat, gibt es bestimmte Bereiche, in denen traditionelle Methoden immer noch von entscheidender Bedeutung sind. In rechtlichen Angelegenheiten, bei denen die Identität und Absicht des Antragstellers von größter Bedeutung sind, bleibt die schriftliche Form unerlässlich.

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Strafantragstellung – kurz erklärt


Ein Strafantrag ist das formelle Verlangen einer Person, dass jemand wegen einer bestimmten Straftat strafrechtlich verfolgt wird. Dieser unterscheidet sich von der Strafanzeige, bei welcher es sich lediglich um die Mitteilung eines möglicherweise strafbaren Sachverhalts an die Strafverfolgungsbehörden handelt. Bei bestimmten, meist weniger schweren Straftaten, den sogenannten Antragsdelikten, ist ein Strafantrag notwendig, damit die Strafverfolgung überhaupt eingeleitet wird. Der Strafantrag muss innerhalb einer bestimmten Frist, nämlich drei Monaten, gestellt werden. Diese Frist beginnt, sobald der Antragsberechtigte von der Tat und der Identität des Täters Kenntnis erlangt hat. In der Regel ist der durch die Tat Verletzte antragsberechtigt.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  • Strafprozessrecht (StPO): Gemäß § 158 Abs. 2 StPO muss ein Strafantrag bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag möglich ist, bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. In diesem Fall wurde ein Strafantrag über eine Onlinewache der Polizei eingereicht, was nicht dem Schriftformerfordernis genügt.
  • Strafrecht (StGB): Die Beleidigung kann gemäß § 194 Abs. 1 S. 1 StGB nur auf Antrag verfolgt werden. Der Dienstvorgesetzte der Geschädigten stellte einen Strafantrag per Onlineanzeige, was jedoch nicht den Formvorschriften entspricht.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Die Schriftform eines Strafantrags ist gemäß § 126 BGB gewahrt, wenn die Urkunde eigenhändig zumindest durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. In diesem Fall wurde diskutiert, ob ein über eine Onlinewache eingereichter Strafantrag dieser Vorschrift genügt.


Das vorliegende Urteil

AG Auerbach (Vogtland)-  Az.: 3 Cs 500 Js 24368/20 – Beschluss v. 26.01.2021

Leitsatz:

Ein über eine Onlinewache der Polizei eingereichter Strafantrag genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO.


1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Angeschuldigten … gemäß §206a StPO eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten … fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Das Verfahren war wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses gem. §206 a Abs. 1 StPO einzustellen. Es fehlt an einem formgemäßen Strafantrag. Dieser ist auch nicht mehr nachholbar, da die Strafantragsfrist bereits abgelaufen ist.

Mit dem beantragten Strafbefehl verfolgte die Staatsanwaltschaft eine Beleidigung zu Lasten der Mitarbeiterin des Jobcenters vom 11.08.2020. Strafantrag wurde lediglich durch den Dienstvorgesetzten der Geschädigten per Onlineanzeige vom 12.08.2020 gestellt. Der Dienstvorgesetzte bediente sich dabei der Onlinewache der Polizei Sachsen und beantwortete die dort gestellte Frage „Stellen Sie Strafantrag?“ mit „Ja“.

Die Beleidigung kann gem. §194 Abs. 1 S. 1 StGB nur auf Antrag verfolgt werden. Gemäß §194 Abs. 3 StGB ist auch eine Antragstellung durch den Dienstvorgesetzten grundsätzlich möglich. Allerdings unterliegen alle Strafanträge wegen Beleidigung der Formvorschrift des §158 Abs. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Strafantrag bei Straftaten, den Verfolgung nur auf Antrag möglich ist, bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. Daraus folgt, dass der Strafantrag bei der Polizei schriftlich zu stellen ist.

Die Schriftform ist jedenfalls dann gewahrt, wenn der Strafantrag der Form Vorschrift des §126 BGB genügt. Danach muss die Urkunde eigenhändig zumindest durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Insgesamt werden aber keine hohen Anforderungen in diesem Zusammenhang gestellt. So genügt es, wenn der Strafantragsteller gegenüber der Polizei seinen Verfolgungswillen unmissverständlich und schriftlich zum Ausdruck bringt, vgl. BGH NStZ 1995, 353. Dementsprechend kann auch im Rahmen der schriftlichen Strafanzeige konkludent der Strafantrag enthalten sein. Auch wird das Merkmal schriftlich im Allgemeinen weit, d. h. über die Grenzen des §126 BGB hinaus ausgelegt. Schriftlich wird danach als schriftlich niedergelegt, nicht aber zwingend als unterschrieben verstanden. So wurde es als ausreichend angesehen, dass ein Antragsteller im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung selbst auf Tonband den Strafantrag aufspricht und dieser dann durch die Polizei in ein schriftliches Protokoll umgesetzt wird, vgl. Bayrisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.04.1997, 5 StRR 18/97. Entscheidend sei, dass der Zweck der Formvorschrift, nämlich die Sicherstellung der Identität des Erklärenden und des Inhalts der Erklärung, gewahrt wird.

Diesen letzten Gedanken aufgreifend wird vereinzelt auch vertreten, dass ein über die Onlinewachen der einzelnen Polizeiverwaltungen eingereichter Strafantrag dem Formerfordernis genüge, vgl. Jesse DRiZ 2018, 28. Diese Auffassung wird jedoch nicht geteilt. Es ist bereits fraglich, ob allein durch die Angaben im Rahmen der Onlineanzeige die oben beschriebene Hauptfunktion des Schriftformerfordernisses, nämlich die zweifelsfreie Zuordnung der Erklärung zum Antragsteller als Basis für weitere Ermittlungen, durch eine Onlineanzeige gewahrt werden könnte. Die Nutzung der Onlinewache bleibt im Kern ein anonymer Vorgang. Selbst wenn dabei die IP-​Adresse erfasst wird, lässt sich damit allenfalls der genutzte Computer, nicht aber der Nutzer identifizieren. Dies ist ein entscheidender Unterschied zur oben zitierten Rechtsauffassung des Bayrischen Oberlandesgerichts. Bei der Onlineanzeige findet gerade kein persönlicher Kontakt zwischen Polizei und Antragsteller statt, der weitere konkrete Überprüfungsmöglichkeiten im weiteren Verfahren, insbesondere durch Befragen des aufnehmenden Polizeibeamten, ermöglicht.

Darüber hinaus dient ein Schriftformerfordernis nicht nur dem Schutz des Erklärungsempfängers, sondern auch des Erklärenden. Er soll vor den Folgen einer weitreichenden aber überhastet abgegebenen Erklärung geschützt werden. Denn in der Regel geht mit der Abgabe einer schriftlichen Erklärung das Bewusstsein einher, eine Erklärung von erheblicher Tragweite abzugeben. Nichts anderes gilt, wenn die Erklärung persönlich zum Zwecke der späteren Niederschrift persönlich vor einem Polizeibeamten abgegeben wird, s. o. Für den Strafantrag gilt diese Schutzfunktion aus zweierlei Gründen. Zum einen betreffen die reinen Antragsdelikte im Sinne des §158 Abs. 2 StPO häufig Straftatbestände, die im engen persönlichen Umfeld des Antragstellers verwirklicht wurden. Mit dem Erfordernis des Strafantrags hat der Gesetzgeber in den §§ 194 und 247 StGB ausdrücklich dem Geschädigten die Wahl gelassen, ob eine staatliche Einmischung in diese engen persönlichen Verhältnisse durch die Strafverfolgung erfolgen soll oder nicht. Zum anderen zieht ein gestellter Strafantrag für den Fall der Rücknahme auch immer die Kostenfolge des §470 StPO nach sich. Diese finanziellen Auswirkungen können, etwa wenn sich der Beschuldigte eines Rechtsbeistands bedient, sehr erheblich sein. Gerade vor diesen persönlichen und wirtschaftlichen Folgen eines gegebenenfalls überhastet und unüberlegt gestellten Strafantrags schützt das Schriftformerfordernis im §158 Abs. 2 StPO. Diese Schutzfunktion der Schriftform würde völlig aufgegeben, folgte man der Auffassung, auch einen nur online gestellten Strafantrag im Sinne des §158 Abs. 2 StPO genügen zu lassen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 StPO.

? FAQ zum Urteil


  • Was besagt das Schriftformerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO? Das Schriftformerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO besagt, dass Strafanträge bei Straftaten, die nur auf Antrag verfolgt werden können, schriftlich bei einem Gericht, der Staatsanwaltschaft oder zu Protokoll bei einer anderen Behörde gestellt werden müssen.
  • Ist ein über die Onlinewache der Polizei eingereichter Strafantrag wirksam? Nein, ein über die Onlinewache der Polizei eingereichter Strafantrag genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO und ist daher unwirksam.
  • Welche Formvorschriften gelten speziell für Strafanträge wegen Beleidigung? Alle Strafanträge wegen Beleidigung unterliegen der Formvorschrift des § 158 Abs. 2 StPO, die besagt, dass sie schriftlich bei einem Gericht, der Staatsanwaltschaft oder einer anderen Behörde eingereicht werden müssen.
  • Was besagt die Formvorschrift des § 126 BGB in Bezug auf Strafanträge? Gemäß § 126 BGB muss die Urkunde eigenhändig zumindest durch Namensunterschrift unterzeichnet werden, um die Schriftform zu wahren. Dies bedeutet, dass der Strafantragsteller seinen Verfolgungswillen unmissverständlich und schriftlich zum Ausdruck bringen muss.
  • Warum ist die Schriftform bei Strafanträgen von großer Bedeutung? Die Schriftform dient dem Schutz des Erklärungsempfängers sowie des Erklärenden. Sie stellt sicher, dass der Erklärende sich der Tragweite seiner Erklärung bewusst ist und schützt vor überhasteten Entscheidungen. Besonders bei Antragsdelikten im persönlichen Umfeld des Antragstellers ermöglicht sie diesem die Wahl, ob eine staatliche Einmischung durch Strafverfolgung erfolgen soll oder nicht.

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