LG Oldenburg – Az.: 4 Qs 167/21 – Beschluss vom 22.04.2021
Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 14.04.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 23.03.2021, durch welchen dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO vorläufig entzogen worden ist, aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
I. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Oldenburg dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Beschuldigten vom 14.04.2021. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Beschwerdeschrift verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO liegen nicht vor, da dringende Gründe für die Annahme, dass dem Beschuldigten durch Urteil die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, nicht vorliegen. Es ist nicht in hohem Maße wahrscheinlich, dass das in der Hauptsache mit der Sache befasste Gericht den Beschuldigten für zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB halten wird. Hierzu müsste zu erwarten stehen, dass der Beschuldigte in Zukunft seinen eigenen kriminellen Interessen vor der Sicherheit des Straßenverkehrs den Vorzug einräumen wird. Dies steht indes nicht zu erwarten.
Dabei kann dahinstehen, ob der Beschuldigte im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB tatsächlich aufgrund geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, wofür ein Zurückbleiben hinter den durchschnittlichen Anforderungen an die verkehrsspezifische Gesamtleistungsfähigkeit erforderlich wäre (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 316 Rn. 6 m. w. N.). Denn es fehlt jedenfalls an einem fahrlässigen Verkennen eines solchen Defizites durch den Beschuldigten im Sinne des § 315c StGB. Der Beschuldigte hatte im Tatzeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass seine Leistungsfähigkeit in der oben genannten Weise eingeschränkt war. Seinen unwiderlegten Angaben zufolge sei ihm am Vormittag des Tattages lediglich schon einmal schwindlig gewesen, woraufhin er etwas gegessen und getrunken habe; sodann sei es ihm wieder gut gegangen. Der Beschuldigte brauchte aufgrund dieses Geschehens nicht vom Führen eines Kraftfahrzeugs Abstand zu nehmen. Eine derartige Vorsicht zu verlangen, überspannt die Sorgfaltsanforderungen, welche an einen Kraftfahrzeugführer zu stellen sind, zumal ein kurzzeitiges Schwindelgefühl keine sonderlich unübliche und besorgniserregende Erscheinung ist. Aufgrund eines solchen Schwindelgefühls muss ein Kraftfahrzeugführer jedenfalls nicht mit Ohnmachtsanfällen rechnen. Dass dem Beschuldigten auch in der Vergangenheit des Öfteren schwindlig geworden ist, ändert nichts. Denn seiner – wiederum unwiderlegten – Einlassung zufolge ist ihm dies bisher nur zuhause passiert, also gerade nicht bei Autofahrten. Dasselbe gilt für den Umstand, dass der Beschuldigte – wie er selbst einräumt – vor etwa eineinhalb Jahren schon einmal das Bewusstsein verloren hat. Denn dies ist – wie der Beschuldigte unwiderlegt angegeben hat – passiert, als er über längere Zeit hinweg kopfüber arbeiten musste. Dass er aufgrund eines solchen Geschehens nicht damit rechnen musste, auch beim Autofahren ohnmächtig zu werden, liegt auf der Hand.
Der Beschuldigte hatte vorliegend offenbar auch keine Möglichkeit mehr, seine Fahrt aufgrund der sich bereits bemerkbar machenden Ohnmacht abzubrechen. Denn – wie er anschaulich angibt – war er gerade im Begriff, vorsorglich den Anhaltevorgang einzuleiten, als er schon das Bewusstsein verlor.
Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls keine Fahrlässigkeit des Beschuldigten im Sinne des § 315c Abs. 3 Nr. 2 angenommen werden. Erst recht fehlt es an einer billigenden Inkaufnahme der Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB.
Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben. Der Führerschein ist unverzüglich an den Beschuldigten herauszugeben.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.