Trunkenheitsfahrt auf E-Scooter: Fahrlässigkeit und Konsequenzen
In einem kürzlich ergangenen Urteil des AG Dortmund wurde ein Angeklagter wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Fall wirft Licht auf die rechtlichen Implikationen des Fahrens von E-Scootern im alkoholisierten Zustand.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 729 Ds – 060 Js 513/19 – 349/19 >>>
Übersicht
Hintergrund des Falles
Der Angeklagte war nach einem Abend mit Freunden, an dem Alkohol konsumiert wurde, in der Innenstadt von E unterwegs. Die Gruppe hatte vor, eine Discothek aufzusuchen. Auf ihrem Weg durch die Fußgängerzone stießen sie auf E-Scooter der Firma „Lime“, die zur Nutzung bereitstanden. Trotz der Tatsache, dass diese Zone nur für Fußgänger vorgesehen war, entschied sich die Gruppe, die Roller „spaßeshalber“ zu nutzen. Der Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,40 ‰ aufwies, wurde von der Polizei während einer Streifenfahrt angehalten.
Die rechtliche Bewertung
Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte hätte erkennen müssen, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung nicht in der Lage war, ein Kraftfahrzeug zu führen. Er gestand die Tat und schilderte die Ereignisse des Abends glaubhaft. Das Gericht konnte die Glaubhaftigkeit seines Geständnisses durch polizeiliche Aufzeichnungen und andere Beweismittel bestätigen.
Strafzumessung und Erwägungen
Bei der Bestimmung der Strafe berücksichtigte das Gericht mehrere Faktoren. Dazu gehörten das Geständnis des Angeklagten, seine fehlenden Vorstrafen und seine Einsicht in das Unrecht seiner Handlung. Das Gericht wertete auch die Tatsache, dass er zu einer verkehrsarmen Zeit auf einem E-Scooter in einer Fußgängerzone fuhr, als mildernd. Die potenziell geringere Gefahr, die ein E-Scooter im Vergleich zu anderen Fahrzeugen darstellt, wurde ebenfalls berücksichtigt.
Fahrverbot und Kosten
Obwohl das Gericht entschied, dass der Angeklagte nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen war, wurde ihm dennoch ein Fahrverbot von vier Monaten auferlegt. Dieses Fahrverbot diente vor allem erzieherischen Zwecken. Zusätzlich wurde der Angeklagte dazu verurteilt, die Kosten des Verfahrens sowie seine eigenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter: Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug?
Die Nutzung von E-Scootern nach Alkoholkonsum kann gravierende rechtliche Konsequenzen haben. Das Urteil des AG Dortmund zeigt, dass selbst bei einer Fahrt auf einem gemieteten E-Scooter in einer Fußgängerzone ein Fahrverbot verhängt werden kann. Sind Sie unsicher, wie Sie sich in einer solchen Situation verhalten sollen oder wurden Sie bereits wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter belangt? Als Fachanwalt für Verkehrsrecht biete ich Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung und stehe Ihnen für eine umfassende Beratung zur Seite. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen Sie sich unterstützen. ➨ jetzt anfragen!
Das vorliegende Urteil
AG Dortmund – Urteil vom 21.01.2020 – Az.: 729 Ds – 060 Js 513/19 – 349/19
Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 35,00 EUR verurteilt.
Dem Angeklagten wird verboten, vier Monate Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 316 Abs. 1, Abs. 2, 44 StGB.
Gründe
Der Angeklagte ist „(…)“ bei dem „(…)“ L.
Er ist weder strafrechtlich noch sonst verkehrsrechtlich bislang in Erscheinung getreten.
Am 00.00.0000 gegen 00:34 Uhr war der Angeklagte mit Freunden in der E Innenstadt unterwegs. Man hatte an dem Abend zuvor gemeinsam gegessen und Alkohol getrunken. Der Angeklagte hatte Bier und „einige Kurze“ getrunken. Mit seinen Freunden befand er sich auf dem Weg zum T, dem Gelände der ehemaligen T1, wo der Angeklagte mit seinen Freunden eine Discothek aufsuchen wollte. Die Gruppe um den Angeklagten nahm den Weg durch die Innenstadt und zwar über den X-weg, eine Fußgängerzone in E. Im dortigen Bereich – wie mittlerweile an vielen Stellen in E – waren trotz nur zulässiger Verkehrsflächenbenutzung durch Fußgänger sogenannte „E-Scooter“ der Firma „Lime“ zur Nutzung aufgestellt. Dabei findet die Nutzung statt durch vorherige Anmeldung per App mittels eines Smartphones. Der Angeklagte selbst hatte keine entsprechende App installiert. Einer der Personen aus der Gruppe um den Angeklagten jedoch hatte eine derartige App und schaltete mehrere Roller frei, mit denen der Angeklagte und die anderen dann „spaßeshalber“ durch die Fußgängerzone in Richtung T fahren wollten. Zu dieser verkehrsarmen Zeit fand gleichzeitig eine Streifenfahrt der Polizei E auf dem X-weg statt, bei der der Angeklagte ohne feststellbare Ausfallerscheinungen auf dem E-Scooter fahrend im Kreuzungsbereich X-weg/Ecke Q-gasse (immer noch einem Fußgängerzonenbereich) festgestellt werden konnte. Zur Tatzeit wies der Angeklagte zumindest eine Blutalkoholkonzentration von zumindest 1,40 ‰ auf.
Bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Angeklagte erkennen können und müssen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr in der Lage war aufgrund seiner Alkoholisierung.
Der Angeklagte hat die Tat insgesamt glaubhaft und unrechtseinsichtig gestanden.
Er schilderte die Abläufe am Tatabend und in der Tatnacht nachvollziehbar. Er schilderte auch glaubhaft, dass zur Tatzeit keinerlei Verkehr auf dem X-weg herrschte und er selbst erstmals einen derartigen Roller gefahren habe.
Die Glaubhaftigkeit des Geständnisses konnte das Gericht durch urkundsbeweisliche Verlesung von Aufzeichnungen über Ermittlungshandlungen feststellen.
Hierzu hieß es in der polizeilichen Anzeige, die von dem Polizeibeamten I am 00.00.0000 gefertigt wurde:
„01: Einsatzvergabe / Dienstverrichtung / Eintreffsituation
Am 00.00.0000, gegen 00:34 Uhr, befuhren die Beamten PK X1 und (der Unterzeichner) PK I (Dienstverrichtung in Uniform) im Rahmen einer Streifenfahrt den X-weg.
Im Kreuzungsbereich X-weg / Ecke Q-gasse fiel den Beamten der Beschuldigte als Fahrer des o.g. EKF / E-Scooter auf. Dieser befuhr den X-weg in westliche Richtung und wurde zwecks gezielter Alkoholkontrolle angehalten.“
Die Alkoholisierung hat das Gericht festgestellt aufgrund urkundsbeweislicher Verlesung des ärztlichen Berichtes, der begleitend zur Blutprobenentnahme gefertigt wurde und aus dem sich ein deutlicher Alkoholeinfluss ergab, ohne dass größere Ausfallerscheinungen für den Blutprobe entnehmenden Arzt sichtbar waren. Zudem hat das Gericht urkundsbeweislich den Blutalkoholbefund der Blutprobe verlesen, der unter dem 00.00.0000 gefertigt wurde. Hieraus ergab sich ein Blutalkoholkonzentration-Mittelwert für die Zeit der Blutprobenentnahme um 01:31 Uhr von 1,4 ‰.
Der Angeklagte hat sich dementsprechend wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 Abs. I, Abs. II StGB strafbar gemacht.
Bei der Strafzumessung hat das Gericht strafmildernd das Geständnis und fehlende Voreintragungen des Angeklagten gewertet. Auch die Unrechtseinsicht des Angeklagten musste sich mildernd auswirken.
Die geringe Gefahr durch eine Rollerfahrt zur verkehrsarmen Zeit auf dem üblicherweise nur von Fußgängern nutzbaren X-weg ohne jeglichen denkbaren Einfluss auf den fließenden Straßenverkehr und die potenziell geringere Gefährdung durch einen Elektroroller für andere Verkehrsteilnehmer musste sich ebenso zu Gunsten des Angeklagten auswirken.
Das Gericht hat dementsprechend unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Verhängung einer Geldstrafe eines Maßes für tat- und schuldangemessen erachtet, dass das übliche Maß einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt eines Ersttäters mit einem PKW bzw. Motorrad unterschreitet. Tat- und schuldangemessen hielt das Gericht dementsprechend eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 35,00 EUR.
Die Höhe eines jeden Tagessatzes hat das Gericht bemessen aufgrund der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Angeklagten.
Des Weiteren musste das Gericht prüfen, ob der Angeklagte sich gemäß § 69 StGB ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die Fahrt erwiesen hat.
Hier entfaltete ausnahmsweise § 69 Abs. II Nr. 2 StGB nicht seine Indizwirkung. Die dargestellten tatbezogenen Strafmilderungsgründe zeigten vielmehr die Besonderheit der abzuurteilenden Trunkenheitsfahrt auf.
Das Gericht meint insbesondere auch angesichts fehlender strafrechtlicher Vorbelastungen und des von Reue getragenen Geständnisses des Angeklagten insoweit, dass sich aus der Tatbegehung unter Berücksichtigung aller Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeit nicht ein Schluss auf eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ziehen lässt.
Dem Gericht ist insoweit die Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 08.11.2019 – 32 Qs 130/19 – bekannt und der scheinbare Widerspruch zu dieser Entscheidung bewusst.
Die Besonderheit der genannten Entscheidung war jedoch, dass der Angeklagte mit noch einer zweiten Person auf dem Roller fuhr, diesen also zweckentfremdete und zudem aufgrund seiner Alkoholisierung auch Ausfallerscheinungen auswies, die in einen Sturz beim Anhalteversuch gipfelten. Auch im Übrigen konnten im Rahmen der Blutprobenentnahme deutliche Ausfallerscheinungen festgestellt werden.
Auch wenn diese Gesichtspunkte im Rahmen des Beschlusses des Landgerichtes Dortmund nicht die tragenden Gründe der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis waren, so zeigten diese doch ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis vor gleichartigen Trunkenheitsfahrten des damaligen Beschuldigten. Ein derartiges Sicherungsbedürfnis, das zu einer Verhängung der Maßregel der Besserung und Sicherung des § 69 StGB führen müsste, ist jedoch nicht ersichtlich im vorliegenden Falle einer Fahrt mit einem gemieteten E-Scooter nachts zur verkehrsarmen Zeit auf einer Verkehrsfläche ohne jeden Bezug zum fließenden Straßenverkehr und ohne tatsächlich feststellbare oder auch nur abstrakt drohende Beeinträchtigung Rechtsgüter Dritter durch einen nicht vorbelasteten und geständigen Täter – dieser zeigt also durch seine Tatbegehung nicht seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Vielmehr war sodann das Regelfahrverbot des § 44 Abs. I Satz 3 StGB festzusetzen, da nach einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr keine Fahrerlaubnisentziehung stattgefunden hatte. Der Erziehungsgedanke, der dem Fahrverbot auch in Strafsachen im Wesentlichen zugrunde liegt, gebot es ebenso, eine Fahrverbotsanordnung erheblicher Dauer festzusetzen, wobei das Gericht angesichts der sonstigen Strafzumessungsumstände eine solche Fahrverbotsdauer von vier Monaten für den Umständen angemessen erachtet hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.