KG Berlin – Az.: (3) 121 Ss 86/19 (49/19) – Beschluss vom 08.07.2019
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. März 2019 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Schriftsatz vom 4. Juli 2019 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 18. März 2019 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt und ihn im Übrigen, namentlich von den Vorwürfen des Landfriedensbruchs (§ 125 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie des Verstoßes gegen § 27 Abs. 2 Nr. 3c VersG, freigesprochen. Mit der Revision, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt, wendet sich der Angeklagte gegen diese Entscheidung, soweit sie seine Verurteilung betrifft.
II.
1. Der Revision bleibt der Erfolg versagt, da die auf die erhobene Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufdeckt, der die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache gebietet.
a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Der Verurteilung des Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte steht insbesondere nicht die Regelung des § 113 Abs. 3 StGB entgegen.
Nach dieser Vorschrift scheidet die Strafbarkeit der Tat nach § 113 Abs. 1, Abs. 2 StGB aus, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Abzustellen ist hierbei auf die formelle Rechtmäßigkeit (vgl. BGHSt 21, 334), für die das Vorliegen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des handelnden Beamten, die Einhaltung der gesetzlichen Förmlichkeiten sowie das Bestehen eines vom zuständigen Vorgesetzten erteilten Auftrags bzw. – soweit der Beamte nach eigenem Ermessen handelt – die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung maßgeblich ist (vgl. BGH NJW 2015, 3109; KG, Beschluss vom 31. August 2000 – (4) 1 Ss 161/00 (131/00) -, juris).
Ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 2) wurde die Feststellung der Identität der Gruppe von Gegendemonstranten, zu der auch der Angeklagte gehörte, von den Zeugen D und E auf Anordnung ihres Dienstvorgesetzten durchgeführt. In einem solchen Fall handelt ein Polizeibeamter stets dann rechtmäßig, wenn er einen von dem sachlich und örtlich zuständigen Vorgesetzten erteilten dienstlichen, nicht offensichtlich rechtswidrigen Befehl im Vertrauen auf seine Rechtmäßigkeit in gesetzlicher Form vollzieht (vgl. KG a.a.O.; Fischer, StGB 66. Aufl., § 113 Rn. 19 m.w.N.). Die Identitätsfeststellung sollte der Namhaftmachung der Mitglieder einer Gruppe von etwa 20 – zum Teil vermummten und Steine mitführenden – Gegendemonstranten dienen, die sich der von den Polizeikräften errichteten Sperrstelle genähert hatten, wobei aus der Gruppe bereits ein Stein in Richtung der Polizeibeamten geworfen worden war.
Bei einer Festnahme zur Identitätsfeststellung gemäß §§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163 b Abs. 1 StPO ist die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung im Sinne des § 113 Abs. 3 StGB von der Beobachtung der bei ihr einzuhaltenden wesentlichen Förmlichkeiten abhängig. Nach § 163 b Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO ist dem Betroffenen bei Beginn der ersten Maßnahme zur Identitätsfeststellung zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Zu diesem Zwecke ist er von dem historischen Vorgang zu unterrichten, der dem Tatverdacht zugrunde liegt; eine rechtliche Subsumtion ist indessen nicht erforderlich (vgl. Erb in Löwe-Rosenberg, StPO 27. Aufl., § 163b Rn. 22 m.w.N.). Diese Belehrung ist wesentliches Formerfordernis der Identitätsfeststellung, sodass ohne sie die auf § 163 b StPO gestützten Maßnahmen grundsätzlich rechtswidrig sind (vgl. OLG Hamm NStZ 2013, 62; OLG Celle StraFo 2011, 363; KG NJW 2002, 3789; OLG Köln StV 1982, 359). Eine Ausnahme gilt bei Gefährdung des Vollstreckungszwecks sowie in Fällen, in denen der Zweck der Identitätsfeststellung ohne Weiteres auf der Hand liegt (OLG Celle a.a.O.; KG NJW 2002, 3789). Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt sich die Diensthandlung als rechtmäßig dar.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Anlass der Personenkontrolle für den Angeklagten in der konkreten Situation bereits aufgrund der Umstände sowie seines eigenen, vorausgegangenen Verhaltens (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 76) – namentlich des Umstandes, dass er sich an einer polizeilichen Sperrstelle einer etwa 20-köpfigen Gruppe von Gegendemonstranten angeschlossen hatte, die ersichtlich zum Teil vermummt waren und Steine in den Händen hielten – offensichtlich war. Denn eine frühere Mitteilung des Grundes der beabsichtigten Identitätsfeststellung war den Beamten nicht möglich, da hierdurch der Vollstreckungszweck gefährdet worden wäre.
In dem Bestreben, die von seinem Dienstvorgesetzten angeordnete Feststellung der Identität der Mitglieder der Gruppe von Gegendemonstranten, zu denen der Angeklagte gehörte, umzusetzen, bewegte sich der Zeuge E nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils auf den Angeklagten zu und bat diesen, stehen zu bleiben. Der Angeklagte drehte sich jedoch um und rannte davon. In dieser Situation war dem Zeugen eine Mitteilung über die Hintergründe der beabsichtigten Feststellung seiner Personalien nicht möglich. Vielmehr verfolgte der Zeuge den Angeklagten bis er ihn schließlich zu Boden bringen konnte. Bei dem Versuch der Sicherung des Angeklagten kam es zu den verfahrensgegenständlichen Widerstandshandlungen. Nachdem der Angeklagte durch den Zeugen sowie den weiteren, unterstützend herbeigeeilten Zeugen D wieder auf die Beine gestellt worden war, wurde ihm unter Belehrung über seine Rechte sogleich der – nunmehr aktualisierte – Tatvorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eröffnet. Aufgrund der unvermittelt angetretenen Flucht, noch bevor der Zeuge Gelegenheit hatte, mitzuteilen, dass er eine Identitätsfeststellung durchzuführen beabsichtigt, hat der Angeklagte selbst die Belehrung hinsichtlich des der Maßnahme zugrunde liegenden Tatverdachtes zunächst vereitelt. Erst nach der erfolgten Sicherung des Angeklagten ergab sich erneut die Möglichkeit zur Mitteilung des dem Tatverdacht zugrunde liegenden Sachverhaltes, die vom Zeugen genutzt wurde. Ein Versuch, ihm während der Nacheile den Tatverdacht zuzurufen, hätte – unabhängig davon, dass ein solches Vorgehen in dieser Situation kaum der Information des Angeklagten gedient hätte – aufgrund des hierzu zusätzlich erforderlichen Kraftaufwandes ein Aufschließen des Zeugen zum Angeklagten und damit dessen Festnahme gefährdet. Dergleichen war vorliegend nicht geboten. Ferner ist es – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zu diesem Zeitpunkt für den noch allein mit der Sicherung des Angeklagten befassten Zeugen unübersichtlichen Lage – nicht zu beanstanden, dass die Eröffnung des Tatvorwurfes erfolgte, nachdem der Angeklagte gesichert und wieder aufgerichtet worden war.
b) Auch im Übrigen deckt die erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.