OLG Hamburg – Az.: 5 Ws 52/22 – Beschluss vom 05.01.2023
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 7 als Strafvollstreckungskammer, vom 5.9.2022 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 32, vom 9.7.2019 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dem strafbaren Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und mit unerlaubtem Betreiben eines Lagers von explosionsgefährlichen Stoffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem wurde gemäß § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz in Höhe von € 80.091,69 angeordnet.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Kammer von Anfang 2015 bis Januar 2019 gemeinsam mit einem Mittäter im Keller des Wohnhauses seiner Mutter Cannabispflanzen zur Produktion von Marihuana anbaute, um sich durch fortgesetzte Betäubungsmittelverkäufe eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Der Betrag der angeordneten Wertersatzeinziehung errechnete sich aus dem Gesamterlös der im Tatzeitraum erwirtschafteten Ernten (€ 170.055,50) abzüglich des Werts der im Zuge der Durchsuchung sichergestellten, noch nicht verkauften Betäubungsmittelmenge (€ 15.409,81) und abzüglich des Wertes der Betäubungsmittelteilmenge, über die der Mittäter des Beschwerdeführers allein verfügt bzw. die dieser allein verkauft hatte (€ 23.769,-). Abgezogen wurde zudem ein aus Betäubungsmittelverkäufen stammender Bargeldbetrag, der bei der Durchsuchung am 18.1.2019 sichergestellt und gesondert eingezogen wurde (€ 50.785,-).
Die gegen den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe wurde zum Teil vollstreckt. Mit Beschluss vom 5.11.2021 setzte die Strafvollstreckungskammer den Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung aus.
Die Vollstreckung des Einziehungsbetrags blieb im Wesentlichen erfolglos. Nachdem die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.2.2022 erfolglos zur Zahlung des bis dahin verbliebenen Einziehungsbetrags von € 78.793,29 aufgefordert hatte, beantragte dieser am 27.6.2022, gemäß § 459g Abs. 5 StPO das Unterblieben der Vollstreckung des Einziehungsbetrags anzuordnen. Der Wert des Erlangten befinde sich nicht mehr in seinem Vermögen, da er von dem Gewinn aus den Taten damals seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Aktuell lebe er von ALG I in Höhe von € 1.100,- monatlich. Weitere Vermögenswerte seien nicht vorhanden, so dass er entreichert sei. Dies führe nach der aus seiner Sicht anwendbaren, bis zum 30.6.2021 gültigen Gesetzesfassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO zwingend dazu, dass das Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen sei. Zudem stelle sich die weitere Vollstreckung als unverhältnismäßig dar. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Gericht errechneten Einziehungssumme um den Verkaufswert der Ernte handele und nicht um den Gewinn aus der Tat; Ausgaben z.B. für Strom seien bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden. Selbst wenn er aus seinem unpfändbaren Einkommen monatliche Raten in Höhe von z.B. € 150 zahlen würde, wären bis zum Ausgleich der Forderung ca. 534 Raten aufzubringen, so dass er über fast 45 Jahre auf sein unpfändbares Einkommen verwiesen sei. Dies sei erdrosselnd und verletzte ihn in seinem Grundrecht auf Resozialisierung.
Das Landgericht lehnte den Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 5.9.2022 ab. Es könne dahinstehen, welche Gesetzesfassung des § 459g Abs. 5 StPO Anwendung finde. Der Beschwerdeführer habe nämlich schon nicht ausreichend dargelegt, dass der Wert des durch die Tat Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden, er also entreichert sei. Auch aus den Feststellungen des erkennenden Gerichts ergebe sich dies nicht. Es seien angesichts des Alters und der beruflichen Perspektiven des Beschwerdeführers auch keine besonderen Umstände erkennbar, die seine Resozialisierungsmöglichkeiten als gefährdet erscheinen ließen.
Hiergegen richtet sich die am 14.9.2022 eingelegte sofortige Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer geltend macht, das Landgericht habe die Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der „Entreicherung“ überspannt, da diese darauf hinausliefen, dass er ein Haushaltsbuch hätte führen müssen. Von dem Tatertrag hätten ihm im Tatzeitraum rechnerisch ca. € 1.670,- monatlich zur Verfügung gestanden. Dies halte sich ohne Weiteres im Rahmen des für den Lebensunterhalt Üblichen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die angefochtene Entscheidung ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere war die Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung berufen, da gegen den Beschwerdeführer die Freiheitsstrafe vollstreckt wurde; die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer erstreckt sich auch auf den – hier vorliegenden – Fall, dass die Vollstreckung eines Strafrests zur Bewährung ausgesetzt wird (§ 462a Abs. 1 S. 2 StPO).
2. Die angefochtene Entscheidung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
a) Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene, von der Strafvollstreckungskammer offen gelassene Frage, nach welcher Fassung des § 459g Abs. 5 S.1 StPO der auf Unterbleiben der Vollstreckung gerichtete Antrag des Beschwerdeführers zu bescheiden ist, ist dahingehend zu beantworten, dass die aktuelle, seit dem 1.7.2021 gültige Gesetzesfassung anzuwenden ist.
Soweit vertreten wird, dass auf Fälle, in denen die Tatbeendigung – wie hier – vor dem 1.7.2021 eingetreten ist, gemäß § 2 Abs. 3 und 5 StGB die vormalige, bis zum 30.6.2021 gültige Gesetzesfassung anzuwenden ist, weil es sich wegen der dort für den Fall der Entreicherung als zwingend vorgesehenen Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung um die „mildeste“ Fassung des Gesetzes handele (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.5.2022 – 1 Ws 122/22 = ZInsO 2022, 1809; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.9.2022 – 1 Ws 118/21 = NZI 2022, 954; Bittmann, NStZ 2022, 8), folgt der Senat dem nicht. Voraussetzung für die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel des § 2 Abs. 3 StGB ist, dass es sich bei der in Rede stehenden Vorschrift um materielles Recht handelt; denn auf verfahrensrechtliche Regelungen findet § 2 Abs. 3 StGB nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung (vgl. BGHSt 50, 138 und 46, 310). Daran fehlt es, denn es handelt sich bei § 459g Abs. 5 StPO nach zutreffender Auffassung nicht um eine materiell-rechtliche, sondern um eine verfahrensrechtliche Vorschrift (ebenso OLG Schleswig, Beschluss vom 7.7.2022 – 2 Ws 63/22; OLG Hamm, Beschluss vom 18.8.2022 – 5 Ws 211/22).
Dies folgt allerdings nicht schon aus dem Regelungsstandort der Vorschrift in der StPO. Denn auch Normen der StPO können im Einzelfall einen materiell-rechtlichen Gehalt aufweisen, der eine Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips des § 2 Abs. 3 StGB gebietet (vgl. BGH, Beschluss vom 7.2.2008 – 4 StR 502/07, juris Rn. 12 ff. zu § 111i StPO a.F.). Entscheidend ist dementsprechend allein der inhaltliche Regelungsgehalt, wobei von einer materiell-rechtlichen Regelung auszugehen ist, wenn und soweit die Strafandrohung an sich betroffen ist, während Verfahrensrecht vorliegt, wenn nur das Ob der Strafverfolgung bzw. der -vollstreckung geregelt wird (BGHSt 50; 138; 46, 310). Von einem maßgeblich materiell-rechtlichen Gehalt wäre im Falle des § 459g Abs. 5 StPO daher auszugehen, wenn es sich so verhielte, dass erst beide Komponenten zusammen – also die tatgerichtliche Festsetzung des Einziehungsbetrags und die später ggf. nach § 459g Abs. 5 StPO zu treffende Unterbleibensanordnung – den Umfang der Belastung des Betroffenen bestimmen (so im Ausgangspunkt zutreffend: OLG Karlsruhe, a.a.O., juris Rn. 24; Bittmann, a.a.O., S. S. 14). Dies trifft allerdings nicht zu. Denn die Höhe des Einziehungsbetrags wird abschließend durch das tatgerichtliche Urteil bestimmt, und sie wird als solche auch nicht etwa durch eine Unterbleibensanordnung nach § 459 g Abs. 5 StPO modifiziert. Denn eine solche Anordnung hat stets vorläufigen Charakter; nach § 459g Abs. 5 S. 2 StPO alter und neuer Fassung ist die Vollstreckung nämlich zwingend wieder aufzunehmen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach § 459g Abs. 5 S.1 StPO entgegenstehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann ist die Vollstreckung – ggf. bis zur vollständigen Höhe des im Urteil angeordneten Einziehungsbetrags – fortzusetzen. Ebenso wie in den Regelungen des § 455 StPO, die die Möglichkeit eines Aufschubs oder einer vorübergehenden Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen bei gesundheitlichen Härtefällen vorsehen, geht es in § 459g Abs. 5 StPO folglich nicht um die abschließende Bestimmung der Art oder der Höhe der Sanktionsandrohung als solcher, sondern um eine – ggf. vorübergehende – Abfederung von Härten, und damit lediglich um das Ob und Wie der weiteren Vollstreckung.
Möglich bleiben zwar Fälle, in denen eine Unterbleibensanordnung nach § 459g Abs. 5 S. 1 StPO bei ex-post-Betrachtung faktisch die Sanktionshöhe mitbestimmt hat, etwa weil die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vollstreckung nach Satz 2 zu Lebzeiten des Betroffenen nicht mehr eingetreten sind. Dies ändert jedoch nichts an der Regelungsstruktur des § 459g Abs. 5 StPO, die gerade nicht an der Sanktion selbst ansetzt, sondern nur an den Modalitäten der (weiteren) Vollstreckung und ihrer Wiederaufnahme.
Zu einer materiell-rechtlichen Regelung wird § 459g Abs. 5 S.1 StPO im Übrigen auch nicht dadurch, dass sie tatbestandlich Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte aufgreift. Es besteht keine Vermutung dafür, dass Regelungen, mit denen Verhältnismäßigkeitsanforderungen gewahrt werden sollen, stets materiell-rechtlicher Natur sind. Gegenstand der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist stets das Sanktionssystem in seiner gesamten Ausgestaltung; es liegt dabei auf der Hand, dass dessen Verhältnismäßigkeit auf vielfältige Weise gewahrt werden kann. Dies kann nicht nur durch diejenigen Normen geschehen, die Voraussetzungen, Art und Umfang der Sanktion selbst regeln, sondern auch durch solche, die das Ob ihrer Durchsetzung betreffen. Das gilt in besonderem Maße für Regelungen, mit denen – wie hier – unzumutbare Härten abgefedert werden sollen. Als Unterscheidungskriterium scheidet dieser Anknüpfungspunkt daher aus (ebenso OLG Schleswig, a.a.O., juris Rn. 19; OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 19); er wird von der Rechtsprechung des BGH auch zu Recht nicht zu diesem Zweck herangezogen.
b) Ist danach vorliegend die ab dem 1.7.2021 gültige Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO anzuwenden, so hängt der Erfolg der Beschwerde davon ab, ob die weitere Vollstreckung des Einziehungsbetrags unverhältnismäßig wäre.
aa) In diesem Rahmen ist eine etwaige Entreicherung des Einziehungsbetroffenen weiterhin grundsätzlich zu berücksichtigen. Anders als nach vormaliger Rechtslage führt die bloße Entreicherung zwar nicht mehr per se dazu, dass das Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen ist. Sie stellt jedoch einen Teilaspekt der insoweit zu würdigenden Gesamtumstände des Einzelfalls dar. Angesichts der abfedernden Wirkung der zivilprozessualen Pfändungsschutzvorschriften soll nach dem Willen des Gesetzgebers in Entreicherungsfällen allerdings nur dann Unverhältnismäßigkeit anzunehmen sein, wenn „besondere Umstände“ hinzutreten, in denen „das Bedürfnis der Vermögensordnung stark herabgesetzt ist“; insoweit sollte es der Rechtsprechung überlassen bleiben, Fallgruppen zu auszubilden (vgl. BT-Drs. 19/27654, S. 112). Nach verbreiteter Auffassung sollen damit Maßstäbe der Rechtsprechung zu § 73c StGB a.F. wieder aufleben, denen zufolge auch darauf abzustellen war, zu welchem Zweck die Mittel ausgegeben wurden, so dass sich der Verurteilte insbesondere in Fällen des „Verprassens“ der deliktisch erlangten Mittel für Luxus- und Vergnügungszwecke nicht erfolgreich auf seine Entreicherung berufen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt-Köhler, StPO, 65. Aufl., Rn. 13 zu § 459g StPO; Bittmann, a.a.O., S. 17).
Der Senat kann in diesem Rahmen offen lassen, ob dem zu folgen ist, bzw. inwieweit die vorgenannten Vorstellungen des Gesetzgebers Eingang in die Fassung des Gesetzes gefunden haben und ggf. von welchem Gewicht die geforderten „besonderen Umstände“ sein müssen, damit die weitere Vollstreckung des Einziehungsbetrags unverhältnismäßig erscheint. Denn vorliegend fehlt es schon an einer hinreichenden Grundlage für die Feststellung, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Beschwerdeführers vorhanden, dieser also „entreichert“ ist:
Im Einklang mit der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 7.9.2020 – 5 Ws 105/19 = wistra 2021, 163 ff. m.w.N.) geht der Senat davon aus, dass bei der Feststellung einer etwaigen Entreicherung des Einziehungsbetroffenen zwar die Urteilsfeststellungen und etwaige Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft aus vorangegangenen erfolglosen Vollstreckungsversuchen mit heranzuziehen sind. Davon abgesehen findet jedoch keine Amtsermittlung statt. Vielmehr obliegt dem Einziehungsadressaten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich das Erlangte nicht mehr in seinem Vermögen befindet. Bloß pauschale, nicht nachprüfbare Behauptungen des Einziehungsadressaten bilden insoweit keine ausreichende Grundlage. Auch besteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass die Finanzmittel zum Lebensunterhalt verbraucht wurden. Anders liegt es auch dann nicht, wenn deliktsspezifische Beweisschwierigkeiten gegeben sind, wie z.B. bei Betäubungsmittelstraftaten, die regelmäßig als Bargeldgeschäfte abgewickelt werden, so dass im Nachhinein regelmäßig weder Einnahmen noch Ausgaben in nachvollziehbarer Weise rekonstruierbar sein dürften.
Nach diesen Maßstäben ist eine Entreicherung des Beschwerdeführers weder hinreichend dargelegt noch bewiesen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf zu behaupten, dass er aus den deliktischen Einkünften während des Tatzeitraums seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Diese Behauptung wird jedoch weder näher substantiiert, noch hat der Beschwerdeführer Belege für einen entsprechenden Mittelabfluss und den behaupteten Verwendungszweck beigebracht. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass die Darlegungs- und Beweisanforderungen damit überspannt würden, folgt der Senat dem nicht. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es sich um Umstände handelt, die ausschließlich in der Sphäre des Beschwerdeführers liegen. Auch der Umstand, dass sich der Einziehungsbetrag bei Umrechnung auf den Tatzeitraum auf ca. € 1.670,- monatlich beläuft, führt nicht zu einer Vermutung dafür, dass aus diesem Betrag der Lebensunterhalt bestritten worden ist. Dies gilt vorliegend insbesondere auch deswegen, weil der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen ab Mitte 2014 – also nach Beendigung seiner Berufstätigkeit als Verkäufer bei Fa. L. und jedenfalls in der Anfangsphase des Tatzeitraums – von Sozialleistungen (ALG I) und finanziellen Zuwendungen seiner Mutter gelebt und zudem mietfrei gewohnt hat. Dies lässt es möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich erscheinen, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Tatzeitraum bereits unabhängig von den deliktischen Einnahmen gesichert war, so dass die Einnahmen aus dem Betäubungsmittelverkäufen für den Beschwerdeführer entweder heute noch – wenngleich an einem dem Vollstreckungszugriff entzogenen Ort – verfügbar sind, oder aber für andere, möglicherweise weniger billigenswerte Zwecke ausgegeben wurden. Bei dieser Sachlage besteht aus Sicht des Senats jedenfalls keine Veranlassung, die aufgezeigten Darlegungs- und Beweisgrundsätze zugunsten des Beschwerdeführers zu modifizieren.
bb) Kommt eine durch Entreicherung bedingte Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung danach schon deswegen nicht in Betracht, weil der Senat nach den zugrunde zu legenden Darlegungs- und Beweislastregeln nicht davon ausgehen kann, dass sich das durch die Tat Erlangte nicht mehr im Vermögen des Beschwerdeführers befindet, so kann es für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, von welchen weitergehenden Voraussetzungen die Annahme der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung in Entreicherungsfällen gegebenenfalls abhängig zu machen ist und ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind. Nur vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang auf die nachfolgenden, z.T. durch das Beschwerdevorbringen veranlassten Gesichtspunkte hin:
(1) Soweit in der Literatur erwogen wird, von einer Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung dann auszugehen, wenn diese für den Einziehungsschuldner eine „erdrosselnde Wirkung“ hätte, führte dieser Gesichtspunkt vorliegend – auch bei unterstellter Entreicherung des Beschwerdeführers – jedenfalls derzeit nicht zu einer für ihn günstigen Entscheidung. Insoweit kann es dahinstehen, ob von einer „erdrosselnden Wirkung“ bereits dann auszugehen ist, wenn die Vollstreckung des Einziehungsbetrags bedeuten würde, dass der Schuldner gleichsam bis an sein Lebensende auf die Pfändungsfreigrenzen zurückgeworfen wäre und infolgedessen keine Perspektive mehr hätte, jemals ein Leben mit größeren wirtschaftlichen Handlungsspielräumen zu führen. Denn zum einen ist eine solche Prognose vorliegend derzeit nicht veranlasst. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass er in Anbetracht der Höhe des Einziehungsbetrags voraussichtlich verpflichtet wäre, ca. 45 Jahre lang Raten abzutragen, beruht seine Prognose auf der Annahme, dass er auf Dauer nicht in der Lage sein wird, monatliche Raten in Höhe von mehr als € 150,00 zu zahlen. Dafür, dass diese Annahme zutrifft, bestehen allerdings jedenfalls derzeit keine zureichenden Anhaltspunkte. Der Beschwerdeführer ist 37 Jahre alt, er verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung und hat in der Vergangenheit – zuletzt noch im offenen Vollzug – gezeigt, dass er in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Soweit sich aus Urteil des Landgerichts ergibt, dass er seine Tätigkeit bei Fa. L. Mitte 2014 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatte, beruhte dies nicht auf besonderen gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers, sondern darauf, dass die dortigen Arbeitsbedingungen für ihn besonders belastend waren.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungsmaßstäbe im Rahmen des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht im Widerspruch zu den Wertungen des Insolvenzrechts stehen dürfen. In der Verbraucherinsolvenz wird dem Schuldner zugemutet, die bestehenden Insolvenzforderungen für die Dauer einer siebenjährigen Wohlverhaltensperiode anteilig zu bedienen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Forderungen handelt, die später an der Restschuldbefreiung teilhaben, oder um solche, die gemäß § 302 Nr. 1 bis 3 InsO „insolvenzfest“ sind. Während der siebenjährigen Wohlverhaltensperiode besteht für den Schuldner dabei die Obliegenheit, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen (§ 287b i.V.m. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO). Vor dem Hintergrund dieser Regelungen wäre es wertungswidersprüchlich, die weitere Vollstreckung von Einziehungsbeträgen für unverhältnismäßig anzusehen und gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 StPO ihr Unterbleiben anzuordnen, bevor der Einziehungsschuldner nicht über eine entsprechende Periode, innerhalb derer er sich nach seinen Möglichkeiten um ein Erwerbseinkommen zu bemühen hat, angemessene Raten gezahlt hat. Selbst nach Ablauf einer entsprechenden Periode wird man nicht ohne Weiteres von einer Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung ausgehen können, zumal die Entscheidung des Gesetzgebers, die Einziehungsforderung von der Restschuldbefreiung auszunehmen und somit als „insolvenzfest“ auszugestalten (§ 302 Nr. 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO) nicht durch eine extensive Auslegung des Begriffs der Unverhältnismäßigkeit i.S.d. § 459g Abs. 5 S. 1 StPO unterlaufen werden darf (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 10.3.2022 – 18 AR 1/22 = ZinsO 2022, 2140, juris Rn. 13).
(2) Die weitere Vollstreckung des Einziehungsbetrags stellt sich – selbst bei unterstellter Entreicherung des Beschwerdeführers – auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der Resozialisierung als unverhältnismäßig dar. Insoweit geht der Senat in Übereinstimmung mit dem KG Berlin (a.a.O., juris Rn. 36; dem folgend LG Stuttgart, Beschluss vom 10.3.2022 – 18 AR 1/22 = ZInsO 2022, 2140, juris Rn. 14) davon aus, dass allein die mit der Wertersatzeinziehung typischerweise einhergehende Belastung des Schuldners und die damit verbundene abstrakte Gefährdung seiner Resozialisierung nicht zu einem dauerhaften Absehen von der Vollstreckung führen kann. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Gründe hinzutreten, die einen durch die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung bedingten Rückfall des Verurteilten in kriminelle Verhaltensmuster befürchten lassen und denen auch nicht durch Zahlungserleichterungen nach § 459g Abs. 2 i.V.m. § 459a StPO begegnet werden kann. Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen den Beschwerdeführer neue Ermittlungsverfahren anhängig wären. Wie oben ausgeführt, sprechen auch seine derzeitigen Lebensumstände einschließlich seiner Erwerbsbiografie gegen die Annahme eines drohenden Scheiterns der Resozialisierungsbemühungen.
cc) Eine Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Tatgericht bei der Berechnung des Einziehungsbetrags die für die Tatbegehung aufgewendeten Kosten – insbesondere die Stromkosten für den Betrieb der Marihuanaplantage – außer Ansatz gelassen hat, der Einziehungsbetrag also nicht (ausschließlich) den „Gewinn“ aus der Tat darstellt. Denn bei diesen Kosten handelt es sich offenkundig um Aufwendungen für die Vorbereitung bzw. Begehung der Tat, die bei der Berechnung des Einziehungsbetrags gemäß § 73d StGB zwingend außer Betracht zu bleiben hatten. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde unterlaufen, wenn man unter Hinweis auf diesen Gesichtspunkt von der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung ausgehen wollte (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.