LG Hannover – Az.: 61 Ns 18/20 – Urteil vom 13.05.2020
Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 30.01.2020 werden verworfen.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich ihrer notwendigen Auslagen; mit Ausnahme der Kosten, die durch die Berufung der Staatsanwaltschaft verursacht worden sind und die von der Staatskasse zu tragen sind.
Angewendete Vorschriften: §§ 263 Abs. 1 und 2, 267 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover hat die Angeklagte mit Urteil vom 30.01.2020 wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 10 € verurteilt. Die hiergegen sowohl von der Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen sind erfolglos.
II.
Die 59 Jahre alte ledige und kinderlose Angeklagte ist Fachärztin für Oralchirurgie und arbeitet als Selbständige im medizinischen IT-Bereich. Der Bundeszentralregisterauszug vom 16.03.2020 weist fünf Eintragungen auf:
1. Am 13.06.2012 verurteilte sie das Amtsgericht Hannover (247 Cs 156/12) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 €.
2. Am 19.10.2012 verurteilte sie das Amtsgericht Hannover (247 Cs 302/12) wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 €.
3. Am 16.04.2012 bildete das Amtsgericht Hannover aus den beiden vorgenannten Entscheidungen eine nachträgliche Gesamtstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €.
4. Am 13.08.2013 verurteilte sie das Amtsgericht Hannover (247 Cs 234/13) wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 €.
5. Am 16.04.2012 bildete das Amtsgericht Hannover aus den drei Verurteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafe von 130 Tagessätzen zu je 30 €.
III.
Im Juli 2015 forderte die Obergerichtsvollzieherin … die Angeklagte aufgrund des entsprechenden Vollstreckungsersuchens eines Gläubigers auf, einen Betrag von 600 € zu zahlen und anderenfalls am 27.07.2015 zur Abgabe der Vermögensauskunft zu erscheinen. Die Angeklagte erschien zu dem Termin, erteilte jedoch keine Auskünfte über ihr Vermögen, sondern überreichte der Obergerichtsvollzieherin einen vom 27.07.2015 datierenden „Vertrag über Schadensersatz und Honorar“. Dieser „Vertrag“ war allein von der Angeklagten unterzeichnet.
Gegenstand des Vertrages sollten gem. § 2 Vertragsleistungen der Angeklagten sein, die diese an die Obergerichtsvollzieherin H… erbringe. Leistungen in diesem Sinne seien Zahlungen sowie von der Obergerichtsvollzieherin abgeforderte Erklärungen, Berichte, Stellungnahmen oder andere Anfragen.
Diese Vertragsleistungen der Angeklagten erfolgten gem. § 1 unter Vorbehalt, weil die Obergerichtsvollzieherin mangels entsprechender Legitimation und Autorisierung durch Besatzungsrecht nicht zu hoheitlichem Handeln berechtigt sei.
Der Vertrag sollte gem. §§ 3 und 4 dadurch in Kraft treten, dass die Obergerichtsvollzieherin eine Vertragsleistung annehme, eine Zwangsmaßnahme umsetze, Schreiben mit Forderungen gegen die Angeklagte erhebe oder eine Zwangsmaßnahme androhe.
Gemäß § 5 des Vertrages sollten das zum Inkrafttreten des Vertrags führende Ereignis sowie jede weitere Vertragsleistung gestaffelte Schadensersatzansprüche der Angeklagten auslösen, die sich bei Handlungen der Obergerichtsvollzieherin auf mindestens 1 Million Euro pauschal beliefen.
Sofern die Obergerichtsvollzieherin den sofort fälligen Schadensersatz nicht bis zum folgenden Monatsersten leiste, sollten gem. § 7 Verzugszinsen fällig werden.
Am 19.07.2018 füllte die Angeklagte einen Überweisungsträger aus, mit dem vom Dienstkonto der Obergerichtsvollzieherin bei der … 5.190.000 € auf ein werden sollte. Die Konto der Angeklagten bei der … werden sollte. Die Angeklagte nannte als Verwendungszweck „Vertrag v. 27.07.2015, … – Schadenersatz, Zwangsvollstreckung“ und unterzeichnete den Überweisungsträger …, ohne einen entsprechenden Auftrag von der Obergerichtsvollzieherin erhalten zu haben.
Die Angeklagte handelte dabei in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, denn ihr war bewusst, dass ihr die Obergerichtsvollzieherin keine Befugnis erteilt hatte, eine derartige Überweisung in ihrem Namen zu tätigen, und dass sie keinen Anspruch auf das Geld hatte. Diesen Überweisungsträger reichte die Angeklagte bei der kontoführenden … in dem Wissen ein, niemals von der Obergerichtsvollzieherin hierzu berechtigt worden zu sein.
Die Überweisung wurde von der … nicht ausgeführt, nachdem die Obergerichtsvollzieherin auf Nachfrage erklärt hatte, dass sie diese nicht in Auftrag gegeben habe. Die … hätte die Überweisung auch nicht durchführen dürfen, weil es sich bei dem Dienstkonto um ein Guthabenkonto handelte und kein derartig hohes Guthaben bestand, was der Angeklagten jedoch nicht bekannt war.
IV.
Die Angeklagte hat den unter Ziffer III. geschilderten Sachverhalt in objektiver Hinsicht umfassend bestätigt. Sie lässt sich aber weiter ein, dass sie berechtigt gewesen sei, einen auf das Dienstkonto der Obergerichtsvollzieherin … bezogenen Überweisungsauftrag über 5.190.000 € zu ihren Gunsten zu erteilen und den Überweisungsträger im Auftrag mit dem Namen der Obergerichtsvollzieherin zu unterschreiben, weil sie aus dem genannten Vertrag einen Schadenersatzanspruch in entsprechender Höhe gehabt habe.
V.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Angeklagte bewusst und gewollt eine Urkundenfälschung und einen versuchten Betrug begangen hat. Die Angeklagte wusste, dass sie aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen „Vertrag“ keine Ansprüche gegen die Obergerichtsvollzieherin hatte und dass sie nicht befugt war, den in der Hauptverhandlung verlesenen und in Augenschein genommenen Überweisungsauftrag mit dem Namen der Obergerichtsvollzieherin zu unterzeichnen. Die Angeklagte befand sich insoweit auch nicht in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum. Die entgegenstehende Einlassung der Angeklagten ist eine Schutzbehauptung.
Diese Überzeugung ergibt sich für die Kammer aus dem Umstand, dass es auch für einen rechtlichen Laien ersichtlich ist, dass sich aus dem „Vertrag“ keine Ansprüche der Angeklagten gegen die Obergerichtsvollzieherin ergeben können. Das Wesen eines Vertrages liegt darin, dass sich die Vertragsparteien auf eine gemeinsame rechtliche Beziehung einigen. Der vorliegende „Vertrag“ enthält keine derartige Einigung, sondern ist eine einseitige Bestimmung der Angeklagten, mit der diese sogar allein bestimmt, wann und wodurch der Vertrag geschlossen wird. Auch der Angeklagten als juristischem Laien war es bewusst, dass es nicht in ihrem Belieben steht, willkürlich und einseitig rechtliche Ansprüche gegen Dritte zu definieren und zu begründen.
Die studierte und promovierte Angeklagte verfügt über berufliche Erfahrungen als Fachärztin für Oralchirurgie und ist als Unternehmerin tätig. Angesichts dessen schließt die Kammer aus, dass die Angeklagte das Wesen eines Vertrages und seines Zustandekommens derart fundamental verkannt haben könnte.
Die Angeklagte wusste zudem, ihre Rechte in der Hauptverhandlung selbstbewusst wahrzunehmen. In diesem Rahmen hat sie aber nicht nachvollziehbar erklären können, woraus ihre Ermächtigung zur Unterzeichnung des Überweisungsträgers mit dem Namen der Obergerichtsvollzieherin abzuleiten sein sollte.
VI.
Die Angeklagte hat sich damit einer vollendeten Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug strafbar gemacht.
VI.
Der Strafrahmen für Urkundenfälschung reicht gem. § 267 StGB von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren, dasselbe gilt gem. § 263 StGB für Betrug.
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer unter Anwendung der Vorgaben von § 46 StGB zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie sich hinsichtlich des objektiven Tatgeschehens umfassend und geständig eingelassen hat und dass die Tat mittlerweile knapp zwei Jahre zurückliegt. Zudem bestand objektiv keine realistische Chance darauf, dass die Überweisung tatsächlich erfolgt und ein Vermögensschaden eintritt, da der Betrag so exorbitant hoch und außergewöhnlich war, dass er bei der Bank auffallen musste. Darüber hinaus wäre die Überweisung auch nicht umsetzbar gewesen, weil das bezogene Dienstkonto auf Guthabenbasis geführt war und keine entsprechende Deckung aufwies.
Strafschärfend hat die Kammer berücksichtigt, dass die Angeklagte bereits mehrfach und davon einmal einschlägig wegen Betruges verurteilt worden ist.
Unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hat die Kammer bei eigener Abwägung wie auch bereits das Amtsgericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen für angemessen erachtet.
Da die Angeklagte keine Angaben zu ihrem Unternehmen und zu ihrem Einkommen gemacht hat und insoweit keine Ermittlungsansätze ersichtlich sind, hat die Kammer die Tagessatzhöhe zugunsten der Angeklagten mit 10 € in Ansatz gebracht.
VIII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.