OLG Oldenburg – Az.: 1 Ss 202/10 – Beschluss vom 03.01.2011
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 8. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.
Gründe
Sachverhalt:
Der Angeklagte war für schuldig befunden worden, ein Mobiltelefon gestohlen zu haben, das von einem Schreibtisch in einem Büroraum spurlos verschwunden war, den er zusammen mit seinem Bruder und einer anderen Person kurzfristig betreten hatte………………..
Aus den Gründen
…
Die zulässige Revision ist mit der Sachrüge begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar obliegt die Würdigung der Beweise allein dem Tatgericht. Dessen Überzeugung, die es sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gebildet hat, ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Dies gilt auch dann, wenn eine andere Würdigung des Beweisergebnisses möglich gewesen wäre. Jedoch hat das Revisionsgericht die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Rechtsfehler zu überprüfen. Ein solcher ist u. a. dann zu bejahen, wenn die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstößt oder so lückenhaft ist, dass sich die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung letztlich lediglich als bloße Vermutung erweist oder dies nicht auszuschließen ist, vgl. BGHR StPO, § 261, Vermutung 7, 8, 11; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rdn. 27 m. w. Nachw.. So liegt der Fall hier.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten u. a. ausgeführt: (daran) „kann es keinen vernünftigen Zweifel geben“. In dieser Form verstößt dies gegen Denkgesetze. Denn ein vernünftiger Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten war nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen. Denkmöglich ist es etwa, dass das spurlos verschwundene Mobiltelefon vor oder nach der Anwesenheit des Angeklagten in dem Büroraum abhandenkam oder während seiner Anwesenheit von einem anderen der dort Anwesenden an sich genommen wurde. Womöglich hat das Tatgericht mit dem in Rede stehenden Satz zum Ausdruck bringen wollen, dass es keinen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten hatte. Die von ihm verwendete Formulierung schließt es aber nicht ausreichend sicher aus, dass das Landgericht – rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten – einen Zweifel für gar nicht möglich hielt.
Die Beweiswürdigung ist überdies lückenhaft. Die Strafkammer hat feststellt, dass das Mobiltelefon, das „kurz“ vor Beginn der gemeinsamen Anwesenheit des Zeugen J., des Angeklagten und seines Bruders in dem Büroraum auf dem Schreibtisch gelegen hatte, „einige Minuten“ nach Weggang der Letztgenannten von seinem dann den Raum betretenden Eigentümer vermisst wurde. Dass das Mobiltelefon vom Angeklagten gestohlen wurde, hat das Landgericht daraus gefolgert, dass dieser während der Anwesenheit der drei Personen in dem Büroraum als Einziger in der Nähe des Schreibtischs gestanden habe, wo er nicht im Blickfeld der beiden anderen Anwesenden gewesen sei. Das wäre indessen nur tragfähig, wenn zugleich feststände, dass keiner der anderen Personen beim Betreten des Raumes und während des Aufenthaltes darin nicht – und sei es ganz kurz – in die Nähe des Schreibtischs gelangt wäre. Dazu verhalten sich die Urteilsgründe, die auch keine Einzelheiten zu dem zeitlichen Ablauf und den räumlichen Gegebenheiten mitteilen, indessen nicht. Auch befasst sich das Urteil nicht mit der Frage, wie lange die „einige Minuten“ dauernde Zeitspanne bis zum Betreten des Büros durch den Eigentümer des Mobiltelefons währte, und ob in dieser Zeit andere Personen Zugang zu dem Raum hatten.
Wegen der aufgezeigten Mängel waren das Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückzuverweisen.
Für den Fall eines erneuten Schuldspruchs weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe im Sinne von § 47 StGB eingehend begründet werden muss. Dabei ist auch auf Vorstrafen einzugehen, die jedoch auf ihre Relevanz für die Entscheidung nach § 47 StGB geprüft werden müssen. Im vorliegenden Fall wird insoweit zu beachten sein, dass die erste Freiheitsstrafe des Angeklagten 17 Jahre zurückliegt, und dass mit den danach folgenden Verurteilungen nur nicht hohe Geldstrafen festgesetzt wurden, wobei eine dieser Verurteilungen (Nr. 2 in den Urteilsgründen) schon sehr lange zurückliegt und – wie auch eine weitere (Nr. 5) – ersichtlich ein Bagatelldelikt betraf. Bei der danach für die Entscheidung über die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe hauptsächlich heranziehbaren, nach „§§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB“ ergangenen Vorbestrafung vom 14. Januar 2008 wegen „Diebstahls geringwertiger Sache im besonders schweren Fall“ zu vier Monaten Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung wird zu beachten sein, dass diese Verurteilung mit diesem Schuldspruch rechtsfehlerhaft sein dürfte, weil gegen § 243 Abs. 2 StGB verstoßend. Sie wird deshalb allenfalls nach eingehender Darstellung und Würdigung der zugrunde liegenden Tat als Begründung der Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe herangezogen werden können.