Jedes Strafverfahren, welches durchgeführt wird, basiert letztlich auf dem Aufeinandertreffen von zwei Parteien. Bei dem Aufeinandertreffen dieser beiden Parteien werden auch die Rollen festgelegt: Der Täter sowie das Opfer. Hierbei ist es unerheblich, ob der Täter sich eines Verbrechens oder eines Vergehens strafbar gemacht hat und auf welche Art und Weise das Opfer durch den Täter geschädigt wird. Dieses Aufeinandertreffen erfährt jedoch für gewöhnlich nur für den Täter eine Konsequenz, welche durch das Strafverfahren festgelegt wird. Während der Täter in dem besagten Strafverfahren im, zugegebenermaßen überaus unrühmlichen, Mittelpunkt steht, verbleibt für das Opfer in dem Strafverfahren nur die passive Rolle im Hintergrund. Vielmehr verschwindet die Rolle des Opfers in der strafrechtlichen Würdigung der Geschehnisse ein Stück weit, da sie lediglich bei der Schuldschwere sowie der Strafbemessung eine Rolle spielt.
Von einer Verurteilung eines Täters zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe hat das Opfer zunächst erst einmal nichts. Eine Entschädigung für den erlittenen Schaden bringt die Verurteilung des Täters jedenfalls nicht mit sich!
Bedingt durch diesen Umstand kommt es daher sehr häufig vor, dass ein Opfer sich auch nach einer strafrechtlichen Verurteilung des Täters regelrecht „alleingelassen“ fühlt und an der Gerechtigkeit des Justizapparats zweifelt. Zwar erfüllt die Verurteilung des Täters sowohl für den Täter als auch für die Gesellschaft einen gewissen Nutzen – der Täter kann beispielsweise durch eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt Resozialisierungsmaßnahmen erfahren und dadurch künftig befähigt werden, ein Leben ohne Straftaten zu führen, und die Gesellschaft wird zumindest für die Zeit des Aufenthalts eines Täters in einer Justizvollzugsanstalt vor weiteren Straftaten des Täters geschützt – allerdings erfährt durch das Opfer durch die Verurteilung eines Täters keine Wiedergutmachung. Ein Strafverfahren erhebt an sich auch keinen Anspruch darauf, dass eine Wiedergutmachung zugunsten des Opfers erfolgt. Vielmehr versucht der Gesetzgeber durch eine derartige Form der Strafverfahren das Signal zu setzen, dass Straftaten persönliche Konsequenzen für den Täter mit sich bringen. An das Opfer wird diesbezüglich jedoch nicht, oder zumindest nur in einer passiven Form gedacht. Es gibt jedoch durchaus ein außergerichtliches Verfahren, welches das Opfer in den Mittelpunkt rückt und welches auch für den Täter Konsequenzen nach sich zieht. Die Rede ist hierbei von dem Täter-Opfer-Ausgleich.
Was ist der Täter-Opfer-Ausgleich?
Mit dem Täter-Opfer-Ausgleich wird ein außergerichtliches Verfahren bezeichnet, bei welchem sowohl der Täter als auch das Opfer wieder aufeinandertreffen und welches dem Täter die Chance gibt, für seine Taten gegenüber dem Opfer eine Wiedergutmachung zu leisten. Das Ziel des Täter-Opfer-Ausgleiches ist, dass der Konflikt zwischen dem Täter und dem Opfer beigelegt wird. Für beide Parteien bringt der Täter-Opfer-Ausgleich durchaus Vorteile mit sich. Während das Opfer eine Wiedergutmachung des erlittenen Schadens durch den Täter erhält und dadurch auch eine Erleichterung in der Traumabewältigung erfährt kann ein Täter durch eine aktive Mitwirkung an dem Täter-Opfer-Ausgleich auf eine Strafmilderung in dem folgenden Strafverfahren hoffen. Dem Täter soll der Täter-Opfer-Ausgleich zugleich auch die Gelegenheit geben, sich aktiv mit der Straftat aus der Sicht des Opfers auseinanderzusetzen und sich der Folgen der Tat bewusst zu werden.
Ein Strafverfahren kann durch den Täter-Opfer-Ausgleich nicht verhindert werden. Vielmehr ist der Täter-Opfer-Ausgleich als sozialpädagogischer Ansatz zu verstehen, welcher das Opfer in dem bestehenden Strafrecht stärker in den Fokus rückt.
Seine rechtliche Grundlage hat der Täter-Opfer-Ausgleich in den Paragrafen 155a sowie 155b der Strafprozessordnung sowie in dem § 46a Strafgesetzbuch. Diese Paragrafen beziehen sich jedoch ausschließlich auf das „Erwachsenen-Strafrecht“. Für das Jugendstrafrecht existiert jedoch ein Pendant hierzu in dem § 10 Absatz 1 Nr. 7 des JGG.
Generell kann jedoch der Täter-Opfer-Ausgleich dem Grundprinzip nach sowohl für das „Erwachsenen-Strafrecht“ als auch für das Jugendstrafrecht auf vier Säulen festgelegt werden:
- der Grundgedanke
- die Zielsetzung
- der Ablauf
- Würdigung
Der Grundgedanke
Der Grundgedanke, welchen der Gesetzgeber bei der Schaffung des Täter-Opfer-Ausgleichs hatte, bezieht sich auf das englische Prinzip „restorative Justice“ und kann hierzulande mit „Wiedergutmachung mittels Verfahren“ übersetzt werden. Das Verfahren beruht dabei sowohl auf Freiwilligkeit als auch auf Partizipation.
Keine der beiden Parteien kann zur Teilnahme an dem Täter-Opfer-Ausgleich verpflichtet werden. Sowohl die Zustimmung des Täters als auch des Opfers sind für einen Täter-Opfer-Ausgleich zwingend erforderlich.
Der Täter-Opfer-Ausgleich dient als Rahmen dafür, dass zwischen den beiden Parteien eine Kommunikation entstehen soll. Ein derartiger Prozess wäre mit einem Täter, welcher die Straftat ausgiebig leugnet, nicht möglich. Lediglich ein Täter, welcher die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung aus der Straftat heraus zeigt, kann an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen.
Die Zielsetzung
Der Gesetzgeber hat für den Täter-Opfer-Ausgleich eine gemeinschaftliche Zielsetzung festgelegt. Die gemeinschaftliche Zielsetzung dieses Prozesses ist es, dass eine
- Tataufarbeitung
- einvernehmliche Wiedergutmachung
- Folgekonfliktsprävention
erfolgen kann. Für die Tatwiedergutmachung mit einem Ausgleich wurde der § 46a Nr. 1 Strafgesetzbuch als rechtliche Grundlage festgelegt.
Eine klassische Versöhnung zwischen dem Täter und dem Opfer ist zwar wünschenswert, jedoch wird der Täter-Opfer-Ausgleich nicht mit der Prämisse durchgeführt, dass eine derartige Versöhnung erfolgt. Dies bedeutet, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich als Prozess auch dann erfolgreich gestaltet werden kann, wenn keine Versöhnung zwischen den beiden Parteien erfolgt.
Der Ablauf
Grundsätzlich kann, zumindest in der Theorie, der Täter-Opfer-Ausgleich zu jedem Stadium des Gerichtsverfahrens durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang muss jedoch ausdrücklich gesagt werden, dass sich die Straftat auch für einen Täter-Opfer-Ausgleich eignen muss. Der § 155a der Strafprozessordnung bietet hierfür Empfehlungen. Der Täter-Opfer-Ausgleich kann sowohl von dem Täter als auch von dem Opfer gleichermaßen angeregt werden. Der Täter hat jedoch das Recht gem. § 136 Absatz 1 S. 4 der Strafprozessordnung, auf eine Einigung für den Täter-Opfer-Ausgleich hingewiesen zu werden.
Auch das zuständige Gericht oder die Staatsanwaltschaft kann gem. § 155b Strafprozessordnung einen Täter-Opfer-Ausgleich anregen!
Die Würdigung
Der Grundsatz der Würdigung bezieht sich auf die eindeutige Trennung der „Opferseite“ sowie der „Täterseite“. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht immer unproblematisch bzw. risikofrei ist. Für die Opferpartei besteht bei dem Täter-Opfer-Ausgleich durch die Konfrontation mit dem Täter auch die Gefahr, dass es zu einer sogenannten „Zweittraumatisierung“ kommt, da das Opfer sich im Täter-Opfer-Ausgleich nochmals sehr intensiv mit der Straftat beschäftigen muss und überdies den Täter auch nochmals sieht bzw. mit diesem auch intensiv kommuniziert. Gerade bei sehr schweren gewaltsamen Straftaten sollte daher der Täter-Opfer-Ausgleich eine sehr wohl überlegte Maßnahme sein. Die psychische Eignung des Opfers sowie die Eignung des Täters ist daher im Vorwege sehr genau zu prüfen. Ein Täter eignet sich nur dann für einen Täter-Opfer-Ausgleich, wenn die Bereitschaft zu einem umfassenden Geständnis besteht bzw. ein umfassendes Geständnis bereits abgelegt wurde.
Der Täter-Opfer-Ausgleich kann für beide Parteien durchaus eine Chance bieten, die Straftat besser zu verarbeiten. Es gibt durchaus auch Straftäter, die Zeit ihres Lebens die mangelnde Gelegenheit zu einer Wiedergutmachung bedauern. Viele Opfer hingegen haben zeit ihres Lebens Probleme bei der Verarbeitung einer Straftat, da es keine Gelegenheit für eine Erklärung des Täters gab und auch keine Entschuldigung oder eine Wiedergutmachung erfolgte. Auch wenn der Täter-Opfer-Ausgleich die Straftat nicht ungeschehen machen kann, so kann dieser Prozess jedoch durchaus hilfreich sein. Jeder Täter sollte sich aber dennoch des Umstandes bewusst werden, dass eine begangene Straftat auch das entsprechende Strafverfahren nach sich zieht. Auch wenn ein Täter erfolgreich an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen hat, wird dennoch die Strafe durch ein Gerichtsurteil definitiv noch folgen. Wenn Ihnen eine Straftat zur Last gelegt wird sollten Sie sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt für Strafrecht beraten und verteidigen lassen. Wir stehen diesbezüglich sehr gern zu Ihrer Verfügung.