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Verwerflichkeitsprüfung bei Nötigung

Die Prüfung der Verwerflichkeit: Nötigung im Strafrecht

Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte das Urteil des Landgerichts Saarbrücken, wonach die versuchte Nötigung des Angeklagten als rechtswidrig einzustufen ist. Entscheidend war hier die Notwendigkeit einer Verwerflichkeitsprüfung bei Nötigung. Das Gericht stellte fest, dass der Einsatz des Nötigungsmittels für den angestrebten Zweck verwerflich sein muss, um als rechtswidrig zu gelten.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung des Urteils: Revision des Angeklagten abgelehnt; keine Rechtsfehler festgestellt.
  2. Verwerflichkeitsprüfung: Kernpunkt bei der Beurteilung der Nötigung.
  3. Nötigungstatbestand: Offen und erfordert sorgfältige Abwägung.
  4. Rechtswidrigkeit: Hängt von der Verwerflichkeit des Nötigungsmittels ab.
  5. Umstände des Einzelfalls: Gesamtwürdigung ist entscheidend.
  6. Weite des Nötigungstatbestandes: Erfordert differenzierte Betrachtung.
  7. Strafbarkeit der Bedrohung: Spielt eine Rolle bei der Verwerflichkeitsbewertung.
  8. Rechtsprechung und Präzedenzfälle: Dienen als Orientierungshilfe.

Die Gratwanderung der Verwerflichkeitsprüfung in Nötigungsfällen

In der juristischen Auseinandersetzung um den Tatbestand der Nötigung stellt die Verwerflichkeitsprüfung einen zentralen Dreh- und Angelpunkt dar. Diese Prüfung ist entscheidend dafür, ob eine Handlung nicht nur als ethisch bedenklich, sondern als rechtlich strafbar eingestuft wird. Besonders herausfordernd gestaltet sich dies aufgrund der oft diffusen Grenzen, die der Tatbestand der Nötigung in sich birgt. Die Bewertung der Rechtswidrigkeit einer Nötigung hängt maßgeblich von der Einschätzung ab, inwiefern der Einsatz von Nötigungsmitteln zur Erreichung eines bestimmten Zwecks als gesellschaftlich inakzeptabel und somit als verwerflich angesehen wird.

Dieses juristische Spannungsfeld wird konkret in einem Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken, in dem die Revision eines Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken verhandelt wurde. Die komplexe Natur des Falles erfordert eine eingehende Abwägung aller Umstände und zieht eine Reihe von Fragen nach sich, die sich auf die feinen Nuancen der Rechtsprechung konzentrieren. In den folgenden Ausführungen wird ein detaillierter Blick auf diesen spezifischen Fall geworfen, der Licht auf die Herausforderungen und Überlegungen wirft, die mit der Verwerflichkeitsprüfung bei Nötigung verbunden sind. Tauchen Sie mit uns in die Tiefen dieses faszinierenden juristischen Diskurses ein.

Der Fall der Verwerflichkeitsprüfung im Oberlandesgericht Saarbrücken

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in einer wegweisenden Entscheidung das Urteil des Landgerichts Saarbrücken bestätigt, indem es die Revision eines Angeklagten als offensichtlich unbegründet zurückwies. Dieser Fall dreht sich um die zentrale Frage der Verwerflichkeitsprüfung bei einer Nötigung, ein juristischer Sachverhalt, der aufgrund seiner Komplexität und Bedeutung für das Strafrecht von besonderer Relevanz ist. Die Grundsatzentscheidung beleuchtet die Feinheiten der rechtlichen Bewertung von Nötigungshandlungen und die damit verbundenen Herausforderungen.

Die juristische Herausforderung: Nötigung im Fokus

Der Kern des Falls liegt in der Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Nötigung. Nach § 240 Abs. 2 StGB ist eine Nötigung nur dann rechtswidrig, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels für den angestrebten Zweck als verwerflich angesehen wird. Das Landgericht Saarbrücken hatte in seinem Urteil keine ausreichenden Ausführungen zur Verwerflichkeit der dem Angeklagten zur Last gelegten versuchten Nötigung gemacht. Diese Lücke führte zur Revision, die jedoch vom Oberlandesgericht abgewiesen wurde, da keine relevanten Rechtsfehler im ursprünglichen Urteil festgestellt werden konnten.

Die Bedeutung der Abwägung und Gesamtwürdigung

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände in Fällen von Nötigung. Es wird betont, dass die Weite des Nötigungstatbestandes und seine Ungenauigkeit ein besonderes Korrektiv in Form der Verwerflichkeitsprüfung erfordern. Diese Prüfung erlaubt es, zwischen sozialethisch anstößigem Verhalten und strafwürdigem kriminellem Unrecht zu unterscheiden. Die Gerichte sind angehalten, Nötigungsmittel und -zweck im Kontext des Einzelfalls zu bewerten, um eine umfassende Beurteilung der Rechtswidrigkeit sicherzustellen.

Rechtsprechung und Präzedenzfälle als Orientierung

In seiner Urteilsbegründung zog das Oberlandesgericht Saarbrücken frühere Entscheidungen und Kommentare zur StGB-Auslegung heran. Diese historischen Referenzen, wie etwa Entscheidungen des OLG Zweibrücken oder des OLG Koblenz, dienen als wichtige Orientierungspunkte für die aktuelle Rechtsprechung. Sie illustrieren, wie im Laufe der Jahre die juristische Bewertung von Nötigungsfällen sich entwickelt hat und welche Kriterien für die Verwerflichkeitsprüfung ausschlaggebend sind.

Im vorliegenden Fall war die vom Angeklagten ausgesprochene Drohung ausschlaggebend für das Urteil. Diese Drohung erfüllte den Tatbestand einer Bedrohung nach § 241 StGB, was nach Auffassung des Gerichts die Rechtswidrigkeit der Tat indizierte und somit eine weitere Abwägung überflüssig machte. Diese Feststellung bildet einen zentralen Aspekt der Entscheidung und veranschaulicht die spezifischen Anforderungen, die an die Bewertung von Nötigungs- und Bedrohungshandlungen gestellt werden.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken ist somit ein bedeutender Beitrag zur Rechtsprechung im Bereich des Strafrechts, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung von Nötigungsdelikten. Es zeigt auf, wie komplex die rechtliche Einordnung solcher Fälle ist und wie sorgfältig die Gerichte bei der Prüfung und Bewertung vorgehen müssen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Was bedeutet Verwerflichkeitsprüfung im Kontext einer Nötigung?

Die Verwerflichkeitsprüfung im Kontext einer Nötigung ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Strafrechts. Sie stellt sicher, dass der Einsatz von Nötigungsmitteln nicht uneingeschränkt bestraft wird. Die Prüfung der Verwerflichkeit erfolgt dabei dreistufig und ist in § 240 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) verankert.

Eine Nötigung liegt vor, wenn jemand einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Die Nötigung ist rechtswidrig, wenn dies zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

Die Verwerflichkeit kann sich aus dem Mittel, dem Zweck oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben. Ein Nötigungsmittel gilt dann als verwerflich, wenn gegen die Rechtsordnung verstoßen wurde oder wenn ein sozialwidriges Verhalten gegeben ist. Bei der Prüfung eines sozialwidrigen Verhaltens sind alle Umstände einzubeziehen.

Bei der Rechtswidrigkeit muss zunächst geprüft werden, ob nicht ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Ein gerechtfertigtes Verhalten kann niemals verwerflich sein. Erst danach muss man sich mit der positiven Feststellung gem. Abs. 2 auseinandersetzen.

Die Verwerflichkeitsprüfung muss eigentlich immer stattfinden, nur in Ausnahmefällen nicht. Bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist die Verwerflichkeit notwendig abzulehnen, da das tatbestandliche Unrecht in diesem Fall nicht strafwürdig ist.

Beispiele einer verwerflichen Nötigung laut StGB

Gemäß § 240 StGB ist eine Nötigung dann verwerflich, wenn das eingesetzte Nötigungsmittel (z.B. physische Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) im Hinblick auf den vom Täter angestrebten Zweck (Verhalten des Opfers) als unangemessen oder unverhältnismäßig angesehen wird. Die Verwerflichkeit kann auch dann bejaht werden, wenn der Täter ein strafbares Verhalten des Opfers anstrebt oder ein Verhalten, auf das er keinen Anspruch hat.

Einige Beispiele für verwerfliche Nötigungen könnten sein:

  • Ein Amtsträger, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, um jemanden zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen.
  • Ein Täter, der eine schwangere Frau zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs nötigt.
  • Ein Täter, der durch Gewalt oder Drohung ein Opfer dazu zwingt, eine strafbare Handlung zu begehen.
  • Ein Täter, der ein Opfer zu einem Verhalten zwingt, auf das er keinen Anspruch hat.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Verwerflichkeit immer im Kontext des Einzelfalls und unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt wird.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: Ss 62/22 (1 Ss 39/22) – Beschluss vom 11.01.2023

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12. Kleine Strafkammer – vom 14. September 2022 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 StPO) als offensichtlich unbegründet v e r w o r f e n, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revisionsbegründung hin keinen Rechtsfehler ergeben hat, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

Gründe

Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:

Das angefochtene Urteil unterliegt nicht deshalb der Aufhebung, weil es keine Ausführungen zur Frage der Verwerflichkeit der dem Angeklagten zur Last gelegten versuchten Nötigung enthält. Zwar handelt es sich beim Tatbestand der Nötigung um einen offenen Tatbestand, der die Rechtswidrigkeit der Tat nicht indiziert. Rechtswidrig ist eine – auch versuchte – Nötigung nach § 240 Abs. 2 StGB vielmehr nur dann, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Dabei bedarf es im Regelfall einer positiven Feststellung der Verwerflichkeit durch das Tatgericht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Mai 1992 – 1 Ss 85/92 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. April 2011 – 2 Ss 45/10 -, juris; Senatsbeschluss vom 30. November 2021 – Ss 83/2021 (76/21) -; vgl. auch Fischer, StGB, 69. Aufl., § 240 Rdnr. 38a; Altvater/Coen in: LK-StGB, 13. Aufl., § 240 Rdnr. 118), das Nötigungsmittel und Nötigungszweck unter einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtwürdigung zueinander in Beziehung zu setzen hat (vgl. BVerfGE 73, 247, 255; BGHSt 2, 196 und 35, 274; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Januar 2015 – 1 (8) Ss 510/13 -, juris; Senatsbeschluss a.a.O.; Fischer a.a.O., § 240 Rdnr. 42; Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 240 Rdnr. 17). Denn angesichts der außerordentlichen Weite und Ungenauigkeit des Nötigungstatbestandes nach § 240 Abs. 1 StGB bedarf es dieses Korrektivs, um ein tatbestandsmäßiges Verhalten nicht nur als sittlich zu missbilligendes und im sozialethischen Sinne als anstößig anzusehendes Tun, sondern zugleich als gesteigertes sozial unerträgliches strafwürdiges kriminelles Unrecht einzustufen (BayObLG NJW 1989, 1621; OLG Koblenz a.a.O.; Senatsbeschluss a.a.O.; BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 -; Fischer a.a.O., § 240 Rdnr. 38).

Die erforderliche Abwägung ist nicht bereits dann entbehrlich, wenn das empfindliche Übel, mit dem der Täter droht, in der – als solche nicht strafbewehrten – Ankündigung einer Straftat besteht (OLG Koblenz, a.a.O.; Altvater/Coen in: LK-StGB a.a.O., § 240 Rdnr. 120). Etwas anderes hat jedoch dann zu gelten, wenn die Ankündigung der Straftat ihrerseits nach § 241 StGB strafbar ist, da in einer widerspruchsfreien Rechtsordnung, die das Strafrecht als „ultima ratio“ begreift, strafbare Handlungen ohne weiteres auch verwerflich sind, wenn nicht (ausnahmsweise) ein Rechtfertigungsgrund eingreift (Altvater/Coen in: LK-StGB a.a.O., § 240 Rdnr. 119 f.). In Fällen dieser Art ist die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert, ohne dass es auf eine Abwägung ankommt; dass die Bedrohung hinter der Nötigung zurücktritt, spielt insoweit keine Rolle (Altvater/Coen in: LK-StGB a.a.O., § 240 Rdnr. 120).

Unter Anwendung dieser Grundsätze war eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das Landgericht ausnahmsweise entbehrlich, da die von dem Angeklagten ausgesprochene Drohung – wovon auch die Berufungskammer ausgegangen ist – den Tatbestand einer Bedrohung (§ 241 StGB) erfüllt.

 

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