KG Berlin, Az.: (3) 121 Ss 155/14 (115/14), Urteil vom 24.11.2014
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juni 2014 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,- Euro verurteilt. Zugleich hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von acht Monaten festgesetzt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte, der bereits im Jahr 2009 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden war, am Tattag mit einer Blutalkoholkonzentration von zumindest 1,8 Promille am Steuer eines PKW öffentliches Straßenland befuhr und sodann an einer innerstädtischen Ampel bei rotem Licht einschlief und erst nach einigen Schaltphasen durch andere Verkehrsteilnehmer geweckt werden konnte. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision. Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich die Revision gegen das im Urteil festgestellte objektive Tatgeschehen und namentlich die Fahrereigenschaft des Angeklagten wendet, ist sie aus den dem Rechtsmittelführer bekannten Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 25. September 2014 im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2. Das Rechtsmittel bleibt auch im Übrigen ohne Erfolg.
a) Die Urteilsfeststellungen tragen die Würdigung, dass der Angeklagte das Vergehen der Trunkenheit im Verkehr vorsätzlich begangen hat. Denn das Urteil teilt mit, der Angeklagte habe das Kraftfahrzeug in Kenntnis „der berauschenden Wirkung alkoholischer Getränke und deren negativen Auswirkungen auf seine Fahrtüchtigkeit“ geführt (UA S. 3).
b) Das Landgericht hat die zu diesen Feststellungen führenden Beweise auch rechtsfehlerfrei gewürdigt.
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die Überzeugungsbildung des Tatgerichts prüft das Revisionsgericht nur darauf, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn sie mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit nahe liegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH NJW 2007, 384). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich und nachvollziehbar sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH NStZ 2014, 451).
Für die Würdigung der inneren Tatseite bei den §§ 315cAbs. 1 Nr. 1a, 316 StGB ist darüber hinaus anerkannt, dass bei einer die Grenze der absoluten Fahrunsicherheit weit übersteigenden Alkoholisierung zwar die Annahme nahe liegt, der Täter habe die Auswirkungen seines Trinkens zumindest billigend in Kauf genommen. Allerdings ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei steigender Alkoholisierung die Kritik- und Erkenntnisfähigkeit in aller Regel abnimmt. Daher gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahrunsicherheit erkennt, so dass allein von der Höhe der Blutalkoholkonzentration nicht ohne Weiteres auf eine vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung geschlossen werden kann (vgl. Senat VRS 126, 95; Beschluss vom 26. November 1997 – [3] 1 Ss 272/97 [93/97] – [juris]; Brandenburgisches OLG VRS 117, 195). Deswegen kann die tatrichterliche Überzeugung von einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt nur auf eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles gestützt werden (vgl. Senat VRS 80, 448; 126, 95). Einschlägige Vorverurteilungen können – gegebenenfalls neben weiteren Umständen – Anlass zur Annahme vorsätzlicher Tatbegehung geben (vgl. OLG Celle NZV 1996, 204; StraFo 1998, 278; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 85).
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Schlussfolgerung, der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Urteil teilt mit, dass der Angeklagte sich nicht eingelassen hat, so dass die Kammer keine Feststellungen zu den Umständen, namentlich dem Zeitpunkt und der Menge des Alkoholkonsums, treffen konnte. Auch die Täterpersönlichkeit konnte das Landgericht nur bedingt aufklären. Das Landgericht hat auf den Vorsatz unter anderem jedoch daraus geschlossen, dass der Angeklagte bereits im Juli 2009 und damit weniger als vier Jahre vor der neuerlichen Tat wegen – fahrlässiger – Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden war, wobei ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine achtmonatige Sperrfrist angeordnet worden war. Die Kammer hat aus diesem Umstand gefolgert, dass dem Angeklagten „bekannt und bewusst war, dass die konsumierte – den Grenzwert erheblich übersteigende – Alkoholmenge zur Fahruntüchtigkeit führt, so dass er die Auswirkungen seines Trinkens und die daraus resultierende von ihm ausgehende Gefährdung der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs zumindest billigend in Kauf genommen hat“ (UA S. 8, 9). Die von der Strafkammer gezogene Schlussfolgerung, die Vorverurteilung habe den Angeklagten über die Wirkung des Alkohols aufgeklärt und ihn zugleich nachdrücklich und gewissermaßen anhaltend gewarnt, ist möglich und nachvollziehbar (vgl. auch Fischer, StGB 61. Aufl., § 316 Rn. 45 mwN); zwingend braucht sie, wie dargelegt, nicht zu sein (vgl. BGH NStZ 2014, 451).
Es bedurfte auch nicht der Darlegung der genauen Umstände der einschlägigen Vorverurteilung. Als Grundlage für den von der Strafkammer gezogenen Schluss reicht es aus, dass der Angeklagte bereits einmal strafgerichtlich verurteilt werden musste, weil er ein Kraftfahrzeug in alkoholbedingt fahrunsichern Zustand geführt hatte. Ebendies ergibt sich aus der Mitteilung des verwirklichten Tatbestands (UA S. 3: § 316 Abs. 2 StGB). Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle (NZV 1998, 123). Zwar tritt darin die Auffassung zutage, das Urteil müsse den der Vorverurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt feststellen, wenn daraus Schlussfolgerungen gezogen werden sollen. Dies betraf indes eine Vorverurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB, und für das Revisionsgericht war – nachvollziehbar – unklar, ob dem Urteil überhaupt eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) zugrunde gelegen hatte. Diese Unklarheit besteht hier nicht.
cc) Die Beweiswürdigung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlerhaft, das Landgericht habe den Erfahrungssatz unberücksichtigt gelassen, demzufolge steigende Alkoholisierung die Kritik- und Erkenntnisfähigkeit in aller Regel einschränkt. Das Landgericht hat sich mit dieser Möglichkeit vielmehr ausdrücklich auseinandergesetzt (UA S. 9) und sie rechtsfehlerfrei verneint. Es hat berücksichtigt, dass die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten bei Fahrtantritt „über 2,0 Promille“ (UA S. 9; genau wäre gewesen: 2,2 Promille) betragen haben könnte. Aus im Einzelnen dargelegten weiteren Umständen hat es aber gefolgert, dass auch diese hohe Alkoholisierung der zumindest bedingt vorsätzlichen Tatbegehung nicht entgegensteht. Dabei hat sich die Kammer auf die „ärztlich festgestellte Leistungsfähigkeit des Angeklagten“ (UA S. 9) bezogen, derzufolge die alkoholische Beeinflussung zwar deutlich war, die kognitiven und voluntativen Fähigkeiten jedoch weitgehend unbeeinträchtigt waren (UA S. 3). Die Kammer hat sich auch mit den durch einen Zeugen berichteten „leichten Schwankbewegungen“ des Angeklagten und dem Umstand, dass er am Steuer bei laufendem Motor eingeschlafen ist, befasst (UA S. 9). Dass es aus beiden Umständen nicht auf eine erhebliche und der vorsätzlichen Tatbegehung entgegenstehende alkoholische Beeinträchtigung geschlossen hat, ist revisionsrechtlich wiederum nicht zu beanstanden.
3. Die Revision führt zu keiner Überprüfung der beanstandeten Kostengrundentscheidung. Die Umdeutung (§ 300 StPO) der Revisionsbegründung in eine gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung – nach § 464 Abs. 3 StPO allein statthafte – sofortige Beschwerde (§ 311 Abs. 1 StPO) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses Rechtsmittel nicht innerhalb der Wochenfrist (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt wäre (vgl. BGHSt 25, 77).
4. Die weiter gestellten Anträge auf Aufhebung des nach § 111a StPO erlassenen Beschlusses und auf Feststellung eines „Anspruchs auf Schadensersatz nach dem StrEG“ sind durch die Verwerfung der Revision gegenstandslos.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.