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Verurteilung nach § 267 StGB wegen Gebrauch eines verfälschten Impfpasses

Verfälschter Impfpass: Verurteilung und Fragwürdigkeiten im Verfahren

Ein kürzlich vom BayObLG München veröffentlichtes Urteil (Az.: 207 StRR 294/22) wirft wichtige Fragen auf. Der Fall dreht sich um einen Angeklagten, der mit einem verfälschten Impfpass in Erscheinung trat. Nach § 267 StGB wurde er wegen Urkundenfälschung verurteilt. Diese Entscheidung unterliegt jedoch juristischer Diskussion. Es wird diskutiert, ob die verfälschte Impfkarte wirklich als unechte Urkunde gesehen werden kann, und ob der Angeklagte diese auch tatsächlich „gebraucht“ hat, wie im Urteil behauptet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 207 StRR 294/22 >>>

Fehlende Details im Urteil

Ein Hauptproblem des Falls sind die unzureichenden Darstellungen im Urteil. Es wurden entscheidende Details über den Impfpass und dessen Eintragungen vernachlässigt. So fehlt zum Beispiel die genaue Beschreibung der eingeklebten Impfnachweise und die Identifizierung des Ausstellers der Impfbescheinigung. Das fehlen dieser Informationen behindert die revisionsgerichtliche Überprüfung und stellt somit eine erhebliche Schwäche des Urteils dar.

Unklarheit über die Unechtheit der Urkunde

Zudem werfen die Feststellungen des Amtsgerichts Fragen zur Definition der „Unechtheit“ einer Urkunde auf. Eine Urkunde gilt dann als unecht, wenn sie nicht von demjenigen ausgestellt wurde, der in ihr als Aussteller bezeichnet wird. Allerdings wurde im Urteil nicht geklärt, wer laut den Eintragungen im Impfpass der Aussteller ist. Dies führt zu der Frage, ob die Urkunde tatsächlich unecht ist.

Mangelnde Beweisführung und das Fehlen einer Bewertung

Des Weiteren fehlt eine entscheidende Beweisführung zu der Frage, ob die Urkunde tatsächlich vom genannten Aussteller erstellt wurde. Da keine solche Beweisführung stattfand, bleibt die rechtliche Einstufung der Urkunde als unecht fragwürdig. Zusätzlich fehlen relevante Feststellungen, ob die Urkunde tatsächlich von dem Aussteller erstellt wurde, falls ein solcher ersichtlich ist.

Unsicherheit über die Verwendung des verfälschten Impfpasses

Im Urteil wird auch davon ausgegangen, dass der Angeklagte den verfälschten Impfpass „gebraucht“ hat. Allerdings gibt es keine genauen Angaben dazu, inwiefern der Angeklagte den verfälschten Impfpass tatsächlich benutzt hat. Daher bleibt die Schlüsselbehauptung der Anklage wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB unbewiesen und kann nicht vollständig nachvollzogen werden.

Insgesamt zeigt dieser Fall, dass trotz der scheinbaren Einfachheit des Tatbestandes der Urkundenfälschung, die genaue rechtliche Bewertung und Urteilsfindung in der Praxis oftmals von einer genauen Untersuchung der Einzelfakten abhängig ist. Nur durch eine vollständige und präzise Darstellung aller relevanten Fakten kann eine gerechte und rechtlich fundierte Entscheidung getroffen werden.


Das vorliegende Urteil

BayObLG München – Az.: 207 StRR 294/22 – Beschluss vom 31.05.2023

Leitsatz:

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe eine geschlossene Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise enthalten, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann. Bei einer Verurteilung nach § 267 StGB „wegen Gebrauch eines verfälschten Impfpasses“ sind der Impfpass und die Eintragungen darin genau zu beschreiben, insbesondere welchen Inhalt die in den Impfausweis eingeklebten Impfnachweise im Einzelnen hatten und wer im Zusammenhang mit der angeblichen Impfung der Aussteller der Impfbescheinigung ist. (Rn. 5 – 10) (red. LS Alexander Kalomiris)

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 31. Mai 2022 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Augsburg hat den Angeklagten am 31. Mai 2022 wegen Urkundenfälschung („Gebrauchen einer unechten Urkunde“) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 85 € verurteilt Nach den dort getroffenen Feststellungen (UA S. 3) habe der Angeklagte am 26. Oktober 2021 in einer Apotheke in G. einen, wie er wusste, manipulierten Impfpass vorgelegt, aus welchem hervorging, dass er vollständig gegen das SARS-COV2-Virus geimpft sei. Tatsächlich sei der Angeklagte, wie er wusste, nicht mit den angegebenen Impfstoffen geimpft gewesen. Durch die Vorlage habe er ein digitales Impfzertifikat erhalten wollen. In den Urteilsgründen ist weiter ausgeführt (UA S. 4), dass der Impfpass mit enthaltenem Stempel der Arztpraxis und Unterschrift zusammen mit den eingeklebten C.-Aufklebern eine unechte (zusammengesetzte) Urkunde darstelle, die der Angeklagte durch deren Vorlage in der Apotheke auch gebraucht habe.

Gegen die Verurteilung hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, u. a. mit dem Ziel des Freispruchs. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antrag vom 29. September 2022 die Auffassung vertreten, das Rechtsmittel der Angeklagten sei unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Urteilsfeststellungen eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung trügen.

II.

1. Das zulässige Rechtsmittel hat einen mindestens vorläufigen Erfolg, weil die getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht tragen (§ 349 Abs. 4 StPO).

a) Zwar wurde die Anwendung des § 267 StGB zur Tatzeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht durch §§ 277, 279 StGB a. F. gesperrt (BGH, Urteil vom 10.11.2022, 5 StR 283/22, BeckRS 2022, 31209, dort Rdn. 34 ff.).

b) Das Urteil leidet jedoch an durchgreifenden Darstellungsmängeln, weil die Feststellungen des Amtsgerichts lückenhaft und unklar sind und damit dem Senat bereits nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichen, ob der Angeklagte – wie vom Amtsgericht angenommen – den Tatbestand der Urkundenfälschung in der Tatmodalität des Gebrauchmachens von einer unechten oder verfälschten Urkunde i.S.v. § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB erfüllt hat (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BayObLG, Beschluss vom 22.07.2022, 202 StRR 71/22, zitiert nach juris, m. w. N.).

aa) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen, mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 08.03.2022, 1 StR 483/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).

bb) Die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts belegen bereits nicht, ob es sich bei dem gegenständlichen Impfpass überhaupt um eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB handelte. Eine Urkunde setzt das Vorhandensein einer verkörperten Gedankenerklärung voraus, die zum Beweis bestimmt und geeignet ist und einen Aussteller erkennen lässt (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 267 Rdn. 3 m. w. N.). Keines dieser Merkmale kann den Urteilsgründen zuverlässig entnommen werden. Der Impfpass und die Eintragungen darin werden anlässlich der Feststellung des strafbaren Sachverhalts überhaupt nicht und auch später nur unzureichend beschrieben. Das tatrichterliche Urteil stellt nicht fest, welchen Inhalt die offenbar in den Impfausweis eingeklebten Impfnachweise im Einzelnen hatten und wer im Zusammenhang mit der angeblichen Impfung der Aussteller der Impfbescheinigung ist.

cc) Es kann nach diesen Feststellungen auch nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte mit der Vorlage des Impfpasses von einer unechten oder verfälschten Urkunde Gebrauch gemacht hat.

Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidendes Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung: Über die Person des wirklichen Ausstellers wird ein Irrtum erregt; der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht. Nicht tatbestandsmäßig ist dagegen die Namenstäuschung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Aussteller nur über seinen Namen täuscht, nicht aber über seine Identität (BGH, Beschluss vom 19.11.2020, 2 StR 358/20, zitiert nach juris, dort Rdn. 18). Nachdem das Amtsgericht aber schon nicht mitteilt, wer nach den Eintragungen im Impfpass der Aussteller ist, unterbleiben auch die gebotenen Feststellungen dazu, ob nicht gegebenenfalls die Urkunde von dem Aussteller, sollte ein solcher ersichtlich sein, tatsächlich erstellt wurde. Eine Beweiswürdigung zu dieser für die rechtliche Einstufung der Urkunde als unecht maßgeblichen Frage findet schon gar nicht statt. Denn sollte ein aus dem Impfpass ersichtlicher Aussteller die Eintragung vorgenommen haben, würde es sich um eine echte Urkunde handeln, deren Gebrauch nicht nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB strafbar wäre. Auch ist auf dieser Grundlage nicht ausgeschlossen, dass nur eine (nicht strafbare) „schriftliche Lüge“ vorliegt (vgl. zu solchen Konstellationen Senat, Beschluss vom 22.05.2023, 207 StRR 239/22).

Den Ausführungen des Amtsgerichts kann schließlich auch nicht sicher entnommen werden, ob eine unechte Urkunde vorlag oder es sich um eine Verfälschung einer ursprünglich echten Urkunde handelte. Eine Verfälschung liegt in der inhaltlichen Veränderung der gedanklichen Erklärung einer ursprünglich echten Urkunde (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.1999, 4 StR 71/99, zitiert nach juris, dort Rdn. 19), was nur dann der Fall sein kann, wenn die Urkunde von dem aus ihr hervorgehenden Aussteller stammte; eine solche käme etwa in Betracht, wenn in einen „echten“ Impfpass zusätzliche Impfungen eingetragen werden.

2. Das Urteil ist daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen nach §§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 2 StPO aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Augsburg zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

 

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