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Strafbarkeit wegen Fälschung beweiserheblicher Dateien – Voraussetzungen

OLG Hamburg, Az.: 2 Rev 74/18 – 1 Ss 133/18, Beschluss vom 07.08.2018

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. April 2018 aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 2. Februar 2018 wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen (Tatzeiten 1. und 12. Juni 2017) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten (Einzelstrafen jeweils drei Monate Freiheitsstrafe) ohne Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung verurteilt. Auf die Berufungen von Angeklagtem und Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Hamburg am 18. April 2018 das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 2. Februar 2018 aufgehoben, den Angeklagten wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (Tatzeit 12. Juni 2017) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, das Verfahren im Übrigen wegen insoweit fehlender Anklage eingestellt und die weitergehenden Berufungen von Angeklagtem und Staatsanwaltschaft verworfen. Gegen das Berufungsurteil vom 18. April 2018 hat der Angeklagte mit am 20. April 2018 eingegangenem Verteidigerschriftsatz Revision eingelegt, mit der er sich gegen das Urteil insgesamt wendet und die er mit der allgemeinen Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet hat. Eine weitere Begründung ist nach am 9. Mai 2018 erfolgter Zustellung der schriftlichen Gründe des landgerichtlichen Urteils nicht eingegangen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat darauf angetragen, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Auf die dem Verteidiger am 12. Juli 2018 zugegangene Antragsschrift ist eine Erwiderung nicht erfolgt.

II.

Strafbarkeit wegen Fälschung beweiserheblicher Dateien - Voraussetzungen
Symbolfoto: perhapzz/Bigstock

Die revisionsrechtliche Überprüfung der landgerichtlichen Verurteilung auf die allgemeine Sachrüge des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der mit der Revision allein angefochtenen Verurteilung im Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch sowie zur Freisprechung des Angeklagten (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO).

1. Die Sachfeststellungen zu dem vom Landgericht allein noch abgeurteilten Handeln des Angeklagten vom 12. Juni 2018 tragen eine Verurteilung nicht. Nach den für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen, insbesondere weder widersprüchlichen noch lückenhaften Feststellungen, die auf ebenfalls fehlerfreier Beweiswürdigung beruhen, ist weder der vom Landgericht angenommene Straftatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB noch der Straftatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB oder ein sonstiger Straftatbestand erfüllt und auch keine versuchte Verwirklichung der genannten Straftatbestände gegeben.

a) Nach den vom Landgericht zur Sache getroffenen Feststellungen liegt weder der in dem angefochtenen Urteil angenommene Straftatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB noch eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1StGB vor.

Für eine Strafbarkeit wegen Fälschung beweiserheblicher Dateien fehlt es an einer § 269 Abs. 1 StGB unterfallenden Tathandlung in Gestalt des Speicherns oder Veränderns – nicht unmittelbar wahrnehmbarer – beweiserheblicher Daten in solcher Weise, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, bzw. an einem Gebrauchen derartiger Daten. Soweit in den vom Landgericht festgestellten einzelnen Handlungen des Angeklagten überhaupt ein Speichern bzw. Verändern von Daten im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB liegt, unterfällt jedenfalls das von dem Angeklagten hergestellte bzw. veränderte bzw. gebrauchte Produkt seines Handelns nicht dem hypothetischen Urkundenbegriff des § 269 Abs. 1 StGB. Für eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB fehlt es, weil nach den landgerichtlichen Feststellungen der Angeklagte eine nicht gegenüber einem entsprechenden Original als unverwechselbar erscheinende Reproduktion hergestellt und gebraucht hat, an der Tathandlung des Herstellens einer unechten oder Verfälschens einer echten Urkunde bzw. des Gebrauchmachens von einer solchen Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB.

aa) Dabei geht der Senat zu dem Datenbegriff des § 269 Abs. 1 StGB, dem hy-pothetischen Urkundenbegriff im Sinne dieser Norm und den wesentlichen Merkmalen des auch für § 269 Abs. 1 StGB maßgeblichen Urkundenbegriffs des § 267 Abs. 1 StGB von folgenden Grundsätzen aus:

(1) Zum Begriff der beweiserheblichen Daten in § 269 Abs. 1 StGB entspricht die Tatbestandsvoraussetzung der Beweiserheblichkeit dem in § 267 Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich genannten, aber vorausgesetzten Begriff der Beweisbestimmung einer Urkunde (dazu Fischer § 267 Rn. 12 ff.), während der Datenbegriff in § 269 Abs. 1 StGB einen gegenüber § 267 Abs. 1 StGB eigenständigen Gehalt hat und im Ergebnis in Gestalt von Dateien vorliegende Darstellungen von Erklärungen umfasst (Radtke in ZStW 115 (2003), 26, 36).

Der auf elektronische oder vergleichbar technisierte Datenspeicherung beschränkte Datenbegriff ergibt sich aus dem Zweck der Einfügung des § 269 StGB in das Strafgesetzbuch als eines Tatbestands zur Schließung einer durch Zunahme der Abwicklung des Rechtsverkehrs über elektronische Datenverarbeitung und Datenfernübertragung entstandenen Schutzlücke, weil solche nicht optisch wahrnehmbar verkörperten Daten mit Normen wie dem § 267 StGB nicht erfasst werden konnten (vgl. Radtke, a.a.O., 28f.). Demgemäß heißt es in den allgemeinen Ausführungen zum „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ der Bundesregierung vom 26. August 1983, mit dem im Ergebnis § 269 StGB entsprechend der Entwurfsfassung in das Strafgesetzbuch eingefügt worden ist, dass „mit Hilfe des neuen Straftatbestandes der Fälschung gespeicherter Daten“ „eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden“ soll, „die darin besteht, daß nicht sichtbar oder zumindest nicht unmittelbar lesbar gespeicherte Daten mangels visueller Erkennbarkeit strafrechtlich nicht von dem Urkundenbegriff erfaßt werden, obwohl sie – ebenso wie Urkunden – zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt sind und zur Täuschung im Rechtsverkehr verwendet werden können, so z. B. auf Magnetbänder gespeicherte Angaben über Gehaltskonten, Bankkonten, Personenstandsregister u.a.“ (in BT-Drs. 10/318, S. 12).

Bei digitaler Datenerfassung erfolgt eine Umwandlung der eingegebenen und auf der Tastatur sowie dem Bildschirm sichtbaren Zeichen in Binärziffern bzw. Kombinationen von Binärziffern mittels eines bestimmten Codes wie etwa des American Standard Code for Information Interchange (abgekürzt: ASCII). Beim Aufrufen einer abgespeicherten oder versandten Datei findet eine Rückumwandlung in lesbare Zeichen mittels eines Codes statt, so dass, wenn zwischenzeitlich keine Manipulation stattgefunden hat, die danach lesbare Datei der Eingabe entspricht (vgl. Radtke, a.a.O., 33 ff.). Eine Unterscheidung zwischen Original und Kopie der Daten stößt hier besonders deutlich an Grenzen (vgl. Radtke, a.a.O., 35), so dass unter Berücksichtigung des aus den Gesetzesmotiven ersichtlichen Zwecks der Einfügung des § 269 StGB nahe liegt, den Datenbegriff des § 269 Abs. 1 StGB dahin zu verstehen, dass er sich auf jede als Datei vorliegende Darstellung einer Erklärung erstreckt (Radtke, a.a.O., 36).

(2) Vor dem Hintergrund, dass Daten bzw. Dateien als solche nicht verkörpert bzw. nicht unmittelbar wahrnehmbar sind, knüpft § 269 Abs. 1 StGB in der Weise an den Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB an, dass im Rahmen des § 269 Abs. 1 StGB ein entsprechender Urkundenbegriff hypothetisch („… dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, …“) anzuwenden ist (vgl. LK-Zieschang § 269 Rn. 13 m.w.N.).

Schon nach Wortlaut und Wortsinn des § 269 Abs. 1 StGB werden damit folglich nicht etwa sämtliche Strafbarkeitslücken im Bereich der Urkundendelikte ausgefüllt und wird nicht etwa der Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB generell ausgeweitet. Indem für von § 269 Abs. 1 StGB erfasste Daten bzw. Dateien an den Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB in der Weise angeknüpft wird, dass dieser hier hypothetisch gilt, wird vielmehr deutlich, dass schon nach Wortlaut und Wortsinn der Norm lediglich eine Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes durch Erfassung nicht gegenständlicher bzw. nicht unmittelbar wahrnehmbarer Daten erfolgen soll.

Der in dem die Einfügung des § 269 StGB in das Strafgesetzbuch betreffenden Gesetzentwurf zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille unterstreicht eine Beschränkung der Schutzlückenausfüllung auf die Besonderheiten elektronischer Datenbearbeitung.

In den die Einfügung des § 269 StGB betreffenden Begründungsteilen zu dem Gesetzentwurf werden Fallgruppen mit sich aus der spezifischen Eigenart des Computereinsatzes ergebenden zu erfassenden Strafbarkeitslücken und andere Fallgruppen angeführt, in denen auch bei Manipulationen an in Computer eingegebenen, darin verarbeiteten oder von einem Computer ausgegebenen Belegen keine Besonderheiten vorliegen (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ der Bundesregierung vom 26. August 1983, a.a.O., S. 31 f.), in denen also auf Grundlage der genannten Zieldefinition des Gesetzgebers keine durch Schaffung des § 269 StGB ausfüllungsbedürftige Schutzlücke vorliegt.

Zu Fallgruppen ohne computerspezifische Besonderheiten wird etwa ausgeführt: „Bei einer Manipulation an den Belegen, die in den Computer eingegeben, im Computer verarbeitet und von ihm ausgegeben wer-den, sind allerdings … unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung keine Besonderheiten zu verzeichnen“ (a.a.O., S. 31), was in der Begründung zusätzlich unter Differenzierung nach in einer „Eingangsphase“ und der „Ausgangsphase“ vorgenommenen Manipulationen erläutert wird (a.a.O., S. 31f.).

Zu Fallgruppen mit computerspezifischen Besonderheiten heißt es u.a.: „Computerspezifische Strafbarkeitslücken ergeben sich dagegen unter dem Gesichtspunkt des Urkundenschutzes bei einer zur Täuschung im Rechtsverkehr vorgenommenen Veränderung von Daten, die im Computer bereits eingespeist sind, soweit es sich bei diesen Daten um solche handelt, die bei einer Aufnahme in einer Kartei nach der herkömmlichen manuellen Methode als Urkunden anzusehen wären. Wegen des Erfordernisses der visuellen Erkennbarkeit der in der Urkunde verkörperten Erklärung werden solche Daten insgesamt von dem Urkundenbegriff nicht mehr erfasst. Dies würde z. B. für alle Daten gelten, die nach einer etwaigen Umstellung des Grundbuches auf die elektronische Datenverarbeitung in den Datenbanken eingespeichert wären. Eine unbefugte Veränderung, also Verfälschung dieser Daten könnte deshalb nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung geahndet werden, obwohl diese Daten, abgesehen von dem Erfordernis der visuellen Erkennbarkeit und dem der Erkennbarkeit des Ausstellers der einzelnen Daten, materiellen Urkundencharakter haben. Das gleiche gilt schon jetzt für die Veränderung von Daten, die in Registern der Verwaltung in Datenbanken aufgenommen sind, so z. B. die Daten des Bundeszentralregisters, des Gewerbezentralregisters, der Personenstandsregister oder der Fahndungsdateien, ebenso auch für Daten, die in der Wirtschaft, so z. B. die Stammdaten von Kunden, Kontenstandsdateien oder die Daten der Handelsauskunfteien, elektronisch gespeichert sind. Es wäre ungerechtfertigt, wenn solche Daten unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung vom Strafschutz ausgenommen blieben, obwohl diese Daten, würden sie wie bislang äußerlich erkennbar zusammengestellt sein, dem Strafschutz gegen Fälschung unterliegen würden“ (a.a.O., S. 32 f.).

An späterer Stelle werden der Schutzzweck des § 269 StGB und die Verknüpfung mit dem Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB noch einmal wie folgt zusammengefasst: „Deshalb ist ein besonderer Tatbestand über die Fälschung solcher Daten vorzusehen, die nicht unmittelbar sichtbar gespeichert und dazu bestimmt sind, bei einer Verarbeitung im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden. Damit wird der computerspezifischen Erscheinungsform Rechnung getragen, die darin besteht, daß die zu schützenden Daten mit Beweisqualität, die herkömmlicherweise als Urkunden anzusehen wären, wegen der besonderen technischen Erfassung und Verarbeitung nicht mehr vom Urkundenbegriff abgedeckt sind. Daraus ergibt sich, dass der neue Tatbestand in enger Anlehnung an den des § 267 StGB auszugestalten ist, wie dies der Entwurf vorschlägt“ (a.a.O., S. 33).

Damit stellt im Ergebnis § 269 StGB auf den Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB mitsamt der diesem innewohnenden Strafbarkeitslücken ab, soweit sie nicht auf computerspezifischen Umständen beruhen (vgl. Radtke, a.a.O., 28 ff.). Die seine Einfügung in das StGB begründende Besonderheit des § 269 Abs. 1 StGB liegt mithin im Verzicht auf das Sichtbarkeitserfordernis des Urkundenbegriffs des § 267 Abs. 1 StGB (vgl. Radtke, a.a.O., 27), nicht indes in einer allgemeinen Ausdehnung des Urkundenbegriffs etwa auch auf erkennbare Fotokopien oder sonstige Reproduktionen von Urkunden. Solche bisher vom Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB nicht erfassten Schriftstücke sind, sofern nicht eine computerspezifische Manipulation im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB vorliegt, weiter vom Schutzbereich der Urkundendelikte ausgenommen.

(3) Dem danach auch im Rahmen des § 269 StGB mit vorstehend ausgeführten Besonderheiten geltenden Urkundenbegriff des § 267 Abs. 1 StGB unterfallen solche Schriftstücke nicht, nach denen das möglicherweise zur Täuschung über beweiserheblich Tatsachen im Rechtsverkehr hergestellte bzw. veränderte Dokument nicht als eine Originalurkunde mit der dadurch verkörperten Garantiefunktion erscheint, sondern erkennbar als nicht mit den für eine entsprechende Urkunde typischen Authentizitätsmerkmalen versehene Kopie einer vermeintlichen Urkunde.

Eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB ist eine Verkörperung einer allgemein oder für Eingeweihte verständlichen Gedankenerklärung, die den Erklärenden bzw. den Aussteller erkennen lässt und geeignet sowie bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, wobei das Schriftstück selbst die Gedankenerklärung enthalten bzw. der Erklärungsinhalt zumindest für Beteiligte oder Eingeweihte aus dem Schriftstück selbst erkennbar sein muss (Fischer § 267 Rn. 2 f. m.w.N.).

Die Übersendung einer Reproduktion einer diesen Maßstäbe genügenden Urkunde kann nach den ausgeführten Grundsätzen regelmäßig nur die Erklärung beinhalten, eine Kopie der betreffenden urkundlichen Erklärung zu übersenden, aber nicht die durch das Original beurkundete Erklärung selbst erbringen. Deshalb sind Reproduktionen von Urkunden durch § 267 Abs. 1 StGB mit der zunehmenden elektronischen Übersendung von Schriftstücken und der Verbesserung der Qualität von Kopien geschuldeten Ausnahmen in Gestalt bestimmter Faxübersendungen und Reproduktionen von Urkunden, die den Eindruck hervorrufen, Original zu sein, nicht geschützt (vgl. Radtke, a.a.O., 31 ff.; Fischer, a.a.O., Rn. 17ff.).

Ist demgegenüber bei einem Schriftstück erkennbar, dass es sich nicht um die Urkunde selbst, sondern um eine Reproduktion handelt, etwa weil es an typischen Authentizitätsmerkmalen einer entsprechenden Originalurkunde fehlt, kann dem Schriftstück mangels Beweiseignung kein Urkundencharakter beigemessen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010, Az.: 5 StR 488/09, für den Ausdruck einer Computerdatei eines eingescannten notariellen Grundstückkaufvertrages).

Sofern nicht der Gesetzgeber den strafrechtlichen Schutz der Urkundendelikte auf Reproduktionen von Urkunden ausdehnt, greift dieser nicht zu Gunsten von Empfängern ein, die sich mit erkennbaren Reproduktionen zufrieden geben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2000, Az.: 2b Ss 222/00 – 64/00 I).

bb) Nach diesen Maßstäben liegt hier nach den Urteilsfeststellungen weder eine Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB noch eine Urkundenfälschung im Sinne von § 267 Abs.1 StGB vor.

Das festgestellte Eintippen und Abspeichern im eigenen PC sowie Ausdrucken des von dem Angeklagten selbst verfassten Textes „Sehr geehrte Damen und Herren, Der o.g. Pat. Befindet sich bei mir in Behandlung Akute Schilddrüsen-Szintigraphie und Myokardinfarkt(Herzinfarkt). Durch seine Akute Schilddrüse-Szintigraphie wird der o.g. Pat. Schnell außer Atem und bekommt extreme Herzrasen was für sein Myokardinfarkt sehr Lebensbedrohlich ist daher muss man das ganze behandeln weil sonst zur Herzstillstand führen kann. Diagnose: Akute Schilddrüse-Szintigraphie Myokardinfarkt(Herzinfarkt) Mit freundlichen Grüßen“ stellt für sich genommen auch unter Berücksichtigung des festgestellten Überschreibens des vorgenannten Textes als „ärztliches Attest“ und Einfügens des Datums 12. Juni 2017 sowie der persönlichen Daten des Angeklagten mit Namen, Geburtstag und Wohnort schon mangels erkennbaren Ausstellers für sich genommen noch keine Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar. Aus demselben Grund stellt sich das Speichern dieses Textes im eigenen PC des Angeklagten nicht als Speichervorgang im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB dar, weil damit keine Datei geschaffen worden ist, die sich bei körperlicher bzw. unmittelbarer Wahrnehmung als Urkunde darstellen würde.

Auch mit dem als nachfolgend festgestellten weiteren Handlungsschritt in Gestalt des Einscannens des vorgenannten Textes zusammen mit dem abgeknickten unteren Teil eines mit den Buchstaben „i. A.“ und einem Namenskürzel abgezeichneten sowie mit dem Stempelaufdruck „Dr. med. Dr. rer. nat. Freiherr von L. B. Weg … … Hamburg“ versehenen (echten) ärztlichen Attestes durch den Angeklagten in seinen PC, so dass eine Datei mit einem scheinbar einheitlichen Schriftstück entstand, ist der Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Gleiches gilt für das anschließende Versenden der dadurch entstandenen Gesamt-Datei als E-Mail-Anhang an die Staatsanwaltschaft und das dortige Ausdrucken der übersandten Datei.

Dass mit dem mittelbar durch den Angeklagten veranlassten Ausdrucken der Datei bei der Staatsanwaltschaft lediglich eine erkennbare Reproduktion einer Datei entstanden ist, und der Ausdruck deshalb, auch wenn nunmehr ein vermeintlicher Aussteller erkennbar war, weder eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB noch eine entsprechende hypothetische Urkunde im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB darstellt, liegt auf der Hand.

Auch das Abspeichern im PC und das Versenden der Datei an die Staatsanwaltschaft als E-Mail-Anhang sind nicht tatbestandsmäßig, wobei insoweit mangels Verkörperung allein § 269 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Zwar hat der Angeklagte dadurch Daten bzw. eine Datei gespeichert und anschließend durch das Versenden gebraucht. Bei ihrer Wahrnehmung würde jedoch keine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vorliegen, weil es an Authentizitätsmerkmalen eines (echten) Arztattestes fehlt und die Datei nicht mit einem Arztattest verwechselbar ist. Vielmehr stellt sich die von dem Angeklagten durch Zusammen-Scannen eines Teils eines (echten) Arztattestes mit einem selbst geschriebenen Text geschaffene Datei als Reproduktion ohne eigenen urkundlichen Erklärungswert dar.

Diese Bewertung ergibt sich hier bereits daraus, dass Arztatteste jedenfalls derzeit noch üblicherweise als abgestempelte und handschriftlich abgezeichnete Original-Papierdokumente ausgegeben werden, so dass einer gescannten Computerdatei notwendig die entsprechenden Authentizitätsmerkmale der handschriftlichen Abzeichnung und des originalen Stempels fehlen und sie sich deshalb nicht als hypothetische Urkunde, sondern als erkennbare Reproduktion darstellt. Für diese auf allgemeinkundigen Umständen beruhende Wertung spricht auch, dass derjenige Teil der von dem Angeklagten hergestellten und versandten Gesamt-Datei, der die Abgabe der Erklärung durch einen Arzt belegen sollte, also der Stempel der Arztpraxis des Dr. Dr. von L. mit der handschriftlichen Abzeichnung, vorliegend von einem Papierdokument stammte und nach Abknicken des betreffenden Teils durch Einscannen gewissermaßen abkopiert sowie digitalisiert worden war. Damit stellen sich das Anlegen einer im PC des Angeklagten gespeicherten Datei und deren anschließende Versendung gerade nicht als computertypische Vorgänge im Sinne des dargelegten Schutzbereichs des § 269 Abs. 1 StGB dar, sondern als Reproduktion einer aus zwei verschiedenen Dokumenten hergestellten Collage, wobei die Scan-Funktion an Stelle eines Kopierers eingesetzt und die so entstandene Datei zusätzlich anschließend gespeichert sowie elektronisch, statt per Briefpost, versandt worden ist. Zu der vorgenommenen Bewertung passt stimmig, dass nach den landgerichtlichen Urteilsfeststellungen die Staatsanwaltschaft als Empfängerin die als E-Mail-Anhang erhaltene Datei ebenfalls als Kopie eingestuft und dem Angeklagten mitgeteilt hat, dass sie nicht geeignet sei, den angestrebten Vollstreckungsaufschub zu begründen.

Darauf, ob auch die Schreib- und Ausdrucksfehler in dem von dem Angeklagten selbst verfassten und geschriebenen Textteil der von ihm erstellten und an die Staatsanwaltschaft versandten Datei eine erkennbar fehlende Authentizität begründen, kommt es nicht mehr an. Sie sind jedenfalls umgekehrt nicht geeignet, die erforderliche Verwechselbarkeit mit einem entsprechenden Original-Arztattest zu fördern.

b) Nach den landgerichtlichen Feststellungen scheidet auch eine versuchte Tat nach §§ 269 Abs. 1, Abs. 2, 22 StGB bzw. §§ 267 Abs. 1, Abs. 2, 22 StGB aus, zumal nach den landgerichtlichen Feststellungen der Angeklagte selbst nicht die Vorstellung hatte, eine als Original einer Urkunde erscheinende Datei herzustellen und zu versenden, sondern lediglich beabsichtigte, dass „für den Fall der Wahrnehmbarkeit des Inhalts der Datei der fälschliche Anschein erweckt werden würde, der von dem Angeklagten verfasste Text stamme von Dr. von L.“. Das genügt nicht, da für eine Versuchsstrafbarkeit hier ein Täter nach seinen subjektiven Vorstellungen jedenfalls im Sinne einer Laienwertung davon ausgehen müsste, etwas vorzulegen, das für eine Urkunde im Rechtssinne gehalten wird. Geht ein Angeklagter in laienhafter Wertung selbst davon aus, dass Urkunde nur ein Originalschriftstück ist, und legt er eine als solche zu erkennende Kopie in der bloßen Hoffnung vor, der Empfänger werde sich mit der erkennbaren Kopie begnügen, oder ist eine solche Vorstellung jedenfalls nicht auszuschließen, reicht das nicht aus (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).

c) Weitere Straftatbestände als die der Fälschung beweiserheblicher Daten und der Urkundenfälschung bzw. entsprechender versuchter Taten nach §§ 267 Abs. 1, 269 Abs. 1, 22 StGB kommen nicht in Betracht.

2. Da die landgerichtliche Bewertung des festgestellten Handelns des Angeklagten als Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB fehlerhaft ist und auch eine Strafbarkeit des festgestellten Handelns nach § 267 Abs. 1 StGB oder § 267 Abs. 2 StGB bzw. § 269 Abs. 2 StGB jeweils in Verbindung mit § 22 StGB auf der Grundlage der für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen ausscheidet, so dass eine Schuldspruchberichtigung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 349 Rn. 22 m.w.N.) nicht in Betracht kommt, hebt der Senat das landgerichtliche Urteil im Schuldspruch und dem nachfolgend auch im Rechtsfolgenausspruch auf (§ 349 Abs. 4 StPO).

3. Der Senat erkennt ohne Aufhebung der vom Landgericht zur Sache getroffenen Urteilsfeststellungen auf deren Grundlage nach § 353 Abs. 2 StPO gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst auf Freisprechung des Angeklagten.

Die für sich genommen vollständig und auch im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen landgerichtlichen Feststellungen lassen es als ausgeschlossen erscheinen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten nach sich ziehen würden. Da der strafrechtliche Schutzbereich der Urkundendelikte Fertigen und Gebrauchen von – wie hier – nicht mit einem entsprechenden Original verwechselbaren Reproduktionen auch in der vorliegend festgestellten Begehungsweise eines Speicherns als Computer-Datei und deren Versendung als E-Mail-Angang nicht erfasst sowie keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine neue Hauptverhandlung weitergehende bzw. abweichende Feststellungen erbringen würde, auf deren Grundlage eine Strafbarkeit anzunehmen wäre, bleibt das festgestellte Handeln des Angeklagten im Ergebnis straflos.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

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