KG – Az.: (4) 121 Ss 91/21 (134/21) – Urteil vom 10.09.2021
In der Strafsache wegen Computerbetruges hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin in der Sitzung vom 10. September 2021 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. April 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
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Gründe:
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Subventionsbetruges zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je zwölf Euro verurteilt und die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 9.000 Euro angeordnet, weil der Angeklagte zu Unrecht eine sog. Corona-Soforthilfe beantragt und erhalten habe.
1. Es hat zunächst zu den Corona-Soforthilfen folgende Feststellungen getroffen:
„Aufgrund des sog. Lockdown wegen der Corona-Pandemie wurden im März und April 2020 von Bund und Ländern sog. „Corona-Soforthilfe-Programme“ aufgelegt, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Lockdowns für die Unternehmen Deutschlands zumindest abzufedern und deren wirtschaftliche Existenz zu sichern.
Für Kleinstunternehmen mit maximal 10 Beschäftigten, Soloselbständige und Freiberufler wurden aus Bundesmitteln am 27. März 2020 insgesamt 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die ab dem 30. März 2020 abgerufen werden konnten. Aufgrund einer zwischen dem Bund und den Ländern getroffenen Verwaltungsvereinbarung erfolgte im Land Berlin die Umsetzung des Förderprogramms durch die Investitionsbank Berlin (im Folgenden: IBB) im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe.
Mit dem Programm sollten gewerblichen Solo-Selbständigen (d.h. ohne Beschäftigte) und Kleinstunternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten mit Betriebsstätte in Berlin Zuschüsse zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt werden. Die Soforthilfe des Bundes sollte lediglich für den fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für die folgenden 3 bzw. 5 Monate verwendet werden.
Bei der Umsetzung des Soforthilfe-Programms wurde bewusst auf ein kompliziertes Antragsverfahren verzichtet, um eine schnelle und vor allem ‚unbürokratische‘ Auszahlung zu gewährleisten. Ziel war es, innerhalb von maximal 3 Tagen den beantragten Zuschuss zur Verfügung zu stellen. Die Antragstellung konnte deshalb ausschließlich im digitalisierten Verfahren (online) erfolgen. Auf die Einreichung von Nachweisen wurde vor Auszahlung der Soforthilfe verzichtet. Auch erfolgte grundsätzlich keine Überprüfung der gemachten Angaben.“
2. Zur Tat hat das Amtsgericht festgestellt, der Angeklagte habe am 8. April 2020 bei der IBB über das auf deren Internetseite zur Verfügung gestellte Online-Antragsformular einen Zuschuss in Höhe von 9.000 Euro beantragt. Dabei habe er bewusst wahrheitswidrig angegeben, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz seines am 17. Februar 2014 gegründeten Einzelunternehmens (ohne Handelsregisteranmeldung) namens „Mc“ mit Sitz in der xx, seiner Wohnanschrift, aus der Branche „Handel (incl. Einzelhandel), Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ erforderlich und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von Covid-19 sei. Tatsächlich habe der Angeklagte, der lediglich am 24. Februar 2014 unter seiner vormaligen Wohnanschrift ein anderes Gewerbe („Entrümpelungen aller Art, Transporte bis 3,5 t, Schrotthandel, Handel mit Altmetallen“) angemeldet und dieses Gewerbe nie ab- oder umgemeldet habe, keine Betriebsstätte gehabt, die coronabedingt habe schließen müssen, und auch sonst keine Betriebsausgaben gehabt, sodass der beantragte Zuschuss nicht für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz infolge der Corona-Pandemie erforderlich gewesen sei.
Der von dem Angeklagten eingereichte Antrag auf Corona-Soforthilfe habe u.a. die folgenden Hinweise enthalten:
„Mit dem Soforthilfeprogramm des Bundes werden im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Zuschüsse als Billigkeitsleistung zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage gewährt, die im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 entstanden ist.
Eine existenzgefährdende Wirtschaftslage wird angenommen, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb des Antragstellers voraussichtlich nicht ausreichen, um den Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (bspw. gewerbliche Mieten, Pacht, Leasingaufwendungen) nachzukommen (Liquiditätsengpass).
Antragsberechtigt sind Solo-Selbständige und Kleinstunternehmen … mit bis zu 10 Beschäftigten … mit Betriebsstätte in Berlin sowie Angehörige Freier Berufe mit Sitz in Berlin, die bei einem deutschen Finanzamt angemeldet sind.
Für Solo-Selbständige bzw. Freiberufler gilt, dass die selbständige Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt wird.
Die Höhe der Soforthilfe beträgt bis zu 9.000 Euro für Antragsteller mit bis zu 5 Beschäftigten … und bis zu 15.000 Euro für Antragsteller mit bis zu 10 Beschäftigten …
Eine Kumulierung mit Arbeitslosengeld II ist möglich…“
Der Angeklagte habe in Kenntnis dessen die folgenden Angaben gemacht:
„Ich versichere, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise erforderlich ist und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von COVID-19 vom Frühjahr 2020 ist. (…)
Ich bestätige, dass die beantragten Mittel ausschließlich für den fortlaufenden betrieblichen Sach-und Finanzaufwand für die auf die Antragstellung folgenden drei bzw. fünf Monate verwendet werden.“
Zum „Grund für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass“ habe der Angeklagte angegeben:
„Von teilweiser Schließung und Umsatzeinbußen mangels Kundschaft, Stornierungen u.ä. betroffen.“
Weiterhin habe er erklärt:
„Mir ist bekannt, dass Tatsachen, die für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Zuwendung von Bedeutung sind, subventionserheblich im Sinne von § 264 des Strafgesetzbuches und § 2 des Subventionsgesetzes in Verbindung mit § 1 des Landessubventionsgesetzes sind. Subventionserhebliche Tatsachen und deren Änderungen müssen der IBB unverzüglich wahrheitsgemäß und vollständig mitgeteilt werden. (…)
Ich versichere an Eides statt, dass ich alle Angaben nach besten Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht habe. Mit der Auszahlung der Fördermittel gilt die Bewilligung als auf der Grundlage dieser Angaben erfolgt. Ein gesonderter Bescheid ergeht nicht.“
Die IBB habe nach computergestützter Prüfung des Antrages am 9. April 2020 den Betrag von 9.000 Euro auf das vom Angeklagten angegebene Konto überwiesen. Hiervon habe der Angeklagte noch am gleichen Tag 1.000 Euro in bar abgehoben und am 4. sowie 7. Mai 2020 jeweils 3.000 Euro an H mit dem Verwendungszweck „Darlehen“ überwiesen. Eine Rückzahlung an die IBB sei bislang nicht erfolgt.
3. Das festgestellte Verhalten des Angeklagten hat das Amtsgericht in rechtlicher Hinsicht als Subventionsbetrug nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewürdigt. Bei den unrichtigen Angaben des Angeklagten habe es sich um subventionserhebliche Tatsachen im Sinn des § 264 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 9 StGB gehandelt. Angesichts der Tatsache, dass der Antrag nur sechs Seiten umfasst habe und die darin zu machenden Angaben leicht verständlich seien, handele es sich bei der Angabe, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona- Krise erforderlich sei und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von COVID-19 vom Frühjahr 2020 sei, um eine ausreichend klar bezeichnete subventionserhebliche Tatsache im Sinne von § 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB, die für den Angeklagten vorteilhaft gewesen sei. Der aufgrund der Verwendung der Subvention entgegen der Verwendungsbeschränkung ebenfalls vorliegende Subventionsbetrug gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB sei mitbestrafte Nachtat.
II.
Die Staatsanwaltschaft Berlin rügt mit ihrer (Sprung-) Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, dass das Amtsgericht den Angeklagten nicht wegen Subventionsbetruges habe verurteilen dürfen, sondern vielmehr wegen (Computer-) Betruges, wobei auch im Unterlassen der Prüfung eines besonders schweren Falles ein Rechtsfehler liege.
Dem Rechtsmittel kann ein (vorläufiger) Erfolg nicht versagt werden, denn das angefochtene Urteil hält schon in Bezug auf den Schuldspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Zwar hat das Amtsgericht zu Recht angenommen, dass es sich bei den im Rahmen des – von den Bundesländern auf der Grundlage einer zwischen dem Bund und den Ländern (auch mit dem Land Berlin) geschlossenen „Verwaltungsvereinbarung über die Soforthilfen des Bundes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für ‚Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige‘“ durchgeführten – Soforthilfeprogramms des Bundes im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe durch die Investitionsbank Berlin (IBB) ausgereichten Zuschüssen um Subventionen im Sinne der genannten Vorschrift handelt (vgl. BGH NJW 2021, 2055; LG Hamburg NJW 2021, 707; Rau/ Sleiman NZWiSt 2020, 373, 374; Burgert StraFo 2020, 181, 182 f.; Schmuck/Hecken/Tümmler NJOZ 2020, 673, 674).
2. Auch hat der Angeklagte durch Setzen eines Häkchens im Kästchen „Ja“ – vorgegeben war daneben auch ein Kästchen „Nein“ – versichert, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise erforderlich und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von Covid-19 vom Frühjahr 2020 sei. Zudem hat er durch Aktivieren des (alternativlos vorgegebenen) weiteren entsprechenden Kontrollkästchens bestätigt, dass die beantragten Mittel ausschließlich für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für die auf die Antragstellung folgenden drei bzw. fünf Monate verwendet würden. Hierdurch hat er gegenüber dem Subventionsgeber unrichtige Angaben über für ihn vorteilhafte Tatsachen gemacht.
3. Die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen belegen aber nicht das Vorliegen einer hinreichend konkreten Bezeichnung subventionserheblicher Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
a) Der Senat hat hierzu für den Fall der Nutzung des in Rede stehenden Online-Antragsformulars der IBB das Folgende ausgeführt (Beschluss vom 21. April 2021 – 4 Ws 13/21 –):
„aa) Gemäß § 264 Abs. 9 StGB sind solche Tatsachen in vorgenanntem Sinne subventionserheblich, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind (Nr. 1) oder von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist (Nr. 2).
Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit ist es, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind. Um dies zu erreichen, hat der Gesetzgeber den Begriff der Subventionserheblichkeit bewusst restriktiv gefasst. Entscheidend soll danach allein die (unmittelbare oder zumindest mittelbare) Anbindung der betroffenen Tatsache an eine gesetzliche Bestimmung sein und gerade nicht die – im Einzelfall mitunter nicht eindeutig zu beantwortende – Frage, ob die Tatsache als solche eine materielle Voraussetzung für das Gewähren der Subvention war.
Vor diesem Hintergrund setzen die beiden Alternativen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB voraus, dass die Tatsache – sei es durch ein Gesetz oder durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes – ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet wird. Zwar bedarf es hierzu nicht zwingend des Wortes ‚subventionserheblich‘, jedoch muss zumindest ein gleichbedeutender Begriff verwendet werden. Dies verlangt schon der Wortlaut der Norm (‚bezeichnet‘). Demgegenüber reichen pauschale oder formelhafte Bezeichnungen ebenso wenig aus wie eine mögliche Erkennbarkeit aus dem Zusammenhang heraus; die Subventionserheblichkeit muss vielmehr klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden.
Daneben erfasst § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB solche Tatsachen, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils nach Gesetz oder Subventionsvertrag abhängig ist. In der Regel betrifft dies die Fälle, in denen zwar eine ausdrückliche Bezeichnung einer Tatsache (durch den Gesetz- oder Subventionsgeber) als subventionserheblich fehlt oder unwirksam ist, gleichwohl aber sonst einem Gesetz – wenn auch erst mit Hilfe der üblichen Interpretationsmethoden – oder dem Subventionsvertrag entnommen werden kann, unter welchen Voraussetzungen die Subvention gewährt wird. Die geforderte Abhängigkeit im Sinne vorgenannter Norm besteht nur dann, wenn das in Bezug genommene Gesetz oder der zugrundeliegende Subventionsvertrag selbst die Subventionserheblichkeit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17 – [juris] m.w.Nachw.).
bb) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Erforderlichkeit des beantragten Zuschusses ‚für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz‘ in einer infolge des Ausbruchs von Covid-19 entstandenen existenzbedrohlichen Wirtschaftslage und dessen ausschließliche Verwendung ‚für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand‘ in den nächsten drei bzw. fünf Monaten (…) nicht um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 9 StGB.
(1) Die genannten Tatsachen sind weder durch Gesetz noch in dem von dem Beschuldigten – online – ausgefüllten und eingereichten Antragsformular der IBB (aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber) hinreichend deutlich als subventionserheblich bezeichnet worden (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB).
(a) Leistungsgrundlage für den an den Beschuldigten ausgezahlten Zuschuss im Rahmen der ‚Soforthilfe Corona‘ aus Bundesmitteln ist das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020 (Nachtragshaushaltsgesetz 2020) vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 556). Dieses (formelle und materielle) Gesetz normiert jedoch keine konkreten Voraussetzungen für die Gewährung der dort angesetzten ‚Corona-Soforthilfen für kleine Unternehmen und Soloselbständige‘ (Titel 683 01- 290). Diese ergeben sich vielmehr aus der, der oben genannten Verwaltungsvereinbarung beigefügten Anlage ‚Vollzugshinweise für die Soforthilfen des Bundes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für von der Corona-Krise in ihrer Existenz bedrohte kleine Unternehmen und Soloselbständige‘, bei der es sich aber nicht – wie von § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB vorausgesetzt – um ein Gesetz im formellen oder materiellen Sinne handelt. Gleiches gilt für den Kabinettsbeschluss, der in Ausübung des Initiativrechts für das Nachtragshaushaltsgesetz gemäß §§ 15 Abs. 1, 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GO BReg) erlassen wurde, und für die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassene, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erstmals geänderte und in beiden Fassungen am 24. März und 11. April 2020 von der Europäischen Kommission genehmigte ‚Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19‘ ([Geänderte] Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020) (ebenso LG Hamburg a.a.O. [zu ergänzen ist: NJW 2021, 707]).
Als Gesetz im Sinne des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB kommt hier – mangels spezialgesetzlicher Regelungen – danach nur § 2 Abs. 1 des Subventionsgesetzes (SubvG) [i.V.m. § 1 Landessubventionsgesetz (LSubvG)] in Betracht. Allerdings trifft auch § 2 SubvG selbst keine Aussagen über die Subventionserheblichkeit bestimmter Tatsachen, sondern setzt diese seinerseits voraus, so dass eine Bezeichnung der Tatsachen, zu denen der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit unzutreffende Angaben gemacht hat, als subventionserheblich nicht durch ein Gesetz erfolgt ist.
(b) Die genannten Tatsachen hätten folglich durch den Subventionsgeber auf gesetzlicher Grundlage – § 2 Abs. 1 SubvG [i.V.m. § 1 LSubvG] – hinreichend konkret als subventionserheblich bezeichnet werden müssen. Das ist vorliegend jedenfalls nicht durch das bei den Akten befindliche Antragsformular der IBB geschehen, das der Beschuldigte nach den bisherigen Erkenntnissen (…) online ausgefüllt hat.
Die darin auf Seite 5 von 6 enthaltene Formulierung: ‚Mir ist bekannt, dass Tatsachen, die für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Zuwendung von Bedeutung sind, subventionserheblich im Sinne von § 264 des Strafgesetzbuchs und § 2 des Subventionsgesetzes in Verbindung mit § 1 des Landessubventionsgesetzes sind. …‘ beinhaltet zwar das Wort ‚subventionserheblich‘, bezeichnet jedoch keine konkreten Voraussetzungen, unter denen der Zuschuss gewährt werden kann, sondern ist allgemein, pauschal und formelhaft gehalten und gibt im Wesentlichen nur den Wortlaut von § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB wieder.
Hinsichtlich der – von dem Beschuldigten durch Setzen eines Häkchens bejahten – Passage ‚Ich versichere, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise erforderlich ist und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von Covid-19 vom Frühjahr 2020 ist‘, ist bereits zweifelhaft, ob damit eine klar erkennbare materielle Voraussetzung für die Bewilligung, Gewährung und Belassung des Zuschusses formuliert wird. Hinzu kommt, dass das Formular bei der hier zu betrachtenden Versicherung neben der Antwort-Option ‚Ja‘ auch die Möglichkeit vorsieht, dass ein mit ‚Nein‘ bezeichnetes Kästchen durch Setzen eines Häkchens aktiviert wird, was jedenfalls zunächst aus der subjektiven Sicht des Antragsstellers gegen die Subventionserheblichkeit der versicherten Tatsachen – Erforderlichkeit zur Existenzsicherung; Existenzgefährdung infolge von Covid-19 – sprechen dürfte. Jedenfalls aber fehlt es an einer – im Sinne der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98 –; Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17 – [beide juris]) – ausreichenden (formalen) Bezeichnung der Tatsachen als subventionserheblich, etwa in der Art, dass die Erfüllung der genannten Voraussetzungen für die Bezuschussung ‚erforderlich‘ oder ‚(zwingend) notwendig‘ ist.
Gleiches gilt – auch wenn hier das Setzen des Häkchens im Kontrollkästchen alternativlos vorgegeben war – für die (auf ein zukünftiges Verhalten des Subventionsempfängers bezogene) Passage: ‚Ich bestätige, dass die beantragten Mittel ausschließlich für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für die auf die Antragstellung folgenden drei bzw. fünf Monate verwendet werden.‘ Zwar werden eingangs des Antragsformulars Beispiele für ‚Verbindlichkeiten … aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand‘ benannt (‚… bspw. gewerbliche Mieten, Pacht, Leasingaufwendungen‘), die dem Antragsteller zur Erschließung des Erklärungsinhalts insoweit dienen können, auch wenn die Formulierungen dort im Detail von denen in der vom Antragsteller durch Setzen eines Häkchens zu bestätigenden Passage abweichen. Eine ausreichende (formale) Bezeichnung der entsprechenden Verwendung der gewährten Zuschüsse als subventionserhebliche Tatsache fehlt hier aber ebenfalls.
(2) Die Merkmale ‚Erforderlichkeit‘ des Zuschusses ‚zur Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz‘ bei ‚existenzbedrohliche[r] Wirtschaftslage‘ infolge von Covid-19 und ‚(ausschließliche) Verwendung‘ desselben ‚für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand‘ erfüllen auch nicht die Voraussetzungen einer subventionserheblichen Tatsache im Sinne des § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB.
Auch insoweit kommt – mangels spezialgesetzlicher Regelung und im Hinblick auf das Fehlen eines Subventionsvertrages – hier als die Subventionserheblichkeit der genannten Tatsachen zum Ausdruck bringendes Gesetz allein das Subventionsgesetz in Betracht. Namentlich die Vorschrift über das Verbot der Subventionierung von Scheingeschäften und Scheinhandlungen nach § 4 SubvG normiert Vorgaben für die Bewilligung, Gewährung und Inanspruchnahme sowie das Belassen einer Subvention (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17 – [juris] m.w.Nachw.). Sie ist im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Tatsachen jedoch (…) nicht einschlägig.
Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft oder eine Scheinhandlung, die einen anderen (subventionserheblichen) Sachverhalt verdeckt, sind nach Aktenlage nicht gegeben. Namentlich hat der Beschuldigte sein Einzelunternehmen nicht (…) zum Schein gegründet und eine unternehmerische Betätigung (…) vorgetäuscht (…). Bloße Falschangaben im Antragsformular stellen keine Scheinhandlungen dar, denn durch sie wird kein Realakt mit sachverhaltsgestaltender Wirkung vorgetäuscht.“
b) Der Senat hält an dieser Auffassung fest.
Er brauchte nicht zu entscheiden, ob der (für ein Antragsformular des Landes Niedersachsen zur Corona-Soforthilfe) geäußerten Auffassung des BGH (in NJW 2021, 2055) zu folgen wäre, wonach der pauschale Hinweis, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind“, ausreichend sei (offengelassen für eine entsprechende Formulierung von BGHSt 59, 244 [juris-Rn. 13] mwN; a.A. LG Hamburg aaO S. 710; Rau/Sleiman aaO S. 375; Schmuck/Hecken/Tümmler aaO S. 675); denn auch ein solcher Hinweis findet sich in dem hier zu betrachtenden Antrag des Angeklagten nicht.
Nicht zu folgen ist der von der genannten Senatsentscheidung abweichenden, nicht weiter begründeten Ansicht des Amtsgerichts, aus der Entscheidung BGH NJW 2021, 2055 folge ohne weiteres, dass angesichts des nur sechs Seiten umfassenden Umfangs auch für das Antragsformular der IBB anzunehmen sei, es sorge bei den Subventionsnehmern für die nötige Klarheit über subventionserhebliche Tatsachen. Ungeachtet dessen, dass der BGH über ein nur vier Seiten umfassendes Formular zu befinden hatte, hat er ganz maßgeblich auf den Hinweis abgestellt, dass „alle Angaben subventionserheblich“ sind.
Anders als im Musterantrag der Bundesregierung und in Anträgen anderer Bundesländer hat das Land Berlin bei der Gestaltung des Online-Antragsformulars aber nicht nur auf eine konkrete Benennung subventionserheblicher Tatsachen an-hand von Antragsziffern verzichtet, sondern auch auf einen zumindest generellen Verweis, dass alle in dem Antrag vom Antragsteller zu erklärenden Tatsachen subventionserheblich seien.
3. Der Senat hebt das angefochtene Urteil demgemäß auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
Das neu mit der Sache befasste Tatgericht wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob und welche zusätzlichen Informationen über die Voraussetzungen für die Gewährung der „Soforthilfe Corona“ der Subventionsgeber dem Angeklagten zum Zeitpunkt der Antragstellung zugänglich gemacht hat und ob er darin (etwa im Rahmen der Antworten zu FAQs) bestimmte Tatsachen, namentlich solche, zu denen der Angeklagte – vorsätzlich oder leichtfertig – objektiv unzutreffende Angaben gemacht hat, hinreichend konkret als subventionserheblich bezeichnet hat, etwa durch Zitierung der oder Bezugnahme auf die der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Berlin beigefügte(n) Anlage „Vollzugshinweise …“.
Auch werden ggf. die vom Senat in der o.g. Entscheidung gegebenen Hinweise zur Prüfung eines (Computer-)Betruges zu beachten sein.