Illegale Straßenrennen: Ein tiefer Einblick in die Rechtsprechung und Tatbestandsvoraussetzungen
Das Landgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 09.10.2020 (Az.: 171 Ns 86 Js 4777/19 jug) die Tatbestandsvoraussetzungen für ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB präzisiert. Im Mittelpunkt des Falles standen zwei Angeklagte, die sich mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen auf einer öffentlichen Straße ein Kräftemessen lieferten. Die zentrale Frage des Verfahrens war, ob die Aktionen der Angeklagten als illegales Rennen im Sinne des Strafgesetzbuches zu werten sind.
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Übersicht
Die Übereinkunft und das Fahrverhalten der Angeklagten
Die Angeklagten trafen sich spontan auf einem bestimmten Straßenabschnitt und kamen überein, ihre Fahrkünste und die Leistung ihrer Fahrzeuge in einem Beschleunigungsduell zu messen. Einer der Angeklagten überfuhr dabei eine rote Ampel, um sich in eine günstigere Position zu bringen. Das Gericht stützte seine Feststellungen auf die teilweise geständige Einlassung eines Angeklagten, Zeugenaussagen und ein Sachverständigengutachten.
Die rechtliche Bewertung des Fahrverhaltens
Das Gericht legte dar, dass es für die Erfüllung des Tatbestands ausreicht, wenn mindestens zwei Teilnehmer in einem wettbewerbsähnlichen Kontext ihre Fahrkünste und/oder Fahrzeugleistung bewusst unter Ausnutzung von Beschleunigung und/oder Geschwindigkeit im öffentlichen Straßenverkehr messen. Dabei ist es unerheblich, ob die maximale Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs ausgereizt wird oder wie hoch die Geschwindigkeit ist, solange die erlaubte Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten wird.
Glaubwürdigkeit und Plausibilität der Aussagen
Das Gericht sah keinen Grund, warum einer der Angeklagten sich durch eine überhöhte Geschwindigkeitsangabe selbst belasten sollte. Es schien eher so, als ob der andere Angeklagte seine Beteiligung durch eine niedrigere Geschwindigkeitsangabe abschwächen wollte. Die Aussagen der Polizeibeamten und des einen Angeklagten standen im Widerspruch zu den Angaben des anderen Angeklagten und seiner Mitfahrer.
Die Strafzumessung und weitere Konsequenzen
Trotz der Schwere der Tat und der damit verbundenen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entschied das Gericht gegen eine Entziehung der Fahrerlaubnis. Es berücksichtigte dabei, dass die Angeklagten bisher keine Eintragungen im Verkehrsregister hatten und die Tat bereits einige Zeit zurücklag. Allerdings äußerte das Gericht erhebliche Zweifel an der Verkehrstauglichkeit der Angeklagten, da sie durch das laufende Verfahren nicht zu einer verkehrsrechtlich ordnungsgemäßen Fahrweise bewegt werden konnten.
Das Urteil bietet eine umfassende Analyse der Tatbestandsvoraussetzungen für illegale Straßenrennen und zeigt, wie komplex die rechtliche Bewertung solcher Fälle sein kann. Es verdeutlicht auch die ernsthaften Konsequenzen, die solche riskanten Fahrmanöver nach sich ziehen können, selbst wenn keine Fahrerlaubnisentziehung erfolgt.
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Das vorliegende Urteil
LG Karlsruhe – Az.: 171 Ns 86 Js 4777/19 jug – Urteil vom 09.10.2020
Leitsatz
1. Um ein Kraftfahrzeugrennen im Sinne von § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB handelt es sich, wenn mindestens zwei Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit Wettbewerbscharakter oder geprägt von einem Leistungsvergleich ihres Fahrkönnens und/oder ihrer Fahrzeugleistung bewusst unter Ausnutzung von Beschleunigung und/oder Geschwindigkeit im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge führen, um den jeweils anderen Teilnehmer zu übertrumpfen.(Rn.177)
2. Nicht maßgebend für die Tatbestandsverwirklichung ist die Ausreizung der Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrzeuges. Vielmehr kommt es hier gerade nicht darauf an. Andernfalls könnte sich die absurde Situation ergeben, dass bei einem Rennen zwischen einem schwach und einem stark motorisierten Fahrzeug, die beide ähnlich schnell fahren, ausschließlich das Langsame dem Rennbegriff unterfällt (weil es seine Leistungsfähigkeit ausreizt), während das stärker Motorisierte, trotz einer insgesamt höheren Geschwindigkeit, den Tatbestand nicht erfüllt.(Rn.178)
3. Ebenfalls erscheint es nicht entscheidend für die Tatbestandsverwirklichung, mit welcher konkreten Geschwindigkeit das Rennen durchgeführt wird. Dies ist immer abhängig von der konkreten Tatumgebung zu bewerten ist, solange die vor Ort gestattete Geschwindigkeit erheblich überschritten wird. Auf unübersichtlichen Streckenabschnitten, z.B. innerhalb geschlossener Ortschaften, birgt bereits ein Bruchteil der den modernen Fahrzeugen möglichen Geschwindigkeit eine erhebliche Gefahr für die geschützten Rechtsgüter. Ausreichend ist, wenn das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit jedenfalls Teil der Veranstaltung war. Nicht erforderlich ist dagegen, dass das Erreichen der Geschwindigkeit das Hauptziel der Fahrt ist.(Rn.179)
4. Die von den Beteiligten zurückgelegte Fahrstrecke muss keine Mindestmaße erfüllen. Eine zur intensiven Beschleunigung genutzte Strecke von 140-160 Meter genügt, um tatbestandlich ein Kraftfahrzeugrennen anzunehmen.(Rn.180)
5. Die für die Tatbestandsverwirklichung subjektiv erforderliche Übereinkunft der beteiligten Kraftfahrzeugführer kann auch ohne vorherige Absprache konkludent nach einem zufälligen Zusammentreffen erfolgen. Wichtiges Indiz ist dabei insbesondere ein gemeinsamer Start und eine gemeinsame Beschleunigung.(Rn.181)
6. Bei weiterem verkehrsordnungswidrigem Verhalten im Zeitraum nach Begehung eines Kraftfahrzeugrennens ist für eine Widerlegung der gem. § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB regelmäßig vermuteten fehlende Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen kein Raum.(Rn.237)
Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten W und S wird das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 01.10.2019 im Rechtsfolgenausspruch wie folgt abgeändert:
1. Der Angeklagte W wird zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 100,- Euro verurteilt.
Das insoweit angeordnete Fahrverbot von 6 Monaten bleibt aufrechterhalten.
2. Der Angeklagte S wird zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt.
Das gegen den Angeklagten S angeordnete Fahrverbot wird aufgehoben.
Dem Angeklagten S wird die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Angeklagten S vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die weitergehenden Berufungen der Angeklagten W und S werden jeweils als unbegründet verworfen.
Die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft wird, soweit es den Angeklagten W betrifft, ebenfalls als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte S trägt die Kosten seiner Berufung und die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft.
Der Angeklagte W trägt die Kosten seiner Berufung. Die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft trägt, soweit es den Angeklagten W betrifft, die Staatskasse. Die dem Angeklagten W durch die Berufung der Staatsanwaltschaft entstandenen ausscheidbaren notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Angewendete Vorschriften: §§ 315d Abs. 1 Nr. 2, 44, 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a, 69a StGB
Gründe
I. Einleitung
Die Angeklagten W und S wurden durch Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 01.10.2019 wegen der Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen jeweils zu einer Geldstrafe und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legte Rechtsanwalt F für den Angeklagten W am 07.10.2020 und Rechtsanwalt G für den Angeklagten S am 08.10.2020 jeweils form- und fristgerecht Rechtsmittel ein. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe -Zweigstelle Pforzheim- legte am 08.10.2020 Berufung ein, sodass hierdurch das durchzuführende Rechtsmittel auf die Berufung konkretisiert wurde. Mit Schreiben vom 13.11.2020 wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Rechtsfolgen beschränkt.
Die Berufungen der Angeklagten hatten keinen Erfolg. Die Berufung der Staatsanwaltschaft war nur im Hinblick auf den Angeklagten S erfolgreich.
II. Feststellungen zur Person
1. W
Der Angeklagte kam gemeinsam mit seinem Vater im Alter von 8 Jahren aus K nach Deutschland und ließ sich in P nieder. Seine Mutter folgte 10 Monate später nach. Er hat einen älteren und einen jüngeren Bruder.
Sowohl die Mutter als auch der Vater sind Maschinenanlagenführer und waren als solche tätig. Die Mutter erhält mittlerweile eine Erwerbsminderungsrente, da sie aufgrund von Krankheit nicht mehr arbeitsfähig ist. Der Vater steht kurz vor dem Renteneintrittsalter, verlor jedoch gerade seine Arbeit und ist deswegen arbeitssuchend. Der Angeklagte ist verlobt, hat aber keine Kinder.
Als der Angeklagte K verließ, besuchte er dort die 2. Klasse. In Deutschland kam er zunächst auf die Schule in P und nahm dort an einem einjährigen Deutschlernkurs teil.
Im Anschluss ging er auf die Grundschule in P und besuchte dort die 3. und 4. Klasse. Von der 5. bis zur 7. Klasse besuchte er die Hauptschule. Im Anschluss wechselte er auf die Realschule und beendete seine Schullaufbahn dort 2006 mit dem Realschulabschluss.
Danach begann er eine Ausbildung zum Elektroniker bei der Firma R GmbH in N. Die Ausbildung schloss er erfolgreich im Jahr 2010 nach 3 Jahren und 6 Monaten ab. Er wurde in den dortigen Betrieb übernommen.
Nach 2 Jahren wechselte er zur Firma A GmbH, die medizin-technische Produkte herstellt.
Dort ist er nach wie vor im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt und beruflich angekommen.
Der Angeklagte verdient ein monatliches Brutto-Grundgehalt von 3.358,- Euro, was ungefähr 1955,- Euro netto entspricht. Darüber hinaus erhält der Angeklagte Leistungszulagen und Nachtzuschläge für Schichtdienste die jeden Monat variieren und ist Inhaber eines Firmenleasingfahrzeuges, welches als geldwerter Vorteil dem Bruttogehalt hinzugerechnet wird.
Unter Berücksichtigung des geldwerten Vorteils des Firmenleasingfahrzeuges verdiente der Angeklagte netto im Jahr 2020 konkret
- im Januar einen Betrag von 2.455,29 Euro,
- im Juni einen Betrag von 3.687,02 Euro,
- im Juli einen Betrag von 3.090,49 Euro,
- im August einen Betrag von 3.129,16 Euro.
Im Jahr 2016 hat sich der Angeklagte eine 2-Zimmer Eigentumswohnung gekauft, welche er gemeinsam mit seiner Verlobten bewohnt. Die Eigentumswohnung zahlt er durch monatliche Raten von 650,- Euro, inklusive Zinsen, ab. Die Zinslast beträgt dabei nicht mehr als ca. 50,- Euro. Weitere Ausgaben in Form von Telefon, Internet, Strom und GEZ-Gebühren und Müll umfassen ca. 200,- Euro im Monat. Den Rest seines Verdienstes hat er zur freien Verfügung.
Der Angeklagte hat keine Probleme mit Alkohol oder Drogen.
Seinen Führerschein hat er nach bestandener Fahrprüfung am 30.08.2006 erhalten. Er hat kein eigenes Auto, sondern fährt nur mit dem KFZ-Modell A und gelegentlich mit einem KFZ-Modell B, welches seinem Bruder gehört.
Er hat -mit Ausnahme des Immobilienkredits- keine Schulden.
Der Angeklagte hat keine Einträge im Bundeszentralregister vom 25.06.2020 und Fahreignungsregister vom 03.09.2020.
2. S
Der Angeklagte ist in P geboren. Er hat einen kleineren Bruder, der derzeit 17 Jahre alt ist. Die Mutter ist Hausfrau, der Vater Inhaber und Geschäftsführer einer Baufirma. Der Angeklagte wohnt kostenfrei im elterlichen Haushalt. Derzeit handelt es sich dabei um eine Wohnung, da die Familie ein Haus baut. Er muss nichts von seinem Arbeitslosengeld für den Lebensunterhalt oder sein eigenes Zimmer (20 Quadratmeter) abgeben. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Von der 1. bis zur 4. Klasse besuchte er die Grundschule und anschließend von der 5. bis zur 7. Klasse die Hauptschule. Anschließend wechselte er auf die Werkrealschule in K, wo er 2015 mit Beendigung der 10. Klasse seinen Realabschluss erlangte.
Im Anschluss begann er eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker bei der Firma Bin N, die er jedoch bereits nach 3 Monaten abbrach. Im September 2016 begann er eine neue Ausbildung als Werkzeugmechaniker bei der Firma P in NÖ. Die Ausbildung schloss er im Februar 2020 nach 3 Jahren und 6 Monaten ab. Seither ist er arbeitssuchend und erhält Arbeitslosengeld 1 in Höhe von 650,- Euro im Monat, die er zur freien Verfügung hat.
Als berufliche Perspektive benennt er eine Anstellung als Juniorchef in der Baufirma seines Vaters mit Namen S GmbH in P. Sein zugesicherter Tätigkeitsbereich wäre, die einzelnen Baustellen zu überwachen und Material an die jeweiligen Stellen zu fahren. Er benötigte für diese Tätigkeit einen Führerschein. Bislang hat er die Tätigkeit nicht aufgenommen, da er den Ausgang des hiesigen Verfahrens abwarten wollte.
Der Angeklagte hat keine Schulden und auch keine Suchtproblematik.
Am 10.10.2014 absolvierte er die Fahrprüfung für den 125 kW Moped-Führerschein (A1) und am 02.10.2015 erlangte er auch den allgemeinen Kraftfahrzeugführerschein der Klasse B.
Der Angeklagte hat zwei Einträge im Bundeszentralregister vom 25.06.2020:
1. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe -Zweigstelle Pforzheim- vom 24.03.2014, Az. 95 Js 12318/13, wurde nach § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung des Vorwurfs des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 19.10.2013 abgesehen.
2. Mit Verfügung des Amtsgerichts Pforzheim vom 15.09.2014, Az. 5 Ds 95 Js 5931/14, wurde nach § 47 JGG von der Verfolgung des Vorwurfs des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 14.05.2014 abgesehen.
Das Fahreignungsregister vom 03.09.2020 enthält drei Eintragungen:
1. Durch Entscheidung der Bußgeldbehörde -Stadt P- vom 28.02.2019, Az. 505.70.546853.7, wurde gegen den Angeklagten ein Bußgeld von 100,- Euro verhängt und 1 Punkt im Verkehrszentralregister vermerkt. Die Entscheidung ist seit dem 23.03.2019 rechtskräftig.
Die Entscheidung hatte folgenden Sachverhalt zum Gegenstand:
Der Angeklagte fuhr am 14.02.2019 um 19:46 Uhr in P als Führer eines PKW der Marke B mit nicht angepassten Geschwindigkeit.
2. Durch Entscheidung der Bußgeldbehörde -Polizeipräsidium R in S- vom 20.02.2020, Az. 05.7500385.1 wurde gegen den Angeklagten ein Bußgeld von 100,- Euro verhängt und 1 Punkt im Verkehrszentralregister vermerkt. Die Entscheidung ist seit dem 12.03.2020 rechtskräftig.
Die Entscheidung hatte folgenden Sachverhalt zum Gegenstand:
Der Angeklagte fuhr am 18.12.2019 um 01:23 Uhr als Führer eines PKW, in W in Fahrtrichtung K mit der nach Toleranzabzug festgestellten Geschwindigkeit von 86 km/h, obgleich an dem Streckenabschnitt nur 60 km/h zulässig waren.
3. Durch Entscheidung der Bußgeldbehörde -Landratsamt E in P- vom 07.04.2020, Az. 505.78.825983.7, wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 100,- Euro verhängt und 1 Punkt im Verkehrszentralregister vermerkt. Die Entscheidung ist seit dem 30.04.2020 rechtskräftig.
Die Entscheidung hatte folgenden Sachverhalt zum Gegenstand:
Der Angeklagte fuhr am 19.03.2020 um 18:48 Uhr als Führer eines PKW der Marke C in B und tippte währenddessen mit der rechten Hand auf seinem Mobiltelefon herum.
III. Feststellungen zur Sache
1. Beschreibung der Tatortumgebung
Bei der K-Straße in P handelt es sich um eine vierspurige Hauptstraße (jeweils zwei Spuren in beide Fahrtrichtungen) von der außerhalb der Stadt P verlaufenden Bundesstraße 10, die im weiteren Verlauf durch die Innenstadt von P führt. Sie bildet gleichzeitig die zweimalige Zu- und Ausfahrt der Bundesautobahn A8 im Westen und im Osten der Stadt P und stellt damit eine der Hauptverkehrsachsen dar. Entsprechend befinden sich beidseits viele Parkplätze und diverse Zufahrten mit zu Geschäftszeiten erheblichem Verkehrsaufkommen. Die vor Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h.
2. Tatgeschehen
Am 20.01.2019, spätestens um 19:20 Uhr, trafen sich die Angeklagten W und S auf der K-Straße auf Höhe des Abschnitts zwischen den Querstraßen JM-Straße und S-/WB-Straße in P. Der Angeklagte W führte dabei den PKW der Marke B seines Bruders und der Angeklagte S den soeben selbst erworben PKW Marke B, die von gleicher Bauart waren und jeweils über 557 PS verfügten. Im Fahrzeug des Angeklagten W saß seine Verlobte auf dem Beifahrersitz. Auf dem Beifahrersitz des Angeklagten S saß sein Cousin und hinten rechts im Fahrzeug saß der Zeuge NH.
Beide Fahrer trafen mit ihren Fahrzeugen gemeinsam zu einem nicht näher bekannten vorgelagerten Zeitpunkt, spätestens jedoch konkludent spontan auf dem oben genannten, dem Tatort vorgelagerten Streckenabschnitt auf der K-Straße die Übereinkunft, mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen ein Kräftemessen hinsichtlich Beschleunigung, und Bedienungsgeschicklichkeit, durchzuführen, um dadurch zu ermitteln, welcher von ihnen sein Fahrzeug besser beherrschen und beschleunigen könne, und sich dabei gegenüber dem anderen durchsetze.
Dabei war den einheimischen und ortskundigen Angeklagten bewusst, dass nach der Kreuzung S-Straße für eine Strecke von wenigstens 600 Meter keine stationäre Geschwindigkeitserfassung installiert gewesen ist. Sie wählten daher diesen Streckenabschnitt mit Fahrtrichtung stadteinwärts als Ort des Wettbewerbes aus.
Ihrem Vorhaben entsprechend, fuhren die beiden Angeklagten nebeneinander (der Angeklagte W auf dem linken, der Angeklagte S auf dem rechten Geradeausfahrstreifen) auf die Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage an der Kreuzung K-Straße/S-Straße zu, um gleiche Voraussetzungen für ihren Wettbewerb zu schaffen und bei einem Umschalten auf Grün ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Während die Angeklagten sich der Kreuzung näherten, fuhr auf der linken Geradeausfahrspur ein weiterer unbekannter PKW vor dem Angeklagten W und drohte dadurch das gleichzeitige Anfahren auf identischer Höhe als Hindernis zu stören bzw. zu verhindern. Der Angeklagte W wechselte deshalb zu einem nicht exakt bekannten Zeitpunkt auf die sich 100 Meter vor der Kreuzung links abzweigende Linksabbiegespur und rollte auf dieser parallel zum Angeklagten S auf die Haltelinie vor der Kreuzung zu.
Beim Umschalten der Ampelphase für die Geradeausfahrt von Rot auf Grün waren die Angeklagten fast an die jeweiligen Haltelinien herangerollt und gaben sodann beide kräftig Gas, um möglichst schnell zu beschleunigen und damit den jeweils anderen zu übertrumpfen. Der Angeklagte W schnellte dabei über die Haltelinie des Linksabbiegestreifens in die Kreuzung ein, obwohl die zu dieser Spur gehörende Lichtzeichenanlage Rot zeigte und setzte sich sodann auf die linke Geradeausfahrspur vor den dort gerade erst langsam anfahrenden unbekannten PKW. Gleichzeitig beschleunigte auch der Angeklagte S, sodass sich die Fahrzeuge bereits in der Mitte der Kreuzung auf gleicher Höhe nahezu nebeneinander fahrend wiederfanden.
Ihrem Tatplan folgend, gaben beide Angeklagten daraufhin unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten ihrer Fahrzeuge erneut kräftig Gas und beschleunigten dabei auf einer Strecke von ca. 120 Meter auf mindestens 100 km/h.
Während des Beschleunigungsvorganges führte kurzfristig bis zum Ende des Kreuzungsbereichs das Fahrzeug des Angeklagten W. Es wurde jedoch durch das Fahrzeug des Angeklagten S eingeholt, nachdem dieser noch stärker beschleunigte. In der Folge fuhren die Angeklagten nahezu parallel auf gleicher Höhe, wobei immer nur kurzfristig und wechselseitig ein Fahrzeug die Nase vorn hatte, bis sie die 160 Meter entfernt hinter der Kreuzung in einer Seitenstraße stehende Polizeistreife wahrnahmen. Mit dem Erkennen der Polizeistreife, stellten die Angeklagten die weitere Beschleunigung ein, fuhren jedoch mit noch unveränderter Geschwindigkeit parallel an der Polizeistreife vorbei.
Die Polizeistreife (namentlich die Zeugen POK ED und PKA LO) nahm unmittelbar mit maximaler Beschleunigung die Verfolgung der vorbeigefahrenen Angeklagten auf und gab sich dabei durch Blaulicht und Lichthupe zu erkennen, da für sie ein Abbremsen der Angeklagten beim Vorbeifahren noch nicht erkennbar war.
Die Angeklagten bremsten daraufhin ab und kamen ca. 320-340 Meter hinter dem Ausgangsstandort der Polizei zum Stehen, wobei die Polizeistreife den Angeklagten S im Vorbeifahren aufforderte, rechts, und den kurz darauf erreichten Angeklagten W aufforderte links an die Fahrbahnseite zu fahren. Entsprechend der Anweisung fuhren die Angeklagten wenige Meter weiter an den jeweiligen Fahrbahnrand und kamen zum Stehen.
Anschließend wurden die Angeklagten durch die Polizei aufgefordert, sich auf die rechts abzweigende Zufahrtsstraße „K Steig“ zu begeben, um die Fahrbahn zu räumen. Dort traten die Angeklagten beide selbstsicher und uneinsichtig auf. Erst nachdem die Polizeibeamten weitere Verstärkung hinzugerufen hatten, beruhigte sich das Geschehen und es fand die abschließende polizeiliche Kontrolle und Feststellung der Personalien und Fahrereigenschaften statt.
Zum Zeitpunkt der Fahrt war es jahres- und uhrzeitbedingt dunkel. Die K-Straße war aber gut ausgeleuchtet und trocken und es waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs.
Bei der Durchführung ihres Fahrmanövers war den Angeklagten bekannt und bewusst, dass sie keine behördliche Erlaubnis für ihr Vorhaben besaßen.
IV. Beweiswürdigung
1. Feststellungen zur Person
a) W
Hinsichtlich der Person beruhen die Feststellungen überwiegend auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten W und den Erkenntnissen aus dem Bundeszentral- und Fahreignungsregister.
Soweit für die Bemessung der Tagessatzhöhe der Nettoverdienst ermittelt wurde, beruhen die Feststellungen auf den verlesenen Verdienstnachweisen der Firma A GmbH vom Juni, Juli und August 2020 (AS 477, 497-501 der Akte).
Soweit der Angeklagte sich hinsichtlich seines Nettoverdienstes im Rahmen seiner Einlassung zur Person dahingehend äußerte, dass er aktuell einen Betrag von 1.955,- Euro netto im Monat verdiene, konnte dies durch die oben genannten Verdienstnachweise widerlegt werden. Soweit der Angeklagte darüber hinaus angab, dass sein Grundgehalt eigentlich niedriger sei, nämlich nur 2.455,29 Euro netto betrage, und er demnächst in Kurzarbeit gehen müsse und dann nur noch 80% seines Nettogehaltes, mithin ungefähr 1.955,- Euro verdienen werde, erachtete die Kammer dies für nicht entscheidungsrelevant. Grundlage der Berechnung war für die Kammer der letzte durchschnittliche Verdienst. Mithin wurden die Einkünfte der letzten drei Monate zugrunde gelegt. Etwaige zukünftige, nicht näher zu konkretisierende bzw. zu überprüfende Änderungen der Gehaltshöhe wurden nicht berücksichtigt.
b) S
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie dem Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 04.08.2020 (AS 247-248 der Akte) und den Erkenntnissen aus dem Bundeszentral- und Fahreignungsregister, sowie den verlesenen Bußgeldbescheiden.
2. Feststellungen zur Sache
Die Feststellungen zur Sache konnten im Wesentlichen durch die teilweise geständige Einlassung des Angeklagten W, die Vernehmung der Zeugen POK ED und PKA LO, das Gutachten des Sachverständigen RÖ und die Inaugenscheinnahme diverser Lichtbilder getroffen werden.
a) Einlassungen der Angeklagten
aa) W
Am Tag des Geschehens sei er gemeinsam mit seiner Verlobten im Pkw der Marke B unterwegs gewesen, welches seinem Bruder gehöre. Er habe seiner Freundin P, den Arbeitsplatz seiner Eltern, seinen eigenen Arbeitsplatz und die Umgebung zeigen wollen. Sein Ziel sei es gewesen, sie zu motivieren, ebenfalls in P eine Stelle anzunehmen. Er sei von der Firma M GmbH, in der H-Str. in P auf die K-Straße und dann stadteinwärts gefahren. Auf Höhe des Geschäfts „Radwelt P“ sei er rechts abgebogen, da er dieses seiner Verlobten habe zeigen wollen. Dort habe er ein ziviles Polizeifahrzeug wahrgenommen, welches dort den Verkehr beobachtete. Er habe die Beamten aber im Vorbeifahren an ihrer Uniform erkannt. Er sei Mitglied in einer „Blitzergruppe“ und habe deswegen anschließend angehalten und über das Smartphone schnell eine Sprachnachricht in die betreffende Gruppe abgesetzt, dass an der besagten Stelle Polizei zur Verkehrsbeobachtung stehe. Auch habe er bei dieser Gelegenheit seiner Freundin das Fahrradgeschäft gezeigt. Er sei dann ca. 200 Meter weitergefahren, wo sich sein Arbeitsplatz befinde und habe diesen ebenfalls seiner Freundin gezeigt. Er sei dann über die R- und S-Straße und einige Seitenstraßen einen Bogen gefahren und sei letztlich ungefähr 10 Minuten später wieder an der Ecke K-Straße/JM- Straße bei der Niederlassung der Automarke C nach rechts auf die K-Straße, erneut stadteinwärts, eingefahren. Das neue Ziel sei nun sein Zuhause gewesen.
Für die Fahrt auf der K-Straße habe er die linke Geradeausspur genutzt. Dort sei vor ihm ein anderer Pkw gefahren, der deutlich unter der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren sei. Dies habe ihn sehr genervt. Kurz vor der Kreuzung K-Straße/S-Straße würde aus der zweispurigen K-Straße noch eine Linksabbiegespur entspringen. Er habe den Pkw überholen wollen. Deshalb habe er stark beschleunigt, um vor dem langsam fahrenden Pkw vor der Lichtzeichenanlage an der besagten Kreuzung noch wiedereinscheren zu können und sei hierfür über die Linksabbiegespur gefahren. Dies sei auch gelungen, denn genau als er den Überholvorgang abgeschlossen habe, sei die Ampel für das Geradeausfahren auf „Grün“ umgesprungen. Er habe dabei die durchgestrichene Linie auf der Fahrbahn zwischen Geradeaus- und Linksabbiegespur kurz vor der Ampel nicht überfahren. Der Überholvorgang sei bereits vorher beendet gewesen. Weder der langsame Pkw, den er überholt habe, noch er selbst hätten vor der Lichtzeichenanlage abbremsen müssen, sondern er habe erneut kräftig Gas gegeben und gebe zu, dass er deswegen kurzzeitig bestimmt 100km/h schnell gefahren sei. Er habe auf seinem Tachometer gesehen, dass er diesen Wert erreichte. Er habe aber keinesfalls Vollgas gegeben und sein Fahrzeug ausgereizt.
Er habe dabei völlig vergessen, dass wenige hundert Meter weiter die Polizei ihren Standort gehabt habe. Zwar habe er sich gleich beim Vorbeifahren erinnert und daraufhin nicht weiter beschleunigt und damit die Geschwindigkeit wieder verringert, im Vorbeifahren habe er aber auf sein Tachometer geschaut und gesehen, dass dieser 100 km/h gezeigt habe. Er sei sehr verärgert gewesen, dass er die Polizeistreife vergessen hatte. Er habe sein Fahrzeug dann mehr oder weniger ausrollen lassen. Die Polizei sei sofort hinterhergefahren. Ungefähr auf Höhe des Juweliers Goldhaus/Goldriese kurz vor dem Abfahrtsstreifen „K Steig“ sei sein Fahrzeug zum Stehen gekommen. Die Polizei habe ihn aufgefordert links ranzufahren.
Auf Anweisung sei er dann rechts auf die Zufahrt zur „K Steig“ gefahren und habe dort sein Fahrzeug geparkt. Erst da habe er einen weiteren PKW der Marke B wahrgenommen. Dieser müsse auf der rechten Geradeausspur hinter ihm versetzt gefahren sein, er habe diesen während der Fahrt nämlich nicht gesehen. Möglicherweise habe dies an der vorherrschenden Dunkelheit gelegen. Warum er für seinen einleitenden Überholvorgang nicht auf der rechten Geradeausspur gefahren sei, obwohl diese seiner Wahrnehmung nach frei gewesen sei, könne er nicht erklären. Auch wisse er nicht, warum er nicht gleich auf der rechten Geradeausfahrspur gefahren sei.
Bei der anschließenden Kontrolle hätten sich die Polizeibeamten unmöglich benommen und sofort lauthals herumgeschrien. Es seien ihm gegenüber Sätze gefallen wie „Deinen Führerschein bist du los, das garantiere ich!“ und „Ich habe ein Video!“.
Bei der Kontrolle seien seine Personalien aufgenommen worden und er habe einen der Polizisten dann gefragt, ob er das erwähnte Video sehen könnte, er sei jedoch brüsk zurückgewiesen worden. Nach der Kontrolle habe er seinen Bruder angerufen. Dieser sei zur Kontrollstelle gekommen, habe ihn beruhigt und anschließend seien sie mit dem PKW der Marke B weggefahren. Nunmehr sei aber der Bruder gefahren.
Einen Kontakt mit den Insassen des anderen PKW der Marke B habe es nicht gegeben. Er habe deren Insassen auch nicht gekannt, insbesondere nicht den Mitangeklagten S, der wohl der Fahrer des anderen Autos gewesen sein soll. Auch habe es keine Unterhaltung mit den Insassen des anderen Pkws gegeben.
bb) S
Er und seine im Auto anwesenden Cousins seien von der Autobahn A8 gekommen und über die K-Straße in Richtung P-Innenstadt gefahren. An der Kreuzung K-Straße/S-Straße sei die Ampel auf Rotlicht gewesen und er sei deswegen langsam auf diese zugerollt. Dabei habe er auch den auf der linken Geradeausfahrspur fahrenden anderen PKW der Marke B wahrgenommen. Er habe das Fahrzeug dabei auch wiedererkannt, denn die Anzahl dieses konkreten Fahrzeugtyps in P sei überschaubar und man würde sich als Fahrer eines solchen Fahrzeuges untereinander kennen. Den Fahrer des Fahrzeuges habe er aber nicht wahrgenommen.
Als er fast an die Lichtzeichenanlage herangerollt war, habe diese auf grün gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch eine Geschwindigkeit von ca. 10 km/h gehabt.
Der Angeklagte W habe beim Heranrollen an die Lichtzeichenanlage stark beschleunigt und ein vor ihm fahrendes Fahrzeug überholt und sich vor dieses gesetzt. Als die Ampel auf Grünlicht umgesprungen sei, habe der Angeklagte W weiter beschleunigt und sei davongefahren. Nach der Kreuzung habe er den PKW der Marke B des Herrn W vor sich gesehen. Dieser sei ungefähr mit 90-100 km/h gefahren. Er selbst habe ebenfalls beschleunigt, sei jedoch mit maximal 70 km/h gefahren. Er sei nie mit dem Fahrzeug des Angeklagten W auf einer Höhe gewesen und habe diesen auch nicht einholen wollen. Es habe immer einen Abstand von mindestens 3-5 Autolängen zwischen ihren beiden Fahrzeugen gegeben. Er habe niemals die Absicht gehabt, ein Rennen zu fahren und es habe auch keine zugrundeliegende Absprache gegeben. Er habe das Polizeifahrzeug an der Seite nicht wahrgenommen, erst als dieses vorrollte, sei es ihm aufgefallen und er habe dann sofort abgebremst. Das Polizeifahrzeug sei hinter ihm auf die K-Straße eingebogen. Die Polizisten wären ihnen hinterhergefahren und hätten zuerst ihn eingeholt und ihm Zeichen gegeben, rechts an den Fahrbahnrand zu fahren. Anschließend seien die Polizisten zum PKW des Angeklagten W aufgeschlossen und hätten diesen aufgefordert, an die linke Fahrbahnseite zu fahren. Nachdem beide Fahrzeuge gestanden hätten, hätte die Polizei sie erneut angewiesen, auf die rechts vor ihnen befindliche Zufahrt „K Steig“ zu fahren. Dies habe er dann auch gemacht. Dort seien sie dann kontrolliert worden.
Der Beamte POK ED sei zu ihm gekommen und habe laut geschrien, dass dies ein Rennen gewesen sei. Er habe dies bestritten. POK ED habe daraufhin gesagt, dass diese Frage dann vor Gericht geklärt werden könne und man werde sehen, wer zuletzt lacht.
Kurz darauf sei der andere Polizeibeamte PKA LO zu ihm an den PKW gekommen und habe gefragt, ob „er Papis Auto genommen habe“ und dieses „mal ordentlich habe austesten wolle, was dieses so könne“. Er habe darauf geantwortet, dass er sowas in der Stadt nicht brauche und auch nicht könne. Einer der beiden Polizeibeamten habe gesagt, dass er ein Videobeweis habe, diesen habe er sehen wollen, was ihm jedoch verweigert worden sei. Er sei dann ausgestiegen und am Dienstfahrzeug der Polizisten vorbeigegangen, um zu schauen, ob dort eine Kamera verbaut sei. Die Polizeibeamten hätten ihn jedoch lautstark aufgefordert von ihrem Fahrzeug wegzugehen, sonst würden sie ihn mit auf die Wache nehmen. Zur Kontrolle seien dann noch weitere Polizisten gekommen. Nach der Kontrolle und Feststellung der Personalien seien sie weggefahren.
b) Soweit die Angaben der Angeklagten von dem festgestellten Sachverhalt abweichen, konnten ihre Einlassungen durch die weiteren Beweismittel widerlegt werden.
aa) Zeuge POK ED
Der polizeiliche Sachbearbeiter des Verfahrens schilderte folgende Wahrnehmung vom seinerzeitigen Geschehen:
Er habe an dem besagten Tag gemeinsam mit PKA LO den Verkehr an der K-Straße beobachtet. Sie hätten sich mit ihrem zivilen Einsatzfahrzeug in eine Seitenstraße gestellt und so positioniert, dass sie den Kreuzungsbereich K-/S-Straße genauestens hätten einsehen können. Zur besagten Zeit am 20.01.2019 um 19:20 Uhr sei nicht mehr viel Verkehr unterwegs gewesen, sodass die Verkehrsbeobachtung leichtgefallen sei. Insbesondere seien zu der Uhrzeit selten Fahrzeuge von der S-Straße auf die K-Straße eingebogen, sodass immer die besagte Kreuzung und der dortige Verkehr der K-Straße habe eingesehen werden können. Aufgrund der Dunkelheit zur Tatzeit sei durch die Scheinwerfer immer eindeutig erkennbar gewesen, wie viele Fahrzeuge an welchem Ort an der Kreuzung gestanden hätten.
Ungefähr 20 Minuten vor dem eigentlichen Vorfall sei der Angeklagte W in einem PKW der Marke B angefahren gekommen und in ihre Seitenstraße eingebogen. Er habe neben ihnen kurz angehalten und ihnen vielsagend zugelächelt. Dann sei er weiter in die Nebenstraße eingefahren und sie hätten ihn aus den Augen verloren und ihre Verkehrsbeobachtung fortgesetzt. Kurz darauf sei ein Fahrzeug von ihnen verfolgt und kontrolliert worden, wofür sie ihren Standort hätten verlassen müssen. Anschließend seien sie ca. 15-20 Minuten später von hinten über die Nebenstraße wieder auf ihren Beobachtungsposten zurückgekehrt, um die Verkehrsbeobachtung fortzusetzen.
Unmittelbar vor dem Vorfall habe sich für sie das folgende unauffällige Bild ergeben: Auf der linken Geradeausfahrspur habe ein nicht näher bekannter Pkw vor der Ampel gestanden, da die Lichtzeichenanlage rot gezeigt habe. Auf der rechten Geradeausfahrspur sei ein PKW, der sich später als der PKW der Marke B des Angeklagten S herausgestellt habe, langsam an die rote Lichtzeichenanlage herangefahren. Diese beiden Fahrzeuge, ihr jeweiliger Standort und deren Fahrwege seien durch die Scheinwerfer klar zu identifizieren gewesen. Das Fahrzeug des Angeklagten S habe aber die Haltelinie noch nicht erreicht gehabt.
Plötzlich habe der PKW auf der rechten Geradeausfahr (Fahrzeug S) kräftig und laut beschleunigt und zeitgleich sei ein weiterer PKW (Fahrzeug W) mit Vollgas links an dem auf der linken Geradeausfahrspur noch stehenden oder gerade erst langsam anfahrenden PKW vorbeigerast, wobei er die Rotlicht zeigende Linksabbiegespur für sein Überholmanöver genutzt habe. Die starke Beschleunigung des Angeklagten S sei auch an den Scheinwerfern bei der Erstbeschleunigung erkennbar gewesen, da die Fahrzeugfront sich durch die Beschleunigung nach unten und oben bewegt habe, was aufgrund der Dunkelheit und der gut sichtbaren Lichtkegel der Frontscheinwerfer genau zu sehen gewesen sei.
Für einen kurzen Augenblick zu Beginn des Geschehens ungefähr an der Haltelinie der Kreuzung seien somit alle drei Fahrzeuge nebeneinander auf gleicher Höhe gewesen, weswegen er sich auch sicher sei, dass der PKW auf der linken Geradeausfahrspur (Fahrzeug des Angeklagten W) über die Linksabbiegespur in die Kreuzung eingefahren sei. Die Lichtzeichenanlage für die Linksabbiegespur habe zu diesem Zeitpunkt Rotlicht gezeigt.
Das Fahrzeug des Angeklagten W sei nach dem Überholvorgang auf die linke Geradeausfahrspur eingeschert, sodass in der Folge beide PKW der Marke B auf parallelen Spuren gefahren seien. Dabei hätten sie ein Kopf an Kopf Rennen veranstaltet, bei dem anfänglich der PKW des Angeklagten W, anschließend der PKW des Angeklagten S kurzzeitig die Führung übernommen hätten. Die Differenz der Fahrzeuge sei aber minimal gewesen. Er schätze, dass der maximale Abstand der Fahrzeugfronten ungefähr ein Meter gewesen sei.
Der Angeklagte W sei anfänglich schneller gefahren, da er wegen des vorangegangenen Überholvorganges noch die höhere Startgeschwindigkeit aufgewiesen habe. Er sei jedoch durch den Angeklagten S eingeholt worden. Die Fahrzeuge seien aber dabei, nachdem der Angeklagte S einmal aufgeholt hatte, quasi parallel nebeneinander gefahren. Als die Fahrzeuge gleichzeitig an ihnen vorbeigerast seien, habe er deren Geschwindigkeit auf ungefähr 100 km/h geschätzt.
Sie hätten mit dem Polizeidienstwagen unverzüglich die Verfolgung aufgenommen und auch das Blaulicht eingeschaltet, um die Fahrzeuge einzuholen und zum Anhalten zu bewegen. Der Motor sei aufgrund der Außentemperaturen und der Reaktionserforderlichkeit kontinuierlich eingeschaltet gewesen, sodass ein schnelles Hinterherfahren möglich gewesen sei. Die Fahrzeuge des Angeklagten W und des Angeklagten S hätten dann in der Folge auch verlangsamt und hätten wenige Hundert Meter hinter dem ursprünglichen Beobachtungsstandort der Polizei angehalten. Der Angeklagte S habe schneller die Geschwindigkeit verringert und sei daher als erster eingeholt worden.
Er habe diesen dann aus dem fahrenden Polizeifahrzeug heraus aufgefordert, an die rechte Fahrbahnseite zu fahren und anschließend sei wenige Meter weiter auch der Angeklagte W zum Anhalten gebracht worden. Beide Fahrer wurden dann angewiesen, an die rechte Zufahrt zur Straße „K Steig“ zu fahren, wo im Anschluss eine Personenkontrolle durchgeführt werden sollte. Die Insassen der Fahrzeuge seien dann ausgestiegen und es habe zwischen den Insassen der beiden Pkws auch verbalen Austausch gegeben. Bei der Korrespondenz mit den Angeklagten habe sich insbesondere der Angeklagte W durch Uneinsichtigkeit und freches verbales Verhalten hervorgetan. Es seien immer wieder Kommentare gefallen und es sei eine gereizte Stimmung gewesen. Beide Angeklagte hätten die Ermahnungen der Polizei ins Lächerliche gezogen. Der Angeklagte W habe gefordert, eine Videoaufnahme sehen zu wollen. Er habe aber erläutert, dass er lediglich erwähnt habe, dass die Ampelschaltung mittels eines Videos klar nachvollzogen werden könnte, da er dem Herrn W einen Rotlichtverstoß vorwarf. Aufgrund der angespannten Situation und der Vielzahl der anwesenden Personen habe er weitere Einsatzwagen zur Verstärkung und Absicherung angefordert. Erst nach deren Eintreffen habe sich die Situation beruhigt. Er habe das Gefühl gehabt, dass sich die Fahrzeuginsassen untereinander kennen würden. Gesprächsinhalte habe er aber nicht wahrgenommen.
Zur Tatzeit sei es dunkel und kalt gewesen. Die Straße sei jedoch durch die Lampen der Straße gut ausgeleuchtet gewesen. Die Straße befinde sich innerorts und die vor Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit betrage 50 km/h. Eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer habe es bei dem geschilderten Fahrmanöver der Angeklagten nicht gegeben.
Generell sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Geschäfte links und rechts der K-Straße zu der Uhrzeit noch geöffnet waren und immer wieder auch Fußgänger die Straße queren würden.
Seine Vermutung sei, dass der Angeklagte W -in Vorbereitung des bereits geplanten Kraftfahrzeugrennens- die Örtlichkeit nach Polizeikontrollen abgesucht habe. Er halte es für wahrscheinlich, dass der Angeklagte W die Strecke nach ihrer Begegnung ca. 10-15 Minuten später erneut abgefahren sei und gesehen habe, dass der Beobachtungsposten nun nicht mehr von der Polizei besetzt gewesen sei. Dies könnte zu dem Zeitpunkt gewesen sein, als er und der Kollege das weitere Fahrzeug kontrolliert hätten. Anders könne er sich nicht erklären, warum der Angeklagte W wenige Minuten später an ihnen vorbeigerast sei, obwohl er sie als Polizeibeamte offensichtlich zuvor im Vorbeifahren erkannt habe.
bb) Zeuge PKA LO
Der Zeuge PKA LO konnte sich nur noch an einige markante Einzelheiten des Geschehens erinnern:
Er wisse noch, dass es am besagten Tattag eine Kontrolle wegen des Verdachts des unerlaubten Kraftfahrzeugrennens gegeben habe und dass bei dem besagten Vorfall zwei Fahrzeuge relativ parallel nebeneinander und mit hoher Geschwindigkeit an ihrem Beobachtungspunkt vorbeigerast seien. Beide Fahrzeuge hätten jeweils einmal kurz geführt. Er und sein Kollege hätten unverzüglich die Verfolgung aufgenommen und die Fahrzeuge kurz darauf zum Stehen gebracht.
Auf ihrer Höhe hätten die Fahrzeuge noch nicht mit dem Abbremsvorgang begonnen, sondern seien noch im Beschleunigungsvorgang gewesen. Ein Abbremsen sei erst anschließend erfolgt, nachdem sie mit Blaulicht die Verfolgung aufgenommen hätten.
In der Folge seien beide Fahrer an die rechte Fahrbahnseite beordert worden. Dort hätten auch die nähere Feststellung der Personalien stattgefunden.
Er könne sich noch erinnern, dass bei der anschließenden Kontrolle seitens der Angeklagten eine gereizte und aggressive Stimmung vorgeherrscht habe. Details über die konkreten Gesprächsinhalte habe er jedoch nicht mehr in Erinnerung. Er wisse aber noch, dass er den Angeklagten S gefragt habe, ob dieser sein Fahrzeug mal habe „austesten wollen“. Dieser habe daraufhin geantwortet, das brauche er nicht, er wisse was sein Fahrzeug könne. Besonders der Angeklagte W habe im Rahmen der Kontrolle immer wieder provoziert. Die Stimmung sei deswegen sehr gereizt gewesen. Durch seinen Kollegen sei deshalb Verstärkung hinzugerufen worden.
cc) Zeuge NH
Das Auto der Marke B, mit dem sie gefahren seien, würde seinem Cousin gehören. Dieser habe ihn kurz vor dem Geschehen erst gekauft. Das Auto habe deshalb auch noch ein Kurzzeitkennzeichen gehabt. Der Pkw sei jedoch im Dezember 2019 wieder an eine Werkstatt der Marke B verkauft worden und sein Cousin würde mittlerweile einen PKW der Marke D fahren.
Sie seien an dem besagten Tag zu dritt unterwegs gewesen. Der Angeklagte S sei gefahren, sein Cousin, der Zeuge T, sei Beifahrer gewesen und er habe hinten rechts gesessen. Sie seien von der Autobahn gekommen und über die K-Straße in Richtung P-Innenstadt gefahren.
Er habe weder von einer Beschleunigung, noch von einem Rennen etwas mitbekommen. Er habe die Fahrt als völlig unspektakulär erlebt, bis die Polizei sie angehalten habe. Die gefahrene Geschwindigkeit würde er auf 50-60 km/h schätzen. Ein auffälliges Fahrverhalten habe er nicht bemerkt und auch keinen anderen PKW, der neben ihnen gefahren sei.
Er habe an die Gespräche im Rahmen der polizeilichen Kontrolle keine nähere Erinnerung mehr. Er glaube, er habe währenddessen an seinem Mobiltelefon herumgespielt. Bei der damaligen Kontrolle sei die Stimmung der Polizeibeamten aggressiv gewesen. Diese hätten herumgeschrien.
dd) Zeuge RT
Sie seien zu dritt mit dem PKW des Herrn S unterwegs gewesen. Sie seien zusammen von der Autobahn abgefahren und hätten die K-Straße als Weg Richtung Innenstadt genutzt. Sie wollten dort etwas essen gehen. Er sei Beifahrer des Herrn S gewesen. Die Ampel sei rot gewesen und ihr Fahrzeug habe deswegen zuvor abgebremst. Zum Stillstand seien sie nicht gekommen. Ob noch andere Fahrzeuge an der Kreuzung gestanden hätten könne er nicht mehr angeben. Als es Grün geworden sei, seien sie weitergefahren. Sein Cousin NH habe rechts auf der Rückbank gesessen.
Ihr Fahrzeug hätte auf 50-60 km/h beschleunigt und auf der Kreuzung seien sie von links von einem Fahrzeug überholt worden. Sie selbst seien auf der rechten Geradeausfahrspur gefahren. Das Fahrzeug, das an ihnen vorbeigefahren sei, sei laut gewesen, deswegen sei es ihm aufgefallen. Er habe es dann nicht weiter beachtet. Plötzlich sei die Polizei da gewesen und habe sie aufgefordert an den rechten Fahrbahnrand zu fahren, was sie dann auch getan hätten. Die Polizei hätte sich durch Blaulicht und Lichthupe bemerkbar gemacht.
Die Beamten hätten ihnen vorgeworfen, ein illegales Kraftfahrzeugrennen veranstaltet zu haben. Die Insassen im anderen Fahrzeug habe er nicht gekannt, es seien ein Mann als Fahrer und eine Frau als Beifahrerin gewesen. Die Polizeibeamten hätten bei der Kontrolle hektisch gewirkt.
Ihm und den anderen sei es ein Rätsel gewesen, warum die Polizei sie angehalten habe.
Hinsichtlich des Angeklagten S zur Person könne er nur angeben, dass dieser derzeit arbeitslos sei. Was er an Einkommen habe, wisse er nicht. Er wohne bei seinen Eltern in einer 3-4 Zimmer Wohnung. Die Familie wohne dort aber nur übergangsweise, da sie derzeit dabei seien, ein Haus zu bauen.
ee) Ausführungen des Sachverständigen
Seitens des Sachverständigen wurden die einzelnen Schilderungen einer technischen Plausibilitätskontrolle unterworfen:
Thema: Ampelschaltung
Er habe die Ampelschaltungspläne an der Kreuzung K-Straße/S-Straße eingesehen. Zwar sei es hinsichtlich der Ampelphasen möglich, dass sowohl die Lichtzeichenanlage der Linksabbiegespur als auch der Geradeausfahrspuren gleichzeitig Grün zeigen könnten, jedoch nur dann, wenn die entsprechenden Induktionsschleifen unter den Fahrspuren entsprechend aktiviert worden wären. Eine solche Aktivierung der Induktionsschleifen würde nur dann erfolgen, wenn ein Fahrzeug für die Dauer von einigen Sekunden vor der Haltelinie auf der Linksabbiegespur gestanden hätte. Erst dann würde das Signal gesendet, dass eine Ampelphase gebraucht werde, in welcher die Linksabbiegespur Grün angezeigt bekomme. Automatisch würde diese Ampelphase (in der ein Linksabbiegestreifen Grünlicht erhalte) nicht geschaltet werden. Eine solche Variante, bei der ein Fahrzeug längere Zeit auf der Linksabbiegespur gestanden habe, sei von keinem Prozessbeteiligen vorgetragen worden. Ein Überholvorgang über die Induktionsschleife hätte, selbst wenn diese dadurch aktiviert worden wäre, allenfalls nach ca. 30-40 Sekunden zu einer Grünphase für die Linksabbiegespur führen können, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls die „Grundphase“ aktiv gewesen sei, bei der nur die beiden Geradeausfahrspuren Grün gehabt hätten, der Linksabbiegestreifen jedoch Rotlicht gezeigt habe.
Thema: Plausibilität der Geschwindigkeitsangaben
Die Schilderung des Angeklagten W, er habe den vor ihm stehenden PKW mit 30-40 km/h überholt, sei aus technischer Sicht möglich, wenn der unbekannte PKW sehr langsam auf die Kreuzung zugefahren wäre.
Weiterhin habe der Angeklagte W angegeben, dass er die Polizei ca. 40 Meter vor deren Standort wahrgenommen und dann die Beschleunigung eingestellt habe. Er habe mithin auf einer Strecke von 120 Meter (ab der Haltelinie) sein Fahrzeug beschleunigt und nach eigenen Angaben dabei 100 km/h erreicht, was er an seinem Tachometer abgelesen habe. Diese Angabe sei technisch möglich und würde kein absolutes Ausreizen der Fahrzeugleistung bedeuten, gleichwohl jedoch eine ganz erhebliche Beschleunigung zur Vorbedingung haben, die akustisch in- und außerhalb des Fahrzeuges deutlich wahrnehmbar gewesen wäre.
Die Angaben des Angeklagten W würden sich auch mit den Schilderungen des Zeugen POK ED decken, der die Angaben der vorbeifahrenden Fahrzeuge auf ca. 100 km/h geschätzt habe.
Anders verhalte es sich mit den Angaben des Angeklagten S und dessen Fahrzeuginsassen. Diese hätten angegeben, sie seien ungefähr mit 50-60 km/h, jedoch höchstens 70 km/h gefahren. Selbst jedoch, deren Einlassung zu Grunde gelegt, wenn bei der höchsten Angabe von einer Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h ausgegangen werden würde, wäre der Abstand zwischen den Fahrzeugen der Angeklagten in kurzer Zeit so groß geworden, dass das Fahrzeug des Angeklagten S auf Höhe der Polizei bereits ca. 5 Sekunden später als das Fahrzeug des Angeklagten W angekommen wäre. Der Abstand zwischen den Fahrzeugen hätte mindestens 40 Meter betragen. Das wiederum würde bedeuten, dass die Polizeibeamten dann nach dem Vorbeifahren des Angeklagten W ca. 5 Sekunden mit dem Anfahren hätten warten müssen, damit auch der Angeklagte S an ihnen vorbeigefahren wäre. Dies widerspreche aber den Angaben der Polizeibeamten.
Aus technischer Sicht müsse der Angeklagte S entweder gleich schnell wie der Angeklagte W gefahren sein, als er die Kontrollstelle passiert habe, oder sogar schneller, sonst hätte die Polizei nicht gleichzeitig die Verfolgung beider Fahrzeuge aufnehmen können. Mithin seien hinsichtlich der Geschwindigkeit entweder die Angaben des Angeklagten S und seiner Mitfahrer oder die Angaben des Angeklagten W und die der Polizeibeamten richtig.
Thema: Wahrnehmbarkeit der Beschleunigung
Aus technischer Sicht könne mitgeteilt werden, dass eine entsprechende Beschleunigung von 10-30 km/h auf 100 km/h auf kurze Distanz mit einem erheblichen Lärmpegel verbunden sei, den jeder Verkehrsteilnehmer wahrnehmen müsse. Die Fahrzeuge seien auch nicht darauf ausgelegt diesen Lärm zu unterdrücken. Lediglich eine eigene entsprechende Beschleunigung könne den Beschleunigungslärm eines anderen Fahrzeuges überdecken.
ff) Übersichten und Anschauungsmaterial
Die folgenden Abbildungen wurden im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach zur Verdeutlichung durch die Verfahrensbeteiligten und teilweise gemeinsam mit den Zeugen in Augenschein genommen. Sie dienten der besseren Veranschaulichung und Darstellung der konkreten Fahrstrecke und des jeweiligen Fahrverhaltens. Die Abbildungen wurden dem Programm „Maps“ entnommen und vor der in Augenscheinnahme jeweils in den konkreten bearbeiteten Endzustand gebracht. Der konkrete Belegenheitsort ist jeweils über der Abbildung angegeben. Auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder im Original wird nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen.
Umgebungskarte (vgl. Anlage I zum Protokoll vom 11.09.2020)
…………
Auf der obigen Umgebungskarte ist oben die Autobahn A8 zu erkennen und links die Zufahrt zur B10, der K-Straße. Die konkrete Fahrstrecke bei der Tat ist durch die schwarze Linie dargestellt. Deutlich werden aus der Abbildung auch die Umgebung des Tatortes, die vielen Seitenstraßen und der gerade Streckenverlauf der gegenständlichen Fahrstrecke.
Tatort: Startposition (vgl. Anlage IV zum Protokoll vom 11.09.2020)
…………..
Die Abbildung verdeutlicht die konkrete Strecke und das dort getätigte Fahrverhalten der Angeklagten zu Beginn der Fahrt. Die Fahrstrecke der beiden Angeklagten wurde durch die zwei roten Linien dargestellt. Die Pfeilrichtung verdeutlich die Fahrtrichtung.
Das unbekannte Fahrzeug, welches durch das Fahrzeug des Angeklagten W umfahren wurde, ist mit einem schwarzen Pfeil dargestellt. Die seitlich in schwarz eingezeichnete Strecke dient der Darstellung der Entfernung vom Beginn der Fahrt bis zum Standort des Polizeifahrzeuges, welches mit einem blauen Pfeil abgebildet wurde.
Tatort: Übersicht Entfernung (vgl. Anlage III zum Protokoll vom 07.10.2020)
………….
Auf dieser Übersichtskarte ist zum einen die Umgebung des Tatortes und der umliegenden Gewerbebetriebe ersichtlich und zum anderen wurde die weitere Fahrstrecke der Angeklagten bis zum ungefähren Haltepunkt in Metern angegeben. Die Fahrtrichtung war dabei von links nach rechts.
Am rechten Rand des Bildes ist die Zufahrtsstraße „K Steig“ zu erkennen, auf deren Auffahrt die Feststellung der Personalien stattfand.
Tatort: Abschnitt 3 (vgl. Anlage VI zum Protokoll vom 11.09.2020)
………….
Auf dieser Abbildung ist das abschließende Fahrverhalten der Angeklagten und der Polizei dargestellt. Die Fahrstrecke der Fahrzeuge der Angeklagten (von links nach rechts) ist erneut in roter Farbe kenntlich gemacht. Das Fahrzeug der Polizei ist erneut in blauer Farbe dargestellt. Zu sehen ist durch die kleinen seitlichen Markierungen auch, wo welches Fahrzeug durch die Polizei erstmalig im Vorbeifahren zum Anhalten aufgefordert wurde.
c) Würdigung der Kammer
aa) objektiver Tatbestand:
Seitens der Kammer wurde insbesondere die ausführliche Schilderung des Sachverhalts durch POK ED für glaubhaft erachtet und die objektiven Feststellungen zum Sachverhalt beruhen daher weitestgehend auf seinen geschilderten Wahrnehmungen. Im Rahmen der Berufungshauptverhandlung konnten diese Angaben zudem in wesentlichen Aspekten (z.B. hinsichtlich der Geschwindigkeit) auch durch die erstmalige Einlassung des Angeklagten W bestätigt werden. Auch das Gutachten des Sachverständigen RÖ bekräftigte seine Angaben.
Zur besseren Übersichtlich- und Anschaulichkeit wurden zusätzlich die oben dargestellten Lichtbilder herangezogen.
Gründe für die Bildung der gerichtlichen Überzeugung:
(1) Der Zeuge POK ED konnte seine Wahrnehmung wiederholt im gesamten Verfahren glaubhaft und in sich schlüssig wiedergeben. Die Wahrnehmung umfasst die Ausgangsposition der Fahrzeuge und deren Standort, die Fahrtstrecke und die Geschwindigkeit sowie die Kontrollsituation.
Für die Kammer war nachvollziehbar, dass die Polizei von ihrem Beobachtungsposten aus einen guten Blick auf die Ausgangskreuzung nehmen konnte und auch die Lichtverhältnisse eine Verortung der einzelnen Fahrzeuge durch ihre Scheinwerfer begünstigten.
(2) Demgegenüber ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen POK ED zu zweifeln. Dieser schilderte seine Wahrnehmung, ohne dass eine Belastungstendenz oder ein Belastungseifer erkennbar gewesen wäre. Darüber hinaus waren die Angaben bei der Beschreibung des konkreten Fahrverhaltens der Angeklagten sehr detailliert. So konnte nicht nur die genaue Position der einzelnen Fahrzeuge, sondern auch deren genaues Fahrverhalten dargestellt werden. Selbst kleine Bewegungen der Fahrzeuge und, wer wann das Rennen anführte, konnten noch berichtet werden.
(3) Seine Angaben im gesamten Verfahren waren kontinuierlich gleichbleibend und sie konnten durch die spätere Einlassung des Angeklagten W und die Berechnungen des Sachverständigen RÖ auch im Wesentlichen bzw. in technischer Hinsicht bestätigt werden.
(4) Die Wahrnehmungen des POK ED wurden im Wesentlichen nur durch die Aussagen der Zeugen NH, RT und die Angaben des Angeklagten S in Zweifel gezogen. Deren Schilderungen standen in einem erheblichen Widerspruch zu seinen Angaben, da von einer völlig anderen Geschwindigkeit und auch Fahrposition des Fahrzeuges S berichtet wurde.
Allerdings konnten deren Angaben die Kammer nicht überzeugen. Dies beruht zum einen darauf, dass ihre Sachverhaltsschilderung nach den Ausführungen des Sachverständigen R sich technisch nicht mit den anderen plausiblen Abläufen und Schilderungen in Übereinstimmung bringen lassen. So würden deren Angaben die Schilderungen des Angeklagten W physikalisch ausschließen und gleichzeitig bedeuten, dass die Schilderungen der Polizeibeamten unwahr sind. Hierzu bestand jedoch kein Anlass.
Die Kammer sah keinen Anhaltspunkt dafür, warum der Angeklagte W sich durch eine unwahr angegebene, übertrieben hohe Geschwindigkeit zu Unrecht selbst belasten sollte. Demgegenüber lag es nahe, dass der Angeklagte S seine eigene Tatbeteiligung durch eine zu niedrig angegebene Geschwindigkeit zu negieren oder abzuschwächen versuchte und seine zwei Beifahrer, die gleichzeitig seine Cousins sind, ihn schützen wollten. Gegen eine Glaubhaftigkeit konkret des Zeugen H sprach auch, dass dieser nicht einmal ein anderes stark beschleunigendes Fahrzeug in irgendeiner Art und Weise wahrgenommen haben will, obgleich er angab, zur Tatzeit nicht abgelenkt gewesen zu sein.
(5) Soweit die Angeklagten übereinstimmend äußerten, die Polizeibeamten seien bei der sich anschließenden Kontrolle ihrerseits forsch und wütend aufgetreten und hätten sich unmöglich benommen, konnte die Kammer diese Überzeugung nicht gewinnen. Die Angaben gehen insoweit zwischen den beiden Lagern auseinander. So schilderte der Zeuge POK ED, dass die Angeklagten ihrerseits fordernd und provozierend aufgetreten seien und er deswegen habe Verstärkung anfordern müssen. Dies wurde auch durch den Zeugen PKA LO bestätigt. Für eine Glaubhaftigkeit der Angaben von POK ED und PKA LO spricht dabei der Umstand, dass bei einem zurückhaltenden Auftreten der Angeklagten kein Anlass dazu bestanden hätte, weitere Verstärkung für die Durchführung der Personenkontrolle anzufordern. Diese Handlung lässt sich jedoch zweifelsfrei mit dem Umstand in Einklang bringen, dass die Angeklagten gegenüber den Beamten jedenfalls auch fordernd und gereizt aufgetreten sind. Auch die Erinnerung von PKA LO hinsichtlich der verwendeten Wortwahl des Angeklagten S „er wisse was sein Fahrzeug könne“ weist auf eine erstaunliche Selbstsicherheit in der konkreten Kontrollsituation hin, die die Schilderung der Polizeibeamten stützt. Auch die Strafkammer selbst konnte sich im Rahmen des Gerichtsverfahrens einen Eindruck davon verschaffen, dass beide Angeklagten redegewandt sind und deutlich ihren Standpunkt vertreten.
bb) subjektiver Tatbestand
Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes hat das Gericht seine Überzeugung aus einer Gesamtschau mehrerer Indizien gebildet. Für die Kammer kamen insoweit bei Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts nur drei mögliche subjektive Tatbestandsvarianten bei den Angeklagten in Betracht:
- Zum ersten, dass die Angeklagten sich jedenfalls konkludent im Vorfeld zu einem Rennen und Austesten ihrer Fahrzeuge und der Beschleunigung derselben bereit erklärt oder sogar verabredet hatten.
- Zum zweiten, dass sie lediglich zufällig an der besagten Örtlichkeit zusammenkamen und unabhängig voneinander den Entschluss fassten, spontan zu beschleunigen.
- Zum Dritten, dass einer der Angeklagten eigenständig beschleunigte und der andere spontan den persönlichen Ehrgeiz entwickelte diesen einzuholen und damit nach außen das Bild eines Kraftfahrzeugrennens entstand.
Bei der Würdigung der gesamten Tatumstände und der Persönlichkeit der Angeklagten kam die Kammer zu der festen Überzeugung, dass nur die erste Variante in Betracht kommt.
(1) So erschien dem Gericht bereits die einführende Einlassung des Angeklagten W, er habe seiner Verlobten die Örtlichkeit zeigen wollen, insbesondere unter Berücksichtigung von Tat- und Uhrzeit wenig plausibel, da bereits die Lichtverhältnisse eine Besichtigung der Örtlichkeiten etc. nur schwer möglich gemacht hätten. Für die Kammer drängte sich vielmehr die Vermutung auf, dass der Angeklagte W die spätere Fahrstrecke auf Polizeipräsenz und Blitzer auskundschaften wollte. Auch konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte W vergessen hatte, dass die Polizei an dem besagten Kontrollposten stand und trotzdem ca. 20 min später auf eine derart hohe Geschwindigkeit von 100 km/h beschleunigte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er selbst angab, den Standort der Polizei noch in seine „Blitzergruppe“ gepostet zu haben. Vielmehr erlangte die Kammer die Überzeugung, dass der Angeklagte W tatsächlich zuvor die Strecke mehrfach abgefahren ist und nachdem er die Polizei nicht mehr wahrnahm (als nämlich diese mit einer anderweitigen Kontrolle beschäftigt war), die innere Bereitschaft für das folgende Rennen fasste.
(2) Unabhängig von diesen vorgelagerten Plausibilitätserwägungen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts auch aus dem festgestellten objektiven Fahrverhalten der Angeklagten, dass zumindest konkludent beide sich dazu bereitgefunden haben müssen, ein Kraftfahrzeugrennen zu fahren. So sind die Angeklagten im Vorfeld der Tat beide gleichzeitig an die Kreuzung K-/S-Straße herangefahren und müssen daher bereits im Vorfeld der Tat ungefähr auf gleicher Höhe unterwegs gewesen sein. Insofern fühlte sich die Kammer auch durch die Äußerung des Angeklagten S bestätigt, der angab, dass er den PKW des Angeklagten W von früher wiedererkannt habe und es von diesen so viele in P nicht gebe. Bereits dies spricht gegen ein zufälliges Aufeinandertreffen der Angeklagten. Ebenso deutet auf ein übereinstimmendes Handeln hin, dass die Angeklagten fast gleichzeitig stark beschleunigten, ohne dass es hierfür einen anderweitigen verkehrsbedingten oder sonstigen Grund gegeben hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide unabhängig voneinander den Beschluss fassten, sich anlasslos verkehrsordnungswidrig zu verhalten, erschien der Kammer verschwindend gering.
(3) Insbesondere der Angeklagte S beharrte bis zuletzt darauf, er habe überhaupt nicht relevant beschleunigt, was durch andere Zeugen und den Sachverständigen überzeugend widerlegt werden konnte. Für das Gericht ergab sich keine andere Erklärung für die Beschleunigung des Angeklagten S, als der Wille an einem Rennen teilzunehmen. Selbst bei einem grundsätzlich zügigen Anfahren hätte für ihn keine Notwendigkeit bestanden den „vorpreschenden“ Angeklagten W einholen zu wollen. Die einzige Erklärung für sein konkretes Fahrverhalten ist, dass er sich mit dem Angeklagten W messen wollte.
(4) Soweit der Angeklagte W seinerseits ausführte, er habe ebenfalls kein Rennen fahren wollen, sondern er habe nur den dringenden Wunsch verspürt, den langsamen PKW vor sich zu überholen, und sei anschließend dann anlasslos in eine volle Beschleunigung übergegangen, als die Ampel auf Grün schaltete, erscheint dies bereits aus dem Grund wenig glaubhaft, dass er angab den PK der Marke B des Angeklagten S vorher nicht wahrgenommen zu haben. Gleichzeitig konnte er jedoch nicht erklären, warum er in diesem Fall nicht einfach auf die (in diesem Fall) freie rechte Geradeausfahrspur gewechselt habe, um den langsamen PKW vor ihm zu überholen. Die Tatsache, dass er ein Überholmanöver über die Linksabbiegespur durchführte, anstatt sich vor den PKW des Angeklagten S zu setzen oder sich hinter diesem einzuordnen, deutete das Gericht als eindeutiges Indiz dafür, dass er neben dem Angeklagten S anfahren wollte.
(5) Auch die Tatsache, dass der Angeklagte W ohne erkennbaren Grund auf 100 km/h und damit auf das Doppelte der vor Ort zulässigen Höchstgeschwindigkeit beschleunigte, zeugt von einer Dringlichkeit, die sich nur mit einem sofortigen und abgesprochenen Rennen an der besagten Örtlichkeit in Einklang bringen lässt. Nach der Überzeugung des Gerichts hätte der Angeklagte W seine Geschwindigkeit nach dem erfolgreichen Überholvorgang des langsamen PKW unverzüglich wieder auf die erlaubte Geschwindigkeit zurückgeführt, wenn ihn nur das langsame Fahrverhalten gestört hätte. Warum er jedoch dann die Geschwindigkeit beibehielt, konnte der Angeklagte W nicht erklären. Nur der konkrete Wille, die eigene Beschleunigungsfähigkeit des Fahrzeuges aufzuzeigen, erklärt auch, dass die Fahrzeuge nebeneinander her beschleunigen und sich dabei noch ein „Kopf- an Kopf-Rennen“ lieferten.
(6) Auch die dritte denklogischen Variante kommt für die Kammer nicht in Betracht, da zu erwarten gewesen wäre, dass einer der Fahrer, der von der Beschleunigung des anderen Fahrzeuges überrascht wird, hierdurch erschrickt und sein Fahrzeug auf normale Geschwindigkeit herunterbremst, anstatt die eigene hohe Geschwindigkeit beizubehalten.
(7) Letztlich spricht auch das Nachtatverhalten für eine jedenfalls zuvor getroffene konkludente Abrede der Angeklagten. So reagierten beide fordernd auf die Polizeibeamten und forderten Einsicht in ein vermeintliches Video ihres Tatverhaltens und insbesondere der Angeklagte S fiel dem Zeugen PKA LO durch die Äußerung auf, dass „er wisse, was sein Fahrzeug könne“, was diesem eindrücklich im Gedächtnis blieb.
In der Gesamtschau erlangte die Kammer daher die Überzeugung, dass das gesamte Fahrverhalten der Angeklagten jedenfalls die konkludente Verabredung zur Teilnahme an einem Rennen beinhaltete.
V. Rechtliche Würdigung
1. Die Kammer würdigte den festgestellten Sachverhalt als unerlaubte Teilnahme an einem Kraftfahrzeugrennen nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB.
a) Schutzzweck der Norm:
Seitens des Gesetzgebers wurde ein abstraktes Gefährdungsdelikt mit dem Ziel geschaffen, die Gefahren des öffentlichen Straßenverkehrs für alle Verkehrsteilnehmer zu reduzieren. So wurde in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
„Es bestünden erhebliche Risiken für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, die sich jederzeit realisieren können, wobei der Grad der Rechtsgutsgefährdung über denjenigen von ordnungswidrigen Geschwindigkeitsübertretungen deutlich hinausreichen würde, weil Rennteilnehmer durch den Wettbewerb untereinander (und die damit einhergehende wechselseitige Ablenkung) zusätzlich bestärkt würden, Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht zu lassen und für einen Zuwachs an Geschwindigkeit den Verlust der Kontrolle über ihre Fahrzeuge (zumal in unvorhergesehenen Verkehrssituationen) billigend in Kauf zu nehmen (vgl. BT-Drs. 18/10145, 9; BeckOK StGB/Kulhanek, 47. Ed. 1.8.2020, StGB § 315d, Rn. 4).
Sinn und Zweck des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB ist gerade der, Fahrten zu verhindern, bei denen der jeweils andere Fahrer übertrumpft werden soll, was die besondere Gefahr der entsprechend verringerten Konzentration auf Strecke und unbeteiligte Verkehrsteilnehmer in sich birgt. Eben dieser Schutzzweck kommt vorliegend zum Tragen. Die vor Ort zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h wurde deutlich überschritten und das beschleunigte nebeneinander Herfahren führt gerade dazu, dass die Aufmerksamkeit auf den anderen Rennteilnehmer konzentriert ist und gerade nicht dem allgemeinen Verkehr und anderen unbeteiligten Verkehrsteilnehmern zugewandt wird. Mithin wird die allgemeine Verkehrssicherheit reduziert und die Gefahr für erhebliche Rechtsgutsverletzungen von Verkehrsteilnehmern drastisch erhöht. Insbesondere aufgrund der konkreten Örtlichkeit, wo mit in die K-Straße einfahrendem Querverkehr und rechtswidrig die Fahrbahn im Dunkeln überquerende Passanten als innerstädtisch spezifische Gefahren gerechnet werden muss, ist der Schutzzweck der Norm damit tangiert.
b) Definition eines Kraftfahrzeugrennens
Um ein Kraftfahrzeugrennen handelt es sich aus Sicht der hiesigen Kammer, wenn mindestens zwei Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit Wettbewerbscharakter oder geprägt von einem Leistungsvergleich ihres Fahrkönnens und/oder ihrer Fahrzeugleistung bewusst unter Ausnutzung von Beschleunigung und/oder Geschwindigkeit im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge führen, um den jeweils anderen Teilnehmer zu übertrumpfen.
Nicht maßgebend ist dabei die Ausreizung der Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrzeuges. Vielmehr kommt es hier gerade nicht darauf an. Andernfalls könnte sich die absurde Situation ergeben, dass bei einem Rennen zwischen einem schwach und einem stark motorisierten Fahrzeug, die beide ähnlich schnell fahren, ausschließlich das Langsame dem Rennbegriff unterfällt (weil es seine Leistungsfähigkeit ausreizt), während das stärker Motorisierte, trotz einer insgesamt höheren Geschwindigkeit, den Tatbestand nicht erfüllt.
Ebenfalls erscheint es nicht entscheidend, mit welcher konkreten Geschwindigkeit das Rennen durchgeführt wird, da dies immer abhängig von der konkreten Tatumgebung zu bewerten ist, solange die vor Ort gestattete Geschwindigkeit erheblich überschritten wird (vgl. LG Berlin, Beschl. V. 29.1.2019 – 511 Qs 126/18). Auf unübersichtlichen Streckenabschnitten, z.B. innerhalb geschlossener Ortschaften, birgt bereits ein Bruchteil der den modernen Fahrzeugen möglichen Geschwindigkeit eine erhebliche Gefahr für die geschützten Rechtsgüter (Blanke-Roeser, in JuS 2018, 18, 21). So stellt sich die hier festgestellte Fahrt innerorts mit ca. 100 km/h nach Überzeugung der Kammer jedenfalls als ausreichende Renngeschwindigkeit dar, während dies auf der Landstraße oder Autobahn je nach konkreter Situation anders gewertet werden könnte. Maßgeblich ist daher immer eine Betrachtung der konkret festgestellten Geschwindigkeit unter Berücksichtigung der Tatörtlichkeit, der anderweitigen Verkehrsteilnehmer und der Witterung zur Tatzeit. Ausreichend ist, wenn das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit jedenfalls Teil der Veranstaltung war (OLG Jena, DAR 2005, 43). Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Erreichen der Geschwindigkeit das Hauptziel der Fahrt ist, denn die mit einer Hochgeschwindigkeitsfahrt und dem Streben nach gegenseitigem Übertrumpfen verbundene Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugrennens resultiert insbesondere daraus, dass sich die Fahrer gedanklich und tatsächlich mit vielen speziellen Fahraufgaben befassen und dabei die Sicherheit des Straßenverkehrs vernachlässigen. Diese besteht jedoch gerade darin, dass menschliches Versagen eines Verkehrsteilnehmers im Regelfall durch einen anderen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ausgeglichen wird.
Auch die Fahrstrecke muss keine Mindestmaße erfüllen (OLG Hamburg, Beschluss v. 13.3.2018 – 5 RB 2/18). Sofern die Angeklagten vorliegend eine Strecke von 140-160 Meter fahren und diese für eine intensive Beschleunigung nutzen, genügt dies für die Tatbestandserfüllung. Die Festlegung einer Mindeststrecke würde kurze Beschleunigungsfahrten aus dem Anwendungsbereich des Tatbestandes herausfallen lassen.
Der Vorsatz für das Rennen erfordert subjektiv die Vorstellung von einer Veranstaltung zum Zwecke des Kräftemessens, wobei Eventualvorsatz genügt (MüKo StGB/Pegel, 3. Aufl., § 315d Rn. 27). Weitere eventuell vorhandene Motive der Teilnehmer, wie etwa das „Posen“ mit dem leistungsstarken Fahrzeug, sind unerheblich. Die erforderliche Übereinkunft der beteiligten Kraftfahrzeugführer kann auch konkludent erfolgen (OLG Hamm NZV 1997, 515). Eine vorherige Absprache ist nicht zwingend erforderlich. Auch bei einem zufälligen Zusammentreffen bereits fahrender Beteiligter kann die Übereinkunft sich sukzessive entwickeln, indem konkludent, beispielsweise durch wechselseitiges Beschleunigen und Bremsen, wechselseitige Rennbereitschaft ausgetauscht wird, wobei diese wechselseitige Bereitschaft beiderseitig erkannt werden muss. Wichtiges Indiz ist dabei insbesondere ein gemeinsamer Start und eine gemeinsame Beschleunigung, die vorliegend festgestellt werden konnten.
VI. Strafzumessung
1. Anwendung von Jugendstrafrecht
Auf den Angeklagten S war das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.
Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt bereits 20 Jahre alt und damit Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Die Voraussetzungen des § 105 JGG mit der Folge einer Anwendung des Jugendstrafrechts bei Heranwachsenden sind vorliegend nicht erfüllt. Bei einer Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen handelt es sich nicht um eine jugendtypische Verfehlung. Vielmehr ist die Teilnahme am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen und die damit einhergehende Verantwortung für andere Verkehrsteilnehmer gerade Ausdruck der Reifung eines Menschen und damit erst Erwachsenen gestattet. Gerade diese Pflichten des Straßenverkehrs sind dem Angeklagten auch mit dem Erwerb des Führerscheins bewusst gewesen. Er erlangte den Führerschein am 02.10.2015 und nahm zur Tatzeit bereits 3 Jahre wie ein Erwachsener am Straßenverkehr teil.
Auch die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten bei Berücksichtigung seiner Umweltbedingungen hat ergeben, dass er zur Tatzeit nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung nicht mehr einer Jugendlichen gleichzusetzen war. Diese Einschätzung wurde auch durch die Jugendgerichtshilfe geteilt. Der Angeklagte lebte zwar zur Tatzeit und auch noch bis heute gemeinsam im elterlichen Haushalt, weist jedoch bereits ein klares Lebensbild von Beruf, Ausbildung und Zukunft auf. Auch eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker hat er bereits abgeschlossen. Der Angeklagte kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, erhält derzeit Arbeitslosengeld 1 und soll zukünftig als Juniorchef in der Baufirma seines Vaters mitarbeiten. In Ermangelung von einschneidenden Lebensumbrüchen, die Entwicklung verzögerten Drogenkonsums oder anderweitiger, eine gesunde Entwicklung störenden Aspekte, bestand keine Veranlassung dazu, den Angeklagten S noch einem Jugendlichen gleichzusetzen.
2. Für die konkrete Rechtsfolge war zunächst der Strafrahmen zu ermitteln. Dieser resultiert vorliegend für beide Angeklagten aus § 315d Abs. 1 StGB, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht.
Vor dem Hintergrund der konkret festgestellten Tat und der Persönlichkeit der Angeklagten und auch der bescheidenen Vorstrafenerkenntnisse kam eine Freiheitsstrafe bereits nach § 47 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. Weder erscheint es erforderlich, die Rechtsordnung zu verteidigen, noch besteht die Erwartung, dass nur die Verhängung einer Freiheitsstrafe die Angeklagten beeindrucken würde.
3. Konkrete Strafzumessung
Bei der konkreten Straffindung waren alle Umstände der Tat und der Person der Angeklagten zu würdigen.
a) Angeklagter W
Zugunsten des Angeklagten W wirkte sich insbesondere aus, dass
- er im Rahmen der Berufungshauptverhandlung wesentliche Teile des im objektiv zur Last gelegten Verhaltens, wie z.B. die Geschwindigkeit einräumte und damit die Beweiserhebung verkürzte und eine technische Überprüfung erleichterte,
- es zu keinem tatsächlichen Schaden oder einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer kam,
- er weder Eintragungen im Bundeszentralregister noch im Fahreignungsregister aufweist und auch seit der gegenständlichen Tat nicht erneut mit verkehrswidrigem Verhalten aufgefallen ist,
- er sich jedenfalls reuig im Hinblick auf das Fahren mit einer hohen Geschwindigkeit von ca. 100 km/h in einer 50er Zone zeigte,
- er erstmals ein gerichtliches Strafverfahren durchlaufen hat und davon auszugehen ist, dass ihn bereits die Durchführung des Verfahrens beeindruckt hat,
- die Beschleunigung auf bis zu 100 km/h nur auf einer Strecke von 160 Metern erfolgte.
- Zu seinen Lasten fiel demgegenüber besonders ins Gewicht, dass er bei der Tatbegehung zusätzlich einen Rotlichtverstoß beging, als er über den Linksabbiegestreifen in die Kreuzung einfuhr.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtete das Gericht die Verhängung einer
Geldstrafe von 50 Tagessätzen
für tat-, persönlichkeits- und schuldangemessen.
Da der Angeklagte fest angestellter Mitarbeiter der Firma A GmbH ist und unter Berücksichtigung von Leistungs- und Nachtzulagen im Juni 2020 einen Nettobetrag von 3.687,02 Euro, im Juli einen Nettobetrag von 3.090,49,- Euro und im August einen Nettobetrag von 3.129,16 Euro verdiente, erachtete es die Kammer für angemessen von einem aktuellen durchschnittlichen Nettolohn von 3.000,- Euro auszugehen, der der Tagessatzberechnung zugrunde zu legen war. Dabei berücksichtigte die Kammer auch das zur Verfügung gestellte Firmenleasingfahrzeug und das der Angeklagte in einer eigenen Eigentumswohnung wohnt und neben der monatlichen Tilgung des Immobilienkredits monatliche geringfügige Zinsbeträge von ca. 50,- Euro an die Bank zahlt.
Die Höhe des Tagessatzes war daher nach § 40 Abs. 2 StGB auf
100,- Euro
zu bestimmen.
Obwohl die Erfüllung des Tatbestandes des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB die gesetzliche Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB bedingt, sah die Kammer von einer Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Nachdem der Angeklagte bislang keinerlei Eintragungen im Bundeszentral- und Verkehrszentralregister aufweist und die Tatbegehung nunmehr bereits einige Zeit zurückliegt, waren ausreichend Indizien vorhanden, um unter Zurückstellung von Bedenken die Vermutung der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr zu widerlegen.
Es erschien der Kammer bei Abwägung aller Strafzumessungskriterien und insbesondere unter Berücksichtigung der verhängten Hauptstrafe ausreichend, aber auch erforderlich, gegen den Angeklagten gemäß § 44 StGB als „Warn- und Denkzettel“ (OLG Hamm 5. Strafsenat, Beschluss vom 23.07.2013 – 5 RVs 52/13) ein Fahrverbot von sechs Monaten zu verhängen. Die Verhängung einer Geldstrafe allein vermochte nach Überzeugung der Kammer das Strafübel nicht zu tilgen. Vielmehr war dem Angeklagten deutlich aufzuzeigen, dass ein entsprechendes Verhalten im Straßenverkehr durch die Allgemeinheit nicht akzeptiert wird. Die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen ist kein automatisches Recht, sondern ein gewährtes Privileg, welches stets ein umsichtiges und rücksichtsvolles Verhalten voraussetzt.
Bei der Bemessung der Höhe des Fahrverbotes hat die Kammer neben der gegen den Angeklagten in dieser Sache zugleich verhängten Geldstrafe (Wechselwirkung) bedacht, dass der zur Aburteilung gelangte verkehrsrechtliche Verstoß bereits weit über ein Jahr zurückliegt. Gesehen hat die Kammer auch, dass der Angeklagte das Kraftfahrzeug für den Weg zur Arbeit nutzt. Die Anordnung eines
Fahrverbots von 6 Monaten
war daher angemessen und auch erforderlich, um spezialpräventiv auf den Angeklagten einzuwirken und auch generalpräventiv aufzuzeigen, dass das abgeurteilte Tatverhalten nicht akzeptiert wird.
b) Angeklagter S
Zugunsten des Angeklagten S wirkte sich insbesondere aus, dass
- es zu keinem tatsächlichen Schaden oder einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer kam,
- er erstmals ein gerichtliches Strafverfahren durchlaufen hat und davon auszugehen ist, dass ihn bereits die Durchführung des Verfahrens beeindruckt hat,
- die Beschleunigung auf bis zu 100 km/h nur auf einer Strecke von 160 Metern erfolgte.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtete das Gericht die Verhängung einer
Geldstrafe von 50 Tagessätzen
für tat-, persönlichkeits- und schuldangemessen.
Der Angeklagte ist derzeit arbeitssuchend und erhält Arbeitslosengeld 1 in Höhe von 650,- Euro im Monat.
Darüber hinaus wohnt er kostenfrei in der Wohnung seiner Eltern und wird von diesen auch kostenfrei versorgt. Von seinem Arbeitslosengeld muss er nichts abgeben, sodass er dieses zur freien Verfügung hat. Der Angeklagte stammt aus wohlhabenden Verhältnissen, was sich bereits daraus ergibt, dass die Familie des Angeklagten eine Baufirma besitzt und der Angeklagte immerhin in der Lage war, sich einen PKW der Marke B von seinem eigenen Geld zu kaufen. Das Vermögen eines Angeklagten ist jedoch bei der Bemessung einer Geldstrafe nicht zu berücksichtigen. Die Kammer schätzte den Wert des dem Angeklagten zur Verfügung stehenden Zimmers von ungefähr 20 Quadratmetern und die kostenfreie Versorgung durch die Eltern mit einem hinzuzurechnenden Wert von 250,- Euro.
Dieser Wert war zu dem monatlichen Erwerb von 650,- Euro hinzuzurechnen, sodass sich ein monatlicher Verdienst von 900,- Euro ergibt, der der Bemessung der Tagessatzhöhe zugrunde zu legen war.
Die Höhe des Tagessatzes war daher nach § 40 Abs. 2 StGB auf
30,- Euro
zu bestimmen.
VII. Maßregel der Besserung und Sicherung
Entgegen der Würdigung des Amtsgerichts Pforzheim erachtete die Kammer des Landgerichts Karlsruhe es nach der durchgeführten Berufungshauptverhandlung für erforderlich, dem Angeklagten S die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a StGB zu entziehen.
Nach § 69 Abs. 1 StGB ist einem Angeklagten die Fahrerlaubnis dann zu entziehen, wenn er eine rechtswidrige Tat begangen hat, die im Zusammenhang mit den Pflichten eines Kraftfahrzeugführers steht und sich aus der Tat ergibt, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Der Angeklagte hat durch seine Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen ein Verkehrsdelikt begangen, dass zusätzlich unter die Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB fällt. Entsprechend ist allein aufgrund der Erfüllung des Tatbestandes die Ungeeignetheit des Angeklagten S zu vermuten. Zwar kann die Regelvermutung widerlegt werden, insofern müssten jedoch besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit der Angeklagten vorliegen, die den Verstoß oder seine Eignung in günstigerem Licht erscheinen lassen.
Ein solcher Umstand war durch die Kammer jedoch nicht zu ermitteln. Im festgestellten Sachverhalt ließen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die festgestellte Tat aufgrund ihres konkreten Verlaufs nicht ein typischer Fall des Tatbestandes ist. Auch die Begleitumstände der Tat oder das Verhalten des Angeklagten bei der Kontrolle durch die Polizeibeamten ließen keine Reue oder ein Einsehen ins begangenes Unrecht erkennen. Auch im Rahmen der Hauptverhandlung ergaben sich keine zusätzlichen mildernden Aspekte, die besondere Umstände der Tat hätten begründen können.
Auch in der Person des Angeklagten konnten solche nicht gefunden werden. Der Angeklagte hat weder zusätzliche verkehrserzieherische Maßnahmen genossen, die eine nachträgliche Reifung im Umgang mit der Fahrerlaubnis indizieren könnten, noch ist der Kammer sonst etwas bekannt, dass sich zugunsten des Angeklagten hätte auswirken können.
Zwar hat die Kammer berücksichtigt, dass seit der Tat nunmehr bereits eine nicht unerhebliche Zeitspanne verstrichen ist und bislang weder eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis noch ein erstinstanzlicher Entzug derselben ausgesprochen wurde, aber eine nachvollziehbare Begründung ist der Kammer nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war ein besonderes Augenmerk auf das weitere Verhalten des Angeklagten im öffentlichen Straßenverkehr zu legen.
Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte seit der Tatbegehung im Januar 2019 dreimal (rechtskräftig festgestellt) verkehrsordnungsrechtlich aufgefallen ist.
Bereits ca. einen Monat nach der Tatbegehung fuhr der Angeklagte am 19.02.2019 mit dem hier festgestellten Tatfahrzeug mit einer nicht angepassten Geschwindigkeit im öffentlichen Straßenverkehr und wurde mit einem Bußgeld von 100,- Euro und einem Punkt sanktioniert.
Am 18.12.2019 fuhr der Angeklagte erneut mit einer nach Toleranzabzug überhöhten Geschwindigkeit von 26 km/h im öffentlichen Straßenverkehr und wurde mit einem Bußgeld von 100,- Euro und einem Punkt sanktioniert.
Ein drittes Mal fiel er am 19.03.2020 auf, da er während des Führens eines Kraftfahrzeuges mit der rechten Hand auf einem Mobiltelefon herumtippte. Dies wurde erneut mit einem Bußgeld von 100,- Euro und einem Punkt geahndet.
Vor dem Hintergrund dieser neuerlichen Verkehrsverstöße hat die Kammer ganz erhebliche Zweifel, ob der Angeklagte sich der notwendigen Verantwortung des Führens von Kraftfahrzeugen bewusst ist. Es drängt sich vielmehr auf, dass der Angeklagte weder durch die polizeiliche Kontrolle bei der Tatbegehung, noch durch das laufende Strafverfahren oder die erstinstanzliche Verurteilung insoweit beeindruckt scheint, dass er sich veranlasst sah, zukünftig verkehrsrechtlich ordnungsgemäß zu führen.
Persönliche Umstände, die besondere Umstände im Sinne einer Widerlegung der Regelvermutung darstellen könnten, sind damit nicht ersichtlich.
Mithin ist der Angeklagte ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Entsprechend war ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Die Sperrfrist nach § 69a StGB hat die Kammer mit 12 Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend erachtet. Innerhalb dieses Zeitraumes steht es nicht zu erwarten, dass die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen bereits überwunden sein wird. Bislang hat der Angeklagte noch keinerlei Bestrebungen unternommen, konstruktiv an seiner Eignung etwas zu verbessern. Vielmehr gelten die Ausführungen für die Entziehung auch hier und es ist zu berücksichtigen, dass die letzte Verkehrsordnungswidrigkeit erst im März 2020 begangen wurde.
VIII. Kosten
Der Angeklagte S trägt die Kosten seiner Berufung und die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft, § 473 Abs. 1 StPO.
Der Angeklagte W trägt die Kosten seiner Berufung. Die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft trägt, soweit es den Angeklagten W betrifft, die Staatskasse. Die dem Angeklagten W durch die Berufung der Staatsanwaltschaft entstandenen ausscheidbaren notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.