Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden: Studentin wegen übler Nachrede auf „X“ verurteilt
- Persönlicher Hintergrund der Angeklagten
- Die Tatvorwürfe: Diffamierende Posts auf Social Media
- Die rechtliche Bewertung: Üble Nachrede nach § 186 StGB
- Das Urteil: Bewährungsstrafe und Schmerzensgeld
- Bedeutung des Urteils für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau bedeutet „üble Nachrede“ im juristischen Sinne und wie unterscheidet sie sich von anderen Ehrdelikten wie Beleidigung oder Verleumdung?
- Welche konkreten Konsequenzen (z.B. Strafen, Schadensersatz) drohen bei einer Verurteilung wegen übler Nachrede nach § 186 StGB?
- Welche Rolle spielt die Wahrheit oder Unwahrheit einer Aussage bei der Beurteilung von übler Nachrede?
- Wie kann ich mich gegen eine ungerechtfertigte Beschuldigung der üblen Nachrede verteidigen? Welche Beweismittel sind relevant?
- Inwieweit beeinflusst die Verbreitung von Aussagen über soziale Medien (wie „X“) die rechtliche Bewertung der üblen Nachrede?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 720 Ds 2230 Js 42893/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Wiesbaden
- Datum: 10.09.2024
- Aktenzeichen: 720 Ds 2230 Js 42893/22
- Verfahrensart: Strafverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Zivilrecht (Adhäsionsverfahren)
Beteiligte Parteien:
- Adhäsionskläger: Person, die im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche (Schmerzensgeld) geltend macht.
- Angeklagte: Studentin, zum Zeitpunkt des Urteils nicht vorbestraft.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Angeklagte veröffentlichte auf der Plattform „X“ (früher Twitter) in mindestens einem Fall einen Text, der als ehrverletzend gegenüber einer anderen Person eingestuft wurde. Konkret zitierte das Gericht einen Text vom 16.04.2022, in dem die betroffene Person u.a. als „Bestie“ bezeichnet und ihr vorgeworfen wurde, „über Leichen von Minderjährigen“ zu gehen. Das Gericht verurteilte sie wegen übler Nachrede in insgesamt drei Fällen.
- Kern des Rechtsstreits: Prüfung, ob die von der Angeklagten auf „X“ getätigten Äußerungen den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen und ob dem Geschädigten (Adhäsionskläger) ein Schmerzensgeld zusteht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Angeklagte wurde wegen übler Nachrede in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde sie verurteilt, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen.
- Folgen: Die Freiheitsstrafe muss nicht angetreten werden, sofern sich die Angeklagte während der Bewährungszeit straffrei führt. Sie muss das Schmerzensgeld an den Adhäsionskläger zahlen. Die Entscheidung über das Schmerzensgeld ist vorläufig vollstreckbar, das heißt, der Adhäsionskläger kann die Zahlung auch dann schon durchsetzen, wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, muss dafür aber eine Sicherheit leisten. Die Angeklagte muss die Kosten des Strafverfahrens und die durch den Adhäsionsantrag entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers tragen.
Der Fall vor Gericht
Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden: Studentin wegen übler Nachrede auf „X“ verurteilt

Das Amtsgericht Wiesbaden hat am 10. September 2024 eine Studentin wegen übler Nachrede gemäß § 186 Strafgesetzbuch (StGB) in drei Fällen schuldig gesprochen. Das Gericht verhängte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss die Angeklagte dem Opfer ein Schmerzensgeld zahlen.
Persönlicher Hintergrund der Angeklagten
Bei der Verurteilten handelt es sich um eine ledige Studentin mit Abitur, die jedoch noch keinen Berufsabschluss erlangt hat. Sie studiert im 12. Semester und strebt einen Bachelorabschluss an, dessen Erreichen laut Gericht jedoch nicht konkret in Aussicht steht. Ein Amtsarzt hatte ihr bis April 2024 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Strafrechtlich war sie zuvor nicht in Erscheinung getreten.
Fall 1: Der Tweet vom April 2022
Am 16. April 2022 verfasste die Angeklagte auf der Plattform „X“ (ehemals Twitter) einen Beitrag als Reaktion auf einen Post einer anderen Nutzerin. In ihrem Text bezeichnete sie den Geschädigten unter anderem als „Bestie“ und warf ihm vor, „karrieregeil“ zu sein und dabei „über Leichen von Minderjährigen“ zu gehen. Sie implizierte, dass der Geschädigte von Fehlverhalten wisse, aber nichts unternehme.
Das Gericht wertete diesen Post als Verbreitung einer Tatsachenbehauptung. Die Angeklagte habe damit den Geschädigten bewusst in einen sexualstrafrechtlichen Kontext gerückt und impliziert, er habe kinder- bzw. jugendpornografisches Material besessen und genutzt. Konkret soll sie ihm Besitz von Bildmaterial seiner damals minderjährigen Freundin sowie Sexualstraftaten zu Lasten einer weiteren Person unterstellt haben.
Die Plattform „X“ ermöglicht angemeldeten Nutzern das Verbreiten kurzer Texte, Bilder und Videos. Mit Millionen aktiven Nutzern täglich bot der Dienst eine erhebliche Reichweite. Der Post der Angeklagten war als digitale Schrift öffentlich zugänglich und weltweit einsehbar, was die potenzielle Rufschädigung verstärkte.
Fall 2: Das Video vom Februar 2024
Am 19. Februar 2024 veröffentlichte die Angeklagte ein Video auf „X“. Darin wandte sie sich direkt an die Lebensgefährtin des Geschädigten und fragte sinngemäß: „Wie fühlt es sich an, mit jemandem zu schlafen, der Kinderpornografie nutzt?“. Auch hier sah das Gericht die Absicht, eine rufschädigende Tatsache über den Geschädigten zu verbreiten.
Die Aussage stellte eine direkte und schwerwiegende Anschuldigung dar, die darauf abzielte, den Geschädigten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und ihn erneut mit schweren Straftaten in Verbindung zu bringen. Die Verbreitung über ein Videoformat auf einer öffentlichen Plattform verstärkte die Wirkung zusätzlich.
Die rechtliche Bewertung: Üble Nachrede nach § 186 StGB
Das Gericht sah in beiden detailliert beschriebenen Fällen sowie in einem dritten, nicht näher ausgeführten Fall den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) als erfüllt an. Dieser Paragraph stellt das Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen unter Strafe, die geeignet sind, eine andere Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sofern die Wahrheit dieser Tatsachen nicht beweisbar ist.
Entscheidend ist hierbei, dass es sich um Tatsachenbehauptungen handeln muss – also um Aussagen, die dem Beweis zugänglich sind (wahr oder falsch) – und nicht um reine Meinungsäußerungen. Das Gericht stellte fest, dass die Äußerungen der Angeklagten diesen Charakter hatten und geeignet waren, das Ansehen des Geschädigten erheblich zu beschädigen. Die Verbreitung über eine öffentliche Plattform wie „X“ erfüllte das Merkmal des „Verbreitens“.
Das Urteil: Bewährungsstrafe und Schmerzensgeld
Die Strafe
Das Gericht verurteilte die Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Bei der Bildung der Gesamtstrafe wurden die drei Einzelfälle berücksichtigt (§ 53 StGB). Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (§ 56 StGB). Das bedeutet, die Angeklagte muss die Haftstrafe nicht antreten, sofern sie sich während der Bewährungszeit straffrei führt und eventuelle Auflagen erfüllt.
Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren
Neben der strafrechtlichen Verurteilung wurde die Angeklagte im sogenannten Adhäsionsverfahren verpflichtet, an den Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro zu zahlen. Dieses Verfahren ermöglicht es Opfern von Straftaten, zivilrechtliche Ansprüche (wie Schmerzensgeld) direkt im Strafprozess geltend zu machen. Das Gericht erkannte die erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die diffamierenden Posts an.
Zusätzlich zum Schmerzensgeld muss die Angeklagte Zinsen zahlen. Dieser Teil des Urteils ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, der Geschädigte kann die Zahlung bereits vor Rechtskraft des Urteils verlangen, wenn er eine Sicherheit leistet.
Kosten des Verfahrens
Die Angeklagte muss die gesamten Kosten des Strafverfahrens tragen. Dazu gehören auch die besonderen Kosten, die durch den Adhäsionsantrag entstanden sind, sowie die notwendigen Auslagen des Geschädigten (Adhäsionsklägers) im Zusammenhang mit diesem Antrag. Ihre eigenen Auslagen für das Adhäsionsverfahren trägt sie ebenfalls selbst.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Dieses Urteil sendet ein klares Signal an die Öffentlichkeit und insbesondere an Nutzer sozialer Medien. Es verdeutlicht, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und diffamierende Äußerungen ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können – strafrechtlich wie zivilrechtlich.
Für Opfer von Online-Diffamierung und übler Nachrede zeigt das Urteil, dass der Rechtsstaat Instrumente bereithält, um sich zur Wehr zu setzen. Die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe und die Zuerkennung eines nicht unerheblichen Schmerzensgeldes bestätigen die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung. Das Adhäsionsverfahren bietet dabei eine effiziente Möglichkeit, Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Für potenzielle Täter stellt das Urteil eine Warnung dar. Unbedachte oder bewusst schädigende Äußerungen auf Plattformen wie „X“ können nicht nur zu einer Strafbarkeit wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) oder verwandter Delikte führen, sondern auch erhebliche finanzielle Belastungen durch Schmerzensgeldzahlungen und Verfahrenskosten verursachen. Die Aussetzung der Strafe zur Bewährung erfolgte hier auch vor dem Hintergrund, dass die Angeklagte nicht vorbestraft war; bei Wiederholungstätern oder gravierenderen Fällen kann auch eine unbedingte Freiheitsstrafe drohen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Online-Äußerungen über vermeintliche Sexualstraftaten ohne nachweisbare Wahrheit als üble Nachrede strafbar sind und mit erheblichen Strafen (hier: zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) sowie hohem Schmerzensgeld (5.000 EUR) geahndet werden können. Besonders bedeutsam ist, dass sowohl Posts in sozialen Medien als auch Äußerungen in Versammlungen gleichermaßen als strafbare Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen gelten, wenn sie die Ehre anderer verletzen und diese in der öffentlichen Meinung herabwürdigen. Die Entscheidung verdeutlicht die ernsten rechtlichen Konsequenzen unbedachter Anschuldigungen besonders im Kontext von Sexualdelikten.
Benötigen Sie Hilfe?
Diskrete Unterstützung bei Vorwürfen der üblen Nachrede
Der Vorwurf, durch Äußerungen in sozialen Medien die Grenze zur strafbaren üblen Nachrede überschritten zu haben, betrifft immer mehr Menschen. Schnell können Aussagen, die zunächst als Meinung gelten, rechtlich als unzulässige Tatsachenbehauptung bewertet werden – mit erheblichen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen.
Wir prüfen sorgfältig die rechtliche Einordnung Ihrer Äußerungen und entwickeln eine angemessene Verteidigungsstrategie. Ebenso unterstützen wir Geschädigte bei der Abwehr rufschädigender Behauptungen und der Geltendmachung von Ansprüchen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau bedeutet „üble Nachrede“ im juristischen Sinne und wie unterscheidet sie sich von anderen Ehrdelikten wie Beleidigung oder Verleumdung?
Um zu verstehen, was Ihnen möglicherweise vorgeworfen wird, ist es hilfreich, die Unterschiede zwischen den sogenannten Ehrdelikten zu kennen. Diese Delikte schützen die persönliche Ehre einer Person. Die wichtigsten sind üble Nachrede, Verleumdung und Beleidigung. Sie unterscheiden sich vor allem darin, was behauptet wird und ob der Behauptende weiß, dass seine Aussage falsch ist.
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Bei der üblen Nachrede geht es um das Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen über eine andere Person gegenüber Dritten. Eine Tatsache ist etwas, das dem Beweis zugänglich ist – man könnte also theoretisch überprüfen, ob es stimmt oder nicht (z.B. „Herr X hat Schulden“, „Frau Y wurde gekündigt“).
Der entscheidende Punkt bei der üblen Nachrede ist:
- Die behauptete Tatsache ist geeignet, die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (also ihrem Ansehen zu schaden).
- Die behauptete Tatsache ist nicht erweislich wahr. Das bedeutet, es kann nicht bewiesen werden, dass die Behauptung stimmt.
Wichtig: Für eine üble Nachrede muss derjenige, der die Tatsache verbreitet, nicht sicher wissen, dass sie falsch ist. Es reicht aus, wenn die Wahrheit der Behauptung nicht feststeht bzw. nicht bewiesen werden kann.
- Beispiel: Sie erzählen Kollegen, dass ein anderer Kollege angeblich eine schlechte Bewertung von seinem Vorgesetzten bekommen hat, obwohl Sie das nur vom Hörensagen wissen und es nicht beweisen können. Wenn diese Behauptung geeignet ist, das Ansehen des Kollegen zu schädigen, und nicht nachweislich wahr ist, könnte dies eine üble Nachrede sein.
Beleidigung (§ 185 StGB)
Die Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre durch die Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung. Anders als bei der üblen Nachrede und Verleumdung geht es hier oft nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um persönliche Werturteile oder Schmähungen.
Merkmale der Beleidigung sind:
- Äußerung eines negativen Werturteils (z.B. Schimpfwörter wie „Idiot“, „Betrüger“).
- Kann auch durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen erfolgen, die direkt gegenüber dem Betroffenen oder bewusst gegenüber Dritten geäußert werden.
- Die Äußerung muss geeignet sein, die Ehre des Betroffenen zu verletzen.
Unterschied zur üblen Nachrede: Bei der Beleidigung steht oft das abwertende Urteil im Vordergrund. Eine Tatsachenbehauptung kann zwar auch eine Beleidigung sein, aber der Fokus liegt auf der direkten Ehrverletzung durch die Äußerung selbst. Die Frage, ob eine Tatsache wahr oder falsch ist, spielt bei reinen Werturteilen keine Rolle.
- Beispiel: Sie beschimpfen jemanden direkt als „Lügner“. Dies ist in erster Linie ein Werturteil und damit eine mögliche Beleidigung.
Verleumdung (§ 187 StGB)
Die Verleumdung ist sozusagen die „schärfere“ Form der üblen Nachrede. Auch hier geht es um das Behaupten oder Verbreiten einer Tatsache, die geeignet ist, eine Person verächtlich zu machen oder herabzuwürdigen.
Der entscheidende Unterschied zur üblen Nachrede ist:
- Die behauptete Tatsache ist nachweislich unwahr.
- Der Täter weiß, dass die Tatsache unwahr ist (er handelt „wider besseres Wissen“).
Wichtig: Bei der Verleumdung muss der Behauptende also absichtlich eine Lüge verbreiten, um dem Ansehen der anderen Person zu schaden. Dies wird härter bestraft als die üble Nachrede.
- Beispiel: Sie erzählen gezielt herum, Ihr Nachbar hätte etwas gestohlen, obwohl Sie genau wissen, dass das nicht stimmt, nur um ihm zu schaden. Das wäre eine Verleumdung.
Zusammenfassend die Kernunterschiede für Sie:
- Üble Nachrede (§ 186 StGB): Verbreiten einer nicht erweislich wahren Tatsache, die dem Ansehen schadet. Der Täter muss die Unwahrheit nicht kennen.
- Verleumdung (§ 187 StGB): Verbreiten einer Tatsache, von der der Täter weiß, dass sie unwahr ist, um dem Ansehen zu schaden.
- Beleidigung (§ 185 StGB): Direkte Äußerung von Missachtung (oft Werturteile) gegenüber einer Person.
Wenn Ihnen also üble Nachrede vorgeworfen wird, geht es wahrscheinlich um eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt unklar ist oder nicht bewiesen werden kann und die Ihr Ansehen oder das einer anderen Person beeinträchtigen könnte.
Welche konkreten Konsequenzen (z.B. Strafen, Schadensersatz) drohen bei einer Verurteilung wegen übler Nachrede nach § 186 StGB?
Eine strafrechtliche Verurteilung wegen übler Nachrede nach § 186 des Strafgesetzbuches (StGB) kann verschiedene Folgen haben, die sich in strafrechtliche Sanktionen und zivilrechtliche Ansprüche unterteilen lassen.
Strafrechtliche Folgen
Das Strafgesetzbuch sieht für die üble Nachrede einen bestimmten Strafrahmen vor. Innerhalb dieses Rahmens legt das Gericht die konkrete Strafe fest, abhängig von den Umständen des Einzelfalls (z.B. Schwere der Tat, Vorstrafen, Art der Verbreitung).
- Regelfall: Wird jemand wegen übler Nachrede verurteilt, droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
- Qualifizierter Fall: Erfolgte die üble Nachrede öffentlich (z.B. in einer Versammlung, im Internet, in sozialen Medien) oder durch das Verbreiten von Schriften (dazu zählen auch digitale Inhalte), kann die Strafe höher ausfallen. Hier droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
Wie wird eine Geldstrafe berechnet? Eine Geldstrafe wird in sogenannten Tagessätzen festgesetzt. Das Gericht bestimmt die Anzahl der Tagessätze (je nach Schwere der Tat) und die Höhe eines einzelnen Tagessatzes. Die Höhe orientiert sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten, vereinfacht gesagt am Nettoeinkommen pro Tag.
- Vereinfachte Formel zur Orientierung: Gesamtgeldstrafe = Anzahl der Tagessätze × Höhe des Tagessatzes
- Beispiel (vereinfacht): Verurteilt jemand zu 30 Tagessätzen und das Gericht legt die Höhe eines Tagessatzes auf 50 Euro fest, beträgt die Geldstrafe 1.500 Euro (30 × 50 Euro).
Zivilrechtliche Folgen
Unabhängig vom Strafverfahren kann die Person, über die unwahre Tatsachen behauptet wurden (der Betroffene), zivilrechtliche Ansprüche gegen den Verursacher geltend machen. Diese müssen vom Betroffenen selbst vor einem Zivilgericht eingeklagt werden und kommen zusätzlich zur strafrechtlichen Verurteilung in Betracht.
- Unterlassung: Der Betroffene kann verlangen, dass die ehrverletzenden Behauptungen in Zukunft unterlassen werden. Bei Zuwiderhandlung drohen oft Ordnungsgelder oder Ordnungshaft.
- Schadensersatz: Wenn dem Betroffenen durch die üble Nachrede ein nachweisbarer finanzieller Schaden entstanden ist (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes, Auftragsstornierungen), kann er diesen Schaden als Schadensersatz geltend machen.
- Schmerzensgeld (Geldentschädigung): Auch wenn kein direkter finanzieller Schaden entstanden ist, kann der Betroffene wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung (oft als Schmerzensgeld bezeichnet) fordern. Dies dient als Ausgleich für den erlittenen immateriellen Schaden (z.B. Rufschädigung, seelische Belastung). Die Höhe hängt stark vom Einzelfall ab, insbesondere von der Schwere der Persönlichkeitsverletzung und der Verbreitung der Äußerung.
- Widerruf / Richtigstellung: Unter Umständen kann der Betroffene auch verlangen, dass die falschen Behauptungen richtiggestellt oder widerrufen werden, oft auf demselben Weg, auf dem sie verbreitet wurden.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Strafverfahren (Staatsanwalt gegen Beschuldigten) und das Zivilverfahren (Betroffener gegen Schädiger) zwei getrennte Verfahren sind, auch wenn sie denselben Sachverhalt betreffen. Eine strafrechtliche Verurteilung kann aber im Zivilprozess als wichtiges Indiz dienen.
Welche Rolle spielt die Wahrheit oder Unwahrheit einer Aussage bei der Beurteilung von übler Nachrede?
Bei der üblen Nachrede geht es darum, dass jemand eine Tatsache über eine andere Person behauptet oder verbreitet, die diese Person verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen könnte. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass nur falsche Aussagen bestraft werden. Das stimmt so nicht ganz.
Die zentrale Rolle des Wahrheitsbeweises
Der Kern der üblen Nachrede nach § 186 des Strafgesetzbuches (StGB) liegt darin, dass die behauptete oder verbreitete Tatsache nicht „erweislich wahr“ ist. Das bedeutet:
- Kann die Wahrheit bewiesen werden? Wenn die Person, die die Aussage getätigt hat, beweisen kann, dass die behauptete Tatsache wahr ist, wird sie in der Regel nicht wegen übler Nachrede bestraft. Die Wahrheit dient hier also als Verteidigung.
- Beispiel: Jemand behauptet öffentlich, Herr Müller habe Firmengelder veruntreut. Wenn diese Person später im Verfahren gerichtsfest beweisen kann, dass Herr Müller tatsächlich wegen Veruntreuung verurteilt wurde, liegt in der Regel keine strafbare üble Nachrede vor.
Wann die Wahrheit (scheinbar) keine Rolle spielt
Der Knackpunkt ist die Beweisbarkeit durch den Äußernden. Strafbar macht sich nach § 186 StGB, wer eine herabwürdigende Tatsache behauptet oder verbreitet, deren Wahrheit er nicht beweisen kann.
- Was, wenn die Aussage wahr ist, aber nicht bewiesen werden kann? Selbst wenn eine herabwürdigende Behauptung objektiv wahr sein sollte, kann eine Bestrafung wegen übler Nachrede erfolgen, wenn derjenige, der sie äußert, die Wahrheit vor Gericht nicht beweisen kann. Für die Strafbarkeit kommt es also entscheidend darauf an, ob der Beweis der Wahrheit gelingt. Gelingt er nicht, kann die Äußerung als üble Nachrede strafbar sein, unabhängig davon, ob sie vielleicht doch wahr war.
- Beispiel: Jemand erzählt herum, Frau Schmidt betrüge ihren Ehemann. Selbst wenn das stimmen sollte – kann der Erzählende dies nicht beweisen (was bei privaten Details oft der Fall ist), kann er sich wegen übler Nachrede strafbar machen, da er eine nicht beweisbare, herabwürdigende Tatsache verbreitet hat.
Die Ausnahme: Wahrnehmung berechtigter Interessen und Formalbeleidigung
Es gibt Situationen, in denen ehrverletzende Äußerungen (auch Meinungsäußerungen) trotz ihrer Schärfe gerechtfertigt sein können, etwa bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB). Dies kann z.B. bei sachlicher Kritik oder im Rahmen einer öffentlichen Debatte der Fall sein. Die Abwägung ist hier komplex.
Wichtig ist auch: Selbst wenn eine Tatsache wahr ist, kann ihre Äußerung unter bestimmten Umständen strafbar sein, nämlich wenn sie den Charakter einer Formalbeleidigung hat (§ 192 StGB). Das ist der Fall, wenn die Ehrverletzung sich aus der Form der Äußerung (z.B. besonders beschämende Art und Weise) oder den Umständen ergibt, unter denen sie erfolgte. Hier tritt der Wahrheitsgehalt in den Hintergrund.
Was bedeutet das konkret für Sie?
Für Sie bedeutet das: Seien Sie vorsichtig mit der Verbreitung von Tatsachen über andere, die deren Ruf schaden könnten. Nur weil Sie glauben, dass etwas wahr ist, heißt das nicht, dass Sie es auch beweisen können. Die üble Nachrede bestraft gerade das Verbreiten von rufschädigenden Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheit der Verbreitende im Zweifel nicht gerichtsfest nachweisen kann. Die Frage ist also weniger „Ist es wahr?“, sondern vielmehr: „Kann ich beweisen, dass es wahr ist?“
Wie kann ich mich gegen eine ungerechtfertigte Beschuldigung der üblen Nachrede verteidigen? Welche Beweismittel sind relevant?
Wenn Ihnen üble Nachrede vorgeworfen wird, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich gegen eine solche Beschuldigung zur Wehr zu setzen. Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen für eine üble Nachrede (§ 186 Strafgesetzbuch) überhaupt erfüllt sind oder ob Ihre Äußerung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt war.
Möglichkeiten der Verteidigung
Eine Verteidigung kann darauf abzielen zu zeigen, dass Ihre Äußerung keine strafbare üble Nachrede darstellt. Hier sind die wichtigsten Ansatzpunkte:
- Die Aussage ist wahr (Wahrheitsbeweis):
- Üble Nachrede liegt vor, wenn jemand eine nicht erweislich wahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die einen anderen verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen kann.
- Der wichtigste Punkt zur Verteidigung ist daher oft der Beweis, dass Ihre Aussage der Wahrheit entspricht. Können Sie belegen, dass die von Ihnen behauptete Tatsache wahr ist, liegt in der Regel keine üble Nachrede vor.
- Beispiel: Wenn Sie behauptet haben, Herr Müller habe Firmengelder veruntreut, und Sie dies durch Kontoauszüge oder Zeugenaussagen beweisen können, entfällt der Vorwurf der üblen Nachrede.
- Es handelt sich nicht um eine Tatsachenbehauptung:
- Strafbar als üble Nachrede sind nur Tatsachenbehauptungen, also Äußerungen, die dem Beweis zugänglich sind (wahr oder falsch).
- Reine Meinungsäußerungen oder Werturteile fallen nicht unter die üble Nachrede (können aber unter Umständen eine Beleidigung nach § 185 StGB sein). Die Abgrenzung kann schwierig sein. Eine Verteidigung kann darauf abzielen darzulegen, dass Ihre Äußerung als Meinungsäußerung zu werten ist.
- Beispiel: Die Aussage „Ich finde das Verhalten von Frau Schmidt unprofessionell“ ist eher eine Meinung. Die Aussage „Frau Schmidt hat gestern drei Kunden unhöflich behandelt“ ist eine Tatsachenbehauptung, die bewiesen werden müsste.
- Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB):
- Auch eine an sich ehrenrührige Tatsachenbehauptung kann gerechtfertigt und damit straflos sein, wenn sie in „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ erfolgte. Das bedeutet, Sie hatten einen nachvollziehbaren und legitimen Grund für Ihre Äußerung.
- Berechtigte Interessen können vielfältig sein, zum Beispiel:
- Die Ausübung oder Verteidigung eigener Rechte (z.B. in einem Gerichtsverfahren).
- Sachliche Kritik an wissenschaftlichen, künstlerischen oder gewerblichen Leistungen.
- Äußerungen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen (z.B. in einer Versammlung, einem Verein).
- Das Vorbringen von Rügen oder Beschwerden bei zuständigen Stellen.
- Wichtig: Die Äußerung muss zur Wahrnehmung des Interesses erforderlich sein und darf in der Form nicht unangemessen sein (keine reine Schmähkritik). Sie müssen also einen guten Grund für die Äußerung gehabt haben und dürfen es in der Wortwahl nicht übertrieben haben.
- Beispiel: Eine sachliche, wenn auch kritische Bewertung eines Handwerkers auf einem Bewertungsportal kann durch berechtigte Interessen gedeckt sein, wenn sie der Information anderer Kunden dient und sich auf belegbare Fakten stützt.
- Die Äußerung wurde nicht getätigt oder anders getätigt:
- Sie können natürlich auch bestreiten, die Ihnen vorgeworfene Äußerung überhaupt oder in der behaupteten Form getätigt zu haben.
Relevante Beweismittel
Welche Beweismittel relevant sind, hängt davon ab, was genau Sie beweisen möchten (z.B. die Wahrheit Ihrer Aussage, den Kontext oder Ihr berechtigtes Interesse). Grundsätzlich kommen folgende Beweismittel in Betracht:
- Zeugenaussagen: Personen, die bestätigen können,
- dass Ihre Tatsachenbehauptung wahr ist.
- was genau gesagt wurde und in welchem Zusammenhang (Kontext der Äußerung).
- dass Sie aus einem berechtigten Interesse gehandelt haben.
- Dokumente und Urkunden: Schriftstücke wie Verträge, Briefe, E-Mails, Rechnungen, offizielle Bescheinigungen, Protokolle, die die Wahrheit Ihrer Aussage belegen oder den Anlass der Äußerung erklären.
- Digitale Beweise: Screenshots von Webseiten, Social-Media-Beiträgen, Chatverläufen oder E-Mails. Hierbei ist oft die Frage der Authentizität und Nachweisbarkeit wichtig.
- Bild- und Tonaufnahmen: Fotos oder Videos (sofern die Aufnahme und Verwendung rechtlich zulässig ist).
- Sachverständigengutachten: In komplexeren Fällen kann ein Gutachten erforderlich sein, z.B. zur Klärung fachlicher Fragen, die für die Wahrheit der Behauptung relevant sind.
Die Beurteilung, ob eine Äußerung tatsächlich eine üble Nachrede darstellt und welche Verteidigungsstrategie oder welche Beweismittel im Einzelfall geeignet sind, hängt immer von den genauen Umständen des jeweiligen Falles ab.
Inwieweit beeinflusst die Verbreitung von Aussagen über soziale Medien (wie „X“) die rechtliche Bewertung der üblen Nachrede?
Die Verbreitung von Aussagen über soziale Medien wie X (vormals Twitter), Facebook, Instagram und ähnliche Plattformen hat erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Bewertung der üblen Nachrede (§ 186 Strafgesetzbuch). Üble Nachrede liegt vor, wenn jemand über eine andere Person Tatsachen behauptet oder verbreitet, die diese verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen können, und diese Tatsachen nicht nachweislich wahr sind.
Die Besonderheiten sozialer Medien verstärken die Wirkung und damit die Schwere einer solchen Ehrverletzung oft deutlich:
Größere Reichweite und Öffentlichkeit
Aussagen in sozialen Medien können sich rasant und unkontrollierbar verbreiten (virale Effekte). Ein einzelner Post kann potenziell ein sehr großes Publikum erreichen – weit mehr Menschen als bei einer Äußerung im privaten Kreis oder in einer gedruckten Zeitung mit begrenzter Auflage. Diese massive Reichweite führt dazu, dass der Schaden für das Ansehen der betroffenen Person ungleich größer sein kann. Äußerungen auf öffentlich zugänglichen Profilen gelten zudem als „öffentlich“ verbreitet, was die Tat gravierender macht.
Dauerhafte Verfügbarkeit und Auffindbarkeit
Im Gegensatz zu einer mündlichen Äußerung bleiben Posts in sozialen Medien oft über lange Zeiträume online verfügbar. Sie können immer wieder aufgerufen, geteilt und über Suchmaschinen gefunden werden. Diese Dauerhaftigkeit bedeutet, dass die Ehrverletzung nicht nur einen kurzen Moment wirkt, sondern die betroffene Person langanhaltend belasten kann. Der Rufschaden kann so immer wieder neu entstehen oder vertieft werden.
Auswirkungen auf die rechtlichen Konsequenzen
Die genannten Faktoren – hohe Reichweite, Öffentlichkeit und Dauerhaftigkeit – werden von Gerichten bei der Bewertung der Tat und der Festlegung der Konsequenzen berücksichtigt:
- Im Strafrecht: Bei der Festlegung des Strafmaßes für üble Nachrede (§ 186 StGB sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor, bei öffentlicher Verbreitung bis zu zwei Jahren) spielt die Schwere der Tat eine zentrale Rolle. Die enorme Verbreitungsmöglichkeit und die nachhaltige Wirkung von Aussagen in sozialen Medien werden als strafschärfend gewertet. Das bedeutet, dass die Strafe (insbesondere die Höhe der Geldstrafe) höher ausfallen kann als bei einer Äußerung mit geringerer Reichweite.
- Im Zivilrecht (Schmerzensgeld): Üble Nachrede verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person (geschützt durch Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes sowie § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Bei einer schwerwiegenden Verletzung dieses Rechts kann ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen. Die Intensität und die Folgen der Ehrverletzung sind maßgeblich für die Höhe des Schmerzensgeldes. Da die Verbreitung über soziale Medien den Ruf einer Person besonders stark und nachhaltig schädigen kann, erkennen Gerichte hier tendenziell höhere Schmerzensgeldbeträge zu als bei weniger weitreichenden Verbreitungsformen. Die andauernde Präsenz der rufschädigenden Inhalte im Netz wird dabei besonders berücksichtigt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Üble Nachrede nach § 186 Strafgesetzbuch (StGB) liegt vor, wenn jemand über eine andere Person eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die nicht nachweislich wahr ist und die geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Entscheidend ist, dass es um eine überprüfbare (wahre oder falsche) Tatsache geht, nicht um eine reine Meinungsäußerung. Im vorliegenden Fall hat die Studentin auf „X“ dem Geschädigten schwere Straftaten unterstellt, deren Wahrheit sie nicht beweisen konnte.
Beispiel: Jemand erzählt im Büro, Kollege Müller habe Firmeneigentum gestohlen. Wenn das nicht stimmt und nicht bewiesen werden kann, kann das üble Nachrede sein, weil es Herrn Müllers Ansehen schadet.
Tatsachenbehauptung
Eine Tatsachenbehauptung ist eine Äußerung über konkrete Geschehnisse oder Zustände, deren Wahrheit oder Unwahrheit durch Beweise überprüft werden kann. Sie unterscheidet sich von einer reinen Meinungsäußerung oder einem Werturteil, die subjektiv sind und nicht bewiesen werden können (z.B. „Ich finde sein Verhalten inakzeptabel“). Im Kontext der üblen Nachrede (§ 186 StGB) ist diese Unterscheidung zentral, da nur unwahre Tatsachenbehauptungen strafbar sind. Die Aussagen der Studentin, der Geschädigte nutze Kinderpornografie oder gehe „über Leichen“, wurden vom Gericht als Tatsachenbehauptungen gewertet.
Gesamtfreiheitsstrafe (§ 53 StGB)
Wurde jemand wegen mehrerer Straftaten verurteilt, werden die dafür eigentlich anfallenden Einzelstrafen nicht einfach addiert. Stattdessen bildet das Gericht nach § 53 Strafgesetzbuch (StGB) eine Gesamtfreiheitsstrafe. Diese Strafe muss höher sein als die höchste verhängte Einzelstrafe, darf aber die Summe aller Einzelstrafen nicht erreichen. Im Fall der Studentin wurden die Strafen für die drei Fälle von übler Nachrede zu einer einzigen Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten zusammengefasst.
Bewährung (§ 56 StGB)
Eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung (§ 56 Strafgesetzbuch – StGB) bedeutet, dass eine verhängte Freiheitsstrafe (bis zu zwei Jahren) vorerst nicht vollstreckt, also nicht im Gefängnis angetreten werden muss. Voraussetzung ist meist eine positive Prognose, dass der Verurteilte auch ohne Haft keine Straftaten mehr begeht. Während der Bewährungszeit (meist 2-5 Jahre) muss sich die Person straffrei halten und oft bestimmte Auflagen erfüllen; im Fall der Studentin sind dies die Zahlung des Schmerzensgeldes und der Verfahrenskosten. Verstößt sie dagegen, kann die Bewährung widerrufen und die Haftstrafe doch noch vollstreckt werden.
Adhäsionsverfahren
Das Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. Strafprozessordnung – StPO) ermöglicht es dem Opfer einer Straftat (dem Geschädigten), seine zivilrechtlichen Ansprüche – wie Schmerzensgeld oder Schadensersatz – direkt im Strafprozess gegen den Täter geltend zu machen. Dadurch muss das Opfer keinen separaten Zivilprozess führen, was Zeit und Kosten sparen kann. Im vorliegenden Fall hat der Geschädigte (als Adhäsionskläger bezeichnet) dieses Verfahren genutzt, um erfolgreich 5.000 Euro Schmerzensgeld von der verurteilten Studentin zu erhalten.
Schmerzensgeld
Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für Schäden, die nicht direkt das Vermögen betreffen (sogenannte immaterielle Schäden), geregelt in § 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es soll erlittenes Leid, Schmerzen oder Beeinträchtigungen, z.B. durch Körperverletzung oder – wie hier – eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die ehrverletzenden Posts, zumindest teilweise kompensieren und dem Opfer Genugtuung verschaffen. Im konkreten Fall wurde der Studentin auferlegt, 5.000 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten zu zahlen, da seine Ehre und sein Ansehen durch die üble Nachrede erheblich verletzt wurden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 186 StGB – Üble Nachrede: Üble Nachrede liegt vor, wenn jemand über eine andere Person Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sofern die Wahrheit dieser Tatsachen nicht bewiesen wird. Es schützt den sozialen Geltungsanspruch des Einzelnen vor herabsetzenden Äußerungen, die nicht erwiesen wahr sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Angeklagte wurde wegen übler Nachrede verurteilt, da ihre Äußerungen auf X geeignet waren, den Zeugen (…) in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, indem sie ihm Besitz und Nutzung von Kinderpornografie implizierte, was nicht der Wahrheit entsprach.
Hinweise und Tipps
Schnell ist im Eifer des Gefechts oder aus Ärger heraus ein Kommentar auf Social Media gepostet. Manchmal sind die Worte hart und zielen direkt auf eine andere Person. Doch Vorsicht: Was online geäußert wird, kann ernste rechtliche Folgen haben.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Bedenken Sie die Reichweite und Folgen Ihrer Worte
Auch online geäußerte Kritik oder Beschimpfungen können Straftatbestände wie üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen. Wie der Fall zeigt, können selbst einzelne Posts auf Plattformen wie „X“ (früher Twitter) zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen – hier sogar zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Tipp 2: Unterscheiden Sie zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
Die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Während Werturteile und Meinungen weitgehend geschützt sind (außer bei reiner Schmähkritik), ist das Behaupten unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, eine andere Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, als üble Nachrede strafbar. Bezeichnungen wie „Bestie“ oder der Vorwurf, „über Leichen zu gehen“, wurden hier als strafbare üble Nachrede gewertet.
⚠️ ACHTUNG: Die Abgrenzung zwischen (noch zulässiger) Meinungsäußerung und (strafbarer) Tatsachenbehauptung oder Beleidigung kann im Einzelfall schwierig sein. Im Zweifel sollten Sie auf herabwürdigende oder potenziell unwahre Aussagen verzichten.
Tipp 3: Rechnen Sie mit zivilrechtlichen Ansprüchen (Schmerzensgeld)
Neben der strafrechtlichen Verfolgung können Opfer von Ehrverletzungen auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Im vorliegenden Fall wurde die Angeklagte zur Zahlung von 5.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Solche Ansprüche können im Strafverfahren (Adhäsionsverfahren) oder in einem separaten Zivilprozess durchgesetzt werden.
Tipp 4: Schmerzensgeld kann schnell vollstreckbar sein
Die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld kann – wie im Urteil des AG Wiesbaden – für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Das bedeutet, dass der Geschädigte die Zahlung des Schmerzensgeldes bereits durchsetzen kann, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (z. B. weil Berufung eingelegt wurde). Dies kann zu sofortigem finanziellem Druck führen.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Bedenken Sie die Dauerhaftigkeit und schnelle Verbreitung von Online-Inhalten. Selbst gelöschte Posts können bereits gespeichert oder weiterverbreitet worden sein. Auch vermeintliche Anonymität schützt oft nicht vor Ermittlungen. Neben der üblen Nachrede (§ 186 StGB) kommen auch Beleidigung (§ 185 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) als Straftatbestände in Betracht.
✅ Checkliste: Ehrverletzungen online vermeiden
- Innehalten: Überlegen Sie vor dem Posten, ob Ihre Äußerung andere herabwürdigen oder beleidigen könnte.
- Fakten prüfen: Stellen Sie sicher, dass Tatsachenbehauptungen über andere Personen der Wahrheit entsprechen, bevor Sie sie verbreiten.
- Wortwahl überdenken: Vermeiden Sie übermäßig aggressive Sprache, Schimpfwörter oder Vergleiche, die als ehrverletzend aufgefasst werden könnten (z.B. „Bestie“).
- Konsequenzen bedenken: Seien Sie sich bewusst, dass Online-Äußerungen strafrechtliche (Geldstrafe, Freiheitsstrafe) und zivilrechtliche (Schmerzensgeld) Folgen haben können.
- Zweifel? Verzichten!: Wenn Sie unsicher sind, ob eine Äußerung rechtlich zulässig ist, verzichten Sie lieber darauf.
Das vorliegende Urteil
AG Wiesbaden – Az.: 720 Ds 2230 Js 42893/22 – Urteil vom 10.09.2024
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