Strafmilderung wegen Schadenswiedergutmachung nach einem fahrlässigen herbeigeführten Verkehrsunfall mit Personenschaden
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Az.: 2St RR 273/97, Beschluss vom 17.12.1997
I. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. August 1997 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zur Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Das Landgericht verwarf ihre Berufung als unbegründet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verursachte die Angeklagte infolge fahrlässiger Mißachtung der Vorfahrtregelung (§ 41 Abs. 2 Nr. 1 b – Zeichen 205 StVO) einen Verkehrsunfall, der zu erheblichen, fünf Wochen stationäre Krankenhausbehandlung erfordernden Verletzungen des Vorfahrtberechtigten und zu schweren Schäden an seinem Pkw führte. Dieser Schaden war im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung durch die Haftpflichtversicherung der Angeklagten „zumindest teilweise reguliert“ worden.
Mit der Revision rügt die Angeklagte das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob sie nicht schon unzulässig ist, weil es an der bestimmten Bezeichnung des erwarteten Beweisergebnisses fehlt. Die Aufklärungspflicht des Gerichts bezieht sich auf die Ermittlung von Tatsachen (§ 244 Abs. 2 StPO). Ob ein Geschehensablauf „unschwer“ oder „nicht unschwer“ erkannt werden kann, ist dagegen eine Wertungsfrage. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil sich dem Berufungsgericht die von der Angeklagten vermißte Beweiserhebung nicht aufdrängen mußte. Unterstellt man die Behauptungen des Verteidigers in der Aufklärungsrüge als richtig, war es der Angeklagten nicht möglich, die Geschwindigkeit des Vorfahrtberechtigten zutreffend einzuschätzen. Dann aber ist sie – zumal letzterer sich ihr bereits auf etwa 40 m genähert hatte – aufs Geratewohl losgefahren, ohne sicher zu sein, die Kreuzung gefahrlos überqueren zu können. Ein solches Verhalten ist grob fahrlässig. Der Sachverständige K. hat nach den Urteilsfeststellungen (BU S. 7) die Ausführungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen im wesentlichen bestätigt. Ein Gutachten des Sachverständigen K. – dessen Inhalt mit der Aufklärungsrüge im übrigen auch nicht mitgeteilt wird – befindet sich in den dem Senat vorgelegten Gerichtsakten nicht; es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, daß sich ein solches Gutachten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung in den Akten befunden hat.
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Nähere Ausführungen sind lediglich zu der Rüge veranlaßt, das Urteil verletze § 46 a StGB. Diese Rüge greift nicht durch.
a) Zu Recht hat das Landgericht die Anwendung von § 46 a StGB zugunsten der Angeklagten abgelehnt. Diese Vorschrift setzt in beiden Alternativen (Nr. 1 und 2) eine eigene Leistung des Täters aus Anlaß der konkreten Tat voraus. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes zweifelsfrei; es entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 12/6853 S. 21; vgl. auch Meier JuS 1996, 436/437). Von einer solchen Leistung der Angeklagten kann hier keine Rede sein. Die Schadensersatzzahlungen wurden von der Haftpflichtversicherung der Angeklagten erbracht. Die Leistung der Angeklagten selbst besteht dagegen allein in der Zahlung der Prämien an den Versicherungsgeber. Diese Prämien sind laufend und unabhängig von einem konkreten Schadensereignis zu zahlen; sie kommen nur mittelbar dem durch eine Straftat Verletzten zugute. Zudem fehlt es an der Freiwilligkeit (vgl. dazu Meier aaO S. 440; Schönke/Schröder/Stree StGB 25. Aufl. § 46 a Rn. 1 aE; Kilchling NStZ 1996, 309/317); die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist eine Zwangsversicherung (vgl. § 1 PflVG), der die Angeklagte sich nicht entziehen kann.
b) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 46 a StGB sind nicht erfüllt.
aa) § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat und setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (BGH StV 1995, 584 = wistra 1996, 308; Lackner StGB 22. Aufl. § 46 a Rn. 3 m.w.N.). Hieran fehlt es nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils.
Der von der Angeklagten unter Berufung auf Horn (SK/Horn StGB 6. Aufl. Lieferung März 1995 Rn. 6) für den vorliegenden Fall vertretenen abweichenden Auffassung kann nicht gefolgt werden. Danach könne von einem haftpflichtversicherten Fahrlässigkeitstäter, damit § 46 a StGB eingreife, nicht mehr verlangt werden, als daß er den Vorfall bei seiner Versicherung meldet und für die Ersatzleistung an den Verletzten sorgt; hier bedürfe es „unter erwachsenen Menschen keiner zusätzlichen Beschwichtigungstendenzen des Täters (z.B. persönlicher Kontakte), die über die nackte Regelung des konkret gebotenen Ausgleichs hinausgingen“; das Schreiben, mit dem der Scheck zur Schadensregulierung übersandt werde, müsse nicht „mit Entschuldigungsfloskeln garniert“ werden. Diese Auffassung verrät – jedenfalls in dieser Verallgemeinerung – eine höchst unsensible Betrachtungsweise. Es kann durchaus angebracht sein und von einem Täter, der die Anwendung des § 46 a StGB für sich in Anspruch nimmt, auch verlangt werden, daß er sich etwa bei fahrlässig herbeigeführten Verletzungen des Opfers um einen persönlichen Kontakt bemüht und sich entschuldigt. Ein solches Verhalten scheint unabhängig von einem Strafverfahren und der Frage nach der Anwendbarkeit des § 46 a StGB grundsätzlich angemessen. Daß der Täter, um die Anwendung von § 46 a Nr. 1 StGB zu erreichen, mehr tun muß als die Tat wiedergutzumachen bzw. deren Wiedergutmachung ernsthaft zu erstreben, zeigt zudem ein Vergleich mit § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB. Hier sind Bemühungen des Täters um Schadenswiedergutmachung und um Ausgleich mit dem Verletzten ausdrücklich als (allgemeine) Strafzumessungsgesichtspunkte genannt. Mit der Regelung des § 46 a Nr. 1 StGB hat der Gesetzgeber offensichtlich höhere Anforderungen an den Täter stellen wollen als mit § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB.
Soweit die Angeklagte argumentiert, auch Leistungen Dritter müsse strafmildernde Wirkung zukommen, übersieht sie, daß dies – was aus ihren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage klar hervorgeht – allenfalls ein bei § 46 StGB zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist. Daß die Voraussetzungen des § 46 a StGB strenger sind als die des § 46 StGB, wurde oben dargelegt (vgl. auch OLG Stuttgart NJW 1996, 2109/2110).
Mit ihrer Auffassung, der Gesetzgeber habe als Voraussetzung für die Anwendung des § 46 a StGB keine „Überkompensation der Wiedergutmachung“ in Form von „über den konkret gebotenen Ausgleich hinausgehenden persönlichen Kontakten“ verlangen wollen, stellt sich die Angeklagte gegen den Wortlaut des § 46 a Nr. 1 StGB und den Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich „umfassende Ausgleichsbemühungen“ fordert (BT-Drucks. 12/6853 S. 21/22).
bb) Daß auch die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB nicht erfüllt sind, liegt auf der Hand. Nach dieser Vorschrift genügt die rein rechnerische Kompensation des Schadens nicht. Vorausgesetzt wird darüber hinaus, daß die Entschädigung des Opfers vom Täter erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert. Davon kann hier keine Rede sein. Die Angeklagte hat lediglich die laufenden Prämienzahlungen erbracht, die sie auch dann zu erbringen hatte, wenn es nicht zu dem hier zu beurteilenden Unfall gekommen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.