Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: Ss 114/18 (64/18) – Beschluss vom 29.01.2019
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 10. Kleine Strafkammer – vom 11. September 2018 wird auf seine Kosten als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Saarbrücken hat den Angeklagten mit Urteil vom 26. April 2018 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35,– € verurteilt und die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen.
Mit Urteil vom 11. September 2018 hat das Landgericht Saarbrücken – 10. Kleine Strafkammer – die gegen das Urteil des Amtsgerichts gerichteten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Verteidiger am 14.09.2018 Revision eingelegt, die er zugleich mit der nicht ausgeführten Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Mit seiner hiergegen gerichteten Gegenerklärung vom 27. Dezember 2018 macht der Verteidiger geltend, die Strafzumessung halte wegen des Fehlens von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Im Falle von Feststellungen hierzu könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung des Angeklagten abgesehen hätte.
II.
Die zulässige Revision ist offensichtlich unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin – die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher unzulässig – hat keinen Rechtsfehler ergeben, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Nach den getroffenen Feststellungen bewahrte der Angeklagte am 11.11.2017 gegen 11.40 Uhr in der zum damaligen Zeitpunkt von ihm bewohnten Wohnung im Anwesen … pp. zum Eigenkonsum in einem Wandschrank im Wohnzimmer 6,1 g Marihuana und 3,0 g Amphetamin wissentlich und willentlich auf, wobei ihm bewusst war, dass er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis besaß.
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der beiden Betäubungsmittel getroffen hat. Das Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt bzw. zur Wirkstoffmenge gefährdet den Bestand des Schuldspruchs nämlich dann nicht, wenn – wie hier – festgestellt ist, dass es sich tatsächlich um Betäubungsmittel handelt, und nach ihrem Bruttogewicht ausgeschlossen werden kann, dass die Grenze zur nicht geringen Menge i. S. des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG überschritten ist, also tatbestandliche Voraussetzungen und damit der Schuldspruch nicht in Frage stehen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23, 24; OLG Celle NStZ-RR 2012, 59; KG, Beschl. v. 4.1.2012 – 1 Ss 466/11 (322/11), Rn. 10 nach juris; OLG Bamberg OLGSt StPO § 318 Nr. 21 – Rn. 10 nach juris; Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2014 – Ss 36/2014 (21/14) – und vom 26. Juni 2014 – Ss 20/2014 (14/14) -). So verhält es sich hier, da der Grenzwert zur nicht geringen Menge bei Cannabisprodukten bei 7,5 g THC liegt (vgl. BGH StV 2013, 703 f. – juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 23. Mai 2014 – Ss 36/2014 (21/14) -) und bei Amphetamin-Zubereitungen bei einer Wirkstoffmenge von 10 g Amphetamin-Base (vgl. BGH NStZ 1986, 33; Senatsbeschluss vom 26. Juni 2014 – Ss 20/2014 (14/14) -). Schon die festgestellten Bruttowerte der beiden Betäubungsmittel, in deren Besitz sich der Angeklagte befand, liegen unter diesen Werten.
3. Auch im Strafausspruch hält das angefochtene Urteil materiell-rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Nichterörterung der Möglichkeit des Absehens von einer Bestrafung nach § 29 Abs. 5 BtMG stellt keinen Rechtsfehler dar. Gemäß § 29 Abs. 5 BtMG kann das Gericht von einer Bestrafung nach § 29 Abs. 1 BtMG absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge besitzt.
Anlass, die Möglichkeit des Absehens von Bestrafung nach § 29 Abs. 5 BtMG zu erörtern und insoweit Feststellungen zum (Mindest-)Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel zu treffen, besteht dann nicht, wenn schon nach ihrem Bruttogewicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine geringe Menge im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG handelt (vgl. OLG Hamm StraFo 2014, 518 f., juris Rn. 19 ff.; StraFo 2015, 342 f. – juris Rn. 13 ff.; Beschl. v. 05.11.2015 – III-1 RVs 75/15, juris; Beschl. v. 08.11.2018 – III-4 RVs 150/18, juris Rn. 8; OLG Dresden, Urt. v. 31.08.2015 – 2 OLG 21 Ss 210/15, juris Rn. 12 ff.; Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 – Ss 122/2012 (78/12) -).
So verhält es sich hier. Als geringe Menge i. S. des § 29 Abs. 5 BtMG ist eine Menge anzusehen, die zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist (vgl. OLG Hamm StraFo 2014, 518 f. – juris Rn. 21; StraFo 2015, 342 f. – juris Rn. 15; OLG Dresden, a. a. O., juris Rn. 15; Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 – Ss 122/2012 (78/12) -; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 2108; Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 29 Rn. 29). Bei Cannabis wird die durchschnittliche Konsumeinheit mit 15 mg THC angesetzt, so dass der Grenzwert für die geringe Menge i. S. des § 29 Abs. 5 BtMG 45 mg THC beträgt (vgl. OLG Hamm StraFo 2014, 518 f. – juris Rn. 21; StraFo 2015, 342 f. – juris Rn. 15; OLG Dresden, a. a. O., juris Rn. 15; Weber, a. a. O., § 29 Rn. 2118; Patzak, a. a. O., Rn. 38). Wird – wie hier – der Wirkstoffgehalt nicht festgestellt, so ist eine Gewichtsmenge von bis zu 6 g Cannabisgemisch noch als geringe Menge anzusehen, da sich unter Zugrundelegung einer äußerst schlechten Wirkstoffkonzentration von 0,8% aus 6 g Haschisch noch drei Konsumeinheiten gewinnen lassen (vgl. OLG Hamm StraFo 2014, 518 f. – juris Rn. 21; StraFo 2015, 342 f. – juris Rn. 15; OLG Dresden, a. a. O., juris Rn. 15; Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 – Ss 122/2012 (78/12) -; Weber, a. a. O., § 29 Rn. 2119; Patzak, a. a. O., Rn. 39). Hier liegen bereits die 6,1 g Marihuana, in deren Besitz sich der Angeklagte nach den Feststellungen befand, über dem noch als geringe Menge anzusehenden Grenzwert von maximal 6 g, der im Übrigen nach dem Erlass des Ministeriums der Justiz, des Ministeriums des Inneren und des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales des Saarlandes vom 25.09.2007 als Obergrenze, bis zu der nach § 31a BtMG von einer Verfolgung in der Regel abzusehen ist, festgelegt ist (vgl. Patzak, a. a. O., § 31a Rn. 43, 58). Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob auch bezüglich des von dem Angeklagten aufbewahrten Amphetamins von 3,0 g die Grenze der geringen Menge i. S. von § 29 Abs. 5 BtMG schon für sich allein überschritten wäre (vgl. zum erforderlichen Abstellen auf die Gesamtmenge: Weber, a. a. O., § 29 Rn. 2133; Patzak, a. a. O., § 29 Teil 29 Rn. 37). Die Obergrenze der geringen Menge Amphetamin ist spätestens bei einer Wirkstoffmenge von 0,15 g Amphetamin-Base erreicht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.11.2015 – III-1 RVs 75/15, juris Rn. 2; Weber, a. a. O., § 29 Rn. 2117; Patzak, a. a. O., § 29 Teil 29 Rn. 44), so dass bei der von dem Angeklagten aufbewahrten Menge von 3,0 g Amphetamin unter Zugrundelegung einer im illegalen Betäubungsmittelhandel erhältlichen Amphetaminzubereitung mit einer äußerst schlechten Wirkstoffkonzentration von 5% (vgl. BGH NStZ 2012, 339 – juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschl. v. 05.11.2015 – III-1 RVs 75/15, juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 26. Juni 2014 – Ss 20/2014 (14/14) – m. w. N.) die Obergrenze der geringen Menge von 0,15 g Ampetamin-Base für sich allein gerade noch eingehalten sein könnte.
b) Entgegen der Auffassung des Verteidigers begründet das Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der beiden Betäubungsmittel auch unabhängig von dem im vorliegenden Fall nicht eröffneten Anwendungsbereich des § 29 Abs. 5 BtMG keine Lücken im Rahmen der Strafzumessung.
Zwar werden das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Betäubungsmittels bestimmt. Für eine sachgerechte und schuldangemessene Festsetzung von Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann deshalb auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt regelmäßig nicht verzichtet werden (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 247 f. – juris Rn. 4; Senatsbeschluss vom 21. März 2007 – Ss 13/2007 (9/07) -).
Von genauen Feststellungen kann aber ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn es ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können (vgl. BGH NStZ 1990, 395; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23, 24; Thüringer OLG, Beschl. v. 29.08.2005 – 1 Ss 156/05, juris Rn. 23; OLG Hamm, Beschl. v. 04.04.2017 – 1 RVs 23/17, juris Rn. 6; Beschl. v. 08.11.2018 – III-4 RVs 150/18, juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 21. März 2007 – Ss 13/2007 (9/07) -; Patzak, a. a. O., § 29 Teil 29 Rn. 33; vgl. zum Handeltreiben mit Ecstasy-Tabletten auch: BGH StraFo 2005, 42; NJW 2005, 1589 ff.). So verhält es sich hier. Zwar findet der Aspekt des Wirkstoffgehalts der beiden Betäubungsmittel im Rahmen der Strafzumessung in dem angefochtenen Urteil keine ausdrückliche Erwähnung. Das Landgericht ist jedoch auf der Basis der von ihm getroffenen Feststellungen (Besitz von lediglich 6,1 g Marihuana und 3,0 g Amphetamin zum Eigenkonsum) unter Berücksichtigung der dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zugute gehaltenen „relativ geringe(n) Mengen“ der beiden Betäubungsmittel ersichtlich zugunsten des Angeklagten hinsichtlich beider Betäubungsmittel von einem geringen Wirkstoffgehalt ausgegangen. Der Senat kann daher im Hinblick darauf, dass das Landgericht, ohne im Rahmen der Strafzumessung einen zu Lasten des Angeklagten sprechenden Umstand anzuführen, ausschließlich „unter Berücksichtigung der zahlreichen für den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte“ zu einer von ihm für tat- und schuldangemessen erachteten Geldstrafe von 40 Tagessätzen gelangt ist, ausschließen, dass sich die unterbliebene Feststellung zum Wirkstoffgehalt der beiden Betäubungsmittel zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.