Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- LG Trier: Rechtmäßigkeit von Betretungsverbot und Festhalten vor offizieller Durchsuchungsanordnung (§ 98 Abs. 2 StPO)
- Hintergrund: Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrug bei Corona-Testzentren und geplante Durchsuchung
- Der Vorfall: Betretungsverbot und Festhalten des Bewohners vor richterlicher Anordnung
- Die Beschwerde des Bewohners: Unzulässiger präventiver Zwang und Behinderung bei der Arbeit?
- Stellungnahme der Ermittlungsbehörden: Sachverhaltsdarstellung der Kriminalpolizei
- Entscheidung des Amtsgerichts Trier: Bestätigung der Maßnahmen
- Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Trier: Maßnahmen waren rechtmäßig
- Begründung des Landgerichts Trier: Beschwerde als unbegründet verworfen
- Kostenentscheidung: Bewohner trägt Kosten des Beschwerdeverfahrens
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei mein Haus durchsuchen, auch wenn ich selbst nicht verdächtig bin?
- Was bedeutet „Gefahr im Verzug“ im Zusammenhang mit einer Hausdurchsuchung und wann darf die Polizei ohne richterlichen Beschluss handeln?
- Welche Rechte habe ich, wenn die Polizei mein Haus durchsucht? Darf ich die Durchsuchung filmen oder einen Anwalt hinzuziehen?
- Unter welchen Umständen ist es rechtmäßig, wenn die Polizei mir den Zutritt zu meiner eigenen Wohnung verwehrt, bevor ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt?
- Was kann ich tun, wenn ich der Meinung bin, dass eine Durchsuchung oder andere polizeiliche Maßnahmen gegen mich rechtswidrig waren? Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 Qs 4/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Trier
- Datum: 06.02.2024
- Aktenzeichen: 1 Qs 4/24
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Beschwerdeführer: Eine Person (M. A…), die sich gegen die Art und Weise der Durchsuchung ihrer Wohnung wehrt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Im Rahmen von Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrugs gegen andere Personen sollte eine Wohnung durchsucht werden. Die Beamten stellten vor Ort fest, dass der Verdächtige dort nicht mehr wohnte, sondern an einer anderen Adresse. Für diese neue Adresse wurde kurzfristig eine mündliche Durchsuchungsanordnung erteilt. An dieser neuen Adresse wohnte jedoch der Beschwerdeführer, bei dem die Durchsuchung dann stattfand. Der Beschwerdeführer beschwerte sich im Nachhinein darüber, wie die Durchsuchung ablief: Ihm sei zeitweise verboten worden, sein Haus zu betreten oder sich frei davor zu bewegen.
- Kern des Rechtsstreits: War die Art und Weise der Durchsuchung rechtmäßig, insbesondere das vorübergehende Verbot für den Bewohner, sein Haus zu betreten und sich frei zu bewegen?
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.
- Folgen: Die durchgeführte Durchsuchung wurde in Bezug auf die Art und Weise ihres Ablaufs vom Gericht nicht beanstandet. Der Beschwerdeführer muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens bezahlen.
Der Fall vor Gericht
LG Trier: Rechtmäßigkeit von Betretungsverbot und Festhalten vor offizieller Durchsuchungsanordnung (§ 98 Abs. 2 StPO)

Das Landgericht (LG) Trier hat in einem Beschluss vom 6. Februar 2024 (Az.: 1 Qs 4/24) entschieden, dass Maßnahmen der Polizei, wie das Verbot, das eigene Haus zu betreten, und das Festhalten einer Person vor dem Haus, auch kurz bevor eine Richterliche Durchsuchungsanordnung für dieses Haus vorliegt, unter bestimmten Umständen rechtmäßig sein können. Die Entscheidung fiel im Rahmen einer Beschwerde eines Mannes, der sich gegen die Art und Weise einer polizeilichen Maßnahme im Vorfeld einer Hausdurchsuchung gewehrt hatte.
Hintergrund: Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrug bei Corona-Testzentren und geplante Durchsuchung
Die Staatsanwaltschaft Trier führte ein umfangreiches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs. Im Fokus standen die Betreiber verschiedener Corona-Testzentren, darunter auch der Bruder des Mannes, der später die Beschwerde einlegte, sowie weitere Personen.
Im Zuge dieser Ermittlungen sollten am 11. Mai 2023 mehrere Durchsuchungsbeschlüsse gleichzeitig vollstreckt werden. Einer dieser richterlich angeordneten Beschlüsse bezog sich auf die Wohnung des beschuldigten Bruders an dessen offizieller Meldeadresse.
Als die Ermittlungsbeamten der Kriminaldirektion Trier an der gemeldeten Adresse eintrafen, stellten sie jedoch an der Eingangstür einen Zettel fest. Dieser enthielt den Hinweis, dass ein Umzug stattgefunden habe und Post an eine andere Adresse in Trier geliefert werden solle.
Eine schnelle Überprüfung dieser neuen Adresse im Einwohnermeldesystem ergab zunächst, dass dort niemand gemeldet war. Weitere Ermittlungen zeigten jedoch, dass der Bruder des Beschuldigten (der Mann, der später Beschwerde einlegte) tatsächlich unter dieser neuen Anschrift wohnhaft war.
Der Vorfall: Betretungsverbot und Festhalten des Bewohners vor richterlicher Anordnung
Da nun eine neue, unerwartete Situation vorlag und die Beamten Grund zur Annahme hatten, dass sich relevante Beweismittel in den Räumlichkeiten des Bruders befinden könnten, musste schnell gehandelt werden. Die Staatsanwaltschaft Trier kontaktierte die zuständige Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Trier. Um 9:57 Uhr wurde daraufhin mündlich die Durchsuchung der Räumlichkeiten an der neuen Adresse gemäß § 103 Strafprozessordnung (StPO) angeordnet. Dieser Paragraph erlaubt die Durchsuchung bei Personen, die zwar nicht selbst beschuldigt sind, bei denen aber Tatsachen darauf hindeuten, dass sich dort Spuren einer Straftat oder bestimmte Beweismittel befinden.
Noch bevor diese mündliche Anordnung erteilt wurde, ereignete sich jedoch der Vorfall, der Gegenstand der späteren Beschwerde war:
Der Bewohner des Hauses (der Bruder des Beschuldigten) trat kurz nach 9:00 Uhr morgens aus seinem Haus. Nach seinen späteren Angaben wollte er während einer Pause einer Videokonferenz, an der er gerade teilnahm, Zigaretten aus seinem vor dem Haus geparkten Fahrzeug holen.
Unmittelbar nach Verlassen des Hauses wurde er von den bereits anwesenden Polizeibeamten angesprochen. Die Beamten informierten ihn über den Grund ihrer Anwesenheit – die laufenden Ermittlungen gegen seinen Bruder und die geplante Durchsuchung. Gleichzeitig sprachen sie ihm gegenüber ein sofortiges Verbot aus, sein eigenes Haus wieder zu betreten.
Zusätzlich wurde ihm untersagt, sich weiter als etwa 7 bis 8 Meter vom Hauseingang zu entfernen. Er wurde also faktisch im unmittelbaren Bereich vor seinem Haus festgehalten. Diese Einschränkungen dauerten von kurz nach 9:00 Uhr bis 9:57 Uhr an, dem Zeitpunkt, als die mündliche Durchsuchungsanordnung der Ermittlungsrichterin erfolgte und die eigentliche Durchsuchung beginnen konnte.
Die Beschwerde des Bewohners: Unzulässiger präventiver Zwang und Behinderung bei der Arbeit?
Der Bewohner wehrte sich gegen diese Maßnahmen der Polizei, die stattfanden, bevor ein offizieller Durchsuchungsbeschluss für sein Haus vorlag. Mit einem Schreiben seines Verteidigers vom 19. August 2023 legte er Beschwerde gegen die Art und Weise der Vollstreckung ein.
Seine Hauptargumente waren:
- Er sei zu Unrecht daran gehindert worden, sein Haus zu betreten.
- Er sei in seiner Bewegungsfreiheit unzulässig eingeschränkt worden, indem er den Bereich vor dem Haus nicht verlassen durfte.
- Er habe die Beamten mehrfach darauf hingewiesen, dass er arbeiten müsse und dringend Zugang zu seinem Computer im Haus benötige, um eine laufende Videokonferenz fortzusetzen. Dies sei ihm jedoch verwehrt worden.
- Er betrachtete die Maßnahmen der Polizei in der Zeit vor der richterlichen Anordnung als unzulässigen präventiven Zwang. Aus seiner Sicht fehlte zu diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage für das Betretungsverbot und das Festhalten.
Stellungnahme der Ermittlungsbehörden: Sachverhaltsdarstellung der Kriminalpolizei
Die Staatsanwaltschaft Trier leitete die Beschwerde zur Prüfung weiter und holte eine Stellungnahme der beteiligten Kriminalhauptkommissarin ein, die den Einsatz geleitet hatte.
Die Kriminalbeamtin schilderte den Ablauf aus ihrer Sicht:
- Der Bewohner sei aus dem Haus gekommen und von den Polizeibeamten angesprochen worden.
- Auf sein Bitten hin sei ihm der Grund des polizeilichen Erscheinens genannt worden.
- Daraufhin sei ihm das Verbot ausgesprochen worden, das Haus wieder zu betreten.
- Auf die Frage der Beamten nach dem Aufenthaltsort seines beschuldigten Bruders habe der Bewohner zunächst eine unzutreffende Adresse genannt. Später habe er angegeben, er wisse nicht, wo sein Bruder sei, möglicherweise bei dessen Freundin.
- Entscheidend war jedoch die Aussage der Beamtin, dass der Bewohner zu keinem Zeitpunkt erwähnt habe, dass er sich in einer laufenden Videokonferenz befinde oder dringend Zugang zu seinem Computer benötige.
Entscheidung des Amtsgerichts Trier: Bestätigung der Maßnahmen
Die Staatsanwaltschaft wertete das Schreiben des Bewohners als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Absatz 2 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) analog. Dieses Rechtsmittel ermöglicht es Betroffenen, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im Rahmen einer Durchsuchung (oder deren Art und Weise) gerichtlich überprüfen zu lassen, auch wenn die Maßnahme selbst bereits abgeschlossen ist.
Das Amtsgericht Trier prüfte den Sachverhalt und die Argumente beider Seiten. Mit Beschluss vom 20. November 2023 (Az. 35c Gs 4487/23) kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass die Art und Weise der Durchführungsmaßnahmen rechtmäßig war. Es bestätigte somit das Vorgehen der Polizeibeamten im Vorfeld der eigentlichen Durchsuchung.
Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Trier: Maßnahmen waren rechtmäßig
Der Bewohner war mit der Entscheidung des Amtsgerichts nicht einverstanden und legte Beschwerde beim nächsthöheren Gericht, dem Landgericht (LG) Trier, ein. Er hielt an seiner Auffassung fest, dass das Betretungsverbot und das Festhalten vor seinem Haus vor Erlass der mündlichen Durchsuchungsanordnung rechtswidrig gewesen seien.
Das Landgericht Trier entschied mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (Az.: 1 Qs 4/24) über diese Beschwerde.
Begründung des Landgerichts Trier: Beschwerde als unbegründet verworfen
Das Landgericht Trier wies die Beschwerde des Bewohners als unbegründet zurück.
Mit dieser Entscheidung bestätigte das Landgericht die Auffassung des Amtsgerichts. Es befand die von den Polizeibeamten ergriffenen Maßnahmen – also das Verbot des Betretens des Hauses und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Bewohners im unmittelbaren Umfeld des Hauses für die knapp einstündige Dauer bis zur Erteilung der mündlichen Durchsuchungsanordnung – im Ergebnis für rechtmäßig.
Obwohl der veröffentlichte Beschlusstext keine detaillierte Begründung des Landgerichts enthält, warum die Maßnahmen im konkreten Fall gerechtfertigt waren, impliziert die Zurückweisung der Beschwerde, dass das Gericht die Maßnahmen als notwendig und verhältnismäßig ansah. Solche Maßnahmen können beispielsweise getroffen werden, um zu verhindern, dass eine Person vor einer anstehenden Durchsuchung noch schnell Beweismittel vernichtet oder beiseiteschafft oder um den reibungslosen Ablauf der bevorstehenden Durchsuchung sicherzustellen. Das Gericht sah hier offenbar eine ausreichende Rechtsgrundlage bzw. einen Rechtfertigungsgrund für das polizeiliche Handeln in der spezifischen Situation (unerwarteter Fund der tatsächlichen Wohnung, laufendes Ermittlungsverfahren wegen erheblicher Straftaten, Notwendigkeit der Sicherung potenzieller Beweismittel bis zur richterlichen Klärung).
Kostenentscheidung: Bewohner trägt Kosten des Beschwerdeverfahrens
Da die Beschwerde des Bewohners vor dem Landgericht Trier erfolglos blieb, wurden ihm gemäß den gesetzlichen Regelungen die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Polizeibeamte bei Gefahr im Verzug befugt sind, vorläufige Maßnahmen wie Betretungsverbote auszusprechen, ohne dass bereits ein richterlicher Beschluss vorliegt. Entscheidend ist, dass die Ermittlungspersonen auf Grundlage der §§ 103, 105 Abs. 1 S. 1 HS 2 StPO handeln dürfen, wenn der Zweck einer späteren Durchsuchung sonst gefährdet wäre – besonders wenn der Verdacht besteht, dass Beweismittel vernichtet werden könnten. Die Quintessenz liegt darin, dass auch zeitlich vor einem Durchsuchungsbeschluss liegende Eingriffe rechtmäßig sein können, wenn sie der Sicherung des Durchsuchungszwecks dienen und die besonderen Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei mein Haus durchsuchen, auch wenn ich selbst nicht verdächtig bin?
Ja, die Polizei darf unter bestimmten, strengen Voraussetzungen auch die Wohnung oder die Räumlichkeiten einer Person durchsuchen, die nicht selbst einer Straftat verdächtig ist. Dies ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und daher nur in Ausnahmefällen erlaubt. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich hauptsächlich in § 103 der Strafprozessordnung (StPO).
Voraussetzungen für eine Durchsuchung bei Nicht-Verdächtigen
Eine Durchsuchung Ihrer Wohnung ist demnach nur zulässig, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich eine der folgenden Dinge in Ihren Räumen befindet:
- Eine gesuchte Person: Dies kann der Beschuldigte einer Straftat sein, der sich dort versteckt hält, oder eine Person, die bereits verurteilt wurde und ihre Strafe antreten soll.
- Spuren einer Straftat: Zum Beispiel Tatwerkzeuge, Tatbeute (Diebesgut) oder andere Gegenstände, die im Zusammenhang mit einer Straftat stehen.
- Bestimmte Beweismittel: Gegenstände oder Unterlagen, die zur Aufklärung einer Straftat beitragen können.
Wichtig ist: Es müssen konkrete Fakten vorliegen, die diese Annahme stützen. Bloße Vermutungen oder allgemeine Spekulationen reichen für eine solche Durchsuchung nicht aus. Sie selbst müssen dabei, wie gesagt, nicht der Straftat verdächtig sein.
- Beispiel: Die Polizei ermittelt in einem Einbruchsfall. Ein Zeuge hat glaubhaft ausgesagt, gesehen zu haben, wie der Täter Diebesgut über den Zaun in Ihren Garten geworfen hat. Obwohl Sie selbst nicht verdächtig sind, könnten diese Tatsachen eine Durchsuchung Ihres Gartens (als Teil Ihrer Räumlichkeiten) rechtfertigen, um das Diebesgut als Beweismittel zu finden.
Die Rolle des Richters
Grundsätzlich darf eine Wohnungsdurchsuchung – egal ob beim Verdächtigen oder bei einer anderen Person – nur von einem Richter angeordnet werden. Dies dient dem Schutz Ihrer Privatsphäre. Der Richter prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung tatsächlich vorliegen, insbesondere ob die erwähnten Tatsachen die Annahme rechtfertigen und die Maßnahme verhältnismäßig ist.
Nur in Ausnahmefällen, wenn ein sofortiges Handeln erforderlich ist, weil sonst der Erfolg der Durchsuchung gefährdet wäre (man spricht von „Gefahr im Verzug“), dürfen auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (die Polizei) eine Durchsuchung anordnen. Diese Ausnahme wird jedoch sehr streng gehandhabt.
Verhältnismäßigkeit
Jede Durchsuchung muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, die Bedeutung der gesuchten Person oder Sache muss den Eingriff in Ihre Privatsphäre rechtfertigen. Eine Durchsuchung wegen einer geringfügigen Angelegenheit wäre bei einer nicht-verdächtigen Person in der Regel unverhältnismäßig.
Was bedeutet „Gefahr im Verzug“ im Zusammenhang mit einer Hausdurchsuchung und wann darf die Polizei ohne richterlichen Beschluss handeln?
Grundsätzlich gilt in Deutschland: Eine Hausdurchsuchung ist ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz). Deshalb darf sie normalerweise nur von einem Richter angeordnet werden. Der Richter prüft, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung wirklich vorliegen.
„Gefahr im Verzug“ ist eine gesetzlich geregelte Ausnahme von diesem Grundsatz.
Was genau ist „Gefahr im Verzug“?
„Gefahr im Verzug“ liegt vor, wenn durch die Verzögerung, die durch das Einholen einer richterlichen Entscheidung entstehen würde, der Erfolg der Durchsuchung gefährdet wäre. Es muss also eine besondere Eilbedürftigkeit bestehen.
Stellen Sie sich vor: Wenn die Polizei erst einen Richter anrufen und auf dessen schriftliche Anordnung warten müsste, könnten in dieser Zeit wichtige Beweismittel verschwinden oder ein Verdächtiger fliehen. Genau für solche Situationen gibt es die Regelung „Gefahr im Verzug“.
Wichtig ist: „Gefahr im Verzug“ darf nicht einfach angenommen werden, nur weil es für die Ermittler bequemer ist oder Zeit spart. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die diese Gefahr begründen.
Wann darf die Polizei ohne Richter handeln?
Die Polizei (oder die Staatsanwaltschaft) darf eine Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss anordnen, wenn tatsächlich „Gefahr im Verzug“ besteht. Das bedeutet, es muss ein dringender Grund vorliegen, der sofortiges Handeln erfordert, weil sonst der Zweck der Durchsuchung (z.B. das Finden von Beweisen oder die Festnahme einer Person) wahrscheinlich vereitelt würde.
Typische Beispiele für solche Umstände sind:
- Es besteht die konkrete Gefahr, dass Beweismittel (wie Drogen, Waffen, Diebesgut, wichtige Dokumente) sofort vernichtet oder beiseitegeschafft werden, wenn die Polizei nicht unmittelbar handelt. Zum Beispiel, wenn Geräusche aus der Wohnung auf das Vernichten von Beweisen hindeuten.
- Es besteht die Gefahr, dass ein Verdächtiger, der sich in der Wohnung aufhält, flieht, wenn er bemerkt, dass Ermittlungen gegen ihn laufen oder die Polizei vor Ort ist.
- Es besteht die Gefahr, dass andere Beteiligte gewarnt werden und dadurch die weiteren Ermittlungen gefährdet werden.
Auch wenn Gefahr im Verzug angenommen wird, müssen die Ermittlungsbehörden in der Regel versuchen, eine richterliche Entscheidung einzuholen, solange dies den Ermittlungserfolg nicht gefährdet. Nur wenn dies nicht möglich oder aussichtslos ist, dürfen sie selbst entscheiden.
Dokumentation der Gefahr
Die Beamten, die eine Durchsuchung wegen „Gefahr im Verzug“ anordnen und durchführen, müssen die Gründe hierfür genau dokumentieren. Es muss also später nachvollziehbar sein, welche konkreten Tatsachen zum Zeitpunkt der Entscheidung die Annahme von „Gefahr im Verzug“ gerechtfertigt haben. Diese Dokumentation ist entscheidend, damit später gerichtlich überprüft werden kann, ob die Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss rechtmäßig war.
Welche Rechte habe ich, wenn die Polizei mein Haus durchsucht? Darf ich die Durchsuchung filmen oder einen Anwalt hinzuziehen?
Eine Hausdurchsuchung ist ein erheblicher Eingriff in Ihre Privatsphäre und Ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (geschützt durch Artikel 13 des Grundgesetzes). Deshalb ist sie nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt, die in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt sind.
Grundsätzlich gilt: Eine Durchsuchung Ihrer Wohnung muss von einem Richter angeordnet werden. Dies geschieht durch einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss. Nur in Ausnahmefällen, wenn Gefahr im Verzug besteht (also wenn ein Zuwarten auf die richterliche Entscheidung den Erfolg der Maßnahme gefährden würde), darf auch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei die Durchsuchung anordnen.
Ihre Rechte während der Durchsuchung
Wenn Polizeibeamte zur Durchsuchung bei Ihnen erscheinen, haben Sie bestimmte Rechte:
- Recht auf Information und Vorlage des Beschlusses: Sie haben das Recht zu erfahren, warum Ihre Wohnung durchsucht wird. Lassen Sie sich den richterlichen Durchsuchungsbeschluss zeigen oder aushändigen (§ 106 StPO). Ist keiner vorhanden, fragen Sie nach dem Grund für die Annahme von „Gefahr im Verzug“.
- Recht auf Anwesenheit: Sie dürfen während der gesamten Durchsuchung anwesend sein (§ 106 StPO). Sie müssen die Durchsuchung nicht alleine über sich ergehen lassen.
- Recht auf Hinzuziehung einer Vertrauensperson oder eines Anwalts: Sie haben jederzeit das Recht, einen Anwalt zu kontaktieren und hinzuzuziehen. Die Polizei muss Ihnen dies ermöglichen. Sie ist jedoch in der Regel nicht verpflichtet, mit dem Beginn der Durchsuchung zu warten, bis der Anwalt eintrifft. Sie können auch eine andere Person Ihres Vertrauens bitten, anwesend zu sein.
- Recht auf ein Protokoll und Verzeichnis: Über die Durchsuchung muss ein Protokoll angefertigt werden. Werden Gegenstände beschlagnahmt (also von der Polizei mitgenommen), haben Sie Anspruch auf ein detailliertes Verzeichnis dieser Gegenstände und eine Bescheinigung über die Beschlagnahme (§ 107 StPO). Prüfen Sie dieses Verzeichnis sorgfältig.
- Schonende Durchführung: Die Durchsuchung soll möglichst schonend erfolgen (§ 110 StPO). Das bedeutet, unnötige Zerstörungen oder Unordnung sind zu vermeiden.
Wichtig: Sie sind nicht verpflichtet, aktiv bei der Durchsuchung mitzuhelfen oder Aussagen zur Sache zu machen. Sie haben das Recht zu schweigen.
Darf ich die Durchsuchung filmen?
Nein, das Filmen oder Anfertigen von Tonaufnahmen der polizeilichen Durchsuchung durch Sie selbst ist in der Regel nicht erlaubt. Dies könnte als Störung der Amtshandlung gewertet werden oder die Persönlichkeitsrechte der Beamten verletzen. Unter Umständen kann dies sogar strafbar sein (z.B. § 201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen).
Ein hinzugezogener Anwalt hat unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, zur Dokumentation des Zustands der Räumlichkeiten oder sichergestellter Gegenstände Fotos anzufertigen. Dies dient der Beweissicherung für ein späteres Verfahren.
Was passiert, wenn meine Rechte verletzt werden?
Wenn Sie der Meinung sind, dass die Durchsuchung nicht rechtmäßig war oder Ihre Rechte dabei verletzt wurden, hat dies möglicherweise Konsequenzen:
- Beweisverwertungsverbot: Unter bestimmten Umständen können Beweise, die bei einer rechtswidrigen Durchsuchung gefunden wurden, in einem späteren Gerichtsverfahren nicht verwendet werden. Ob ein solches Verbot greift, hängt jedoch stark vom Einzelfall und der Schwere des Rechtsverstoßes ab. Dies ist eine komplexe juristische Frage.
- Beschwerde/Rechtsmittel: Sie können gegen die Anordnung der Durchsuchung oder die Art und Weise ihrer Durchführung Beschwerde einlegen und die Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen.
Es ist wichtig, dass Sie Ihre Rechte kennen, um in einer solchen Ausnahmesituation angemessen reagieren zu können. Bleiben Sie während der Maßnahme möglichst ruhig.
Unter welchen Umständen ist es rechtmäßig, wenn die Polizei mir den Zutritt zu meiner eigenen Wohnung verwehrt, bevor ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt?
Grundsätzlich ist Ihre Wohnung durch das Grundgesetz (Artikel 13) besonders geschützt und darf nur unter strengen Voraussetzungen durchsucht werden – normalerweise nur mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Es gibt jedoch Ausnahmesituationen, in denen die Polizei Ihnen oder anderen Personen vorübergehend den Zutritt zu Ihrer Wohnung verwehren darf, auch wenn noch kein Durchsuchungsbeschluss vorliegt.
Wann darf die Polizei den Zutritt verweigern?
Der wichtigste Grund für eine solche Maßnahme ist die sogenannte „Gefahr im Verzug“. Das bedeutet, es besteht die konkrete Gefahr, dass wichtige Beweismittel vernichtet oder beiseitegeschafft werden könnten, wenn die Polizei erst auf einen richterlichen Beschluss warten würde.
- Konkrete Gefahr: Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass Beweismittel verloren gehen könnten. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Ein Beispiel wäre, wenn die Polizei konkrete Hinweise hat, dass in der Wohnung gerade versucht wird, Drogen die Toilette hinunterzuspülen oder wichtige Dokumente zu verbrennen.
- Zweck der Maßnahme: Die Polizei darf den Zutritt verweigern, um die Wohnung und mögliche Beweismittel so zu sichern, wie sie sind, bis ein Durchsuchungsbeschluss eintrifft oder die Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug sofort durchgeführt werden kann. Es handelt sich hierbei um eine Sicherungsmaßnahme, nicht um die Durchsuchung selbst.
Was bedeutet das für Sie?
Wenn die Polizei Ihnen unter Berufung auf Gefahr im Verzug den Zutritt verwehrt, bedeutet das, dass Sie oder andere Personen die Wohnung vorübergehend nicht betreten (oder manchmal auch nicht verlassen) dürfen. Die Beamten sichern quasi die „Türschwelle“, um zu verhindern, dass drinnen etwas verändert wird, was für die Ermittlungen wichtig sein könnte.
Diese Maßnahme dient dazu, den Status quo zu erhalten, bis die eigentliche Durchsuchung (mit oder ohne sofortigen Beschluss, je nach Dringlichkeit) stattfinden kann.
Ist das immer verhältnismäßig?
Auch bei Gefahr im Verzug muss die Polizei immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Das bedeutet:
- Geeignetheit: Die Maßnahme (Zutrittsverweigerung) muss überhaupt geeignet sein, den Zweck (Beweismittelsicherung) zu erreichen.
- Erforderlichkeit: Es darf kein milderes, gleich wirksames Mittel geben. Wenn zum Beispiel eine reine Beobachtung der Wohnung von außen ausreichen würde, um eine Beweismittelvernichtung zu verhindern, wäre die Zutrittsverweigerung nicht erforderlich.
- Angemessenheit: Der Eingriff in Ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der vermuteten Straftat und zur Dringlichkeit der Beweismittelsicherung stehen. Eine stundenlange Blockade der Wohnung wegen einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit wäre beispielsweise in der Regel unverhältnismäßig.
Die Polizei muss also immer abwägen, wie schwerwiegend der Eingriff für Sie ist und wie wichtig die Sicherung der Beweismittel für das laufende Ermittlungsverfahren ist. Die Maßnahme darf zudem nur so lange andauern, wie es unbedingt notwendig ist.
Was kann ich tun, wenn ich der Meinung bin, dass eine Durchsuchung oder andere polizeiliche Maßnahmen gegen mich rechtswidrig waren? Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung?
Wenn Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme wie einer Durchsuchung haben, gibt es verschiedene Wege, diese überprüfen zu lassen. Grundsätzlich muss jede polizeiliche Maßnahme auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und verhältnismäßig sein. Fühlen Sie sich in Ihren Rechten verletzt, stehen Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten offen.
Mögliche Schritte zur Überprüfung
Es gibt mehrere Optionen, um gegen eine polizeiliche Maßnahme vorzugehen, die Sie für rechtswidrig halten:
- Antrag auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit: Wenn die polizeiliche Maßnahme bereits abgeschlossen ist (was bei einer Durchsuchung meist der Fall ist), können Sie bei dem zuständigen Gericht beantragen, dass die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme nachträglich festgestellt wird. Welches Gericht zuständig ist (oft das Amtsgericht bei strafprozessualen Maßnahmen oder das Verwaltungsgericht bei gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen), hängt von der Art der Maßnahme und den landesrechtlichen Regelungen ab. Ein solcher Antrag ist in der Regel fristgebunden. Das Gericht prüft dann, ob die Polizei bei der Maßnahme rechtmäßig gehandelt hat.
- Dienstaufsichtsbeschwerde: Sie können sich bei der vorgesetzten Dienststelle der handelnden Polizeibeamten oder einer übergeordneten Behörde (z.B. dem Polizeipräsidium oder dem Innenministerium des Bundeslandes) über das Verhalten der Beamten beschweren. Die Behörde prüft dann, ob die Beamten ihre Dienstpflichten verletzt haben. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde führt jedoch nicht automatisch zu einer gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme selbst und zielt eher auf disziplinarische Aspekte ab. Sie kann aber parallel zu anderen Schritten eingereicht werden.
- Widerspruch oder Klage (bei andauernden Maßnahmen oder Verwaltungsakten): Richtet sich die Maßnahme gegen Sie in Form eines sogenannten Verwaltungsaktes (einer konkreten behördlichen Regelung) oder dauert sie noch an, können unter Umständen auch Rechtsmittel wie Widerspruch (falls vorgesehen) oder eine Anfechtungs- bzw. Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht in Betracht kommen. Dies ist bei einer bereits abgeschlossenen Durchsuchung aber seltener der Fall.
Schadensersatz oder Entschädigung
Sollte durch eine nachweislich rechtswidrige und schuldhafte polizeiliche Maßnahme ein Schaden entstanden sein (z.B. eine beschädigte Tür bei einer Durchsuchung), können unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Schadensersatz (Amtshaftung) bestehen. Diese müssen in der Regel gesondert geltend gemacht werden, oft vor den Zivilgerichten. Die vorherige gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme kann hierbei hilfreich sein. Für bestimmte rechtswidrige Eingriffe, insbesondere im Strafverfahren (z.B. zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft), gibt es zudem spezielle gesetzliche Entschädigungsregelungen.
Bedeutung der Beweissicherung
Für eine erfolgreiche Überprüfung der Maßnahme ist es oft entscheidend, möglichst genaue Informationen und Beweise zum Ablauf des Geschehens zu haben. Es kann daher sehr hilfreich sein:
- Namen und Dienstnummern der beteiligten Polizeibeamten zu notieren (Sie haben ein Recht darauf, diese zu erfahren).
- Sich den genauen Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Maßnahme zu merken und zeitnah ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen.
- Eventuelle Zeugen zu benennen, die den Vorfall beobachtet haben.
- Dokumente, die Ihnen übergeben wurden (z.B. Durchsuchungsbeschluss, Sicherstellungsprotokoll), aufzubewahren.
- Entstandene Schäden (z.B. durch Fotos) zu dokumentieren.
Diese Informationen können später wichtig sein, um den Sachverhalt nachvollziehbar darzulegen und die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme überprüfen zu lassen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ermittlungsverfahren
Ein Ermittlungsverfahren ist die offizielle Untersuchung, die von der Staatsanwaltschaft und der Polizei durchgeführt wird, wenn der Verdacht besteht, dass eine Straftat begangen wurde. Ziel ist es, den Sachverhalt aufzuklären und Beweise zu sammeln, um zu entscheiden, ob Anklage gegen eine Person erhoben wird. Im Text war das Ermittlungsverfahren der Grund für die geplanten Durchsuchungen, da wegen Abrechnungsbetrugs bei Corona-Testzentren ermittelt wurde. Dieses Verfahren richtete sich ursprünglich gegen den Bruder des Mannes, der später Beschwerde einlegte.
Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde der Justiz, die für die Strafverfolgung zuständig ist. Sie leitet das Ermittlungsverfahren, prüft den Anfangsverdacht einer Straftat und entscheidet, ob Anklage erhoben wird. Sie arbeitet dabei eng mit der Polizei zusammen und beantragt bei Gericht z.B. Durchsuchungsbeschlüsse. Im Text war es die Staatsanwaltschaft Trier, die die Ermittlungen führte und die mündliche Durchsuchungsanordnung bei der Ermittlungsrichterin erwirkte.
Richterliche Durchsuchungsanordnung
Dies ist die formelle Erlaubnis eines Richters, die es der Polizei gestattet, bestimmte Räumlichkeiten (z.B. eine Wohnung) zu durchsuchen, um Beweismittel für eine Straftat zu finden. Eine solche Anordnung ist normalerweise nötig, weil eine Durchsuchung einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung darstellt (Art. 13 Grundgesetz). Im Text wurde diese Anordnung für das Haus des Beschwerdeführers erst mündlich um 9:57 Uhr erteilt, die Polizei war aber schon vorher vor Ort und traf Maßnahmen.
Betretungsverbot
Ein Betretungsverbot ist eine Anweisung einer Behörde (hier der Polizei), einen bestimmten Ort oder ein Gebäude nicht zu betreten. Im vorliegenden Fall verboten die Polizeibeamten dem Bewohner, sein eigenes Haus wieder zu betreten, bevor die richterliche Durchsuchungsanordnung für sein Haus vorlag. Diese Maßnahme sollte vermutlich verhindern, dass der Bewohner mögliche Beweismittel beeinflusst oder beseitigt, bevor die offizielle Durchsuchung beginnen konnte.
Festhalten
Unter Festhalten versteht man eine polizeiliche Maßnahme, bei der eine Person in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und daran gehindert wird, einen bestimmten Ort zu verlassen. Dies ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit (Art. 2 Grundgesetz), der einer rechtlichen Grundlage bedarf. Im Text wurde dem Bewohner untersagt, sich weiter als 7-8 Meter vom Hauseingang zu entfernen, er wurde also vor seinem Haus festgehalten, bis die Durchsuchung angeordnet war.
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog
Dies ist ein spezieller Rechtsbehelf im Strafprozessrecht (StPO), mit dem Betroffene nachträglich gerichtlich prüfen lassen können, ob die Art und Weise einer polizeilichen Maßnahme (wie z.B. einer Durchsuchung oder Beschlagnahme) rechtmäßig war. „Analog“ bedeutet, dass die Vorschrift sinngemäß angewendet wird, auch wenn der Fall nicht exakt dem Wortlaut entspricht. Im Text nutzte der Bewohner diesen Antrag, um gerichtlich klären zu lassen, ob das Betretungsverbot und das Festhalten durch die Polizei vor Erlass der Durchsuchungsanordnung rechtens waren.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 103 StPO (Durchsuchung bei anderen Personen): Diese Norm erlaubt die Durchsuchung von Wohnungen, Arbeitsräumen und Personen, die nicht selbst Beschuldigte sind, wenn Tatsachen vorliegen, die vermuten lassen, dass sich dort Beweismittel befinden oder der Beschuldigte dort ergriffen werden kann. Wichtig ist, dass die Durchsuchung verhältnismäßig sein muss und der Verdacht auf Tatsachen beruhen muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier wurde die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers auf Basis von § 103 StPO angeordnet, da vermutet wurde, dass der Beschuldigte (Bruder des Beschwerdeführers) dort wohnhaft sein könnte oder Beweismittel zu finden wären, nachdem am ursprünglichen Durchsuchungsort ein Umzugshinweis gefunden wurde.
- § 105 Abs. 1 StPO (Betretungsrecht): Polizeibeamte sind im Rahmen einer rechtmäßigen Durchsuchung befugt, die zu durchsuchenden Räumlichkeiten zu betreten und sich darin aufzuhalten. Dies beinhaltet auch das Recht, Maßnahmen zu treffen, die die ordnungsgemäße Durchführung der Durchsuchung gewährleisten, wie z.B. die Sicherstellung, dass keine Beweismittel entfernt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Betretungsverbot für den Beschwerdeführer, sein eigenes Haus zu betreten, kann als Maßnahme zur Sicherstellung der Durchsuchung gesehen werden, um zu verhindern, dass er möglicherweise Beweismittel beeinflusst oder die Durchsuchung behindert, bis die rechtliche Grundlage für die Durchsuchung an dieser Adresse geschaffen war.
- Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung): Dieser Artikel des Grundgesetzes schützt die Wohnung als elementaren Lebensraum vor staatlichen Eingriffen. Eingriffe, wie z.B. Durchsuchungen, sind nur unter strengen Voraussetzungen und auf Grundlage eines Gesetzes zulässig. Der Schutz der Wohnung genießt hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beschwerde rügt einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung durch das Betretungsverbot. Das Gericht muss prüfen, ob dieser Eingriff durch ein Gesetz gerechtfertigt war und ob die Maßnahme verhältnismäßig war, auch wenn die Wohnung nicht die des ursprünglich Beschuldigten war.
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (allgemeines Rechtsprinzip): Staatliche Maßnahmen müssen stets verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass sie geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen, um den verfolgten legitimen Zweck zu erreichen. Dies gilt insbesondere für Eingriffe in Grundrechte. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüft, ob das vorläufige Betretungsverbot und die damit verbundene Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers verhältnismäßig waren, um die spätere Durchsuchung zu ermöglichen und den Zweck der Strafverfolgung zu gewährleisten. Dabei wird abgewogen, ob mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Betroffene einer polizeilichen Hausdurchsuchung zum richtigen Verhalten
Es kann unerwartet passieren: Die Polizei steht vor Ihrer Tür und möchte Ihre Wohnung durchsuchen. Vielleicht dürfen Sie Ihr eigenes Zuhause vorübergehend nicht betreten oder werden an der Tür festgehalten. In einer solchen Stresssituation ist es wichtig, ruhig zu bleiben und Ihre Rechte und Pflichten zu kennen.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Maßnahmen schon vor dem eigentlichen Durchsuchungsbeginn möglich
Die Polizei darf unter Umständen bereits vor dem offiziellen Beginn der Durchsuchung Maßnahmen ergreifen, um den Zweck der Durchsuchung zu sichern. Dazu kann gehören, Ihnen vorübergehend den Zutritt zu Ihrer Wohnung zu verwehren oder Sie daran zu hindern, sich frei vor dem Haus zu bewegen. Ziel ist meist, eine Vernichtung von Beweismitteln oder eine Flucht zu verhindern.
Tipp 2: Betretungsverbot und Festhalten können rechtmäßig sein
Auch wenn es sich einschneidend anfühlt: Ein von der Polizei ausgesprochenes, zeitlich begrenztes Verbot, die eigene Wohnung zu betreten oder sich frei zu bewegen, kann rechtmäßig sein, wenn es der Sicherung der Durchsuchung dient. Widersetzen Sie sich nicht aktiv den Anweisungen der Beamten, da dies weitere negative Konsequenzen haben kann. Bleiben Sie kooperativ, aber bestimmt in der Wahrnehmung Ihrer Rechte.
⚠️ ACHTUNG: Leisten Sie keinen Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen, auch wenn Sie diese für falsch halten. Klären Sie die Rechtmäßigkeit später mit anwaltlicher Hilfe.
Tipp 3: Dokumentieren Sie den Ablauf genau
Notieren Sie sich den Ablauf der Maßnahmen so detailliert wie möglich: Wann wurden Sie gestoppt? Wer waren die handelnden Beamten (Name, Dienstnummer)? Welche Anweisungen wurden gegeben? Wann begann die eigentliche Durchsuchung? Gab es Zeugen? Diese Informationen sind entscheidend, wenn Sie die Maßnahmen später rechtlich überprüfen lassen möchten.
Tipp 4: Fragen Sie nach dem Durchsuchungsbeschluss
Eine Wohnungsdurchsuchung erfordert grundsätzlich einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Lassen Sie sich diesen zeigen. Achten Sie darauf, ob Ihre Adresse korrekt genannt ist und was genau gesucht werden darf. Nur in Ausnahmefällen (bei „Gefahr im Verzug“) darf die Polizei ohne vorherigen Beschluss handeln, muss dies aber gut begründen können.
⚠️ ACHTUNG: Auch wenn Ihnen (zunächst) kein schriftlicher Beschluss vorgelegt wird (z.B. bei mündlicher Anordnung oder Gefahr im Verzug), kann die Maßnahme rechtmäßig sein. Verweigern Sie die Durchsuchung nicht allein deshalb.
Tipp 5: Nutzen Sie Ihr Schweigerecht und kontaktieren Sie einen Anwalt
Sie sind nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen. Nutzen Sie Ihr Schweigerecht. Sie haben das Recht, jederzeit einen Anwalt zu kontaktieren. Bitten Sie die Beamten, Ihnen dies zu ermöglichen. Ein Anwalt kann Ihre Rechte während der Durchsuchung wahren und den Ablauf beobachten.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Im vorliegenden Fall gab es Verwirrung bezüglich der korrekten Adresse, und es wurde kurzfristig eine mündliche Durchsuchungsanordnung erteilt. Solche Unklarheiten können auftreten. Wichtig ist, dass die Maßnahmen sich letztlich gegen die richtige Person und Örtlichkeit richten und die rechtlichen Voraussetzungen (auch für mündliche Anordnungen) vorliegen. Fehler im Verfahren können später Angriffspunkte bieten.
✅ Checkliste: Verhalten bei Hausdurchsuchung
- Ruhe bewahren, keinen Widerstand leisten.
- Identität der Beamten feststellen (Dienstausweis zeigen lassen).
- Nach dem Durchsuchungsbeschluss fragen und diesen prüfen.
- Anwesenheit während der Durchsuchung (wenn möglich und gestattet).
- Anwalt kontaktieren und/oder Hinzuziehung von Zeugen verlangen.
- Von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen.
- Auf ein detailliertes Durchsuchungsprotokoll bestehen und eine Kopie verlangen.
Das vorliegende Urteil
LG Trier – Az.: 1 Qs 4/24 – Beschluss vom 06.02.2024
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