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Strafbarkeit von Doping im Radsport

LG Stuttgart, Az.: 16 KLs 211 Js 88929/08

Urteil vom 29.10.2013

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

I. Tatvorwurf

Strafbarkeit von Doping im Radsport
Symbolfoto: ChiccoDodiFC/Bigstock

In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 20.09.2010 wurde dem Angeklagten ein Vergehen des Betruges vorgeworfen.

Im Einzelnen wurde ihm zur Last gelegt:

„Der Angeklagte AA ist selbständiger Straßenradprofi. Er hat mit der Firma BB Radsport – Marketing GmbH (Firma BB) in H am 31.5.2005 einen Vertrag geschlossen, der am 19.9.2006 bis zum 31.12.2009 verlängert wurde. Nach diesem Vertrag war der Angeklagte AA gegen entsprechende Vergütung – zuletzt 675.000.- € jährlich – verpflichtet, für die Firma BB, die wiederum von der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG gesponsert wurde, Radrennen zu fahren und zu werben, Allerdings sah der Vertrag unter Punkt VI. 2, auch vor, dass der Angeklagte AA den Anspruch auf jegliche Vergütung dann verlieren sollte, wenn er gegen Dopingregeln verstieß. Außerdem war der Angeklagte AA gemäß Punkt VI. 1. des Vertrages verpflichtet, die Dopingvorschriften zu beachten; ein positiver Befund oder sonstige Verstöße gegen Dopingvorschriften berechtigten die Firma BB gemäß Punkt IX. 3. a) und b) zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages. Mit schriftlicher Erklärung vom 20.6.2007 versicherte der Angeklagte AA anlässlich damals aktueller Dopingdiskussionen, in seiner bisherigen sportlichen Karriere niemals gedopt zu haben und auch zukünftig zum Dopingreglement der Verbände zu stehen und seine sportliche Leistung dopingfrei erbringen zu wollen. Am 17.7.2008 wurde während der laufenden Tour de France die Neuigkeit bekannt, dass das Dopingmittel Cera zukünftig nachweisbar sein wird. Gera ist ein modernes Erythropoetin, ein Hormon, das als Wachstumsfaktor für die Bildung der für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlichen roten Blutkörperchen von Bedeutung ist. Die Nachricht wurde im Mannschaftsbus des Teams CC allgemein freudig begrüßt, lediglich der Angeklagte AA reagierte nervös und niedergeschlagen zugleich. Aus diesem Grund stellte ihn der Geschäftsführer der Firma BB, …, gemeinsam mit dem sportlichen Leiter des Teams, EE, am Abend zur Rede. Der Angeklagte AA erklärte im Verlauf dieses Gesprächs mehrfach bewusst wahrheitswidrig, er könne 100% ausschließen, jemals mit Cera in Berührung gekommen zu sein, obwohl er wusste, dass er zuvor das Dopingmittel sich zugeführt hatte oder sich hatte zuführen lassen. Die Erklärung gab der Angeklagte AA in der Absicht ab, dass … weiterhin irrtumsbedingt, nämlich im Glauben an die Dopingfreiheit des Angeklagte AA, die vertraglich vereinbarten monatlichen Abschlagszahlungen in Höhe von 50.487,50 € an ihn leisten sollte, was … in der Folge zum 29.7.2008, 29.8.2008 und 30.9.2008 auch tat, wodurch ihm ein Gesamtschaden in Höhe von 151.462,50 € entstand. In derselben Absicht und mit denselben Folgen hat der Angeklagte AA es auch entgegen der ihn treffenden vertraglichen Garantenpflicht unterlassen, die Verantwortlichen der Firma BB von seinem Verstoß gegen die Dopingregeln sogleich zu unterrichten. Außerdem erhielt er den erwähnten Irrtum auf Seiten des … dadurch aufrecht, dass er an sämtlichen Etappen der Tour de France in der Zeit vom 5.7.2008 bis 27.7.2008 teilnahm, da die Teilnahme selbstverständlich nur nicht gedopten Sportlern erlaubt war. Am 3.10.2008 teilte die französische Agentur zur Dopingbekämpfung (AFLD) mit, dass bei dem Angeklagten AA während der Tour de France 2008 am 3.7.2008 lind 15.7.2008 Blutproben entnommen wurden und darin das Dopingmittel Gera nachgewiesen wurde.“

Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da er dieser Straftat nicht überführt werden konnte.

II. Persönliche Verhältnisse

Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte wuchs mit einem Jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester im elterlichen Haushalt auf. Die Eltern des Angeklagten sind Ärzte. Sein Vater ist Internist, seine Mutter Fachärztin für Allgemeinmedizin.

Die ersten vier Lebensjahre verbrachte der Angeklagte in K bei T, bevor die Familie nach N umsiedelte. Der Angeklagte besuchte dort Grundschule und Gymnasium, welches er im Jahr 2000 mit dem Abitur abschloss.

Schon im Jahr 1994 hatte der Angeklagte – damals auf Vereinsebene – mit dem Radsport begonnen. Nach dem Abitur erhielt der Angeklagte einen Amateurvertrag bei der U 23-Mannschaft des Team FF, einer deutschen Radsportmannschaft. Dort stand er bis zum 31.12.2001 unter Vertrag. Während dieser Zeit leistete der Angeklagte außerdem seinen zehnmonatigen Wehrdienst, wobei er der sog. Sportfördergruppe der Bundeswehr angehörte. Zwei weitere Monate verpflichtete er sich zudem als Zeitsoldat. Für das Jahr 2002 – mit gerade einmal zwanzig Jahren – erhielt der Angeklagte dann einen Profivertrag bei Team FF. Seitdem ist er Berufsradsportler.

Bei Team FF, welches zu dieser Zeit als GS1-Team der höchsten Teamkategorie des Weltradsportverbandes (UCI) angehörte, blieb der Angeklagte bis zum Ablauf des Jahres 2003. Im Zuge einer Umstrukturierung zum Team GG wurde sein befristeter Vertrag nicht verlängert. Im Jahr 2004 war der Angeklagte sodann Teil des Radrennstalls HH. Dieser gehörte nach dem damaligen Ratingsystem des Weltradsportverbandes der GS3-Gruppe an, war folglich nur dem semiprofessionellen Bereich des Radsports zuzuordnen. Aufgrund von Erfolgen, wie etwa dem zweiten Platz bei den deutschen Radsportmeisterschaften und dem Belegen des 150. Platzes auf der damaligen Weltrangliste, konnte sich der Angeklagte für das holländische GS2-Team II empfehlen, wo er für das Jahr 2005 einen Vertrag erhielt. Von Januar 2006 bis Oktober 2008 gehörte er dann dem deutschen Profiradrennstall CC an. Das Team CC war als sog. ProTeam – dies entsprach nach Neufassung der Teamkategorien durch die UCI im Jahr 2005 etwa der vorigen Kategorie.GS1 – auf höchster Rennebene und somit für die bedeutendsten Straßenradrennen startberechtigt.

Nach einer ca. zweijährigen Dopingsperre im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Dopingverstoß, die etwa Ende 2008 begonnen hatte, war der Angeklagte von Ende 2010 bis Ende 2011 bei dem italienischen Radsportteam JJ beschäftigt. Seit dem Jahr 2012 Ist er Teil des dänischen Teams KK.

Seit dem 19,06.2010 ist der Angeklagte verheiratet, Das Paar hat keine Kinder. Die Ehefrau des Angeklagten ist selbstständige Physiotherapeutin mit eigener Praxis.

Aktuell verdient der Angeklagte AA 46.000,- € brutto pro Jahr zuzüglich Siegprämien. Er ist Miteigentümer eines weitgehend abbezahlten Reihenhauses. Sonstige Schulden hat der Angeklagte keine.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

III. Sachverhalt

Zum Sachverhalt hat die Strafkammer die folgenden Feststellungen getroffen:

1. Vorgeschichte

Am 31.05.2005 schloss der Angeklagte mit der Firma BB Radsport-Marketing GmbH (Firma BB), vertreten durch deren alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer …, einen Vertrag, der am 19.9.2006 bis zum 31.12.2009 verlängert wurde. Nach diesem Vertrag war der Angeklagte gegen eine Vergütung von zuletzt 675.000,- € jährlich verpflichtet, für die Firma BB, die wiederum die von der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG gesponserte Radsportmannschaft Team CC betrieb, Radrennen zu fahren und ihr für Werbemaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Von der Vergütung entfielen zwei Drittel auf die sportlichen und ein Drittel auf die werblichen Verpflichtungen des Angeklagten.

Unter Punkt VI. des Vertrags verpflichtete sich der Angeklagte unter der Überschrift „Sportlicher Kodex“, die Regeln des Weltradsportverbandes (UCI) und des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und hier insbesondere das Regelwerk über Dopingvorschriften zu beachten. Für den Fall, dass der Angeklagte gegen Dopingregeln verstoßen würde, sah die Regelung zudem vor, dass er sämtliche Ansprüche auf die vertragliche Vergütung ab dem Zeitpunkt des Verstoßes verliert. Ein positiver Befund – hierbei genügt bereits die A-Probe – oder die versuchte oder erfolgte Verschleierung von Dopingproben, Dopingvergehen oder Dopingbefunden auch in der Vergangenheit berechtigten die Firma BB gemäß Punkt IX. 3. a) und b) des Vertrags zur außerordentlichen Kündigung.

Die Radsportmannschaft Team CC wurde von … als Generalmanager geleitet. Im Jahr 1998 hatte er die Leitung eines seit einem Jahr bestehenden Radsportteams übernommen, das ab dem Jahr 1999 im Hinblick auf seinen Hauptsponsor den Namen Team CC trug. Seit Januar 1999 war …, der den aktiven Schuldienst als Mathematik- und Geschichtslehrer hierfür verlassen hatte, hauptberuflich im Radsport tätig. Aus einer Amateurmannschaft entstand unter seiner Leitung ein Team, das bereits im Jahr 2004 zu den 20 größten Radsportmannschaften der Welt zählte. Das Team CC nahm an allen wichtigen Rundfahrten der höchsten Rennebene, wie etwa der Tour de France und dem Giro d’Italia, teil.

Der Sponsoringvertrag mit der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG hatte zuletzt eine Laufzeit bis 31.12.2008 und enthielt ein außerordentliches Kündigungsrecht der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG zum Ende der jeweiligen Saison für den Fall, dass es innerhalb der Radsportmannschaft Team CC zu insgesamt mehr als zwei nachgewiesenen Dopingvergehen kommen sollte. Im September 2007 kündigte die Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG an, den bis Ende 2008 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wallen. In der Folgezeit war …, der seine Zukunft im Radsport sah und den Fortbestand des Teams sicherstellen wollte, intensiv auf der Suche nach neuen Sponsoren. Dies auch noch während der Zeit der Olympischen Sommerspiele im August 2008.

Die Firma BB beschäftigte neben jährlich mehr als 25 Radprofis unter anderem sportliche Leiter, Physiotherapeuten, Logistikmitarbeiter, Techniker und mehrere Teamärzte, welche die Fahrer die Saison über medizinisch betreuten. Sportliche Leiter waren etwa LL, der nach einem Geständnis in seinerzeit als Radprofi gedopt zu haben im Jahr 2007 als sportlicher Leiter zurücktrat, MM und seit dem Jahr 2001 auch EE, der im Jahr 2007 ebenso wie Bölts ein Dopinggeständnis hinsichtlich seiner aktiven Zeit ablegte, aber im Team CC als sportlicher Leiter verblieb. Zum medizinischen Betreuerstab gehörten über die Jahre mehr als 12 Sportärzte. Im Jahr 2005 bestand die medizinische Betreuung aus Dr. NN als leitendem Arzt, Dr. OO, Dr. PP, Dr. QQ sowie Dr. RR und weiteren Ärzten. Bis auf Dr. PP waren alle genannten Ärzte noch im Jahr 2008 als Mannschaftsärzte dort tätig. … hatte ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zu allen Ärzten, insbesondere aber zum medizinischen Leiter Dr. NN, den er schon längere Zeit vor der Zusammenarbeit privat kannte.

Eine von der Teamleitung vorgegebene Leitlinie wie mit Situationen umzugehen ist, in denen Fahrer Informationen über Dopingmittel anfragen, gab es nicht. Die Radsportler des Teams konnten mit Teamärzten jedenfalls über Dopingmittel, ihre Auswirkung auf die Leistung und ihre Nachweisbarkeit sprechen. So hielt etwa Dr. NN in einem Schreiben vom 23.12.2005 an die Fahrer des Teams CC – unter ihnen auch der ab der Saison 2006 für das Team startende Angeklagte – im Hinblick auf die bevorstehende Saison unter Punkt 2. Dopingbestimmungen fest: „Für uns sind keine neuen Bestimmungen zu berücksichtigen. Schwerpunkt wird sicherlich, wie im vergangenen Jahr, der Nachweis von Blutdoping/EPO sein.“

Der erste – und bis Oktober 2008 einzige – nachgewiesene Dopingfall im Team CC war am 31.03.2005 der des Fahrers Danilo Honda. Er wurde nach Bekanntwerden einer positiven A-Probe – das Vorhandensein einer verbotenen Substanz in der Probe eines Athleten stellt ein Dopingvergehen im Sinne der einschlägigen Dopingreglements dar – von der Firma BB suspendiert und nach Bekanntwerden der ebenfalls positiven B-Probe fristlos gekündigt.

Im Jahr 2005 wurden bei einer Blutkontrolle anlässlich der Tour de France in Grenoble bei dem für das Team CC startenden Fahrer TT auffällige Werte festgestellt. Die Blutparameter TTs wiesen einen Off-Score-Wert von 132,8 Punkten auf. Ein Wert von mehr als 110 wird im Hinblick auf mögliches Doping als kritisch eingestuft, ab einem Wert von 133 gilt ein Dopingvergehen als nachgewiesen. Ein Vertreter der UCI gab dem das Team vor Ort betreuenden Mannschaftsarzt, Dr. PP, daraufhin zu verstehen, dass man TT seitens des Teams besser nicht starten fassen solle, TT wollte jedoch unbedingt starten und drohte juristische Schritte an, sollte ihm ein Start verwehrt werden. Gegenüber … stritt er Doping ab. … war trotz der Beteuerungen TTs davon überzeugt, dass dieser tatsächlich gedopt hafte. Er ließ ihn aber dennoch weiter an diesem und anderen wichtigen Rennen der Saison in zentraler Rolle im Team teilnehmen. TT startete auch in der Saison 2006 für das Team CC. Über die Saison 2006 hinaus wurde sein Vertrag jedoch nicht verlängert. Gegenüber Dr. PP hatte TT ein Doping vergehen durch den Gebrauch von Erythropoetin (EPO) eingeräumt. Dr. PP, der sich grundsätzlich durch seine ärztliche Schweigepflicht nicht gehindert sah, … über Dopingvergehen von Sportlern zu informieren, trug das Geständnis TTs dennoch nicht an … weiter, weil er dachte, es interessiere … mangels nicht.

In einem Fall kam im Jahr 2006 ein Fahrer des Team CC auf Dr. PP zu und verlangte nach dem Mittel Synacthen. Der Gebrauch dieser Substanz stellt stets einen Dopingverstoß dar. Dennoch wies Dr. PP den Wunsch des Sportlers nicht zurück, sondern gab ihm stattdessen ein Präparat, das er in seiner Aussage vor der Strafkammer als Placebo bezeichnete.

Gegenüber den italienischen Fahrern UU, dessen Vater im Mai 2008 in Besitz einer unbekannten Substanz durch die italienische Polizei kontrolliert worden war und WW, bei dem anlässlich des Circuit de la Sarthe im April 2008 auffällige Blutwerte gemessen worden waren, bestand im Jahr 2008 ein Dopingverdacht. Beide fuhren hieraufhin auf Veranlassung …s für das Team CC keine Rennen mehr.

Im Jahr 2008 verwendete der Angeklagte zum Zwecke der Leistungssteigerung im Wettkampf Wachstumshormone, Kortison und auch EPO. Der Gebrauch dieser Substanzen – im Falle von Kortison der Gebrauch entgegen den Regeln der Therapeutic Use Exemption (TUE), besonders durch intramuskuläre Injektion ohne medizinische Indikation – bzw. das Vorhandensein der betreffenden Wirkstoffe in Körpergewebs- oder Körperflüssigkeitsproben stellt ein Dopingvergehen im Sinne des Regelwerks der UCI sowie des BDR dar. Ab spätestens Mai des Jahres 2008 verwendete der Angeklagte anstelle von EPO das EPO-Derivat CERA, welches Depotwirkung besitzt und dessen Gebrauch ebenfalls einen Verstoß gegen das einschlägige Anti-Doping-Reglement darstellt. Die Substanz CERA gebrauchte der Angeklagte insbesondere auch einmal in der ersten Hälfte der vom 05.07.2008 bis 27.07.2008 stattfindenden Tour de France. In dieser Zeit waren mehrere Dopingkontrollen beim Angeklagten durchgeführt worden, ohne dass ein Dopingvergehen festgestellt werden konnte.

Am 12.07.2008 hatte VV, ein Vertrauter …s, der ebenfalls für die Firma BB tätig war, eine E-Mail von einem anonymen „Freund des Radsports“ erhalten und am selben Tag an … weitergeleitet. Der Text dieser E-Mail lautete:

„Lieber Theo

Ich weiss, dass Dein Team clean ist. Aber zur Sicherheit folgende Info.

Laut einer internen Presseaussendung der NADA im Rahmen der Österreich-Rundfahrt konnte ein eindeutiges Testverfahren für die neuen Erythropoietin-Präparate (Dynepo, epoietin delta, CERA, …) entwickelt werden. (Nachweis von Kohlehydratseltenketten + Konzentration, bei CERA ein ELISA).

Der Test soll ab sofort bei allen internationalen und nationalen Kontrollen durchgeführt werden.

Erste Opfer des Tests sind die Marathonläufer Susanne Pumper und Javornik.

Ein Freund des Radsports.

Zur Vermeidung eines neuen Skandals.“

2. Tatgeschehen am 17.07.2008

Am 17.07.2008 wurde während der laufenden Tour de France die Neuigkeit bekannt, dass der Teilnehmer RR positiv auf das Dopingmittel CERA getestet worden war. Bis dahin galt das EPO-Derivat als im Rahmen der stattfindenden Dopingkontrollen nicht nachweisbar.

…, dem diese Neuigkeit von XX, dem kaufmännischen Direktor der Tour de France, berichtet worden war, verbreitete sie sodann im Mannschaftsbus des Team CC. Dort wurde sie allgemein freudig begrüßt, der Angeklagte jedoch reagierte auffällig nervös.

Diese Nervosität behielt der Angeklagte den Tag über bei. YY, ein Physiotherapeut des Team CC, nahm das von ihm als auffällig bewertete und in Zusammenhang mit dem Dopingmittel CERA gebrachte Verhalten des Angeklagten zum Anlass, … mit den Worten „Was ist mit AA los? Der ist doch garantiert positiv, so wie der hier gerade gegangen ist“ anzusprechen. Am Nachmittag des 17.07.2008 erhielt … außerdem einen zweiten Anruf von XX, der ihm mitteilte, dass der Angeklagte offensichtlich nervös sei. Polizei und Ordner hätten beobachtet, wie er sich beim Telefonieren versteckt habe bzw. zu verstecken versucht habe. Auch den Mannschaftskollegen des Angeklagten fiel dessen Verhalten negativ auf.

Aufgrund der Nervosität des Angeklagten und des zweiten Anrufs von XX suchte … das Gespräch mit dem sportlichen Leiter EE und dem das Team CC bei der Tour de France 2008 betreuenden Mannschaftsarzt Dr. OO. Es wurde beschlossen den Angeklagten zur Rede zu stellen. Der um Hilfe gebetene Rechtsanwalt A OO, Vater des Mannschaftsarztes Dr. OO, riet … in einem Telefonat, den Angeklagten unterschreiben zu lassen, die Substanz CERA nicht verwendet zu haben. … verzichtete jedoch darauf, eine schriftliche Erklärung vom Angeklagten zu verlangen.

Noch vor dem geplanten Gespräch mit dem Angeklagten suchte der Angeklagte Dr. OO auf. Er bat den Teamarzt um Informationen bezüglich des tagesaktuellen Dopingfalles R und dem hierbei angewandten Testverfahren. Dabei äußerte der Angeklagte, dass ihm der „Arsch auf Grundeis“ gehe. Dr. OO teilte ihm mit, dass es ein Testverfahren gebe mit Hilfe dessen man die Verwendung von CERA nachweisen könne, dieser Test aber seines Erachtens nicht validiert – somit zum Führen des Dopingnachweises nicht geeignet – sei. Als der Angeklagte weiter wissen wollte, was passiere, wenn der Test dennoch positiv ausfalle, antworte Dr. OO, dass der Angeklagte dann unabhängig davon, ob der Test zugelassen sei oder nicht, „am Arsch“ sei. Da der Angeklagte sichtlich aufgewühlt war, bekam er von Dr. OO ein starkes Beruhigungsmittel, welches er einnahm.

Einige Zeit später, gegen 22.00 Uhr, rief … dann den Angeklagten zu einem Gespräch zu sich. Bei diesem Gespräch waren auch EE und Dr. OO zugegen. Die Befragung des Angeklagten erfolgte durch …. Im Verlauf der Befragung erklärte der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, er habe das Dopingmittel CERA nicht verwendet, obwohl er sich dieses noch während der laufenden Tour de France zugeführt hatte. Auch in diesem Gespräch wirkte der Angeklagte AA auf alle Gesprächsteilnehmer auffallend nervös.

Um etwa 24.00 Uhr suchte der Angeklagte … erneut auf. Es kam zu einem Vier-Augen-Gespräch. Inhalt des Gesprächs war das vorangegangene 22.00 Uhr-Gespräch sowie ein etwaiges Doping mit CERA. Der weitergehende Inhalt des Gesprächs konnte dagegen nicht sicher festgestellt werden.

Hans-Michael Holzer ließ den Angeklagten anschließend weiter an der Tour de France teilnehmen. Der Angeklagte fuhr die Tour de France 2008 zu Ende. Er nahm Anfang August 2008 an den Olympischen Spielen in Peking teil und fuhr für das Team CC vom 30.08.2008 bis 19.09.2008 die Vuelta a Espana. Am 28. September 2008 startete er zudem bei der Straßenradweltmeisterschaft in Varese. Die Firma BB leistete zum 29.07.2008, 29.08.2008 und 30.09.2008 die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen für die Monate Juli, August und September 2008 in Höhe von jeweils 50.487,50 €, insgesamt also 151.462,50 €, an den Angeklagten.

3. Das Geschehen nach September 2008

Am 06.10.2008 wurde bekannt, dass durch die französische Antidoping-Agentur (AFLD) in Nachkontrollen von bei dem Angeklagten während der Tour de France 2008 am 03.07.2008 und 15.07.2008 entnommenen Blutproben das Dopingmittel CERA nachgewiesen wurde. In einer dem Angeklagten anlässlich der Olympischen Spiele in Peking am 04.08.2008 entnommenen Probe konnte gleichfalls bei Nachkontrollen die Substanz CERA nachgewiesen werden.

Anschließend wurden auch die CC-Profis ZZ und AA2 des Dopings überführt: bei ZZ fiel eine während der Tour de France 2008 entnommene Probe, bei AA2 eine anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking entnommene Probe positiv auf die Substanz CERA aus.

Das Team CC löste sich nach dem Bekanntwerden der positiven Dopingbefunde beim Angeklagten sowie Kohl noch vor dem Ende der Saison 2008 auf. Am 15.10.2008 kündigte die Firma BB, vertreten durch ihre Geschäftsführer Hans-Michael und Renate …, das Vertragsverhältnis zum Angeklagten fristlos unter Verweis auf Punkt IX. 3. a) des bestehenden Vertrages (positiver Dopingbefund in einer A-Probe).

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren klagte der Angeklagte im Jahr 2008 gegen die Firma BB auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Firma BB durch die Kündigung der Firma BB vom 15.10.2008 weder außerordentlich fristlos beendet wurde noch ordentlich beendet wird. Weiter darauf, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet und schließlich auf Weiterbeschäftigung. Die Firma BB begehrte widerklagend die Rückzahlung der seit der ersten positiven Probe am 03.07.2008 gezahlten Vergütung. Nach einem Streit über die Rechtswegzuständigkeit schlossen die Parteien am 15.12.2009 vor dem Arbeitsgericht Stuttgart einen Vergleich, wonach sie unter anderem unstreitig stellten, dass das Vertragsverhältnis mit Ablauf des 15.10.2008 geendet hat, der Angeklagte auf Preisgelder in Höhe von ca. 7.500 € verzichtete und die Firma BB sich zur ordnungsgemäßen Abrechnung des bis 15.10.2008 andauernden Vertragsverhältnisses verpflichtete.

Der Angeklagte bestritt zudem sportgerichtliche Wege, um gegen den positiven Dopingbefund und die aufgrund des positiven Befundes verhängten Sperren – eine für Frankreich und eine für den internationalen Bereich – vorzugehen. Trotz der positiven A-Proben und ihrer Bestätigung durch die Sportgerichtsbarkeit stritt der Angeklagte ein Dopingvergehen noch bis März 2013 – somit bis kurz vor Beginn des vorliegenden Prozesses – ab. Im März 2013 gestand er in einem Presseinterview jahrelanges Doping.

Nach einer Pause vom Radsport war … zwischenzeitlich für das russische Radsportteam Ka tätig.

Feststellungen dahingehend,

– dass der Zeuge … aufgrund der Erklärung des Angeklagten davon ausging, dieser habe tatsächlich kein GERA verwendet (Irrtum),

– dass die Firma BB aufgrund des Irrtums des Zeugen … die dem Angeklagten angelasteten Gehaltsvorschüsse geleistet habe (Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung)

– und dass der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass der Zeuge … ihm seine objektiv unwahre Erklärung über die Nichtverwendung von CERA glauben könne und aufgrund dieses Irrtums die genannten Gehaltsvorschüsse überweisen würde (subjektiver Tatbestand)

vermochte die Strafkammer dagegen nicht zu treffen.

IV. Beweiswürdigung

1. Beweiswürdigung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen

Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seiner glaubhaften Einlassung diesbezüglich in der Hauptverhandlung, sowie auf der Verlesung des ihn betreffenden Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 16.09.2013.

2. Beweiswürdigung zum festgestellten Sachverhalt

Zum Sachverhalt hat die Kammer die Feststellungen wie folgt getroffen:

a) Die zum Vertragsverhältnis (Vertragsinhalt, Beendigung, arbeitsgerichtliches Verfahren etc.) zwischen der Firma BB und dem Angeklagten getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einfassung des Angeklagten sowie den Angaben des Zeugen … diesbezüglich. Der das arbeitsgerichtliche Verfahren zwischen dem Angeklagten sowie der Firma BB beendende Vergleich vom. 15.12.2009 wurde verlesen. Die Zahlungen über insgesamt 151.462,50 € und die Zahlungszeitpunkte betreffend die Gehaltszahlungen Juli, August und September 2008 wurden vom Angeklagten eingeräumt und ebenfalls durch den Zeugen … sowie die glaubhaften Angaben des polizeilichen Sachbearbeiters, Kriminalhauptkommissar BB2, bestätigt.

b) Die Feststellungen zur allgemeinen Geschichte des Team CC, der Rolle …s innerhalb der Betreiberfirma BB, dem Vertragsverhältnis der Firma BB zum Hauptsponsor, der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG, den Beschäftigungsverhältnissen von Teammitgliedern, dem engen, vertrauensvollen Verhältnis …s zu allen Ärzten, insbesondere aber Dr. NN, der Suche nach einem neuen Teamsponsor ab September 2007 für die Zeit nach dem 31.12.2008, sowie der Tätigkeit …s für das Radsportteam Ka nach Ende des Team CC beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Zeugen BB, der diese Umstände so wie in den Feststellungen zugrunde gelegt, geschildert hat.

c) Die Feststellung, dass die Radsportler des Team CC mit allen Teamärzten über Dopingmittel, ihre Auswirkungen auf die Leistung und ihre Nachweisbarkeit sprechen konnten, traf die Kammer aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen Dr. PP, Dr. NN und Dr. OO.

Das an die Fahrer des Team CC gerichtete Schreiben Dr. NNs vom 23.12.2005 wurde verlesen. Es befand sich bei diversen Unterlagen des Angeklagten, die dieser dem Gericht überließ. Auf die Frage, was es genau bedeute, dass Schwerpunkt der Arbeit „sicherlich wie im vergangenen Jahr, der Nachweis von Blutdoping/EPO sein“ werde, hat der Zeuge Dr. NN die Antwort verweigert, weil er befürchtet hat, sich durch eine wahrheitsgemäße Beantwortung selbst der Strafverfolgung auszusetzen (§ 55 StPO).

d) Die Feststellungen zum Dopingvergehen des Fahrers SS und die Reaktion …s hierauf beruhen ebenso wie die Feststellung, dass es vor dem Jahr 2008 keine weiteren offiziell festgestellten Dopingverstöße im Team CC gegeben hat und die Feststellungen betreffend den Umgang …s mit Verdachtsmomenten gegen die italienischen Fahrer WW und UU auf den glaubhaften Angaben des Zeugen ….

e) Zur Überzeugung im Hinblick auf die festgestellten Geschehnisse um den Fahrer TT bei der Tour de France 2005 in Grenoble gelangte die Kammer aufgrund der insoweit übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeugen … und Dr. PP:

Der Zeuge … gab hierzu an, bei TT seien anlässlich der Tour de France 2005 in Grenoble auffällige Blutwerte festgestellt worden. Die Blutparameter TTs hätten einen sog. Off-Score-Wert von 132,8 Punkten aufgewiesen. Ein Wert von mehr als 110 werde betreffend Doping als kritisch eingestuft, ab einem Wert von 133 gelte ein Dopingvergehen als nachgewiesen. Die UCI habe Dr. PP, der das Team vor Ort betreut habe, zu verstehen gegeben, dass man TT wegen Manipulationswahrscheinlichkeit besser nicht starten lassen solle. TT habe jedoch Doping abgestritten und gedroht juristische Schritte zu ergreifen, sollte ihm ein Start verwehrt werden. … gab weiter an, davon überzeugt gewesen zu sein, dass TT trotz seiner anderweitigen Beteuerungen tatsächlich gedopt hatte. Dies, obwohl Dr. PP ihm nicht berichtet habe, dass TT ihm gegenüber die Verwendung von EPO eingestanden hatte. Eine vom Zeugen angeforderte Bestätigung der Manipulationswahrscheinlichkeit durch die UCI sei nicht erfolgt. TT sei „juristisch ein anderes Kaliber“ gewesen als etwa Mo oder WW. Man habe TT weiter starten lassen. Dies, weil er (…) sich nicht in eine Situation habe begeben wollen, die seinen persönlichen Ruin hätte nach sich ziehen können. Man habe TT fortan kontrolliert und nach einem weiteren Vorfall 2006 seinen Vertrag nicht verlängert. Die Blutwerte TTs seien nach dem geschilderten Vorfall im Normbereich gewesen. Er habe TT in seiner Rolle im Team nicht degradiert, da er sonst unter massiven juristischen Druck geraten wäre.

Dr. PP schilderte die Situation dergestalt, dass er als Mannschaftsarzt während der Tour de France 2005 in Grenoble von der UCI einbestellt worden sei, da die Blutwerte TTs knapp unter dem Grenzwert gewesen seien, ab dem ein Dopingverstoß als nachgewiesen gelte. Die UCI habe dem Team aufgrund der Werte nahegelegt TT aus dem Rennen zu nehmen. Er habe die problematischen Blutwerte TTs gegenüber dem übrigen Team nicht geheim gehalten, weshalb schließlich das ganze Team über die Probleme im Zusammenhang mit TTs Blutwerten Bescheid gewusst hätte. … sei hierüber nicht erfreut gewesen. Die Situation habe … insgesamt stark betastet, er habe TT aber nicht aus dem Rennen nehmen wollen, solange kein positiver Dopingbefund vorlag. TT habe sich auch gegen eine Herausnahme gewehrt. TT habe, so Dr. PP weiter im Gespräch mit ihm zwar eingeräumt, das zu machen „was alle machen“, d.h. EPO verwendet zu haben. Diese Information habe er jedoch nicht an … weitergegeben. Dies begründete er nicht mit der ärztlichen Schweigepflicht – dieser hätte ihn nach seinen Angaben nicht daran gehindert bezüglich Erkenntnissen um Doping an … heranzutreten – sondern damit, dass … eine Vertragsverlängerung mit TT ohnehin nicht in Betracht gezogen habe und er ihn ohne positiven Test auch nicht habe kündigen können. Er, Dr. PP, sei davon ausgegangen, dass für … TTs nachträgliches Dopinggeständnis nicht interessant sei. Ein Weitergegeben der Information hätte nach Ansicht Dr. PPs nichts an der Reaktion …s geändert. Man habe TT schließlich weiter fahren lassen und ihn auch in der Folgezeit wieder als Kapitän der Mannschaft eingesetzt.

f) Dass ein Fahrer des Team CC auf den Teamarzt Dr. PP zukam und nach der verbotenen Substanz Synacthen verlangte, räumte Dr. PP in seiner Vernehmung ein. Weiter schilderte der Zeuge Dr. PP, er habe die Verabreichung für sich abgelehnt und dem Sportler statt Synacthen ein Placebo in Form eines Vitaminpräparats verabreicht – ohne jedoch den Sportler hierüber aufzuklären. Die Kammer Ist überzeugt, dass der Zeuge insoweit das für seine Reputation nachteilige Nichtzurückweisen eines Dopingverlangens zutreffend geschildert hat. Der Zeuge … gab in der Hauptverhandlung hiermit übereinstimmend an, Dr. PP habe ihm berichtet, dass CC2 bei der Deutschland Tour 2006 nach Synacthen verlangt habe, Dr. PP es ihm aber nicht habe geben können, da er „keines gehabt“ habe. Ob nun eine Synacthenabgabe tatsächlich stattfand – wofür spricht, dass nur schwerlich vorstellbar ist, dass ein Sportler, der gezielt nach einer bestimmten Substanz verlangt, diese also offensichtlich kennt und sich darüber informiert hat, den Unterschied zu einem Vitaminpräparat nicht erkennen soll – konnte letztlich nicht festgestellt werden. Jedenfalls wurde Dr. PP im Jahr 2006 von einem Sportler zur Synacthenabgabe aufgefordert, welche er nicht offen ablehnte.

g) Die Feststellungen zu den vom Angeklagten im Jahr 2008 verwendeten Dopingsubstanzen, insbesondere der Verwendung des EPO-Derivats CERA, beruhen auf der Einfassung des Angeklagten.

h) Die Feststellungen zum Geschehen rund um die Tour de France 2008, insbesondere aber am 17.07.2008, beruhen auf der Einlassung des Angeklagten sowie den Angaben des Zeugen …. Die insoweit getroffenen Feststellungen wurden durch die hiermit übereinstimmenden Angaben der Zeugen EE (Inhalt 22.00 Uhr Gespräch), Dr. OO (Inhalt 22.00 Uhr Gespräch, Gespräch mit dem Angeklagten einige Zeit zuvor, Abgabe eines starken Schlafmittels), YY (Nervosität des Angeklagten und hierdurch bedingtes Ansprechen …s mit den festgestellten Worten) und …2 (Situation im Mannschaftsbus) bestätigt.

Die E-Mail eines anonymen „Freund des Radsports“ vom 12.07.2008 an VV wurde verlesen. Sie wurde ausweislich des E-Mail-Kopfes am selben Tag von VV an … weitergeleitet.

i) Die Feststellungen zum Geschehen nach September 2008 beruhen soweit sie den Angeklagten sowie die Fahrer ZZ und AA2 betreffen, auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten. Sie wird hinsichtlich des Nachweises von CERA in beim Angeklagten während der Tour de France 2008 sowie anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking entnommenen Blutproben und den vom Angeklagten geführten sportgerichtlichen Verfahren durch die glaubhaften Angaben des polizeilichen Sachbearbeiters, Kriminalhauptkommissar BB2, bestätigt.

3. Beweiswürdigung zum nicht festgestellten Sachverhalt

Weitergehende Feststellungen, wonach der Zeuge … aufgrund der Erklärung des Angeklagten das Dopingmittel CERA nicht verwendet zu haben davon ausging, der Angeklagte habe tatsächlich kein CERA verwendet (Irrtum), die Firma BB aufgrund des Irrtums des Zeugen … die dem Angeklagten ausbezahlten Gehaltsvorschüsse geleistet habe (Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung) und der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass der Zeuge … ihm seine objektiv unwahre Erklärung über die Nichtverwendung von CERA glauben könne und aufgrund dieses Irrtums die genannten Gehaltsvorschüsse überweisen würde (subjektiver Tatbestand), vermochte die Strafkammer nicht zu treffen.

a) Einlassung des Angeklagten

Der Angeklagte hat eingeräumt, das Dopingmittel CERA bei der Tour de France 2008 angewendet zu haben. Auch habe er auf die Frage …s, ob er das Mittel angewendet habe, bewusst der Wahrheit zuwider die Anwendung des Dopingmittels CERA in Abrede gestellt. Gleichwohl habe er … aber nicht getäuscht, weil … (auch wenn er sich durch sein Fragen vermeintlich ahnungslos gab) in Wahrheit gewusst habe, dass er das Dopingmittel angewendet habe.

Dopingfreiheit sei nämlich die Maxime des Teams nur in der Außendarstellung gewesen, während dem Führungsstab des Teams, den Ärzten und auch den meisten Fahrern klar gewesen wäre, dass gute Platzierungen bei Rennen ohne Doping nicht zu erreichen gewesen wären. In der Regel habe er sich das benötigte CERA über seinen Teamkollegen ZZ besorgt, die Erstdosis CERA (etwa im April 2008) habe er von einem Teamarzt des Team CC erhalten, dessen Namen er aber, um diesen zu schützen, nicht nennen wollte.

Da … ein ausgezeichnetes Verhältnis zu den Ärzten gehabt habe, halte er es für ausgeschlossen, dass … dies nicht mitgeteilt worden wäre.

Naiv sei … nicht gewesen. So habe … ihn, als er bei der Deutschen Meisterschaft im Jahr 2006 das Rennen vorzeitig beendet habe, darauf angesprochen, ob er „zu viel Synacthen geblasen“ habe. Dies habe er verneint. … sei, wie die Fragestellung zeige, davon ausgegangen, dass er Synacthen, eine verbotene Substanz im Sinne der Anti-Doping-Regularien, verwende. In dem Moment sei er aber nur daran interessiert gewesen, dass er, der Angeklagte, nicht so viel verwende, dass sich der Synactheneinsatz negativ auf seine Leistungsfähigkeit auswirke. Anschließend an das geschilderte Gespräch mit … habe auch ein Gespräch mit EE, dem sportlichen Leiter des Teams, stattgefunden, in dem über die genaue Dosierung gesprochen worden sei. EE habe ihm erklärt, wie Synacthen zu dosieren sei, damit die bezweckte Leistungssteigerung erreicht werde. Es sei auch EE gewesen, der, als Synacthen nachweisbar wurde, im Jahr 2006 die Nachricht hierüber im Team publik gemacht habe. Dies, um positive Dopingbefunde zu vermeiden. Im Jahr 2007, nach dem Gewinn des Amstel Gold Race, habe … ihn gefragt, ob er in den Fuentes-Skandal verwickelt sei und ihm hierbei auf den Kopf zugesagt, dass er für einen Weltklassefahrer seiner Ansicht nach „relativ sauber“ fahre. Bei der Tour de France 2007, als das Team keine Spitzenleistungen gezeigt habe, was nach Ansicht des Angeklagten zur Folge hatte, dass der Hauptsponsor des Teams, die Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG, vier Wochen später sein Engagement im Radsport zum Ende der Saison 2008 beendete, habe … ihm gegenüber vier bis fünf Mal betont, dass die anderen Teams Dynepo, eine EPO-Variante, verwendeten, weil dieses nicht nachweisbar sei. Er habe dies als klare Aufforderung aufgefasst, ebenfalls Dynepo zu verwenden. Er habe dann aber CERA genommen.

Obwohl … ab dem Jahr 2006 medienwirksame Aussagen über den Anti-Doping-Kampf getätigt habe, sei er im Team nicht aktiv gegen Doping vorgegangen. Im Gegenteil habe er Strukturen geschaffen, die Doping unterstützt hatten. Dies maßgeblich über die Teamärzte. Er habe im April oder Mai 2008 CERA erstmals von einem Teamarzt erhalten. Dr. OO habe ihm und EE2 bei der Deutschen Meisterschaft 2006 in Klingenthal Synacthen angeboten. Im Jahr 2006 habe sich außerdem eine Situation zugetragen, in welcher er bei der Deutschland Tour nach einem kurzen Klopfen in das unverschlossene Zimmer des Teamarztes Dr. PP gegangen sei. Dort habe sich schon sein Teamkollege CC2 befunden. Er habe eine aufgebrochene Synacthen-Ampulle sehen können. Die Situation sei kurz unangenehm gewesen, habe sich dann aber entspannt, als CC2 das Ganze heruntergespielt habe. Den Verabreichungsvorgang selbst habe er nicht beobachtet. Er sei jedoch überzeugt, dass eine Verabreichung stattgefunden habe. Es stimme, dass er im Februar 2008 auf Verlangen …s eine Unterlassungserklärung unterschrieben habe. Hierin bezeichne er von ihm zuvor erhobene Vorwürfe, im Team werde Synacthen verwendet (konkret bei der Deutschen Meisterschaft 2006 und bei CC2 bei der Deutschland Tour 2006), als nicht seinem tatsächlichen Kenntnisstand entsprechend. Weiter habe er sich mit der Erklärung verpflichtet die geschilderten Vorwürfe in der Zukunft weder erneut aufzustellen, noch zu verbreiten. Die (damals und im vorliegenden Verfahren erhobenen) Vorwürfe seien dennoch zutreffend. Er habe die Unterlassungserklärung nur deshalb abgegeben, weil … ihm gegenüber verdeutlicht habe, dass er ohne Abgabe dieser Erklärung keine Rennen mehr fahren dürfe. Weiter hätte man sich mit jedem Teamarzt über Dopingmittel, deren Nachweisbarkeit und auch die Dosierung und Anwendung zu den Saisonhöhepunkten hin unterhalten können. Kortison hätten die Teamärzte auf Wunsch entgegen der Anti-Doping-Regularien verabreicht. Bei ihm sei dies etwa vor der Straßenweltmeisterschaft in Stuttgart 2007 der Fall gewesen. Es könne nicht sein, dass … von all dem nichts gewusst habe. Hierzu sei dessen Kontakt zu den Ärzten viel zu eng gewesen.

Von CERA habe er erstmals 2005 in einer Zeitschrift gelesen. Er habe damals jedoch keine Bezugsmöglichkeit gehabt. Er habe die Substanz, die er stets nur in geringen Mengen verwendet habe, erstmalig im Frühjahr 2008 und letztmalig in der ersten Woche der vom 05.07.2008 bis 27.07.2008 stattfindenden Tour de France verwendet. Die erste Information bezüglich einer eventuellen Nachweisbarkeit habe das Team CC über eine anonyme E-Mail an … erhalten. ZZ habe dies in den ersten Tagen der Tour erzählt und sich dabei auf Dr. OO als Quelle bezogen. Dr. OO habe, so Kohl damals, jedoch nicht daran geglaubt, dass die Information zutreffe. Ein Test sei insbesondere nicht zugelassen gewesen. Er und Kohl hätten die E-Mail deshalb letztlich nicht ernst genommen. Sich später nicht bestätigende Gerüchte über die Nachweisbarkeit einzelner, bis dahin nicht nachweisbarer Dopingsubstanzen seien immer wieder vorgekommen.

Am 17.07.2008 sei dann im Bus durch … die Nachricht verbreitet worden, R R, ein Fahrer des Konkurrenzteams Saunier Duval, sei positiv auf CERA getestet worden. Er, der Angeklagte, sei daraufhin panisch gewesen, habe das Gefühl gehabt, er könnte der Nächste sein. Seine Gesichtszüge habe er nur schwer kontrollieren können. Von den Ärzten habe er schon vor der Tour die Information gehabt, CERA sei nur im Urin und dort nur in sehr großen Mengen nachweisbar. ZZ habe dieselben Informationen gehabt. Mit diesem habe er gesprochen. Er habe dann am 17.07.2008 nochmals Informationen eingeholt, habe telefoniert und im Internet recherchiert. Er habe Gespräche mit Vertrauenspersonen geführt und die Antwort sei dieselbe gewesen: für die Nachweisbarkeit von CERA bestehe allenfalls ein kleines Zeitfenster.

Dennoch sei er unglaublich nervös gewesen den Tag über. Er sei dann abends zu Dr. OO gegangen und habe etwas zum Schlafen gewollt. Dr. OO habe ihm daraufhin Valiumtabletten gegeben, welche er eingenommen habe. Auf die Frage Dr. OO, ob alles in Ordnung sei, habe er mit „Ne. Weißt ja warum. OO, mir geht einfach der Arsch auf Grundeis“ und „ich könnte der Nächste sein“ geantwortet. Es sei über das neue Testverfahren zum Nachweis von CERA gesprochen worden. Er habe Dr. OO gegenüber nach seinem (des. Angeklagten) Verständnis somit klar zugegeben, dass er CERA tatsächlich verwendet hatte, zumal er Dr. OO auch noch gefragt habe, was wäre, wenn der Test positiv aber nicht valide sei, was Dr. OO damit beantwortet habe, dass er dann auf jeden Fall „am Arsch“ sei, unabhängig ob der Test zugelassen sei oder nicht. Er habe dann wieder mit ZZ, mit dem er ein Zimmer geteilt habe, diskutiert. Sie seien sich einig gewesen, dass, wenn es einen neuen Test gäbe und dieser eingesetzt worden wäre, es neben dem Fall R weitere festgestellte Dopingvergehen hätte geben müssen.

… habe ihn einige Zeit nach dem Gespräch mit Dr. OO angerufen und ihn mit sehr ernster Stimme aufgefordert auf sein Zimmer zu kommen, um zu reden. Er sei dann dorthin gegangen mit dem Gedanken, dass ein positives Testergebnis vorliege. Er sei sehr nervös gewesen. Er habe es auch für möglich gehalten, dass Dr. OO den Inhalt des zwischen ihm und Dr. OO geschilderten Gesprächs bereits an … weitergegeben hatte.

Angekommen sei … nicht alleine gewesen. Vielmehr seien neben … Dr. OO und EE anwesend gewesen. … habe ihm vorgeworfen, dass er sich auffällig verhalten würde und gefragt, ob er CERA genommen habe. Er habe dies verneint. Über Doping in so großer Runde zu sprechen – Dopinggespräche, so der Angeklagte, hätten sonst immer nur in Visr-Augen-Situationen stattgefunden – wäre seines Erachtens ein absoluter Tabubruch gewesen. Er habe dann das Verwenden von CERA vor allen abgestritten. Er sei in dem Gespräch davon ausgegangen, … glaube ihm nicht.

Der Angeklagte berichtete weiter, er sei dann gegen 24.00 Uhr nochmals zu … auf dessen Zimmer gegangen. Er habe dem Zeugen …, den er nunmehr allein habe sprechen wollen, sagen wollen, dass er sich keine Sorgen machen müsse, dass trotz der Verwendung von CERA, von der … ja wisse, kein positiver Test drohe. Er habe Recherchen angestellt gehabt, habe … in seine Überlegungen zur Nachweisbarkeit von CERA einbeziehen, sich und ihn gleichermaßen beruhigen wollen. … sei nunmehr alleine im Zimmer gewesen. Er habe … gegenüber erklärt, dass er sich keine Sorgen machen müsse, dass es „schon passe“. Er habe dann mit Ausführungen zur Nachweismöglichkeit von CERA im Urin begonnen, als … ihn unterbrochen habe. … habe nur wissen wollen: „Platzt hier die Bombe die nächsten Tage?“. Das habe er verneint. Er habe in dieser Situation keine Notwendigkeit gesehen mit … gegen seinen Willen über die genaue Anwendung des Dopingmittels und die hiermit verbundenen Nachweismöglichkeiten zu sprechen. Daraus, wie … ihn unterbrochen habe, sei klar zu entnehmen gewesen, dass … allein habe wissen wollen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein positives Testergebnis drohe. Vom CERA-Gebrauch an sich habe … an diesem Abend sicher Kenntnis gehabt.

Die darauf folgenden Tage habe sich … normal verhalten. Über einen weiteren Etappensieg beim Einzelzeitfahren auf der vorletzten Etappe, den er erreicht habe, habe sich … dann auch sehr gefreut.

Am 06.10.2008 schließlich habe er davon erfahren, dass er in Nachkontrollen von während der Tour de France entnommenen Proben positiv auf CERA getestet worden sei. Auch in einer bei den Olympischen Spielen in Peking am 04.08.2008 entnommenen Blutprobe sei später in Nachkontrollen CERA nachgewiesen worden. Dennoch habe er bis März 2013 bestritten ein Dopingvergehen begangen zu haben und sich erst dann entschieden insoweit reinen Tisch zu machen.

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren habe er gegen die Firma BB auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 15.10.2008 fristlos beendet wurde oder ordentlich beendet wird, weiter nicht durch andere Beendigungstatbestände endet und schließlich auf Weiterbeschäftigung geklagt. Die Firma BB habe widerklagend die Rückzahlung von seit Juli 2008 gezahlter Vergütung verlangt. Nach einem Streit über die Rechtswegzuständigkeit, sowie ob eine Tatsachen- oder eine Verdachtskündigung vorliege, habe man letztlich einen Vergleich geschlossen. Vor diesem Verfahren habe er das Vorhandensein eines Sponsors für das Jahr 2009 – anders als … – als unternehmerisches Risiko eingestuft und habe daher argumentiert, einen Vertrag ohne Rücksicht auf den Rückzug der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG aus dem Radsport auch noch für das Jahr 2009 zu haben.

Die Einlassung des Angeklagten, … habe über sein Doping mit CERA Bescheid gewusst, hieran habe er auch in dem Moment geglaubt, als er das Verwenden von CERA in dem Gespräch mit …, Dr. OO und EE am 17.07.2008 abgestritten habe, konnte letztlich mit den der Kammer zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegt werden. Ein Irrtum des Zeugen … und eine irrtumsbedingte (Weiter-)Leistung der verträglichen Vergütung in den Monaten Juli, August und September 2008 durch die Firma BB konnten deshalb ebenso wenig festgestellt werden, wie, dass der Angeklagte erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass der Zeuge … ihm seine objektiv unwahre Erklärung glauben könnte.

Zwar bekräftigte der Angeklagte viele seiner Vorwürfe – insbesondere dass die Teamärzte des Team CC Doping der Fahrer unterstützt hätten – erst im Laufe der Beweisaufnahme durch situationsbezogene Schilderungen. Insofern schob der Angeklagte beständig Details nach, die teilweise an die fortschreitende Beweisaufnahme angepasst schienen. So berichtete er davon, dass Dr. OO ihm und EE2 im Jahr 2006 Synacthen angeboten habe, erst nachdem der Zeuge Kapp dahingehende Angaben gemacht hatte. Dieses erst allmähliche Darlegen wesentlicher Umstände lässt an der Richtigkeit der Einfassung des Angeklagten Zweifel aufkommen. Ebenso, dass der Angeklagte nicht bereit war den Namen des Teamarztes zu nennen, von dem er die Dopingsubstanz CERA das erste Mal erhalten habe.

Dennoch hält die Kammer die Einlassung des Angeklagten, insbesondere was das Geschehen am 17.07.2008 anbelangt, für schlüssig und nachvollziehbar.

b) Die Angaben des Zeugen …

Zwar hat der Zeuge … angegeben, dass er keine Kenntnis vom Doping des Angeklagten gehabt und die Firma BB deshalb die drei Gehaltszahlungen am 29.07.2008, 29.08.2008 und 30.09.2008 über jeweils 50.487,50 € geleistet habe.

Der Zeuge … hat in der Hauptverhandlung angegeben, dass es Doping mit seinem Wissen im Team CC nicht gegeben habe. Es sei ausgeschlossen, dass ein Fahrer seines Teams gedacht haben könnte, er (…) akzeptiere Doping. Das Thema Doping sei offen angesprochen worden, insbesondere, dass Doping den Sport zerstöre.

Seiner ablehnenden Haltung habe er durch entsprechendes Handeln Ausdruck verliehen. Es habe keine Rückendeckung für dopende Athleten gegeben. Ais im Jahr 2005 der CC-Fahrer SS positiv auf ein Dopingmittel getestet worden sei, habe er ihn nach Bekanntwerden der positiven A-Probe umgehend suspendiert und sofort nach der positiven B-Probe fristlos entlassen. Verdachtsmomenten betreffend die italienischen Fahrer UU, dessen Vater im Mai 2008 in Besitz einer unbekannten Substanz (wohl, wie er vermute, das nach den Anti-Doping-Regeln verbotene Lutrelef) kontrolliert worden sei, und WW, bei dem anlässlich des Circuit de la Sarthe 2008 auffällige Blutwerte gemessen worden seien, sei dadurch begegnet worden, dass man beide nicht mehr starten habe lassen. Ihre Verträge seien nicht verlängert worden. Dies obwohl bei beiden kein offizieller Dopingverstoß nachgewiesen war.

Sein Verhalten im Hinblick auf den Fahrer TT (siehe Seite 8/9 des Urteils), den er trotz auffälliger Blutwerte bei der Tour de France in Grenoble 2005 nicht aus dem Team genommen habe, stehe hierzu nicht in Widerspruch. Es habe, obwohl er vom Doping TTs überzeugt gewesen sei, keine schriftliche Bestätigung durch die UCI gegeben, dass TT gedopt gewesen sei. TT sei „juristisch ein anderes Kaliber“ gewesen als Mo oder WW. Er habe TT weiter starten lassen, weil er sich nicht in eine Situation habe begeben wollen, die seinen persönlichen Ruin hätte nach sich ziehen können. Die Teamleitung habe TT nach dem Ereignis in Grenoble aber kontrolliert und er habe nach einem weiteren Vorfall im Jahr 2006 dessen Vertrag nicht verlängert. Die Blutwerte TTs seien nach dem Vorfall bei der Tour de France 2005 wieder im Normbereich gewesen. Er habe TT bezüglich seiner Rode im Team, obwohl er von dessen Doping überzeugt gewesen sei, auch nicht degradiert, da er sonst unter massiven juristischen Druck geraten wäre.

Zweifel, ob in seinem Team nicht doch gedopt werde, seien Alltag im Leben eines jeden Teammanagers. Gegen Ende des Jahres 2006 habe er jedoch aufgrund seines wachsenden Erfahrungsschatzes und der Entwicklung im Radsport gedacht, das Problem weitestgehend im Griff zu haben. Er sei davon überzeugt gewesen, auch sein Führungsteam (Ärzte, sportliche Leiter etc.) trage die Idee eines sauberen Radsports mit. Mit Dr. NN, der die medizinische Leitung im Team inne hatte, sei eine ausschließlich legale medizinische Versorgung abgesprochen gewesen. Wer dopen wollte, habe Wege außerhalb des Teams suchen müssen. Er habe ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zur sportlichen Leitung und zu den Teamärzten gepflegt. Seit den großen Dopingskandalen im Radsport sei in Gesprächen mit seiner Führungsebene die Frage, ob jemand etwas Auffälliges bemerkt habe, üblich gewesen. Nie sei ihm aber etwas Diesbezügliches mitgeteilt worden. Seines Wissens unterfalle das Thema Doping nicht der ärztlichen Schweigepflicht, weshalb diese den notwendigen Informationsfluss nicht gehindert habe. So habe sich auch kein Arzt ihm gegenüber jemals auf die Schweigepflicht berufen. Dies, obwohl häufig über Blutwerte und Leistungen einzelner Fahrer gesprochen worden sei. Er sei davon ausgegangen, er werde über Hinweise auf Doping informiert. Er sei sich bewusst, dass Fahrer – insbesondere gegenüber jungen Ärzten – einen Druck aufbauen könnten, Doping zu unterstützen bzw. dafür wesentliche Informationen preiszugeben. Er habe seinen Ärzten die Sicherheit gegeben, solchen Ansinnen nicht nachgeben zu müssen. Eine konkrete Leitlinie, was zu tun sei, wenn ein Fahrer Informationen über Dopingmittel haben wollte, sei jedoch von Seiten der Teamleitung nicht ausgegeben worden. Auch seinem sportlichen Leiter EE habe er vertraut. Er habe den Eindruck gehabt, dieser sei nach seiner Dopingvergangenheit – in seiner Zeit als Radprofi habe er selbst Dopingmittel verwendet, was er 2007 gestanden habe – geläutert gewesen. Letztlich habe er Ihm die sportliche Leitung des Teams aber auch deshalb anvertraut, weil er als Seiteneinsteiger unter den Teammanagern – ohne eigene Vergangenheit im Profiradsport – dessen Know-how schlicht gebraucht habe.

Im Jahr 2006 habe ihm Dr. PP berichtet, dass der CC-Fahrer CC2 bei der Deutschland Tour nach der (nach den Anti-Doping-Regularien verbotenen) Substanz Synacthen verlangt habe. Dr. PP habe ihm dies jedoch nach seinen Angaben nicht geben können, da er „keines gehabt“ habe. Der Vertrag mit CC2 sei daraufhin nicht verlängert worden. Auch Dr. PP habe man daraufhin nicht mehr engagiert. Dies sei nicht die Art, wie er sich die Reaktion seiner Teamärzte auf ein Verlangen eines Sportlers nach der Dopingsubstanz Synacthen vorstelle. Das Thema Synacthen sei im Übrigen eines des Angeklagten, der ihn bereits im Frühjahr 2008 mit Vorwürfen, im Team werde Synacthen verabreicht (konkret bei der Deutschen Meisterschaft 2006 und bezüglich CC2 während der Deutschland Tour 2006) unter Druck zu setzen versucht habe, weil er seinen Start bei bestimmten Rennen habe erzwingen wollen. Der Angeklagte habe sich im Zuge von heftigen Auseinandersetzungen, bei denen Rechtsanwälte beider Seiten zugezogen worden seien, im Wege einer Unterlassungserklärung vom 14.02.2008 von diesen Vorwürfen distanziert. Auch habe er sich verpflichtet diese Vorwürfe nicht mehr aufzustellen. Die Erklärung sei durch den Angeklagten erst abgegeben worden, nachdem er dem Angeklagten verdeutlicht habe, wie wesentlich Erkenntnisse über einen Synacthengebrauch im Team für ihn wären. Das Verhältnis zum Angeklagten sei jedenfalls seit dieser Zeit belastet gewesen.

Von dem vom Angeklagten behaupteten Doping habe er definitiv nichts gewusst. Die Klausel in den Anstellungsverträgen der Fahrer, wonach die Anti-Doping-Regularien zu beachten waren, habe er nicht als bloße Förmlichkeit angesehen. Es stimme, dass er den Angeklagten, wie von diesem behauptet, nach dessen vorzeitigen Ausstieg bei der Deutschen Meisterschaft 2006 auf Synacthen angesprochen habe. Dies weil der Teamarzt Dr. OO auf seine (…s) Frage, was mit dem Angeklagten los sei, Probleme mit Hitze und bzw. oder Synacthen als Grund für dessen vorzeitiges Ausscheiden genannt habe. Der Angeklagte habe die Verwendung von Synacthen abgestritten. Über eine Überdosierung – wie vom Angeklagten behauptet – sei nicht gesprochen worden. Er habe dem Angeklagten bewusst machen wollen, dass man im Team wachsam sei. Dass EE im Jahr 2006 nach einem Treffen in Bad Tölz die Nachricht von der (erstmals möglichen) Nachweisbarkeit von Synacthen Im Team verbreitet habe, habe er gewusst. EE habe ihm gegenüber argumentiert, dass es zur Abschreckung gut sei, wenn die Fahrer wüssten, kein Dopingmittel sei „sicher“. Eine Äußerung beim Amstel Gold Race 2007 dahingehend, dass der Angeklagte „relativ sauber“ fahre sei von seiner Seite nicht gefallen. Auch habe er den Angeklagten zu keiner Zeit – auch nicht versteckt – aufgefordert, sich Dynepo zu besorgen.

Von der Existenz eines Dopingmittels CERA habe er erstmalig am Morgen des 17.07.2008 gehört. In einem Anruf habe ihm XX, der kaufmännische Direktor der Tour de France, mitgeteilt, dass CERA nunmehr nachweisbar sei. Auf seine Nachfrage, was CERA sei, habe XX geantwortet, dass es sich um eine neue Generation EPO handle und RR vom Team S D der erste hierauf positiv getestete Fahrer sei. Er, …, sei zwar davon ausgegangen, dass es nicht nachweisbare Dopingmittel gebe, er sei jedoch kein Dopingspezialist. Presseberichte und Veröffentlichungen der UCI über CERA seit dem Jahr 2004 habe er nicht wahrgenommen. Seit dem Jahr 2005 sei das Thema EPO immer weiter zurückgetreten. Bei Vorträgen der LICI sei das Thema Blutdoping im Vordergrund gestanden. Auf Vorhalt einer schriftlichen Äußerung Dr. OOs betreffend CERA, räumte der Zeuge in seiner Vernehmung vom 11.09.2013 ein, dass er am 12.07.2008 eine (von seinem Vertrauten VV an ihn weitergeleitete) E-Mail von einem unbekannten Radsportfan erhalten habe, wonach man ein Testverfahren für die neuen EPO-Präparate, unter anderem CERA, entwickelt habe. In der E-Mail sei auch mitgeteilt worden, dass erste „Opfer des Tests“ die Marathonläufer Susanne Pumper und Javornik seien. Der Zeuge … konnte nicht ausschließen, diese E-Mail Dr. OO gezeigt und ihn aus Präventionsgedanken aufgefordert zu haben, sie den Fahrern des Team CC zu zeigen. Den Begriff CERA habe er aber jedenfalls nicht bewusst wahrgenommen.

Er, …, habe nach dem Anruf XX im Mannschaftsbus verkündet, dass CERA nachweisbar sel. Er habe nicht den Eindruck gehabt, viele der Fahrer wüssten, was CERA ist. Es sei unter den Fahrern im Bus Jubel ausgebrochen. Der Angeklagte aber sei leichenblass geworden. Kurze Zeit später sei der Physiotherapeut YY auf ihn zugekommen und habe gefragt „Was ist denn mit AA los? Der ist doch garantiert positiv so, wie der hier gerade gegangen ist“. Nach dem Etappenstart am selben Tag habe er einen zweiten Anruf von XX erhalten, der ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass Polizei und Ordner beobachtet hätten, dass der Angeklagte nervös sei und sich beim Telefonieren versteckt bzw. zu verstecken versucht habe.

Nach dem Abendessen habe er deshalb beschlossen, mit dem Angeklagten zu sprechen. Zuvor habe er sich mit EE und Dr. OO beraten, Dr. OO habe mit seinem Vater, Rechtsanwalt A OO, telefoniert. Dieser habe, so …, ihm geraten, den Angeklagten unterschreiben zu lassen, dass er kein CERA nehme. Da er aber Probleme mit dem Rechtsbeistand des Angeklagten fürchtete, habe er von dieser Idee Abstand genommen. Im Gespräch selbst sei der Angeklagte „meganervös“, „komplett zittrig, komplett fahrig“ gewesen. Er, …, sei sehr „massiv“ gewesen. Es stimme, dass er – wie vom Zeugen EE geschildert – gesagt habe, es stünden 60 Arbeitsplätze auf dem Spiel und wenn der Angeklagte „etwas retten“ wolle, solle er die Wahrheit sagen. Er habe schlicht „alle Register“ ziehen wollen, um an die Wahrheit zu gelangen. Auf die Frage, ob der Angeklagte ausschließen könne, jemals mit GERA in Verbindung gekommen zu sein, habe der Angeklagte mit. „Ja“ geantwortet. Der Zeuge berichtete weiter, dass er dem Angeklagten nicht geglaubt habe, er jedoch gedacht habe, man werde es die nächsten Tage ja sehen.

Nach Angaben des Zeugen … suchte der Angeklagte ihn um 24.00 Uhr überraschend erneut auf. Der Zeuge … gab weiter an, er sei davon ausgegangen, der Angeklagte wolle nunmehr den Einsatz von Dopingmitteln gestehen. Unerwartet sei der Angeklagte anstatt nervös – wie zuvor – plötzlich ruhig und entspannt gewesen. Er habe ihm erklärt, warum er den Tag über und Im vorangegangenen Gespräch so nervös gewesen sei. Hierzu habe der Angeklagte angegeben: Immer, wenn seine Karriere einen positiven Verlauf nehme, gehe dies mit Skandalen einher. Als Beispiele habe er die Weltmeisterschaft 2007 und das Amstel Gold Race 2006 genannt. Der Angeklagte habe aber auch bei diesem Gespräch kein Geständnis abgelegt. Hätte der Angeklagte die Worte „Urin“ und „entdeckbar“ (so wie vom Angeklagten in seiner Einlassung dargestellt) verwendet, hätte er – so der Zeuge … – dies als Geständnis aufgefasst. Dies sei aber zu keiner Zeit Inhalt des Gesprächs gewesen. Er habe sich den Angeklagten lange angehört und ihn nicht unterbrochen – wie von diesem behauptet -, sondern ihm deutlich gemacht, dass er sicher sein müsse, dass kein Doping stattgefunden habe.

Nach diesem Gespräch sei er zu EE gegangen und habe diesem berichtet, er habe den Eindruck, dass hier „einer gut beraten“ worden ist. Er habe zudem auch Dr. OO von dem 24.00 Uhr-Gespräch berichtet. In der Nacht, so der Zeuge, sei ihm klar gewesen: am nächsten Morgen haben wir einen Skandal. Eine so kritische, auffällige Situation habe er noch nicht erlebt. Dr. OO habe sogar bereits an diesem Abend die Koffer gepackt gehabt, weil er seine alsbaldige Verhaftung durch die französische Polizei befürchtet habe (die Mitverhaftung des Teamarztes sei in Frankreich in Dopingfällen üblich).

Am nächsten Morgen sei jedoch nichts passiert. Auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, ob er bestätigen könne, dass der Angeklagte in einer Dopingkontrolle positiv getestet worden sein soll, habe er dies verneint. Der Angeklagte sei am 18.07.2008 aufgrund der Gerüchte um einen positiven Test ihm gegenüber aufbrausend gewesen und habe nach Hause fahren wollen. Er, …, habe dem Angeklagten jedoch erklärt, dass es keinen Grund gebe nach Hause zu fahren, sollte er nichts zu verbergen haben. Der Angeklagte sei dann geblieben. Als nach ca. fünf Tagen noch immer kein positives Testergebnis bekannt worden sei, habe er gedacht, man habe den Angeklagten doch „zu hart angefasst“.

Hätte der Angeklagte ihm am 17.07.2008 die Anwendung von CERA gestanden, so der Zeuge, hätte er das gesamte Team CC aus der Tour zurückgezogen. Die Firma BB hätte – auf seine Veranlassung hin – unter keinen Umständen mehr drei Monatsgehälter an den Angeklagten ausgezahlt. Eine Rettungsidee im Sinne einer Vertuschung etc. habe es nicht gegeben. Der Angeklagte sei viel zu sehr im Fokus der Öffentlichkeit gestanden, weshalb eine solche Idee sowieso abwegig sei. Seit September 2007 sei er – nach der Ankündigung der CC Brunnen GmbH & Co. KG, sich nach dem Jahr 2008 aus dem Radsport zurückzuziehen – auf der Suche nach einem neuen Sponsor gewesen. Falls die Sponsorensuche scheitern sollte, habe er für seine Person die Idee gehabt als eine Art „Sprecher aller Mannschaften“ die Radsportteams künftig politisch zu vertreten. Die Hoffnung auf einen neuen Sponsor für das Team und damit dessen Fortbestand wäre bei einem „Dopingfall AA“ freilich zunichte gewesen.

c) Glaubwürdigkeit des Zeugen …

Der Zeuge …, der sich nach der Auflösung des Team CC intensiv mit den Geschehnissen – unter anderem den Dopingvorkommnissen – in seinem früheren Team befasst und darüber sogar ein Buch mit dem Titel „Garantiert Positiv. Mein Leben für den Radsport“ geschrieben hat, berichtete detailreich und unter Darstellung der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt über mehrere Hauptverhandlungstage hinweg über seinen Weg als Manager des Profiradrennstalls Team CC, seinen Umgang mit dem Thema Doping im Radsport, sein nicht immer einfaches Verhältnis zum Angeklagten und insbesondere die Situation am 17.07.2008 sowie an den Folgetagen. Ebenso hatte der Zeuge … – wie der Zeuge Kriminalhauptkommissar BB2 berichtete – bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt. Schon im Ermittlungsverfahren hatte er insbesondere ein Wissen um das Doping des Angeklagten abgestritten. Was eine fehlende Kenntnis vom Doping des Angeklagten sowie den groben Ablauf des 17.07.2008 betrifft, sind die Angaben des Zeugen … in Hauptverhandlung und Ermittlungsverfahren somit konstant.

Der Zeuge zeigte in seiner umfangreichen, mehrere Jahre als Teamleiter eines professionellen Radsportteams abdeckenden Vernehmung ferner eine bemerkenswerte zeitliche und örtliche Einordnungsfähigkeit. Er reagierte, ohne von seiner Darstellung abzuweichen, auf teilweise wiederholende, oftmals mit Zeit- und Themensprüngen verbundene Fragen betreffend Dopingvorkommnisse im Team CC sowie das Kerngeschehen am 17.07.2008 und die Folgetage.

Trotz der grundsätzlich hohen Qualität der Aussage des Zeugen …, waren die Angaben des Angeklagten letztlich nicht zu widerlegen. Die Angaben des Zeugen … waren vor dem Hintergrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien nicht geeignet bei der Kammer eine Überzeugung davon herbeizuführen, dass der Zeuge … zum Zeitpunkt der Gehaltszahlungen keine Kenntnis davon hatte, dass der Angeklagte das Dopingmittel CERA verwendet hat. Die Kammer ist vielmehr zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass … die Kenntnis vom Doping des Angeklagten mit der Substanz CERA am 17.07.2008 bereits hatte und die dem Anklagevorwurf zugrundeliegenden Gehaltsvorschüsse vom 29.07.2008, 29.08.2008 und 30.09. 2008 trotz dieser Kenntnis geleistet hat.

Maßgeblicheren hierbei die im Folgenden dargestellten Umstände:

(1) Anruf XX am 17.07.2008 / Kenntnis des Zeugen … von der Dopingsubstanz CERA

Angesichts von allgemeinen Presseberichten und Veröffentlichungen der UCI über CERA als Dopingmittel seit dem Jahr 2004, die auch … zugänglich waren, erscheinen die Angaben …s, er habe von einer Dopingsubstanz CERA erst am Morgen des 17.07.2006 durch einen Anruf von XX Kenntnis erlangt, wenig nachvollziehbar. Dies zumal … – als nach eigenem Bekunden Anti-Doping-Kämpfer – eigentlich ein besonderes Interesse an Dopingsubstanzen und deren Nachweis- bzw. Nichtnachweisbarkeit haben müsste.

Eine Unkenntnis …s von der Dopingsubstanz CERA vor dem 17.07.2008 erscheint auch deshalb erstaunlich, weil er noch am 12.07.2008, somit gerade einmal fünf Tage vor dem Anruf XX, eine E-Mail eines „anonymen Radsportfans“ erhalten hatte. In dieser E-Mail, die ursprünglich an VV, einen Vertrauten …s, adressiert war, wies der „anonyme Radsportfan“ darauf hin, dass ein eindeutiges Testverfahren für die neuen EPO-Präparate (Dynepo, epoietin delta, CERA,…) entwickelt worden sei. Dieses werde ab sofort bei allen Dopingkontrollen eingesetzt. Betreffend das Präparat CERA wurde das Nachweisverfahren überdies als ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay), ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren, spezifiziert. Die E-Mail dieses unbekannten Verfassers befand VV augenscheinlich für wichtig, denn er leitete sie noch an dem Tag, an dem er sie selbst erhielt, an … weiter. Dies zudem während des ohnehin arbeitsreichen Großereignisses Tour de France. Dass … die E-Mail dennoch als bloße Nebensächlichkeit eingestuft haben könnte, weshalb er ihren Inhalt vielleicht gar nicht bewusst zur Kenntnis genommen haben könnte, ist deshalb nur schwer vorstellbar. Nicht nachvollziehbar ist eine Unkenntnis wenn man außerdem berücksichtigt, dass der Zeuge … nach entsprechendem Vorhalt nicht ausschließen konnte, den Teamarzt Dr. OO – wie von diesem berichtet – angewiesen zu haben, den Inhalt der E-Mail den Fahrern des Team CC mitzuteilen. Denn weshalb ein Teammanager einen Teamarzt anweisen sollte, den Inhalt einer E-Mail, den er selbst nicht einmal selbst bewusst wahrgenommen hat, an die Fahrer des Team CC noch während der laufenden Rundfahrt mitzuteilen, erschließt sich nicht.

Dies spricht in erheblichem Maße dafür, dass … die Dopingsubstanz CERA – entgegen seiner Angaben – tatsächlich schon vor dem 17.07.2008 bekannt war und die von ihm zunächst sowohl gegenüber XX im Telefonat vom 17.07.2008 wie auch in seiner anfänglichen Aussage vor der Kammer geschilderte Unkenntnis nicht den Tatsachen entsprochen hatte.

(2) Die Gespräche um 22.00 Uhr und 24.00 Uhr

Ferner hat die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme zum Geschehen am 17.07.2008 Zweifel, ob … tatsächlich – wie von ihm geschildert – in Unkenntnis vom CERA-Doping des Angeklagten in den Gesprächen um 22.00 Uhr und um 24.00 Uhr ein Geständnis für den Fall der Verwendung von CERA erreichen wollte.

(a) 22.00 Uhr-Gespräch

Die Kammer ist aufgrund der Angaben der Zeugen EE und … (beide haben dies übereinstimmend geschildert) davon überzeugt, dass der Zeuge … den Angeklagten im Gespräch um 22.00 Uhr darauf hinwies, dass 60 Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden und der Angeklagte, wenn er „etwas reffen“ wolle, die Wahrheit sagen solle.

Wie aber mit der Wahrheit – die so ausgesehen hätte, dass der Angeklagte die Verwendung von CERA im 22.00 Uhr-Gespräch eingeräumt hätte -, das Team CC und mit ihm 60 Arbeitsplätze hätten gerettet werden können, erschließt sich nicht. Ein Dopinggeständnis des Angeklagten, zumal vor drei Zeugen, hätte (ohne konspiratives Vorgehen aller Beteiligten) nicht nur gravierende Konsequenzen für den Angeklagten, sondern zugleich das sichere Ende des Teams mit sich gebracht. Der Zeuge … befand sich seit September 2007 auf der Suche nach einem Nachfolgesponsor für sein Team. Ein offizieller „Dopingfall AA“ hätte – so der Zeuge … selbst – das Scheitern aller diesbezüglichen Bemühungen bedeutet. Eine Fortführung des Teams mit neuem Sponsor hing, wie allen im Team klar war, auch davon ab, dass die Mannschaft die Tour de France möglichst erfolgreich und vor allen Dingen ohne Dopingfall beendete.

Eine Möglichkeit …s im Falle eines Dopinggeständnisses des Angeklagten das Ende des Teams noch durch ein eigenes Handeln abzuwenden, bestand am 17.07.2008 nicht mehr. Denn auch wenn … versucht hätte, den Angeklagten – in Absprache mit EE und Dr. OO – im Falle eines Geständnisses „leise“ (durch einen Sturz, eine vorgetäuschte Krankheit etc.) aus dem Rennen zu nehmen, wären angesichts der Tatsache, dass das Verhalten des Angeklagten am 17.07.2008 nicht nur im Team, sondern auch außerhalb des Teams bereits negativ aufgefallen war (vgl. Anruf XX, laut … Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters am Folgetag), Fragen nach einer Verbindung zum nach dem Dopingfall R tagesaktuellen Thema CERA laut geworden. Dies sogar verstärkt, da der Angeklagte aufgrund dessen, dass er zwei Tage das gelbe Trikot des Führenden des Gesamtklassements der Tour de France innehatte, besonders im Fokus der Öffentlichkeit und damit auch potentieller Sponsoren stand.

Die Befragung durch … ist folglich paradox. Als Begründung, warum die Wahrheit von großer Bedeutung wäre, wird von ihm ein Gesichtspunkt angeführt, der erkennbar gegen ein Dopinggeständnis sprechen musste, weil der Fortbestand des Teams und die Rettung der damit verbundenen 60 Arbeitsplätze nur möglich waren, wenn die Tour weitergefahren werden könnte und kein Dopingfall an die Öffentlichkeit dringt.

Die Kammer hält es deshalb für möglich, dass Motiv der Befragungsweise …s war, dem Angeklagten zu verdeutlichen, dass – obwohl er die Frage nach einem möglichen Doping stellen musste – das Ablegen eines Dopinggeständnisses gerade nicht im Sinne des Teams wäre. Die Art der Befragung musste dem Angeklagten eindrücklich vor Augen führen, was für das gesamte Team auf dem Spiel stand, sollte der Angeklagte ein Doping mit CERA gestehen oder die Verwendung offiziell nachgewiesen werden. Bei einem Geständnis wäre … wohl – auch vor dem Hintergrund einer eigenen Haftung – zum Handeln (z.B. Sponsor und Tour de France-Leitung anrufen) gezwungen gewesen. Das Ende des Teams nach der Saison 2008 wäre als Folge hiervon Gewissheit gewesen. Dagegen blieb im Falle eines Bestreitens die Hoffnung, dass ein Dopingvergehen nicht nachgewiesen würde und die Tour de France sowie die Saison 2008 erfolgreich zu Ende geführt werden könnten.

Die Erklärung …s, er habe schlicht „alle Register“ ziehen wollen, leuchtet dagegen weniger ein: 60 Arbeitsplätze konnten mit einem Dopinggeständnis nicht gerettet werden.

(b) 24.00 Uhr-Gespräch

Dazu, dass dem Zeugen … die Erhaltung der 60 Arbeitsplätze und der Fortbestand des Teams von vorrangiger Wichtigkeit war, würde auch die vom Angeklagten geschilderte Version des 24.00 Uhr-Gesprächs passen, wonach den Zeugen … in diesem zweiten Gespräch nicht das Dopinggeständnis des Angeklagten an sich interessiert habe (er dieses vielmehr sogar unterbrochen habe), sondern allein, ob „die Bombe platzt“, somit das Ende des Teams bereits besiegelt war.

Die Zeugen EE und Dr. OO konnten sich nicht erinnern, dass … ihnen über ein Weiteres Gespräch mit dem Angeklagten am 17.07.2008 um 24.00 Uhr berichtet habe.

Dafür, dass die vom Angeklagten geschilderte Version des 24.00 Uhr-Gesprächs zutreffend ist, spricht auch noch Folgendes:

Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte im Gespräch mit …, EE und Dr. OO das Verwenden von CERA zunächst abgestritten hatte, ist es nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass er den Zeugen … um 24.00 Uhr erneut aufgesucht haben soll, allein um den Gebrauch von CERA nochmals zu bestreiten und … seine vorangegangene Nervosität zu erklären. Die Motivation hierfür wäre unklar.

Dass der Angeklagte überhaupt ein weiteres Gespräch – noch dazu mitten in der Nacht – suchte, musste dem Zeugen … zusätzlich verdächtig erscheinen. So schilderte dieser auch, er sei davon ausgegangen, der Angeklagte wolle nunmehr gestehen. Die Verwendung von CERA hatte der Angeklagte bereits im 22.00-Uhr Gespräch abgestritten. Dass eine Wiederholung dieser Behauptung … überzeugen würde, musste dem Angeklagten als unwahrscheinlich erscheinen. Vielmehr ging er mit einem weiteren Gespräch das Risiko ein, … würde eine zuvor gewonnene Überzeugung von seiner Aufrichtigkeit in Frage stellen.

Der Angeklagte musste … ferner auch nicht deshalb erneut aufsuchen, weil er ernsthaft zu befürchten hatte am nächsten Tag bzw. bei den nächsten Rennen nicht mehr starten zu dürfen. Ein positives Testergebnis lag nicht vor. Ein Dopingvergehen war nicht festgestellt. Den Angeklagten allein auf einen Dopingverdacht hin aus dem Rennen zurückzuziehen hätte den wirtschaftlichen Interessen …s widersprochen:

Der Angeklagte hatte mit der Firma BB einen bis Ende des Jahres 2009 laufenden Vertrag. Eine den Zeugen … vor möglichen Regressansprüchen des Angeklagten schützende Tatsachengrundlage für eine Suspendierung und/oder Kündigung des Angeklagten bestand nicht. Eine reibungslose Beendigung des Vertragsverhältnisses hätte somit der Kooperation des Angeklagten bedurft. Dass der Angeklagte kooperieren würde, war angesichts der Auseinandersetzungen in der Vergangenheit nicht zu erwarten. Noch Anfang des Jahres 2008 hatte es zwischen dem Angeklagten und … nach Schilderung beider eine heftige Auseinandersetzung gegeben, als … den Angeklagten nicht mehr bei Rennen starten lassen wollte. Eine schriftliche Bestätigung des Angeklagten, CERA nicht verwendet zu haben, forderte der Zeuge … nach seinen Angaben an diesem Abend gerade deshalb nicht ein, weil er eine erneute Auseinandersetzung mit dem Angeklagten und dessen Rechtsbeistand fürchtete.

Ferner befand sich der Zeuge … seit September 2008 auf der Suche nach einem neuen Sponsor für sein Team. Ein „Dopingfall AA“ hätte das sichere Aus für die Suche nach einem Nachfolgesponsor bedeutet, was dem Zeugen … als Katastrophe erscheinen musste.

Die Kammer verkennt bei dieser Einschätzung der Interessenlage nicht, dass der Angeklagte einen Vertrag bis Ende des Jahres 2009 besaß und die vertragliche Vereinbarung für den Zeugen …, der die Vereinbarung an den Erhalt des Sponsors über 2008 hinaus geEE2elt sah, ohne neuen Sponsor ein finanzielles Risiko darstellte. Dies, da der Angeklagte, wie der Zeuge … wusste, den Wegfall des Sponsors als allein unternehmerisches Risiko betrachtete und der Vertrag mit einem Jahresgehalt von zuletzt 675,000 € jährlich hoch dotiert war.

Allerdings ist die Kammer davon überzeugt, dass dieses Vertragsrisiko für den Zeugen erkennbar hinter dem Wunsch nach der Fortdauer seines Teams zurücktrat. Der Zeuge hatte sich beruflich seit dem Jahr 1998 dem Radsport gewidmet und sah seine Zukunft auch über die Saison 2008 hinaus im Radsport. Dass der Wunsch, weiterhin ein Team zu feiten auch gegenüber einer etwaigen – und nur möglichen – Rolle als „Sprecher aller Mannschaften“ vorrangig war, zeigt sich schon in den intensiven Bemühungen des Zeugen auf der Suche nach einem Nachfolgesponsor noch während der Olympischen Spiele im August 2008, von denen er berichtete.

Gegenüber der Version des Zeugen … erscheint die Einlassung des Angeklagten zu Ablauf und Inhalt des 24.00 Uhr-Gesprächs von der Motivation her nachvollziehbarer.

Hiernach war Motivation des Angeklagten den Zeugen … erneut aufzusuchen, diesen, der nunmehr alleine war, in seine Überlegungen – was eine Nachweisbarkeit von CERA speziell bei ihm anbelangt – einzubeziehen und ihn hiermit wie auch sich selbst zu beruhigen.

Dass der Angeklagte am 17.07.2008 das Gespräch mit Dr. OO und anderen (vgl. beobachtete Telefonate) suchte, macht deutlich, dass er in der Ausnahmesituation des 17.07.2008 keine abwartende, in sich gekehrte oder strategisch durchdachte Rolle einnahm, sondern vielmehr emotional geleitet handelte. In dieses Bild würde ein zweites Gespräch mit … passen, in welchem der Angeklagte diesem, den er nun alleine antrifft – immer noch aufgewühlt – mitteilt oder mitteilen möchte, auch, um zum Schlaf zu finden, was ihn bewegt: dass obwohl er CERA verwendet habe, kein positives Testergebnis drohe.

Auch wäre der vom Angeklagten geschilderte Gesprächsverlauf, wonach es … letztlich nur interessiert habe, ob mit einer Entdeckung des Dopingvergehens des Angeklagten zu rechnen sei, auf der Basis der wirtschaftlichen Interessenlage …s gut nachzuvollziehen. Ein öffentlich bekannt gemachtes oder offiziell festgestelltes Dopingvergehen des Angeklagten hätte das sichere Aus aller Bemühungen …s um einen Nachfolgesponsor für sein Team bedeutet. Weiter hätte das Image …s als Anti-Doping-Kämpfer Schaden genommen. Denn die Frage nach einer möglichen Doping-Unterstützung oder auch nur einer Mitwisserschaft …s um das Doping des Angeklagten, wäre sicherlich gestellt worden. Dass ein Dopingnachweis beim Angeklagten erfolgen würde, war dagegen trotz des CERA-Gebrauchs nicht sicher. Details zum Nachweis von CERA bei dem Fahrer RR hatte XX … nach dessen Schilderungen nicht zugetragen, Ob zur Überführung Rs daher ein neues Testverfahren eingesetzt worden war, stand nicht fest. Ebenso wenig war sicher bekannt, unter welchen Voraussetzungen ein solches (neues) Testverfahren einen CERA-Nachweis erbringen würde. Bis dahin waren alle Dopingkontrollen des Angeklagten während der Tour de France negativ ausgefallen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht lebensfremd, dass …, der keine Möglichkeit mehr hatte einen „Dopingfall AA“ durch eigenes Handeln zu verhindern, allein interessiert haben soll, ob aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem positiven Testergebnis beim Angeklagten zu rechnen sei.

Berücksichtigt man weiter, dass … im Jahr 2005 Im Fall extrem auffälliger Blutwerte bei dem Fahrer TT schon einmal einen strikten, kompromisslosen Anti-Doping-Kampf hinter die eigenen wirtschaftlichen Interessen zurücktreten ließ, erscheint der vom Angeklagten geschilderte Gesprächsverlauf noch plausibler. Denn schon Dr. PP schätzte … so ein, dass nur ein nachgewiesenes – und damit ein eine sichere juristische Handhabe ermöglichendes – Dopingvergehen etwas an …s Entscheidung geändert hätte, TT trotz Überzeugung von dessen Doping weiter am Wettkampf teilnehmen zu lassen. Detailliertes Wissen um das Dopingvergehen von TT dagegen war für … nach Einschätzung Dr. PPs nicht von Interesse. Dem aber würde es entsprechen, wäre … auch am 17.07.2008 nicht am Dopingvergehen des Angeklagten an sich, sondern allein daran Interessiert gewesen, ob ein positives Testergebnis wahrscheinlich war.

(3) Die Ärzte des Team CC

(a) Dr. NN

Ein Hinweis darauf, dass die medizinische Abteilung des Team CC seit dem Jahr 2005 Doping unterstützt haben könnte, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. NN.

Dieser ist Chefarzt der Sportklinik Hellersen (Abteilung Sportmedizin) und war bis zur Auflösung des Teams im Jahr 2008 auch Leiter der medizinischen Abteilung des Team CC. Der Zeuge …, der mit Dr. NN bereits seit 1984 befreundet war, hatte ihn 2004 ins Team geholt. Erfahrungen mit Substanzen, die heute als Doping verboten sind, hatte Dr. NN an der Universität Freiburg gesammelt, wo er u.a. in den 1980er Jahren bei Prof. Keul verantwortlich an einer dreiteiligen Studie über Testosteron im Sportbereich mitgewirkt hat.

Zwar hat der Zeuge Dr. NN zunächst angegeben, keinem Fahrer des Teams jemals verbotene Dopingsubstanzen verabreicht oder ihn über die konkrete Dosierung von verbotenen Dopingsubstanzen beraten zu haben. Vielmehr habe er die Direktive des Teamleiters … „in diesem Stall findet Doping nicht statt!“ ausnahmslos befolgt und auch nicht augenzwinkernd irgendwelchen Fahrern den Eindruck vermittelt, sie dürften schon dopen, wichtig sei nur, sich nicht erwischen. zu lassen. Auch habe er keinerlei Anhaltspunkte, dass … vom Doping des Angeklagten oder irgendeines anderen Fahrers bereits vor dem Bekanntwerden einer positiven A-Probe Kenntnis erlangt haben könnte.

Zweifel dahingehend, dass gleichwohl im Team CC mit Wissen und Unterstützung der medizinischen Abteilung und insbesondere von Dr. NN gedopt worden sein könnte, ergeben sich aber aus einem am Tag vor Weihnachten 2005, dem 23. Dezember 2005, verfassten Rundschreiben des Zeugen Dr. NN als Leiter der medizinischen Abteilung des Team CC an alle Fahrer des Teams (Weihnachtsbrief), in weichem Dr. NN die Arbeit des vergangenen Jahres 2005 und die Planungen für das zukünftige Jahr 2006 skizziert und bezüglich des Umgangs mit „Dopingbestimmungen“ mitteilt:

„Für uns sind keine neuen Bestimmungen zu berücksichtigen. Schwerpunkt wird sicherlich, wie im vergangenen Jahr, der Nachweis von EPO/Blutdoping sein.“

Eine solche Botschaft an die Fahrer könnte etwa dann als Beschreibung einer legalen Doping-Aufklärungstätigkeit verstanden werden, wenn die medizinische Abteilung des Team CC die Befugnis gehabt hätte, bei den Fahrern anderer Teams unangemeldete Dopingkontrollen durchführen zu können, um dann durch den Nachweis eventuellen Dopings bei der Konkurrenz und die darauf jeweils beruhende Disqualifikation der des Dopings überführten Fahrer der anderen Teams dem eigenen vermeintlich dopingfreien Team faire Platzierungschancen verschaffen zu können. Eine solche Kontrollbefugnis hinsichtlich der anderen Teams hatte die medizinische Abteilung des Team CC allerdings ersichtlich nicht, weshalb auszuschließen ist, dass die vorbeschriebene Tätigkeit mit der oben unterstrichenen Formulierung im Weihnachtsbrief gemeint gewesen sein könnte.

Eine weitere denkbare Möglichkeit, wie die Beschäftigung mit dem „Nachweis von EPO/Blutdoping“ als „Schwerpunkt“ der Tätigkeit der medizinischen Abteilung sich noch im Rahmen der Legalität abgespielt haben könnte, wäre die Arbeit an der Verbesserung des Nachweises von eventuellen Dopingverstößen im eigenen Team durch unangemeldete teaminterne Kontrollen und die Auswertung der dabei erhobenen Blut- und Urinproben zur Eliminierung von gedopten Fahrern im Team und zur Abschreckung von solchen Fahrern im Team, die andernfalls der Versuchung des Dopings erliegen könnten. Dagegen, dass dies mit der unterstrichenen Formulierung im Weihnachtsbrief des Zeugen Dr. NN gemeint gewesen sein könnte, spricht aber, dass keiner der vernommenen Fahrer oder sonstigen Mitglieder des Teams von derartigen Kontrollen, daraus resultierenden Konsequenzen für Fahrer und einer damit einhergehenden Abschreckungswirkung berichtet hätte.

Eine weitere Möglichkeit der Deutung wäre, dass der „Nachweis von Blutdoping/EPO“ als „Schwerpunkt“ der Tätigkeit der medizinischen Abteilung so zu verstehen sein könnte, dass damit das Erforschen der genauen Dosierungsgrenze, bis zu welcher EPO (und Derivate) oder Blutdoping angewandt werden können, ohne dass der entsprechende Fahrer dann bei einer eventuellen Dopingkontrolle positiv auffallen würde (Doping unterhalb der Nachweisgrenze oder mit „nicht nachweisbarem“ EPO), gemeint sein könnte. Hätte der Zeuge Dr. NN dies mit seiner Formulierung im Weihnachtsbrief gemeint, würde das bedeuten, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit der medizinischen Abteilung des Teams, was den Umgang mit den Anti-Doping-Bestimmungen anbelangt, sowohl im Jahr 2005 wie auch zumindest geplanterweise im Jahr 2006 nicht beim Anti-Doping-Kampf, den der Teamleiter … nach außen hin vehement proklamiert hat, sondern bei der Perfektionierung von EPO- und Blutdopinganwendungen bezüglich Dosis und Anwendungszeitpunkten im Hinblick auf das Ziel von deren Nichtnachweisbarkeit bei eventuellen späteren Dopingkontrollen gelegen hätte.

Der Zeuge Dr. NN, der die Formulierung verfasst hat und deshalb auch am besten darüber Auskunft hätte geben können, wie er sie gemeint hat, hat sich diesbezüglich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen, da er bei wahrheitsgemäßer Beantwortung dieser Frage die Befürchtung hatte, sich selbst der Begehung einer Straftat bezichtigen zu müssen. Gegen ihn wird bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als medizinischer Leiter des Team CC geführt, dessen Einleitung ihm im Mai 2013 bekannt gegeben worden war. Dabei wären eventuelle Verstöße gegen das AMG durch Anwendung verbotener Dopingsubstanzen aus den Jahren 2005 und 2006 zwar bereits verjährt, allerdings wäre zu befürchten, dass aus dem Verhalten des Zeugen in den Jahren 2005 und 2006 auch Rückschlüsse auf das nicht vollständig verjährte Jahr 2008 gezogen werden könnten, so dass er sich zurecht auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen hat.

In einem angeblich dopingfreien Team müsste die Mitteilung, dass der Nachweis bestimmter Dopingmethoden Schwerpunkt der Arbeit der medizinischen Abteilung sein sollen, bei den Adressaten Erstaunen oder gar Entsetzen auslösen.

Dass offenbar keinerlei Befürchtung bei Dr. NN bestand, dass die zitierte Formulierung in den Weihnachtsbriefen auch der Teammanager zur Kenntnis erhalten könnte, lässt darauf schließen, dass Dr. NN nicht befürchtete, durch die Wahl seines Arbeitsschwerpunktes bezüglich der Anti-Doping-Bestimmungen für die Jahre 2005 und 2006, bezüglich derer er heute gegenüber dem Gericht die Auskunft gemäß § 55 StPO verweigert hat, möglicherweise etwas zu tun, was gegen die Interessen des Teammanagers … verstoßen könnte. Da aber … nach außen hin als Verfechter völliger Dopingfreiheit galt, hätte es interner Kommunikation zwischen … und Dr. NN bedurft, bis Dr. NN zu der Erkenntnis kommen konnte, …s Interessen gleichwohl nicht zuwider zu handeln. … müsste also gegenüber Dr. NN zu erkennen gegeben haben, dass er die Perfektionierung von Doping dahingehend, dass es nicht nachgewiesen werden könne, als Arbeitsschwerpunkt gut heißen würde.

(b) Dr. PP

Die Zweifel dahingehend, dass im Team CC unter Einbeziehung der medizinischen Abteilung gedopt worden sein könnte, werden verstärkt durch die Angaben des Zeugen Dr. PP.

Dr. PP war im Jahr 2002 zunächst über eine befristete Drittmittelstelle für die Radsportmannschaft Team Coast in der Sportklinik Hellersen bei Dr. NN angestellt, bevor er nach einer halbjährigen Tätigkeit beim Radsportteam Bianchi eine Festanstellung in der medizinischen Abteilung des Team CC (Firma BB) erhielt, wo wiederum Dr. NN sein Vorgesetzter war.

Zwar hat auch der Zeuge Dr. PP ausgesagt, keinem Athleten jemals verbotene Dopingsubstanzen verabreicht oder ihn über die konkrete Dosierung von verbotenen Dopingsubstanzen beraten zu haben. Auch habe er keinerlei Anhaltspunkte, dass … vom Doping des Angeklagten oder irgendeines anderen Fahrers bereits vor dem Bekanntwerden einer positiven A-Probe Kenntnis erlangt haben könnte.

Allerdings hat Dr. PP auch angegeben, im Jahr 2006 habe ein Fahrer, dessen Namen er wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht nennen mochte, ihn konkret und bestimmt um die Verabreichung des Dopingmittels Synacthen gebeten. Dieses Ansinnen habe er wegen des auf ihn ausgeübten Druckes nicht abgelehnt, sondern sei zum Schein darauf eingegangen und habe dem Sportler ein Placebo gespritzt.

In einem dopingfreien Team wäre zu erwarten gewesen, dass ein Arzt, wenn er sich mit dem sei es auch noch so selbstbewusst vorgetragenen Dopingverlangen eines Sportlers konfrontiert sieht, ausreichenden Rückhalt sowohl bei der medizinischen Leitung wie auch bei der Teamleitung hat, um sich dem Dopingverlangen widersetzen und „nein“ sagen zu können, ohne negative Konsequenzen für sich selbst befürchten zu müssen. Diesen Rückhalt hatte Dr. PP aber offensichtlich nicht. Das Dilemma, Doping innerlich abzulehnen aber nach außen nicht ablehnen zu können, habe er schließlich dadurch gelöst, dass er dem Fahrer ein Vitaminpräparat gespritzt habe, diesen dabei aber in dem Glauben gewogen habe, es handele sich dabei um das gewünschte Synacthen.

Nachdem Dr. PP zu Dr. NN bereits ein vertrauensvolles Verhältnis hatte, als er noch im Rahmen einer Drittmittelstelle in der Sportklinik Hellersen arbeitete (sonst hätte ihn Dr. NN nicht zum Team CC mitgenommen) und Dr. NN ihm nach Auslaufen der Drittmittelstelle das sich anschließende Arbeitsverhältnis als Sportarzt beim Team CC vermittelt hat, wäre es schon aufgrund des noch aus der Zeit in Hellersen bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Dr. NN und Dr. PP zu erwarten gewesen, dass Dr. PP sich bei Dr. NN, seinem alten und gleichzeitig neuen Chef, ausreichend geborgen weiß, um sich für ein „nein“ gegenüber dem Synacthen fordernden Athleten den nötigen Rückhalt zu verschaffen. Dass er diesen Rückhalt dennoch nicht hatte, passt zu der Annahme, dass im Team CC mit Wissen und Unterstützung der medizinischen Abteilung gedopt worden sein könnte.

Auch die weitere Aussage Dr. PPs zum Dopingfall des Fahrers TT spricht dafür, dass es nicht …s erste Prämisse war, nur dopingfreie Fahrer an den. Start gehen zu lassen. Der Zeuge … hatte diesbezüglich bereits eingeräumt, vom Doping TTs zwar innerlich überzeugt gewesen zu sein, ihn trotzdem aber habe starten lassen, weil andernfalls aufgrund der Beweislage und der Qualität und Aggressivität von TTs Anwälten der wirtschaftliche Ruin sowohl für sich persönlich wie auch für das Team gedroht habe. Der Zeuge Dr. PP hat insoweit in der Hauptverhandlung ergänzt, dass TT ihm gegenüber den Dopingverstoß eingeräumt habe. Dieses Dopinggeständnis TTs habe er nicht an … weitergegeben. Dabei habe ihn nicht die ärztliche Schweigepflicht an der Weitergabe gehindert, sondern er sei davon ausgegangen, dass … das nicht interessiere, da wenn TT sein mündlich abgegebene Dopinggeständnis später abstreiten würde, Aussage gegen Aussage stünde und TT damit nicht aus dem Rennen genommen werden könne.

Dabei sei er allerdings mit … insoweit aneinandergeraten, als dieser es unmöglich gefunden habe, dass er die verdächtigen Blutwerte TTs in der Mannschaft öffentlich gemacht habe statt diese diskret zu behandeln. Das gehe nicht. … wäre sehr an der Geheimhaltung dieses Dopingverdachtes auch gegenüber anderen Fahrern des Teams gelegen gewesen.

Sein Engagement beim Team CC habe schließlich auf seinen eigenen Wunsch hin geendet. Eine Missstimmung mit … wegen seines Verhaltens im Hinblick auf den Wunsch eines Sportlers nach Synacthen habe nicht bestanden.

(c) Dr. OO

Auch der als Zeuge vernommene Teamarzt Dr. OO hat angegeben, er habe niemals einem Fahrer Dopingmittel verabreicht oder eine Doping-Beratung durchgeführt. Wenn ein Sportler aber Fragen bezüglich bestimmter Dopingmittel, deren Wirkungsweise oder auch den Details bezüglich ihrer Nachweisbarkeit gehabt habe, so habe er diese Fragen beantwortet. Dies bei allen Dopingmitteln von „A bis Z“. Darin sehe er keine Doping-Beratung, da er ja nicht wisse, ob der betreffende Sportler dope.

Bezüglich des Gesprächs mit dem Angeklagten kurz vor dem 22.00 Uhr-Gespräch mit …, EE und Dr. OO hat Dr. OO die Einlassung des Angeklagten insoweit bestätigt, als dieser sich nach der Validität des neuen CERA-Testes erkundigt habe. Dabei habe der Angeklagte geäußert, dass ihm der „Arsch auf Grundeis“ gehe und habe wissen wollen, was passiere, wenn der Test zwar positiv, aber nicht valide wäre. „Dann bist du trotzdem am Arsch, unabhängig ob der Test zugelassen ist oder nicht“ sei seine Antwort gewesen. Gleichwohl habe er keinen sicheren Schluss gezogen, dass der Angeklagte CERA genommen habe. An der Mitteilung dieses Gesprächs an … habe ersieh durch die ärztliche Schweigepflicht gehindert gesehen.

Angesichts der Aufgeregtheit des Angeklagten seit der Verhaftung des Sportlers RR (nach dessen positiven Dopingbefund) an diesem Tag und der eindeutigen Formulierungen des Angeklagten im Gespräch mit Dr. OO kurz vor 22.00 Uhr ist nicht nachvollziehbar, weshalb Dr. OO den Schluss auf ein CERA-Doping des Angeklagten nicht gezogen haben will.

Umgekehrt sprechen die freimütigen Äußerungen des Angeklagten zur Frage der Nachweisbarkeit, dafür, dass die Fahrer des Teams selbst in kritischen Situationen Informationen zur Nachweisbarkeit von Dopingmitteln von den Teamärzten erhalten konnten.

(d) Gespräche über Doping

Zweifel dahingehend, dass die Ärzte des Teams die Fahrer – wie vorn Angeklagten behauptet – bei deren Doping unterstützt haben könnten, ergeben sich ferner daraus, dass alle vernommenen Ärzte übereinstimmend angegeben haben, den Fahrern über Dopingsubstanzen und ihre Nachweisbarkeit Auskunft gegeben zu haben. Sie hätten diese jedoch nicht darüber beraten, wie sie die Substanzen im Einzelnen anzuwenden hätten oder wie sie das Entdeckungsrisiko bei einer Verwendung unerlaubter Substanzen vermindern oder ausschließen könnten.

Für die Kammer stellte sich hierbei jedoch die Frage, warum in einem Team, das nach Angaben des Zeugen … und auch den Angaben aller Teamärzte eine strikte Anti-Doping-Haltung einnahm, überhaupt Gespräche über einzelne Dopingmittel und deren Nachweisbarkeit stattfanden. Denn es liegt auf der Hand, das Interesse eines Sportlers diesbezüglich kritisch zu hinterfragen. Bei Leistungssportlern, die sich konkret nach Substanzen und Testverfahren erkundigen, kann kaum von einem rein wissenschaftlichen Interesse an der Thematik ausgegangen werden. Vielmehr ist naheliegend, dass – wie auch Dr. PP schilderte – Sportler mit solchen Fragestellungen austesten, wie weit sie im Einzelfall gehen können, ob ihr Gesprächspartner zu Manipulationen bereit ist oder inwiefern eine Verwendung von Dopingmitteln für sie selbst mit (Entdeckungs-)Risiken verbunden ist. Die Grenze zwischen einer rein wissenschaftlichen Diskussion über die Wirkungsweise und Nachweisbarkeit von Dopingsubstanzen und einer Dopingberatung im engeren Sinn ist fließend. Denn gerade Informationen über Testverfahren, deren Wirkweise und Unzulänglichkeiten, sind für dopende Sportler, die nicht eines Dopingvergehens überführt werden wollen, von hohem Interesse. Es ist fernliegend, dass das Interesse der Sportler bei der Besprechung von Dopingsubstanzen darin lag, zu erfahren, was anderen Sportlern aus anderen Teams aktuell für Dopingsubstanzen zur Verfügung stehen.

Die von Dr. NN für die von den Teamärzten gewählte Vorgehensweise angeführten Präventionsgesichtspunkte, nämlich dass solche Gespräche auch die Gelegenheit böten, die eigene Haltung zu verdeutlichen, waren dagegen offenbar eher theoretischer Natur. Gegenüber der Kammer schilderte kein Arzt auch nur eine konkrete Situation, in der tatsächlich in dieser Weise gegenüber einem Sportler Stellung bezogen wurde. Auch Situationen, in denen eine Antwort schlicht verweigert wurde, wurden nicht geschildert. Dies lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht allein auf das Einhalten der ärztlichen Schweigepflicht zurückführen. Zum einen hatten der Angeklagte und der Zeuge EE2 die Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden. Zum anderen scheint zumindest eine rudimentäre Schilderung derartiger Begebenheiten auch ohne Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht möglich. Dr. PP, der durch seine vorangegangene Tätigkeit schon Erfahrung Im Umgang mit Leistungssportlern hatte, wies das konkrete Verlangen eines Sportlers nach der Verabreichung von Synacthen weder eindringlich zurück, noch machte er gegenüber dem betreffenden Sportler seine eigene Anti-Doping-Haltung oder die des Teams deutlich. Dieses Verhalten steht im klaren Widerspruch zu einer überzeugenden Präventionsarbeit. In einem Team, das eine strikte Anti-Doping-Haltung einnimmt, wäre zu erwarten gewesen, dass ein entsprechender Wunsch eines Sportlers nachdrücklich und unmissverständlich abgelehnt wird.

Die Kammer konnte daher nicht ausschließen, dass es sich faktisch bei Gesprächen über Doping – wie vom Angeklagten geschildert – um eine Dopingberatung gehandelt hat.

(e) Schweigepflicht

Weiter ergaben sich nicht zu erklärende Widersprüche in den Angaben der einzelnen Teamärzte darüber, wie im Team die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht gehandhabt wurden.

Dr. OO sah die ärztliche Schweigepflicht als striktes Kommunikationshindernis in puncto Doping und Dopingverdacht an. Es sei die Pflicht der Ärzte gewesen, nichts an die Teamleitung weiterzuleiten, selbst wenn ein Fahrer dope.

Auch Dr. NN sah die ärztliche Schweigepflicht als Hindernis für eine effektive Dopingkontrolle der Teamleitung an. Hierüber habe er mit seinen Kollegen, von denen er sich insbesondere auch mit Dr. OO und Dr. PP vernünftig ausgetauscht habe, diskutiert. Auch … sei bewusst gewesen, dass die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht einen Informationsaustausch mit ihm über mögliche Dopingfälle erschwere. Zwischen ihnen hätten viele Gespräche hierüber stattgefunden.

Konträr hierzu gab Dr. PP an, dass er bei Kenntnis über Doping oder bei einem konkreten Dopingverdacht trotz Schweigepflicht eine Warnung an … ausgesprochen hätte. Das Dopinggeständnis TTs habe er … nicht aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht zugetragen, sondern weil er gedacht habe, dieser könne mangels positiven Testergebnisses ohnehin keine Konsequenzen ziehen. Als ein Fahrer Dr. PP gegenüber den Wunsch nach Synacthen äußerte, gelangte diese Information überdies zu Hans Michael-…, der sie – unter Mitteilung auch des Namens des betreffenden Fahrers – von Dr. PP erhalten haben will.

Eine einheitliche Handhabung der Schweigepflicht im Bereich Doping lässt sich den Angaben der Zeugen somit nicht entnehmen. Dies verwundert, sollen sich doch die Ärzte laut Dr. NN vielfach ausgetauscht haben. Noch kurioser erscheint, dass … seinen Angaben zufolge davon ausging, Doping unterfalle nicht der ärztlichen Schweigepflicht. Niemand habe sich ihm gegenüber jemals auf die ärztliche Schweigepflicht berufen, auch nicht als über Blutwerte etc. diskutiert worden sei, was oft der Fall gewesen sei. Das Fehlen klarer Strukturen bei dem für die Kommunikation zwischen Ärzten und Teamleitung wesentlichen Thema Schweigepflicht, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Es passt insbesondere nicht zu einer strikt verfolgten Anti-Doping-Polltik. Denn eine Teamleitung, die im Falle von erkannten oder vermuteten Dopingverstößen handeln möchte, ist auf eine möglichst lückenlose Kommunikation angewiesen. Missverständnisse über die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht müssten deshalb innerhalb kürzester Zeit ausgeräumt sein. Dass hier gerade der Teammanager … und sein medizinischer Leiter Dr. NN so grundlegend aneinander vorbei geredet haben sollen, lässt sich nicht in vernünftiger Weise erklären.

(f) Gesamtverhalten der Ärzte

Dass die vernommenen Teamärzte wie beschrieben agierten, spricht dafür, dass im Team insgesamt keine strikte Anti-Doping-Haltung verfolgt wurde. Denn die Ärzte waren für die Teamleitung wichtiges Bindeglied in der Kommunikation und Arbeit mit den Sportlern. Ein zielgerichtetes Umgehen der Teamleitung durch alle vernommenen Teamärzte erscheint unwahrscheinlich. Ebenso, dass es – sollte der Anti-Doping-Kampf im Team tatsächlich einen hohen Stellenwert eingenommen haben – beim für einen Informationsfluss in puncto Doping enorm wichtigen Thema ärztliche Schweigepflicht ein Missverständnis mit Teamchef … gegeben haben könnte. Dies zumal … zur gesamten medizinischen Abteilung, insbesondere aber deren Leiter Dr. NN, ein vertrauensvolles Verhältnis pflegte. Näher liegt es daher davon auszugehen, dass die Ärzte im Sinne der Teamleitung handelten.

(4) Der Zeuge EE2

Der Zeuge EE2 erhob in der Hauptverhandlung den Vorwurf, die Ärzte des Team CC hätten das Doping der Fahrer nicht nur beratend, sondern auch durch Gabe von Dopingsubstanzen unterstützt.

Der Zeuge EE2 gab an, ein langjähriger Freund und ehemaliger Teamkollege des Angeklagten zu sein. In seiner Zeit als Radprofi habe er als Dopingsubstanzen EPO, Wachstumshormone, Testosteron, Synacthen und Kortison verwendet. Im Jahr 2009 sei er infolge Dopings gesperrt gewesen. Danach habe er keine Dopingmittel mehr verwendet. Mittlerweile habe er seine Karriere beendet. Darüber, dass der Angeklagte Dopingmittel verwendet habe, habe er Bescheid gewusst. Als Vertrauensperson habe ihm der Angeklagte hiervon berichtet und er habe auch die Verwendung von Dopingsubstanzen durch den Angeklagten miterlebt.

Der Zeuge EE2 erklärte gegenüber der Kammer, man habe sich in seiner Zeit beim Team CC – den Jahren 2006 und 2007 – mit allen Teamärzten über Dopingmittel austauschen können. Seine Ansprechpartner seien Dr. OO, Dr. NN und Dr. FF2 gewesen. Er habe die Ärzte – auch Dr. NN – darüber informiert, was er an Dopingsubstanzen bereits nehme und diese gefragt, welches Dopingmittel er wann und wie nehmen könne, damit er zu den wichtigen Wettkämpfen der Saison möglichst schnell fahren könne, ohne zugleich Gefahr zu laufen in Dopingkontrollen positiv getestet zu werden. Etwa acht bis zehn Mal pro Jahr sei er in Hellersen bei Dr. NN gewesen. Mindestens jedes zweite Mai habe man sich über Doping unterhalten. Vor allem über neue Substanzen und Testverfahren. Es sei allgemein bekannt, dass man „am Ball bleiben“ müsse, um nicht hinter die Konkurrenz zurückzufallen und überdies nicht im Wettkampf oder in Trainingskontrollen positiv getestet zu werden. Dopingmittel habe ersieh in seiner Zeit beim Team CC stets selbst besorgt. Erworben habe er diese in Apotheken und im Internet.

Es habe kein Problem dargestellt, die Ärzte konkret auf Doping anzusprechen: diese hätten schließlich die ärztliche Schweigepflicht gehabt. Ein Gang an die Öffentlichkeit durch einen Arzt sei deshalb nicht zu befürchten gewesen. Konkrete Gespräche über Doping seien – bis auf die Ausnahmen in denen Dr. OO Synacthen offen angeboten habe – ausschließlich als Vier-Augen-Gespräche geführt worden. Was … hiervon gewusst habe, könne er nicht sagen. Jedenfalls aber habe dieser einen engen Kontakt zu den Ärzten gehabt.

Zweimal sei ihm Synacthen von einem Teamarzt angeboten worden: bei dem Rennen Paris – Roubaix 2006 und bei der Deutschen Meisterschaft 2006 in Klingenthal.

Bei Paris – Roubaix 2006 habe er sich ein Zimmer mit seinem damaligen Mannschaftskollegen …2 geteilt. Der Teamarzt – er glaube dies sei Dr. OO gewesen, war sich aber nicht sicher – sei in ihr Zimmer gekommen und habe gefragt, ob sie Bedarf nach Synacthen hätten. …2 habe dies bejaht. Er selbst habe jedoch mit Verweis auf ein bereits ausgestelltes Attest abgelehnt. …2 sei verwundert darüber gewesen, dass es ein Attest für Synacthen gebe. Er habe ihm deshalb erklärt, dass er kein Synacthen-, sondern ein Kortisonattest habe. Synacthen wirke wie Kortison, weshalb er zusätzliches Synacthen nicht gebraucht habe. Den eigentlichen Verabreichungsvorgang an …2 habe er nicht miterlebt. …2, der eigentlich schon bettfertig gewesen sei, habe sich jedoch kurz nach dem Angebot des Arztes wieder angezogen und das Zimmer verlassen. Ein paar Monate später, wahrscheinlich während der Tour de France, sei er neben …2 am Start gestanden, als ein Fahrer vorbei gekommen sei, der schon einmal positiv getestet worden sei. …2 habe zu ihm gemeint „Die Drecksau. Man sollte alle Fahrer lebenslang weg sperren die so Zeug nehmen.“ Er habe ihn entgeistert angesehen und gesagt: „Seppel, erzähl nicht so einen Scheiß. Wir waren zusammen bei Paris – Roubaix.“ …2 sei daraufhin ins Stottern gekommen.

Am Tag vor der Deutschen Meisterschaft in Klingenthal 2006 sei Dr. OO auf der üblichen Zimmerrunde vorbei gekommen und habe ihn gefragt, ob er Synacthen brauche. Er habe sich dieses Mal ein Zimmer mit dem Angeklagten geteilt. Der Zeuge EE2 gab weiter an, er habe das Angebot Dr. OOs wiederum mit Hinweis auf ein Kortisonattest abgelehnt. Dr. OO habe daraufhin erklärt, dann nehme er das Synacthen „eben mit zur Tour“. Es habe sich um eine Ampulle mit abgerissenem Etikett gehandelt, weshalb er Dr. OO geraten habe es zuhause zu lassen, da eine Substanz ohne Etikett das erste sei, was kontrolliert werde.

Medizinisch indiziert sei die Verwendung von Kortison in keinem der Fälle gewesen. Die für die Rechtfertigung der Abgabe der Substanz (im Wege einer TUE) nötigen Krankheiten seien in Absprache mit einem Teamarzt, bei ihm sei dies in der Regel Dr. NN gewesen, festgelegt worden. So sei bei ihm etwa zwei Mal pro Jahr verfahren worden. Er erinnere sich noch an eine Begebenheit, als er ein Kortisonattest vier Wochen vor einem wichtigen Wettkampf gewollt habe. Er habe einfach gesagt, er brauche ein Attest und es sei dann irgendetwas in das Formular für die Genehmigung der Abgabe eingetragen worden. Eine Röntgenuntersuchung habe nicht stattgefunden. Er habe Dr. NN aufgrund dessen unleserlicher Schrift fragen müssen, was ihm nun weh tue, das linke oder das rechte Knie.

Zu seiner Motivation im vorliegenden Prozess auszusagen gab der Zeuge an, dass er einerseits dachte, das Verfahren sei eine gute Gelegenheit „reinen Tisch“ zu machen und zum ersten Mal öffentlich Doping einzuräumen, zum anderen habe er nicht gewollt, dass ein guter Freund zu Unrecht wegen Betruges verurteilt werde.

Da der Zeuge EE2 ein langjähriger Freund des Angeklagten ist, der einräumte, dass seine Motivation umfassende Angaben zu machen auch darin lag, den Angeklagten in seinen Verteidigungsbemühungen zu unterstützen, hat die Kammer die Angaben des Zeugen EE2 besonders kritisch hinterfragt.

Zwar wurden die Angaben des Zeugen EE2 in ihren Kernpunkten (Synacthenangebot und Dopingberatung durch Teamärzte) durch keinen der vernommenen Teamärzte bestätigt.

Dr. NN gab an, mit dem Angeklagten und mit EE2 hätten – wie auch mit anderen Fahrern im Team – zwar Gespräche über Doping stattgefunden. Er habe jedoch von keinem der beiden gewusst oder gedacht, dass sie Dopingmittel verwenden. Mit EE2 habe er beispielsweise über EPO gesprochen, ihn jedoch dabei darauf hingewiesen, dass EPO länger nachweisbar sei als man denke. Eine Anleitung, wie EPO zu verwenden sei habe er nicht gegeben. Über welche Dopingmittel sonst mit EE2 gesprochen worden sei, könne er nicht sagen. Vorwürfe des Zeugen EE2, Dr. NN habe beim Ausstellen von Kortisonattesten Kniebeschwerden erfunden, bezeichnete der Zeuge Dr. NN als „kleinen Witz“. EE2 habe regelmäßig linksseitige Knieprobleme gehabt. Atteste seien daher immer in der gleichen Weise ausgestellt worden.

Auch Dr. OO wies die Vorwürfe des Zeugen EE2 von sich: An Gespräche über Dopingsubstanzen, insbesondere EPO, mit EE2 erinnere er sich nicht. Falsch sei sicher, dass er ihm und anderen Dopingmittel wie beispielsweise Synacthen angeboten habe. Er wisse nicht, ob er bei dem Rennen Paris-Roubaix 2006 überhaupt betreuender Mannschaftsarzt gewesen sei. Er habe EE2 bei der Deutschen Meisterschaft 2006 in Klingenthal sicher nicht gefragt, ob er Synacthen brauche. Synacthen sei nicht im Arztkoffer gewesen. Darin seien nie Substanzen gewesen, die auf der Dopingliste standen. So „lebensmüde“, unbeschriftete Ampullen mit nach Frankreich zur Tour de France mitnehmen zu wollen, sei er keinesfalls gewesen. Diese wären zuerst kontrolliert worden.

Auch …2 stritt ein Synacthenangebot durch Dr. OO oder einen anderen Teamarzt an ihn und EE2 ab. Er habe weder Dopingmittel verwendet, noch seien ihm diese angeboten worden.

Ferner erscheint unwahrscheinlich, dass ein Arzt so leichtfertig wie vom Zeugen EE2 im Fall von Dr. OO behauptet, Dopingmittel nicht nur vor Zeugen angeboten, sondern zugleich angekündigt haben soll, die angebotene Dopingsubstanz – noch dazu besonders auffällig, da ohne Etikett – mit zu einer der größten und kontrollintensivsten Rundfahrten mitzunehmen. Denn für den Arzt stand immerhin seine Approbation auf dem Spiel. Auch erschließt sich nicht, warum der Zeuge EE2 andere Dopingsubstanzen als Kortison stets ohne Mithilfe des Teams beschafft haben will, wo doch andererseits Dopingsubstanzen im Team sogar offen angeboten worden sein sollen.

Für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen EE2 spricht dagegen, dass alle befragten Teamärzte über Dopingsubstanzen und ihre Nachweisbarkeiten bereitwillig in einer Weise Auskunft erteilten, die von den Fahrern zumindest faktisch als Dopingberatung aufgefasst werden konnte. Dafür, dass dies auch den Ärzten, insbesondere wie von EE2 behauptet auch Dr. NN bewusst war, spricht, dass Dr. NN sich bei kritischen Nachfragen dazu, weshalb das Thema EPO/Blutdoping über zwei Saisons hinweg Schwerpunkt der medizinischen Abteilung in puncto Dopingbestimmungen war, auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berief.

Weiter waren die Angaben des Zeugen EE2 was die Abgabe von Dopingsubstanzen durch Teamärzte betrifft mit zahlreichen originellen Details versehen, wie etwa dass …2 schon bettfertig war und sich wieder anzog, das in wörtlicher Rede wiedergegebene Gespräch mit …2 am Start eines Rennens und die Frage an Dr. NN, welches Knie ihm denn nun weh tue, da er Dr. NNs Schrift auf dem von diesem ausgestellten Attest nicht habe entziffern können. Nahe liegende Belastungsdetails, die den Angeklagten weiter unterstützt hätten, wie z.B. dass der Zeuge EE2 die Abgabe von Synacthen an Lang beobachtet habe oder dass er selbst auf das Synacthenangebot eingegangen sei, wurden vom Zeugen EE2 dagegen nicht geschildert.

Ferner spricht das von Dr. PP geschilderte Geschehen dafür, dass EE2s Vorwürfe zutreffen. Dr. PP schilderte, dass im Jahr 2006 ein Fahrer des Team CC von ihm die Abgabe eines Dopingmittels verlangt habe. Die Bestimmtheit des geschilderten Ansinnens (Dr. PP vermochte sich diesem nicht durch schlichtes Ablehnen zu entziehen) spricht dafür, dass der Sportler schon früher – gegenüber anderen Teamärzten – entsprechende Wünsche geäußert hat und hiermit erfolgreich war, somit Mannschaftsärzte tatsächlich Dopingsubstanzen abgaben und zuführten.

Schließlich waren die Angaben des Zeugen EE2 mit einem Geständnis was sein eigenes Doping anbelangt verbunden. Zwar setzte er sich hierdurch weder einer Strafverfolgung noch beruflicher Konsequenzen aus, dennoch war sein Geständnis – mag es auch erfolgt sein, um den Angeklagten in seinen Verteidigungsbemühungen zu unterstützen – mit negativen Folgen für ihn selbst verbunden. Er räumte in der Öffentlichkeit ein, seine sportlichen Leistungen mithilfe von Dopingmitteln erbracht zu haben und rückte diese hierdurch in ein anderes Licht.

(5) Der Zeuge EE

Der Zeuge EE berichtete, zwar in den neunziger Jahren selbst EPO verwendet zu haben. In seiner Zeit als sportlicher Leiter des Team CC sei er aber davon ausgegangen, EPO sei mittlerweile nachweisbar und werde daher im Profiradsport nicht mehr verwendet. Dass es auch nicht nachweisbares EPO gegeben hat, will er erst am 17.07.2008 infolge der Nachricht, dass das EPO-Derivat CERA nunmehr nachweisbar sei, erfahren haben.

Der Sinn der Messung von Hämatokritwerten der Fahrer sei ihm nicht bekannt. Synacthen sei in seiner Zeit als sportlicher Leiter kein Thema gewesen. Er habe die Fahrer des Teams nicht vor einer Nachweisbarkeit gewarnt. Ein Gespräch mit dem Angeklagten über die korrekte Dosierung der Substanz – wie von diesem behauptet – habe sicher nicht stattgefunden. Auch nicht in Verbindung mit dem Thema Hitze/Leistungsabfall.

Anders als vom Zeugen EE geschildert, war das Thema EPO und seine Nachweisbarkeit auch nach seiner Zeit als Radprofi noch Thema im Radsport. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben Dr. NNs an die Fahrer des Teams vom 23.12.2005. Dieses stellt die Nachweisbarkeit von EPO über zwei Saisons hinweg (2005 und 2006) in den Fokus der Arbeit der medizinischen Abteilung was Dopingbestimmungen betrifft. Der Zeuge EE, seit dem Jahr 2001 wichtige Bezugsperson …s, wies somit erstaunliche, nicht mit seinem Status als ehemals gedopter Radprofi zu vereinbarende Wissenslücken in puncto Doping auf. Wie ein sportlicher Leiter, der sich seit Jahrzehnten im Umfeld des Profiradsports bewegt und in einem Team tätig ist, dessen Manager in der Öffentlichkeit als überzeugter Dopinggegner gilt, so wenig Wissen über Dopingsubstanzen, deren Nachweisbarkeiten und – wie die vermeintliche Unwissenheit um den Sinn von Hämatokritwert-Messungen zeigt – sogar Abläufen im Team haben kann, erschließt sich nicht.

Ein derart unbedarfter sportlicher Leiter fügt sich auch nicht in das vom Zeugen … vermittelte Bild eines Teams, dass die Idee eines sauberen Radsports lebt. Denn wie dem Zeugen … bewusst war, war er für einen wirksamen Anti-Doping-Kampf auf die Mitwirkung der Leitungsebene des Teams angewiesen. Deren Mitglieder mussten Unregelmäßig keilen erkennen können, um Handlungsmöglichkeit zu eröffnen. Gerade ein Ex-Profi, der eigene Erfahrung mit Doping hatte, musste diesbezüglich für … wichtige Anlaufstelle sein.

Davon, dass der Zeuge EE entgegen seinen Angaben im Jahr 2006 die Nachricht, Synacthen sei nachweisbar, an das Team weitergeleitet hat, ist die Kammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten, die sich mit den diesbezüglichen Angaben des Zeugen BB deckt, überzeugt. Beide schilderten situationsbezogen und detailreich, wann und weshalb der Zeuge EE die Nachricht weiterleiten wollte bzw. wann und wie sie von EE die Nachricht Übermittelt bekamen. Der Zeuge … gab hierzu an, EE habe die Nachricht nach einem Treffen mit ihm in Bad Tölz im Jahr 2006 verbreitet. Dies, wie er Ihm (…) erklärt habe, zu Abschreckungszwecken: kein Fahrer sollte in dem Glauben belassen werden ein Dopingmittel sei sicher. Der Angeklagte berichtete, EE habe die Nachricht von der Nachweisbarkeit Im Jahr 2006 Im Team publik gemacht. Er habe dies bei der Polenrundfahrt 2006 erfahren, andere Teammitglieder hätten dies schon froher von EE mitgeteilt bekommen. Es liegt deshalb nahe, dass der Zeuge EE darauf bedacht war, durch Wissenslücken andernfalls verfängliche Antworten zu vermeiden. Es war der Kammer vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht möglich, weitergehende Einblicke in das Team CC zu gewinnen.

(6) Gesamtwürdigung

Aufgrund der aufgezeigten Umstände vermochte die Kammer die Einlassung des Angeklagten letztlich nicht zu widerlegen. Eine Gesamtschau der dargestellten Indizien, die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen … sprechen, führte bei der Kammer zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs.

Zwar bekundete der Zeuge …, dass in seinem Team eine strikte Anti-Doping-Linie verfolgt worden sei, der er mit entsprechenden Handlungen Nachdruck verliehen habe. Er sei davon ausgegangen, seine Anti-Doping-Haltung werde von Teamärzten und sportlicher Leitung mitgetragen. Es habe innerhalb der Führungsebene ein reger Austausch geherrscht. Man sei wachsam gewesen. Doping habe unbedingt unterbunden werden sollen.

Die Beweisaufnahme führte jedoch bei der Kammer nicht zu der Überzeugung, dass dies der gelebten Wirklichkeit im Team entsprach. Die Angaben der Zeugen EE, Dr. PP, Dr. NN und Dr. OO weisen in sich und in Beziehung zu den Angaben des Zeugen … zu viele Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten auf, als dass die Kammer einen klaren, für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen … sprechenden Einblick in die tatsächliche Arbeit der Führungsebene des Teams gewinnen konnte. So konnte eine klare Abgrenzung zwischen Auskunftserteilung betreffend Dopingsubstanzen und Nachweisbarkeiten zu einer Doping-Beratung nicht getroffen werden, der Zeuge EE wusste trotz seines Status als Ex-Profi und langjährigem Kenner der Radsportszene nicht um nicht nachweisbares EPO und … wusste nicht, dass sein langjähriger Freund und Leiter der medizinischen Abteilung des Team CC, Dr. NN, die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht anders festgelegt sah als er selbst.

Vielmehr spricht insbesondere die Tatsache, dass sich Dr. PP dem Verlangen eines Sportlers nach der Abgabe der Dopingsubstanz Synacthen nicht offen erwehren konnte, sowie dass er … das Dopinggeständnis TTs deshalb nicht zutrug, well er dachte dies interessiere … nur, wenn ein Dopingvergehen auch sicher nachzuweisen sei, dafür, dass die Ärzte nicht den Rückhalt einer klaren, kompromisslosen Anti-Doping-Haltung der Teamleitung spürten, sondern anderen Realitäten ausgesetzt waren und Doping möglicherweise sogar aktiv unterstützten.

Dass der Angeklagte im Gespräch um 24.00 Uhr sein CERA-Doping gegenüber … eingeräumt hat, vermochte die Kammer vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Interessenlage …s, der im Fall TT schon einmal seine wirtschaftlichen Belange vor einen strikten Anti-Doping-Kampf gestellt hatte, nicht auszuschließen. Die Angaben des Angeklagten zu Ablauf und Inhalt des Gesprächs erscheinen plausibel.

Auch hält es die Kammer aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien für möglich, dass der Zeuge … schon im Gespräch um 22.00 Uhr Kenntnis vom CERA-Doping des Angeklagten hatte ohne hiergegen im Sinne einer kompromisslosen Anti-Doping-Haltung vorzugehen.

Zum einen hatte der Angeklagte sein Doping mit CERA noch vor dem Gespräch um 22.00 Uhr gegenüber dem Zeugen Dr. OO letztlich eingeräumt, auch wenn sich dieser der entsprechenden Erkenntnis verschlossen haben will.

Zum anderen, hält es die Kammer für möglich, dass der Angeklagte CERA tatsächlich erstmals von einem Mannschaftsarzt erhalten hat. Zwar wollte der Angeklagte den Mannschaftsarzt, der ihm die Substanz verschafft haben soll, nicht benennen. Dies verhinderte letztlich eine Überprüfung der Behauptung und spricht damit gegen ihre Glaubhaftigkeit. Jedoch wird die Einlassung des Angeklagten in diesem Punkt durch die Angaben des Zeugen EE2 gestützt. Der Zeuge EE2 hat angegeben von Mannschaftsärzten Synacthen angeboten und Kortison zu Dopingzwecken erhalten haben. Ferner legt das nachdrückliche Verlangen eines Fahrers nach Synacthen gegenüber Dr. PP nahe, dass dieser Sportler davon ausging, die Dopingsubstanz – deren Verwendung auch nicht in Ausnahmefällen zugelassen ist, daher nicht zur Grundausstattung eines Teamarztes gehören sollte -, unmittelbar von einem Mannschaftsarzt erhalten zu können. Dieser Umstand spricht dafür, dass der Angeklagte tatsächlich wie von ihm geschildert CERA von einem Teamarzt des Team CC erhalten konnte.

Da die Ärzte und der Zeuge … widersprüchliche Angaben dazu machten, ob die ärztliche Schweigepflicht die Kommunikation der Ärzte mit … in Dopingangelegenheiten hinderte, ist ein Wissen …s um diese Umstände und damit ein CERA-Doping des Angeklagten schon vor dem 22.00 Uhr-Gespräch naheliegend.

Der vom Angeklagten geschilderte Ablauf des 24.00 Uhr-Gesprächs, wonach … nicht am Dopinggeständnis, sondern nur daran interessiertet gewesen sei, ob ein Ende seines Teams bereits besiegelt sei, würde hierzu passen. Ebenso, dass die Fragestellung des Zeugen … im 22.00 Uhr-Gespräch dem Angeklagten möglicherweise zielgerichtet vor Augen führen sollte, was ein Dopinggeständnis für Folgen für den Rest des Teams hätte. Denn hätte der Zeuge … Erkenntnisse über den CERA-Gebrauch des Angeklagten bereits gehabt, wäre – wie bereits dargelegt – denkbar, dass vorrangiges Ziel …s der Erhalt seines Teams war. Detailkenntnisse zum CERA-Gebrauch oder gar ein Geständnis des Angeklagten waren hierfür nicht von Interesse.

Auch machte es für den Zeugen … und damit die Firma BB durchaus Sinn die Zahlungen vom 29.07.2008, 29.08.2008 und 30.09.2008 in Höhe von insgesamt 151.462,50 € trotz eines Wissens um das CERA-Doping des Angeklagten zu leisten.

… hatte sich seit dem Jahr 1999 hauptberuflich dem Radsport gewidmet, Unter seiner Leitung stieg das Team CC innerhalb von nur fünf Jahren von einem Amateurteam zu einer der größten Radsportmannschaften der Welt auf. Das Team nahm an allen wichtigen Rundfahrten der höchsten Rennebene, wie etwa der Tour de France und dem Giro d’ Italia, teil. Mit dem Sponsor der Mannschaft, der Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG, arbeitete … bis ins Jahr 2007 zusammen. Im September 2007 kündigte die Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG an, ihr Engagement im Radsport zum Ende der Saison 2008 zu beenden und den bis dahin befristeten Sponsoringvertrag nicht zu verlängern. Fortan war der Zeuge … intensiv auf der Suche nach einem neuen Sponsor, Die Sponsorensuche für das von ihm mit viel persönlichem Einsatz – er verließ hierfür den aktiven Schuldienst – aufgebaute und betreute Team führte er auch noch bei den Olympischen Spielen, im August 2008, fort.

Ein „Dopingfall AA“ hätte zwar, da es sich erst um den zweiten offiziell festgestellten Dopingfall im Team seitdem Jahr 2001 gehandelt hätte und die Firma CC Brunnen GmbH & Co. KG Ihr Engagement ohnehin zum Ende der Saison 2008 nicht fortzuführen gedachte, keine unmittelbaren Nachteile hinsichtlich des aktuellen Sponsoringvertrages mit sich gebracht. Wie der Zeuge … selbst bestätigte, hätte ein solcher Dopingfall jedoch das Ende Jeglicher Hoffnung auf einen neuen Sponsor bedeutet.

Am Abend des 17.07.2008 aber bestand – unterstellt, der Angeklagte hätte dem Zeugen … gegenüber gestanden, CERA verwendet zu haben – für den Zeugen … keine Möglichkeit einen „Dopingfall AA“ noch durch eigene Handlungen abzuwenden, die nicht ebenso das Ende der geschilderten Hoffnungen bedeutet hätten. Denn auch wenn … versucht hätte, den Angeklagten „leise“ aus dem Rennen zu nehmen, wären angesichts der Tatsache, dass das Verhalten des Angeklagten an dem Tag nicht nur im Team, sondern auch außerhalb des Teams negativ aufgefallen war (vgl. Anruf XX, laut … Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters am Folgetag), Fragen nach einer Verbindung des Angeklagten zu CERA laut geworden worden. Der Angeklagte stand aufgrund der Tatsache, dass er zwei Tage im gelben Trikot gefahren war, zudem besonders im Fokus der (vor allem deutschen) Öffentlichkeit. Sein verdächtiges Verhalten kombiniert mit dem tagesaktuellen GEKA-Fall hätte fast zwangläufig Gerüchte über ein Doping des Angeklagten nach sich gezogen.

Dagegen bestand bei einem schlichten Weiterfahrenlassen des Angeklagten immerhin die Möglichkeit, dass dieser nicht des Dopings überführt werden würde. Bis zum 17.07.2008, dem Tag an dem RR als erstem Radprofi der Gebrauch von CERA offiziell nachgewiesen wurde, lag keine positive Dopingprobe des Angeklagten vor. Vielmehr waren mehrere Kontrollen bislang ohne Ergebnis geblieben. Weiter war zwar die Meldung im Umlauf, CERA sei nunmehr nachweisbar, bis auf RR war aber noch kein weiterer Fall bekannt. Ob und seit wann gegebenenfalls ein neues, nicht zugelassenes Testverfahren im Einsatz war, war … von XX nicht mitgeteilt worden.

Insofern wäre es für den Zeugen …, der als Generalmanager des Teams auch Geschäftsmann war, wirtschaftlich sinnvoll gewesen abzuwarten und keine Maßnahmen zu ergreifen. Es bestand immerhin die Chance, dass der Angeklagte nicht entdeckt würde. Seine Sponsorensuche hätte … in diesem Fall ungehindert fortsetzen und sein über viele Jahre, mit viel Engagement aufgebautes Team vor einem Skandal bewahren und gegebenenfalls nach Akquirierung eines neuen Sponsors künftig fortführen können. Dieses Ziel war zur Überzeugung der Kammer auch vorrangig vor dem Risiko, dem Angeklagten bei einem Scheitern der Sponsorensuche aus anderen Gründen gegebenenfalls noch im Jahr 2009 Gehaltszahlungen leisten zu müssen. … sah seine berufliche Zukunft im Radsport. Seine Verbundenheit zu diesem Sport zeigt sich auch durch sein zwischenzeitiges Engagement beim russischen Radsportteam Ka.

Die Kammer kann vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Vorgehensweise …s im Fall TT nicht ausschließen, dass der Zeuge … seine wirtschaftlichen Interessen bei einem Wissen um die Verwendung von CERA über einen strikten Anti-Doping-Kampf gesteift hätte. Im Fall TT hat … schon einmal den Anti-Doping-Kampf hinter seinen wirtschaftlichen Interessen zurücktreten lassen. Obwohl er selbst davon überzeugt war, TT habe manipuliert, d.h. er habe mit nach den Anti-Doping-Regularien verbotenen Mitteln oder Methoden gearbeitet, ließ er diesen dennoch weiter am Wettkampf teilnehmen. Dies, weil er befürchtete, dass eine unmittelbare Suspendierung oder auch nur ein Herausnehmen TTs aus dem laufenden Rennen seinen finanziellen Ruin hätte bedeuten können. Ferner setzte er ihn trotz seiner Überzeugung vom Dopingvergehen anschließend weiter – in unverändert zentraler Rolle – bei diversen Rundfahrten und Rennen ein. Eine Vergleichbarkeit des verfahrensgegenständlichen Falles mit den Fällen Mo und WW besteht dagegen nicht. Anders als in den Fällen der Fahrer UU und WW stand der Angeklagte bereits im Fokus der Öffentlichkeit. Ebenso wie bei TT, der „juristisch ein anderes Kaliber“ als Mo und WW war, fürchtete … auch beim Angeklagten eine juristische Auseinandersetzung.

Die Angaben des Zeugen … waren im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Indizien aus den genannten Gründen nicht geeignet, bei der Kammer eine Überzeugung davon herbeizuführen, dass der Zeuge … zum Zeitpunkt der Gehaltszahlungen keine Kenntnis davon hatte, dass der Angeklagte das Dopingmittel CERA verwendet hat. Zugunsten des Angeklagten ging die Kammer vielmehr davon aus, dass der Zeuge … vom CERA-Doping des Angeklagten wusste.

Nachdem damit die Einlassung des Angeklagten, wonach

– die Teamärzte unter Einbeziehung des Teammanagers schon seit 2005 Doping als Arbeitsschwerpunkt unterstützt hätten und die Ärzte untereinander und auch zum Teammanager … eine gute Kommunikation gehabt hätten,

– der Angeklagte die erste Dosis CERA von einem Teamarzt erhalten habe, wovon aufgrund der guten Kommunikation zwischen Ärzten und Teammanager auch der Zeuge … erfahren habe und sich im Befragungsgespräch vom 17.07.2008 lediglich unwissend gestellt habe,

nicht zu widerlegen ist, ergibt sich, dass dem Angeklagten auch seine Behauptung, er sei im Befragungsgespräch vom 17.07.2008 (22.00 Uhr-Gespräch) davon ausgegangen, dass der Zeuge … von seinem CERA-Doping wisse, nicht widerlegt werden kann. Damit fehlt es auch am subjektiven Tatbestand des Betruges.

Gerade weil es sich um die Erstanwendung von CERA bei einem der wichtigen Spitzenfahrer des Teams gehandelt hat, konnte der Angeklagte davon ausgehen, dass eine solche Entscheidung nicht ohne Einbeziehung des Teammanagers … getroffen würde.

Dagegen die CERA-Einnahme im 22.00 Uhr-Gespräch einfach einzuräumen, sprach die Vorgabe des Zeugen …, dass die 60 Arbeitsplätze, die mit dem Team zusammenhingen, zu retten seien. Dies war mit einem Geständnis – ohne ein konspiratives Vorgehen aller Gesprächsteilnehmer und damit ein hohes Risiko für alle Beteiligten sollte die Verwendung von CERA durch den Angeklagten festgestellt werden – nicht möglich. Zudem spricht dafür, dass tatsächlich im Team der Usus bestand bei mehr als zwei Gesprächsteilnehmern nicht offen über Doping zu sprechen. Dies hatte neben dem Angeklagten auch der Zeuge EE2 geschildert, dessen Angaben nicht widerlegt werden konnten (siehe Seite 49 – 53 des Urteils). Ferner hat der Angeklagte selbst in einem Gespräch um kurz vor 22.00 Uhr gegenüber Dr. OO sein CERA-Doping mit den Warten ihm gehe „der Arsch auf Grundeis“ und seinen Fragen nach dem neuen Nachweisverfahren zu CERA letztlich eingeräumt, auch wenn sich Dr. OO dieser Erkenntnis verschlossen haben will. Dies spricht dafür, dass der Angeklagte am 17.07.2008 auch schon vor dem 22.00 Uhr-Gespräch bereit war sein CERA-Doping einzuräumen.

Auch das 24.00 Uhr-Gespräch nach Schilderung des Angeklagten, wonach er gegenüber dem Zeugen … nunmehr Ausführungen zum Entdeckungsrisiko gemacht habe, ist hiermit zu vereinbaren: Anders als in großer Runde war ein offenes Sprechen – wie schon mit Dr. OO im Einzelgespräch kurz vor 22.00 Uhr – nunmehr möglich.

V. Rechtliche Würdigung

Der Angeklagte war nach alledem aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

VI. Kostenentscheidung

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

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