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Verteidigerbestellung für Mitangeklagten – Bestellung aus derselben Sozietät

Wechsel im Verteidigungsduo: Konfliktinteresse im Fokus des Oldenburger Oberlandesgerichts.

In einem erst kürzlich abgeschlossenen Fall erlaubte das Oberlandesgericht Oldenburg Anwälten derselben Kanzlei die Verteidigung unterschiedlicher Angeklagter im selben Verfahren. Der Hauptkonflikt in diesem speziellen Fall war das potenzielle Interessenkonflikt, das durch diese Verteidigerbestellung entstehen könnte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ws 327/20 >>>

Rechtsanwälte aus derselben Kanzlei im Rampenlicht

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück legte Beschwerde gegen die Bestellung von Rechtsanwalt CC als Pflichtverteidiger für den Angeklagten AA ein. Der Vorwurf dabei war eine mögliche Interessenkollision, da Rechtsanwalt CC in derselben Kanzlei wie der Verteidiger des Mitangeklagten DD, Rechtsanwalt EE, tätig ist. Trotz Einwänden der Staatsanwaltschaft entschied das Landgericht, dass es keine Anzeichen für einen Interessenkonflikt gäbe, und erlaubte die Bestellung von Rechtsanwalt CC.

Unbegründete Befürchtungen der Staatsanwaltschaft?

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft richtete sich gegen diese Entscheidung des Landgerichts. Sie forderte die Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt CC als Pflichtverteidiger. Laut Oberlandesgericht Oldenburg ist jedoch die Verteidigerbestellung von Anwälten aus derselben Kanzlei nicht generell unzulässig. Dies ist nur dann der Fall, wenn tatsächlich Hinweise auf einen Interessenkonflikt bestehen.

Gerichtsspielraum: Überschreitung oder zulässige Grenzverwaltung?

Die Bewertung, ob Interessenkonflikt vorliegt, obliegt im Endeffekt dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden. Dieser hat dabei einen gewissen Ermessensspielraum, der nicht uneingeschränkt vom Revisionsgericht überprüft werden kann. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass trotz des Potenzials für einen Interessenkonflikt konkrete Anzeichen für einen solchen Mangel leiden.

Zustimmung der Angeklagten: Siegel vom Durchbruch?

Die Bestellung von Rechtsanwalt CC als Pflichtverteidiger wurde nicht zuletzt dadurch unterstützt, dass sowohl der Angeklagte AA als auch dessen Betreuer und der Verteidiger keinerlei Bedenken geäußert hatten. Tatsächlich wurde eine Vertretung des Angeklagten AA durch Rechtsanwalt CC ausdrücklich gebilligt. Ein solches Einverständnis könnte einen Interessenkonflikt überwiegen, so das Gericht.

Letztes Wort: Entscheidung steht

Insgesamt hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden, dass trotz der Komplexität des Falles kein durchgreifender Interessenkonflikt besteht. Aus diesem Grund wurde die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Bestellung von Rechtsanwalt CC als Pflichtverteidiger für den Angeklagten AA als unbegründet zurückgewiesen.


Das vorliegende Urteil

OLG Oldenburg – Az.: 1 Ws 327/20 – Beschluss vom 12.08.2020

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 10. Juli 2020, durch den dem Angeklagten AA als Pflichtverteidiger CC bestellen wurde, wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten der sofortigen Beschwerde und insoweit dem Angeschuldigten entstandene notwendige Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Nachdem sich in dem dem vorliegenden Strafverfahren zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück zunächst für den Mitangeklagten DD Herr Rechtsanwalt EE und sodann für den Angeklagten AA Herr Rechtsanwalt CC als Verteidiger zu den Akten gemeldet und jeweils die Bestellung als Pflichtverteidiger beantragt hatten, beantragte die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit Übersendungsverfügung der Anklageschrift vom 18. Mai 2020, Herrn Rechtsanwalt EE als Pflichtverteidiger zu bestellen, die Bestellung des Herrn Rechtsanwalt CC jedoch wegen einer offensichtlichen Interessenkollision abzulehnen – da dieser in einer Sozietät mit Herrn Rechtsanwalt EE tätig sei – und insoweit einen anderen Pflichtverteidiger zu bestellen.

Daraufhin ist unter dem TT. Mai 2020 zunächst Herr Rechtsanwalt EE als Pflichtverteidiger für den (Mit-) Angeklagten DD bestellt worden.

Nachdem der Angeklagte AA sowie dessen Betreuer und der Verteidiger bezüglich einer etwaigen Interessenkollision Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und keine Bedenken erhoben hatten, hat das Landgericht Herrn Rechtsanwalt CC sodann mit Beschluss vom TT. Juli 2020 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten AA bestellt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der diese die Aufhebung der Bestellung des Herrn Rechtsanwalt CC zum Pflichtverteidiger begehrt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Entscheidungen und Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 142 Abs. 7 i.V.m. § 311 StPO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Grundsätzlich ist eine Verteidigerbestellung von Anwälten aus derselben Kanzlei für Mitbeschuldigte, -angeschuldigte oder -angeklagte nicht generell unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.10.1976 – 2 BvR 23/76, juris).

Dies ist nur dann der Fall, wenn Hinweise auf einen Interessenkonflikt bestehen. In einem solchen Fall hat die Verteidigerbestellung von Sozien oder Mitgliedern einer Bürogemeinschaft aus Gründen der Fairness des Verfahrens zu unterbleiben, eine bereits erfolgte Bestellung ist in diesem Fall aufzuheben (vgl. BGH, Urteil v. 11.06.2014 – 2 StR 489/13 – m.w.N., juris).

Die Beurteilung, ob Umstände vorliegen, die die Ablehnung eines Pflichtverteidigers wegen einer Interessenkollision begründen können, obliegt dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden, welchem hierbei ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt, der nicht der umfassenden Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts unterliegt (vgl. BGH, Beschluss v. 15.01.2003 – 5 StR 251/02 m.w.N., juris).

Gemessen daran begegnet die Bestellung eines Verteidigers aus derselben Sozietät, der auch der Verteidiger des Mitangeklagten DD angehört, im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden Bedenken. Die Entscheidung bewegt sich innerhalb des bestehenden Beurteilungsspielraums.

Konkrete Anhaltspunkte für einen bereits bestehenden Interessenkonflikt sind vorliegend nicht ersichtlich und deshalb seitens des Landgerichts zu Recht verneint worden.

Zwar kann auch die bloße Absehbarkeit eines sich erst künftig einstellenden Interessenkonfliktes die Ablehnung einer Bestellung als Pflichtverteidiger rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss v. 15.01.2003, a.a.O.). Ob ein Interessenskonflikt immer bereits dann zu befürchten ist, wenn mehrere Rechtsanwälte derselben Sozietät mehrere Mitbeschuldigte verteidigen und eine Anklage wegen einer gemeinsam begangenen Tat vorliegt, sodass eine wechselseitige Bezichtigung der Begehung größerer Tatbeiträge in Betracht kommt oder auch die interessenwidrig veranlasste unterbleibende Einlassung zur Sache, die im Falle wahrheitsgemäßer Angaben zur Belastung des anderen führen würde (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss v. 02.03.2018 – 1 Ws 12/18, juris), kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn auch wenn eine derartige Erwägung in die Beurteilung einzustellen sein sollte, hätte dies keine so weitreichende Verengung des Beurteilungsspielraums zur Folge, dass die Entscheidung des Landgerichts vorliegend zu beanstanden wäre.

Die Entscheidung des Vorsitzenden wird bereits dadurch gestützt, dass sowohl der Angeklagte als auch dessen Betreuer und der Verteidiger keine Bedenken geäußert, sondern vielmehr einer Vertretung des Angeklagten durch Rechtsanwalt CC ausdrücklich zugestimmt haben (vgl. BGH, Urteil v. 24.02.2016 – 2 StR 319/15, juris). Vermag ein solches Einverständnis auch – wie das Hanseatische Oberlandesgericht (a.a.O. Rn.16) annimmt, in der Regel für sich gesehen den dargestellten Grundsatz nicht zu entkräften, so ist dies vorliegend jedoch zumindest deshalb der Fall, weil ein hinreichend überprüfbares, den Anforderungen des § 3 Abs. 2 S. 2 BORA genügendes Einverständnis des durch seinen Betreuer vertretenen Angeklagten erklärt worden ist. Dieser hat ausdrücklich bestätigt, nach ausführlicher Erörterung des Problemfeldes seien sowohl er als auch der Angeklagte selbst mit der Verteidigung durch Herrn Rechtsanwalt CC nicht nur einverstanden, eine solche werde vielmehr ausdrücklich gewünscht. Die standesrechtliche Regelung des § 3 BORA ist als Orientierungshilfe bei der Frage, ob ein Interessenkonflikt besteht, heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil v. 11.06.2014 a.a.O.).

Im Übrigen vermag ein allein aufgrund der abstrakten Gefahr seiner Entstehung prognostizierbarer Konflikt eine Überschreitung des nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums nicht automatisch aufzuzeigen.

Sonstige Umstände, welche der Bestellung des Pflichtverteidigers entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt entsprechend aus § 467 Abs. 1 StPO.

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