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Verbotenen Kraftfahrzeugrennen – Einziehung eines Leasingfahrzeugs möglich?

LG Tübingen – Az.: 3 Qs 16/21 – Beschluss vom 11.06.2021

In pp. wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens hat das Landgericht Tübingen – 3. Große Jugendkammer – durch die unterzeichnenden Richter am 11. Juni 2021 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen vom 06.05.2021 wird dieser aufgehoben.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Hinsichtlich des Verfahrensgangs, des zugrundeliegenden Sachverhalts und dessen vorläufiger Würdigung durch die Jugendkammer wird zunächst auf die Gründe des Beschlusses der Kam-ner vom 10.06.2021, Az. 3 Qs 12/21, Bezug genommen.

Nach Einleitung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO ordnete das Amtsgericht Reutlingen mit Beschluss vom 06, Mai 2021 die Beschlagnahme des Pkw VW Golf GTI mit dem amtlichen Kennzeichen pp., mit welchem der Angeklagte an dem in Rede stehenden Kraftfahrzeugrennen teilgenommen haben soll.

Das Amtsgericht stützt seine Entscheidung auf §§ 94, 98, 111b StPO in Verbindung mit §§ 315f S. 2, 74b StGB. Die Beschlagnahme sei zur Sicherung der zu erwartenden Einziehung des Pkw angezeigt. Mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers gehe es darum, der Raserszene die Grundlage zu entziehen. Sich daraus ergebende wirtschaftliche Härten seien nicht vermeidbar und vom Gesetzgeber gerade in Kauf genommen worden. Auch im Eigentum Dritter stehende Kraftfahrzeuge könnten nach § 74b StGB eingezogen werden.

Der betreffende Pkw würde am 07. Mai beschlagnahmt.

Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2021 hat der Verteidiger gegen den Beschluss vom 06. Mai 2021 Beschwerde eingelegt. Er weist unter Vorlage eines Schreibens der Volkswagen Bank an die Mutter des Angeklagten darauf hin, dass das Fahrzeug im Eigentum der Volkswagen Leasing GmbH stehe und Leasingnehmerin die Mutter des Angeklagten sei. Diese trage sämtliche finanzielle Lasten des Fahrzeuges, nutze dieses selbst insbesondere für den Arbeitsweg und überlasse es dem Angeklagten auch zu dessen Nutzung. Der Angeklagte selbst verfüge über kein eigenes Einkommen. Die Beschlagnahme des Pkw stehe außer Verhältnis zum Tatvorwurf.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die zwischenzeitlich angefallenen Aktenteile im Nachgang zur Hauptakte zur Entscheidung vorgelegt.

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. An den Voraussetzungen für eine Einziehung des Pkw gemäß §§ 315f, 74a, 74b StGB fehlt es hier nach aller Voraussicht, sodass die vorläufige Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung keinen Bestand haben kann,

Das Amtsgericht nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass sich nach Aktenlage ein hochgradiger Tatverdacht gegen den Angeklagten ergibt, an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB teilgenommen zu haben und der Gesetzgeber gezielt die Möglichkeit eröffnet hat, das dabei eingesetzte Kraftfahrzeug nach § 315f StGB als Tatmittel einzuziehen.

Ob von der im richterlichen Ermessen stehenden Einziehung des Pkw hier insbesondere aus den in § 74f StGB normierten Verhältnismäßigkeitserwägungen abzusehen wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Einziehung hier an den Voraussetzungen der §§ 74a, 74b StGB scheitern.

Das betreffende Kraftfahrzeug steht im Eigentum der tatunbeteiligten Volkswagen Leasing GmbH als Leasinggeberin. Die Einziehung wäre daher nach § 74a Nr, 1 StGB möglich, wenn ein Fall der sog. „Quasi-Beihilfe“ vorläge, wofür keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. hierzu MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74a Rn. 8). Die zweite Alternative des § 74a Nr. 2 StGB kommt ebenfalls evident nicht in Betracht.

Eine Sicherungseinziehung nach § 74b StGB wäre zu erwägen, wenn der Pkw nach seiner bloßen Beschaffenheit oder der Art seiner konkreten Verwendung auch künftig eine Gefährdung fremder Rechtsgüter besorgen ließe. Auch dies kann die Kammer hier nicht erkennen.

Allein die vom Amtsgericht durch ein Zitat aus der Presse hervorgehobene „sportliche“ Ausrichtung des Pkw ab Werk macht diesen abstrakt-generell zumindest so lange noch nicht zur sozial inadäquaten Gefahrenquelle, wie es in der Bundesrepublik grundsätzlich erlaubt bleibt, ohne kompetitive Ambitionen auf den Bundesautobahnen die Beschleunigungs- und Geschwindigkeitspotentiale solcher Sportwagen auszureizen.

Der Pkw kann durch die konkrete Form seiner Verwendung im Straßenverkehr zwar durchaus zu einer nicht hinzunehmenden Gefahrenquelle werden, etwa als Tatmittel im Rahmen eines illegalen Rennens. Dies ist zum derzeitigem Stand allerdings künftig nicht zu erwarten. Ein solcher (nochmaliger) Einsatz als Rennfahrzeug liegt aus mehreren Gründen fern. Die Leasingnehmerin steht nicht im Verdacht, das Fahrzeug selbst zur Begehung von Straßenverkehrsstraftaten zu missbrauchen oder der „Raser-Szene“ anzugehören. Ihr Sohn, der Angeklagte, wird aller Voraussicht nach bis auf Weiteres schon nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügen, um das Fahrzeug erneut im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Zudem geht die Kammer anhand des kooperativen Nachtatverhaltens des Angeklagten und der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe davon aus, dass das laufende Strafverfahren nachhaltigen Einfluss auf sein Verhalten im Straßenverkehr haben wird und ihn auch nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von vergleichbar gefährlichen missbräuchlichen Verwendungen von Kraftfahrzeugen abhalten wird. Für diese Annahme spricht zudem, dass der Angeklagte hier erstmalig mit einem Straßenverkehrsdelikt auffällig geworden ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

 

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