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Verkehrsunfallflucht – Fahrerlaubnisentziehung – bedeutender Schaden ab 1800 Euro

Rechtliche Klärung: Bedeutender Schaden und Fahrerlaubnisentzug

In dem vorliegenden Fall geht es um eine Beschuldigte, die einen Verkehrsunfall verursacht haben soll, indem sie ihr Fahrzeug nicht ausreichend sicherte, welches daraufhin mit einem anderen Fahrzeug kollidierte. Der Kern des rechtlichen Disputs liegt in der Frage, ob die Beschuldigte ihre Fahrerlaubnis verlieren sollte und ob ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 612 Qs 75/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Bedeutender Schaden: Ein Schaden an fremden Sachen wird als bedeutend eingestuft, wenn die Reparaturkosten eines Kfz 1.800 Euro überschreiten.
  • Entwicklung der Reparaturkosten und Einkommensentwicklung: Bei der Beurteilung eines Schadens als bedeutend sind auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen.
  • Aufhebung des Beschlusses: Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg wurde auf Beschwerde der Beschuldigten aufgehoben.
  • Keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis: Es gibt derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.
  • Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen: Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen erweist sich die Beschuldigte nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
  • Kostenentscheidung: Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten.

Fahrerlaubnis und Verkehrsunfall

Die Beschuldigte soll ihr Fahrzeug auf einem Parkplatz abgestellt und nicht ausreichend gesichert haben, woraufhin es rückwärts aus der Parklücke rollte und mit einem anderen Fahrzeug kollidierte. Die Beschuldigte entfernte sich vom Unfallort, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, was den Tatverdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach sich zieht.

Bedeutung des Schadens

Die zentrale Frage in diesem Fall war, ob der Schaden, der durch den Unfall entstanden ist, als „bedeutend“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu werten ist. Das Amtsgericht Hamburg hatte den Schaden, der bei 1.625,25 Euro lag, nicht als bedeutend eingestuft, da es die Wertgrenze von 1.800 Euro nicht überschritt. Diese Wertgrenze wurde unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung der Reparaturkosten und der Einkommensentwicklung festgelegt.

Überprüfung der Fahrtauglichkeit

Es wurde auch geprüft, ob die Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Es gab keine Anzeichen von körperlichen, geistigen oder charakterlichen Mängeln, die eine inakzeptable Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen würden. Es gab zwar Hinweise darauf, dass die Tat auf einen gesundheitlichen Mangel zurückzuführen ist, jedoch bestand keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mangel die künftige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigen würde.

Anpassung der Wertgrenze

Die Anhebung der Wertgrenze für einen „bedeutenden Schaden“ auf 1.800 Euro ist bemerkenswert, da sie die allgemeine Preissteigerung und die Relation zu den anderen Merkmalen „Tötung oder nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen“ berücksichtigt. Diese moderate Erhöhung setzt die verschiedenen Merkmale in ein ausgewogenes Verhältnis und trägt zur Klarheit und Fairness in der Rechtsprechung bei.

Schlussbemerkungen

Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg wurde aufgehoben, und die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Dieser Fall wirft ein Licht auf die Bedeutung der genauen Definition von „bedeutendem Schaden“ und die Notwendigkeit, die Wertgrenzen regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten.

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Bedeutender Schaden bei Unfallflucht – kurz erklärt


Ein bedeutender Schaden im Kontext von Unfallflucht, gemäß § 142 StGB (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort), wird oft in Verbindung mit einer Schadenssumme von mindestens 1.800,00 Euro angesetzt, wobei dies ab 2018 aufgrund der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung als maßgebliche Grenze gilt. Einige Gerichte und Quellen können jedoch unterschiedliche Beträge als „bedeutenden Schaden“ definieren, und es gibt Fälle, in denen Beträge ab 1.300,00 Euro als bedeutend angesehen wurden.

Die Strafen für Unfallflucht können variieren, aber wenn ein bedeutender Schaden vorliegt, kann eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Zudem kann bei Unfallflucht auch die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Es gibt keinen Unterschied zwischen den Begriffen „Unfallflucht“ und „Fahrerflucht“; beide beziehen sich auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach § 142 Strafgesetzbuch.

Wenn der Schaden weniger als 600 Euro beträgt, wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt und das Verfahren wird oft eingestellt. Bei einem Schaden über 1.300 Euro geht das Gericht meistens von einem „bedeutenden Schaden“ aus und es können strengere Strafen verhängt werden.


Relevante Rechtsbereiche sind unter anderem:

Strafrecht (§ 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort): Dieser Bereich ist relevant, da die Beschuldigte sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Dies betrifft das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, welches strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Straßenverkehrsrecht (§ 69 StGB – Entziehung der Fahrerlaubnis): Dieser Bereich ist relevant, weil im vorliegenden Fall die Frage der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und die mögliche Entziehung der Fahrerlaubnis der Beschuldigten im Raum steht. Es wird geprüft, ob die Beschuldigte aufgrund von körperlichen, geistigen oder charakterlichen Mängeln ungeeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen.

Schadensrecht: Dieser Bereich ist relevant, da es um die Bewertung des entstandenen Schadens und die Frage geht, ob dieser als „bedeutend“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu werten ist. Hierbei spielt die Höhe der Reparaturkosten und die Anpassung der Wertgrenze für einen „bedeutenden Schaden“ eine Rolle.

Verfahrensrecht (§ 304 StPO – Beschwerde gegen vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis): Dieser Bereich ist relevant, da die Beschuldigte Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegt hat und das Verfahrensrecht die Rahmenbedingungen für die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde vorgibt.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg . Az.: 612 Qs 75/23 – Beschluss vom 09.08.2023

Leitsatz

Ein bedeutender Schaden an fremden Sachen im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist entstanden, wenn die Reparatur eines Kfz die Wertgrenze von 1.800 Euro überschreitet. Bei der Beurteilung eines Schadens als bedeutend im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sind auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen.


1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 14.06.2023 (Az.: 249 Gs 49/23) aufgehoben.

2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Beschuldigten.

Gründe

I.

Die gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gerichtete, nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde der Beschuldigten, die dem Landgericht am 03.08.2023 zur Entscheidung vorgelegt worden ist, ist begründet. Die Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 StPO liegen nicht vor, da derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden wird.

Die Beschuldigte ist zwar dringend verdächtig, am 07.10.2022 gegen 13:30 Uhr in H. auf dem M.-Parkplatz in der Straße L. auf Höhe der Hausnummer… einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, indem sie ihren Pkw VW Touran (amtliches Kennzeichen:…) nach dem Abstellen nicht ausreichend sicherte, sodass dieser rückwärts aus der Parklücke herausrollte und mit dem auf der gegenüberliegenden Seite geparkten Pkw Opel Mokka (amtliches Kennzeichen:…) des Zeugen D. kollidierte, und sich, als sie kurz darauf zu ihrem Fahrzeug zurückkehrte und auf die Kollision angesprochen wurde, vom Unfallort entfernt zu haben, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Damit besteht der dringende Tatverdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Beschuldigte befand sich zwar zum Zeitpunkt des Unfalls nicht am Unfallort, sondern auf dem benachbarten Gelände der dortigen Mercedes-Werkstatt. Sie hatte indes durch ihr vorangegangenes Verhalten – die unzureichende Sicherung ihres Fahrzeuges gegen ein Wegrollen – das entscheidende Gefahrenmoment geschaffen, welches sich sodann in dem Unfallhergang realisiert hat (vgl. zu einer derartigen Fallkonstellation Fischer, Strafgesetzbuch, 70. Auflage 2023, § 142 Rn. 16).

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen erweist sich die Beschuldigte jedoch nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 StGB. Weder ist das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB einschlägig (dazu unter 1.), noch ergibt sich nach § 69 Abs. 1 StGB aus der Tat selbst, dass die Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (dazu unter 2.).

1. Das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nicht verwirklicht. Danach ist von der Ungeeignetheit eines Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen, wenn dieser sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts ist am Pkw des Zeugen D. mit 1.625,25 Euro (vgl. Kfz-Haftpflichtschadensgutachten des Autotax-Expert e.K. vom 13.10.2022, Bl. 34 ff. d.A.) kein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden. Zwar haben die Verkehrsbeschwerdekammern des Landgerichts Hamburg bislang einen bedeutenden Fremdschaden ab einer Wertgrenze von 1.500,00 Euro angenommen (st. Rspr. seit dem Beschluss des LG Hamburg vom 01.02.2007 zum Az. 603 Qs 54/07, BeckRS 2008, 11566). Jedoch sind bei der Beurteilung eines Schadens als bedeutend im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen (vgl. bereits LG Hamburg, Beschluss vom 19.07.1991, Az.: 603 Qs 607/91 Rn. 9, zitiert nach juris). Bereits aus diesem Grunde erscheint eine Anhebung der Wertgrenze mittlerweile angebracht. Zudem sollte die Wertgrenze deshalb nicht zu niedrig bemessen werden, weil sonst die Relation zu den anderen Merkmalen „Tötung oder nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen“ nicht gewahrt wäre (von Heintschel-Heinegg/Huber in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 69 Rn. 72). Ausgehend davon haben sich sämtliche Verkehrsbeschwerdekammern des Landgerichts Hamburg darauf verständigt, den Wert, ab welchem ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzunehmen ist, auf 1.800,00 Euro anzuheben. Diese moderate Erhöhung trägt der allgemeinen Preissteigerung1 Rechnung und setzt die Merkmale „Tötung oder nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen“ und „bedeutender Schaden“ in ein dem Telos des Regelbeispiels entsprechendes Verhältnis.

2. Die Beschuldigte erweist sich zudem nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nach § 69 Abs. 1 StGB als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet. Keine Eignung besteht, wenn sich aus der Tat ergibt, dass das Führen von Kraftfahrzeugen durch die Beschuldigte infolge eines körperlichen, geistigen oder charakterlichen Mangels eine inakzeptable Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt (Kretschmer in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 69 Rn. 37). Dabei bildet die Tat die gesetzlich zwingende Grundlage der Beurteilung (Fischer, 69. Auflage 2022, § 69 Rn. 19). Charakterliche Mängel können die Ungeeignetheit begründen, wenn sich aus ihnen eine Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die Sicherheit des öffentlichen Kraftfahrzeugverkehrs und verkehrsspezifische Gefahren für Rechtsgüter Dritter ergeben (BGH, Beschluss vom 27.04.2005, Az.: GSSt 2/04 -, BGHSt 50, 93-105 Rn. 27, zitiert nach juris). Bei der Tat ist zumindest nach derzeitigem Stand der Ermittlungen kein Verhalten der Beschuldigten zutage getreten, dass deutliche, der Geeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs entgegenstehende gesundheitliche oder charakterliche Mängel aufzeigt. Zwar ergeben sich aus der Aussage des Zeugen K. (Bl. 14 d.A.) sowie aus der Beschwerdebegründung der Beschuldigten selbst (Bl. 81 f. d.A.) Anhaltspunkte dafür, dass die Begehung der ihr vorgeworfenen Tat auf einen gesundheitlichen Mangel zurückzuführen ist. Eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich ein möglicher gesundheitlicher Mangel auf die künftige Eignung des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen auswirkt, besteht nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen jedoch nicht. Entsprechende Feststellungen bleiben dem Tatrichter unter Berücksichtigung der dann voraussichtlich vorliegenden Entscheidung der Führerscheinstelle der Stadt W. (vgl. Bl. 83 d.A.), die auf Basis eines verkehrsmedizinischen Gutachtens erfolgen wird, vorbehalten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.

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