I. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 10.01.2023 im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und neu gefasst wie folgt:
1. Der Angeklagte ist schuldig des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der Sachbeschädigung.
2. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.
III. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen. Die Berufungsgebühr wird um 1/4 ermäßigt.
Entscheidungsgründe
I. Einleitende Feststellungen
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 10.01.2023 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tatmehrheitlichen Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Verteidigerschriftsatz vom 17.01.2023, eingegangen beim Gericht am selben Tag und damit form- und fristgerecht, Berufung eingelegt. Ziel der Berufung war, eine Verurteilung nicht wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sondern nur wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen und Sachbeschädigung zu erreichen und hierfür eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung zu erhalten.
Die Berufung hatte, nach einer Teilbeschränkung nach § 154 a Abs. 2 StPO, den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
II. Persönliche Verhältnisse
…
III. Sachverhalt
1. Der Angeklagte hatte sich am Abend des 21.09.2021 zusammen mit seiner damaligen Partnerin zunächst in der Gaststätte „D…“, … A. aufgehalten. Da er in der Gaststätte eine Zigarette hatte rauchen wollen und herum gepöbelt hatte, wurde er der Gaststätte verwiesen. Weil er sich aber weiter vor der Gaststätte aufhielt und dort herumschrie, wurde die Polizei gerufen.
Die erste Streife, bestehend aus PHK’in M… und POM F… traf kurz nach 22.00 Uhr an der Pizzeria ein. Vor dem Lokal befand sich eine Gruppe Männer sowie in einigen Metern Entfernung der Angeklagte, der laut in Richtung der vor dem Lokal stehenden Männergruppe schrie und gestikulierte. Die Männer teilten den eintreffenden Polizeibeamten mit, der Angeklagte habe sich in der Gaststätte aufgehalten. Er habe dort eine Zigarette rauchen wollen und herum gepöbelt bzw. randaliert. Als er aus dem Lokal verwiesen wurde, habe er erst nicht gehen wollen. Vor dem Lokal würde er jetzt weiter herum pöbeln und wolle wieder rein.
Die Polizeibeamten begaben sich zu dem Angeklagten, um seine Identität festzustellen und, sofern nichts gegen den Angeklagten vorläge, einen Platzverweis gegen ihn auszusprechen und so die Situation zu klären. Zunächst war ein Gespräch in einfachen Worten mit dem agitierten Angeklagten trotz der relativ aufgeheizten Stimmung möglich. Der Angeklagte beschwerte sich über den Rauswurf aus der Gaststätte und erklärte, dass er nicht verstehe, warum er der Gaststätte verwiesen worden sei. Er nannte auf Nachfrage seinen Namen. Von einem Moment auf den anderen kippte die Stimmung. Der Angeklagte begann wieder laut zu schreien und herum zu laufen. Er bewegte sich in Richtung Gaststätte, was PHK’in M… dadurch verhinderte, dass sie sich mit ihrem Körper dazwischen stellte. Ein Gespräch war ab diesem Zeitpunkt mit dem Angeklagten nicht mehr möglich. Der Angeklagte ließ sich nicht beruhigen und leistete keinen Anweisungen mehr Folge. Da die Abfrage der vom Angeklagten angegebenen Personalien kein Ergebnis brachte und der Angeklagte auf Aufforderung auch keinen Ausweis vorzeigte, wurde er von den Beamten belehrt, dass er nunmehr nach einem Ausweisdokument durchsucht werden würde. Da er sich nicht freiwillig auf Aufforderung zu einer nahe gelegenen Hauswand begab, wurde er von PKH’in M… und POM F… jeweils an einem Arm genommen und gegen seinen Widerstand zur Wand geführt, wo er durchsucht werden sollte. Gegen die Durchsuchung wehrte er sich durch Wegdrehen und Winden, versuchte von der Wand weg zu laufen und seine Arme aus den Griffen der Beamten loszureißen. Deswegen wurde ihm der unmittelbare Zwang für den Fall der Fortsetzung seines Widerstands angedroht und schließlich die Fesselung erklärt. Das Anlegen von Handfesseln war zunächst nicht möglich, weil der Angeklagte immer wieder seine Arme weg riss. Erst nachdem er mit Hilfe einer hinzugekommenen weiteren Streifenbesatzung, bestehend aus POM H… und POW’in B… zu Boden gebracht werden konnte, gelang es, dem Angeklagten Handfesseln anzulegen, so dass am Boden die Durchsuchung durch POM F… durchgeführt werden konnte. Hiergegen wehrte der Angeklagte sich weiter, in dem er sich wand und ungezielt mit den Beinen strampelte. Durch Auffinden eines Impfausweises oder eines ähnlichen Dokuments konnte die Identität des Angeklagten geklärt werden.
Aufgrund der Aggressivität des Angeklagten und des Umstandes, dass er keinem Gespräch mehr zugänglich und nicht zu beruhigen war, wurde ihm der Sicherheitsgewahrsam/Unterbindungsgewahrsam erklärt. Als er aufgesetzt wurde, um ihn zum Streifenwagen zu führen, strampelte er weiter und ließ seinen Oberkörper nach hinten fallen. Es wurden ihm Fußfesseln angelegt und er wurde, weil er immer noch nicht freiwillig laufen wollte, schließlich zum Streifenwagen getragen und in diesen gelegt, wogegen er sich erneut sperrte.
Bei dem zu Boden bringen des Angeklagten erlitten die Polizeibeamten M… und H…, wie für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar, leichte Abschürfungen an den Knien (M…) bzw. an den Knien und zusätzlich im Bereich der Ellenbogen (H…).
Während der Fahrt beruhigte der Angeklagte sich, stieg am Fahrtziel auch selbständig aus und ließ sich in die Räumlichkeiten des Polizeipräsidiums A. und die Treppe hinunter zu den Arresträumen führen.
2. Gegen das Verbringen in die Arrestzelle wehrte der Angeklagte sich sodann jedoch erneut, indem er sich mit seinem Gewicht nach hinten stemmte und sich weigerte, zu laufen. Als er durch die vier vorgenannten Beamten und den diensthabenden Arrestbeamten B… in die Zelle geschoben wurde, hielt er sich an den Gitterstäben der Arrestzelle fest. Außerdem griff er nach der hinter ihm befindlichen PHK’in M… und bekam deren Schlagstock zu fassen, der hierdurch zu Boden fiel.
3. In der Folge zerriss der Angeklagte den Latexüberzug der in Arrestzelle befindlichen Matratze. Hierdurch entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 200,00 €.
Strafantrag wurde von den betroffenen Beamten, deren Dienstvorgesetzten und dem Bevollmächtigten des Polizeipräsidiums … hinsichtlich der beschädigten Matratze form- und fristgerecht gestellt.
Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Der Angeklagte hatte unmittelbar vor der Tat größere Mengen an Wein getrunken sowie gegen 20.30 Uhr einen Joint geraucht und sich hierdurch in einen mittelgradigen Rauschzustand versetzt. Eine beim Angeklagten am 25.09.2021 gegen 00.24 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,23 Promille im Mittelwert. Außerdem ergab eine toxikologische Untersuchung der Blutprobe einen Gehalt von THC in einer Konzentration, die dafür spricht, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme von einer akuten Wirkung von THC auszugehen war. Der Angeklagte hatte zum Tatzeitpunkt gerötete Pupillen, schwankte leicht und redete verwaschen und übermäßig laut. Bei der Blutentnahme war er kooperativ.
Bei Begehung der Taten war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Taten einzusehen, nicht beeinträchtigt, die Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln, nicht aufgehoben, jedoch zumindest nicht ausschließbar im Sinne von § 21 StGB vermindert.
Soweit dem Angeklagten zur Last lag, seinen Widerstand in der Zelle durch Wehren gegen das Ausziehen von Jacke, Pullover und Hose zum Zwecke von deren Feindurchsuchung geleistet zu haben und hierbei den Beamten B… (Rückenzerrung) und nicht ausschließbar in diesem Zeitpunkt den Beamten F… (Schmerzen im Handgelenk) verletzt zu haben, wurde dieser Teil des Tatgeschehens in der Berufungsverhandlung mit Zustimmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft gem. § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschieden.
IV. Beweiswürdigung
1. Die Überzeugung des Gerichts zu den persönlichen Verhältnissen beruht auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten. Als Grund für seinen gesteigerten Alkoholkonsum seit dem Jahr 2018 schilderte er, dass seine damalige Partnerin ihm nicht gut getan habe. Er habe getrunken, wenn er mit ihr Streit gehabt habe. Er trinke nur, wenn er Stress habe. Seine Freundin habe ihn bei der Polizei angezeigt, weil er trotz eines bestehenden Fahrverbotes gefahren sei. Deswegen habe er seinen Führerschein verloren. Sie habe ihn auch u.a. damit bedroht, dass jemand komme, der ihn umbringe.
Die Überzeugung der Kammer zu den vorhergehenden Verurteilungen beruht auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister und auf den verlesenen vorhergehenden Urteilen. ….
2. a) Die Überzeugung der Kammer hinsichtlich des Sachverhalts beruht auf der Einlassung des Angeklagten und auf den Aussagen der beteiligten Polizeibeamten. Der Angeklagte hat den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt, auch die Beschädigung der Matratze zugegeben. Insbesondere hinsichtlich des genauen Ablaufs und der erfolgten Kommunikation beruht die Überzeugung der Kammer auf den Schilderungen der Polizeibeamten, hier insbesondere auf den Angaben der Polizeibeamtin M…, die den Einsatz leitete.
aa) Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte ließ über eine von seinem Verteidiger verlesene Erklärung, die er sich zu eigen machte, angeben, dass er die Handlungen so, wie im erstinstanzlichen Urteil festgestellt, begangen habe und äußerte in der Erklärung sein Bedauern darüber, die Polizeibeamten verletzt und ihnen unnötig Arbeit bereitet zu haben. In der Sachverhaltsschilderung des erstinstanzlichen Urteil ist u.a. festgehalten, dass der Angeklagte gegen die Durchsuchung Widerstand leistete, in dem er sich weg drehte, herumwand und wiederholt versuchte, die Arme aus dem Haltegriff der Polizeibeamten herauszuziehen. Als er daraufhin zu Boden gebracht wurde, habe er sich weiter gegen die Maßnahmen gesperrt, versucht seine Arme loszureißen und seine Beine frei zu bekommen. Als ihm daraufhin die Gewahrsamnahme erklärt worden sei, habe er erneut versucht sich los zu reißen und wild mit den Beinen gestrampelt. Nach Verbringung in den Polizeiarrest habe er sich geweigert, in die Zelle zu laufen, sich mit seinem gesamten Körpergewicht nach hinten gelehnt und sich trotz angelegter Handfesseln an den Gitterstäben der Zelle festgehalten. Außerdem habe er versucht, den Schlagstock von PHK’in M… an sich zu bringen. In der Zelle habe er die Matratze zerrissen.
Auf Nachfrage und Vorhalt von Passagen aus dem Urteilssachverhalt erklärte der Angeklagte, dass sei alles so richtig. Er könne sich zwar an das Festhalten an den Gitterstäben nicht erinnern, es könne aber schon so gewesen sein. Er habe nicht in die Zelle rein gehen wollen.
Auf weitere Nachfrage des Gerichts nach dem Motiv seines Verhaltens und warum er sich gegen die Maßnahmen der Polizeibeamten gewehrt habe, machte er von sich aus noch folgende ergänzende Angaben:
Er habe immer dann getrunken, wenn er Streit mit seiner Freundin gehabt habe. Wenn er gesoffen habe, wisse er nicht mehr, was er mache. Die Polizisten seien zu aggressiv gegen ihn vorgegangen. Wenn er nämlich Angst vor Polizisten habe, dann würde er sich wehren.
An dem Abend sei er mit seiner damaligen Partnerin in der Pizzeria „D…“ gewesen. Man habe ihn raus werfen wollen. Er sei schließlich auch raus gegangen. Seine Partnerin sei noch in der Pizzeria gewesen. Dann seien die Polizisten gekommen. Er habe gesagt, sie sollen ihn in Ruhe lassen. Die Polizisten hätten seinen Pass haben wollen, er habe versucht, ihnen zu erklären, dass der Pass in der Gaststätte oder im geparkten Auto sei. Dies hätten die Polizisten aber nicht verstanden. Er habe nach rechts in Richtung des Parkplatzes des Autos geblickt und gesehen, dass das Auto nicht mehr da war. Seine Freundin habe ihm gesagt gehabt, sie würde ihn irgendwann ins Gefängnis bringen. Deshalb sei er in diesem Moment aggressiv geworden und habe sich gegen die Polizisten gewehrt. Ihm sei nun alles egal gewesen, weil er gewusst habe, dass er sowieso verhaftet würde. Die Polizisten seien aber auch voll aggressiv gewesen. Als er zu Boden gebracht wurde, habe er gesagt, die Polizisten sollen vorsichtig sein, weil er Angst gehabt hätte wegen einer alten Kopfverletzung. Die Polizisten hätten ihn aber nicht verstanden. Die Polizisten hätten irgendwann auch zu ihm gesagt, „stehen Sie auf“, aber das habe er nicht gewollt. Er habe sich dann auch einmal auf den Boden fallen lassen.
In die Zelle habe er nicht rein gewollt. Weil er so wütend gewesen sei, habe er die Matratze mit seinen Zähnen zerrissen und das weiße Zeug bzw. die Watte, die im Inneren der Matratze gewesen sei, ausgespuckt.
bb) Beweiswürdigung zum Tatgeschehen
Diese Angaben sind gut in Einklang zu bringen mit den Schilderungen der Polizeibeamtin PHK M…. Diese schilderte, Anlass des Einsatzes seien Anrufe von mehreren Männern gewesen, die angegeben hatten, dass es einen Streit im „D…“ gegeben habe. Ein Gast habe eine Zigarette in der Gaststätte rauchen wollen und herum gepöbelt. Er sei dann aus der Gaststätte gewiesen worden, habe aber zunächst das Lokal nicht verlassen wollen. Jetzt würde er sich vor der Gaststätte aufhalten und dort weiter herumschreien.
Vor Ort hätten sie und POM F… eine Gruppe von Männern angetroffen, sie denke Mitarbeiter der Gaststätte, und etwas entfernt den Angeklagten. Sie hätten mit den Männern gesprochen, die ihnen den Sachverhalt, wie geschildert, bestätigt hätten und den Angeklagten als den pöbelnden Gast bezeichnet hätten bzw. auf ihn gedeutet hätten.
Sie hätten nur ganz kurz mit den Männern gesprochen, da der Angeklagte so aggressiv gewesen sei, laut herumgebrüllt und in Richtung der Männergruppe gestikuliert habe. Sie hätten sich dann sogleich dem Angeklagten zugewandt.
Sie sei die Wortführerin gewesen, habe versucht mit dem Angeklagten zu reden. Der Angeklagte habe nach Alkohol gerochen und geschwankt. Er habe auch eine verwaschene Aussprache gehabt. Aufgrund seiner geröteten Augen sei sie davon ausgegangen, dass er nicht nur Alkohol, sondern auch Drogen konsumiert habe. Am Anfang sei aber ein Gespräch mit dem Angeklagten noch in gewissem Umfang in einfacher Sprache möglich gewesen, so wie man halt mit einem aufgeregten und alkoholisierten Menschen noch sprechen könne. Da der Angeklagte für sie der Störer gewesen sei und die Gefahr bestanden habe, dass er trotz des gegenüber ihm ausgesprochenen Hausverbots wieder in die Gaststätte gehe bzw. mit den anderen Männern ggf. auch körperlichen Streit suche, sei beabsichtigt gewesen, zunächst seine Personalien zu überprüfen. Man habe feststellen wollen, wen man vor sich habe. Wenn nichts gegen ihn vorgelegen hätte, sollte einen Platzverweis ausgesprochen werden. Der Angeklagte habe in diesem Gespräch sein Unverständnis darüber geäußert, dass er aus der Gaststätte verwiesen worden war und sich darüber beschwert. Einen Pass habe er auf Aufforderung nicht vorgezeigt, aber seinen Namen genannt. Von einem Moment auf den anderen sei die Stimmung komplett gekippt, mitten im Gespräch. Sie könne sich nicht erklären, warum. Der Angeklagte habe sein lautes Herumschreien wieder aufgenommen, habe auch angefangen herumzulaufen. Ein Gespräch sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, der Angeklagte habe auf nichts mehr reagiert und keinen Aufforderungen mehr Folge geleistet. Er habe auch versucht, wieder Richtung Gaststätte zu gehen. Sie erinnere sich nämlich daran, ihm mit ihrem Körper den Weg zur Gaststätte versperrt zu haben. Da der angegebene Name bei einer Abfrage nichts ergeben habe, ggf. auch weil sie den Namen nicht richtig verstanden habe, habe der Angeklagte zur Identitätsfeststellung und auch zur Eigensicherung durchsucht werden sollen. Dies sei dem Angeklagten auch erklärt worden. Die Durchsuchung habe an einer nahegelegenen Hauswand stattfinden sollen. Da der Angeklagte sich dort nicht freiwillig hinbegeben hätte, hätten ihr Kollege Frechen und sie ihn jeweils links und rechts am Arm ergriffen und zu der Wand geführt. Gegen die Durchsuchung habe er sich dadurch gewehrt, dass er versucht habe, sich aus ihrem Griff zu Winden und zu Drehen, seine Arme wegzureißen und auch von der Wand wegzulaufen. Ihm sei erklärt worden, dass unmittelbarer Zwang angewendet werden müsse, wenn er sich weiter wehre. Schließlich sei ihm die Fesselung angekündigt worden. Da er sich weiter stark gewehrt habe, sich auch keine Handfesseln habe anlegen lassen wollen, sondern immer wieder die Hände weggezogen habe, habe man ihn mit Hilfe der hinzu gekommenen weiteren Streife, bestehend aus POW’in Be… und POM H… zur Boden gebracht. Dort sei es gelungen, ihm Handfesseln anzulegen und ihn so zu fixieren, dass eine Durchsuchung möglich gewesen sei. Der Angeklagte habe sich am Boden weiter gewehrt und mit den Beinen gestrampelt. Es sei aber kein gezieltes Treten nach einem der Beamten gewesen. Es sei kein Ausweis gefunden worden, aber sie glaube ein Impfausweis oder etwas Ähnliches. So hätten seine Personalien geklärt werden können.
Sie hätte ihm dann aufgrund seines zunehmend aggressiven Verhaltens und weil kein Gespräch mehr mit ihm möglich gewesen sei, den Sicherheitsgewahrsam (im Sinne eines Gewahrsams zu Unterbindung von Straftaten) erklärt. Ein Platzverweis habe aufgrund seines aggressiven Verhaltens keinen Sinn mehr ergeben. Als der Angeklagte aufgesetzt werden sollte, habe er den Oberkörper nach hinten fallen lassen und wieder gestrampelt. Man habe ihm Fußfesseln angelegt. Da er immer noch nicht zum Auto habe laufen wollen, sei er schließlich von zwei Beamten getragen und ins Dienstfahrzeug gelegt worden. Im Auto habe er sich schließlich beruhigt. Aus dem Fahrzeug sei er selbständig ausgestiegen und auch freiwillig die Treppe zu den Arresträumlichkeiten hinunter gelaufen. Als der Angeklagte in die Zelle sollte, sei es aber wieder eskaliert. Der Angeklagte habe sich mit seinem Gewicht nach hinten gelehnt und mit seinen gefesselten Händen ihren im Gürtel befindlichen Schlagstock zu fassen bekommen. Sie wisse aber nicht, ob er tatsächlich sich des Schlagstocks habe bemächtigen wollen, oder einfach nur nach hinten gegriffen habe und irgend etwas zu fassen bekommen wollte. Sie habe ihn dann mit ihren Kollegen und dem Arrestbeamten in die Zelle gestoßen. Was in der Zelle passiert sei, wisse sie nicht, weil sie als Frau bei der Durchsuchung in der Zelle nicht habe dabei sein dürfen.
Die Beschädigung der Matratze habe sie nicht gesehen. Ihr sei nur davon berichtet worden.
An der Richtigkeit der Angaben der Polizeibeamtin hat die Kammer keinen Zweifel. Sie hat ihre Angaben ruhig und sachlich getätigt. Sie hat auch entlastende Umstände erwähnt – wie etwa, dass am Anfang ein Gespräch mit dem Angeklagten möglich gewesen sei, er nicht gezielt getreten habe und sie nicht sagen könne, ob er sich wirklich des Schlagstocks habe bemächtigen wollen. Dass sie nicht mehr alle Details wusste, ist angesichts des Zeitablaufs und des Umstandes, dass es sich bei Widerstandshandlungen von Betrunkenen um durchaus häufiger vorkommende Einsatzsituationen handelt, ohne weiteres nachvollziehbar mit dem normalen Vergessensprozess zu erklären und beeinträchtigt die Glaubhaftigkeit der Aussage nicht.
Nicht gegen die Richtigkeit der Angaben spricht auch, dass gewisse Abweichungen zu den Angaben des Streifenpartners … bestehen. Dieser konnte sich weder an das Gespräch mit den Männern am Anfang, noch daran erinnern, dass anfänglich noch ein Gespräch mit dem Angeklagten möglich gewesen sei und plötzlich die Stimmung umgeschlagen habe. Seiner Erinnerung nach habe der Angeklagte auf die Ansprache von Anfang an nur mäßig reagiert, habe aber auch unter Stimmungsschwankungen erlitten. Diese Abweichung ist aus Sicht der Kammer damit erklärlich, dass der Polizeibeamte … nicht derjenige war, der den Einsatz leitete, also nicht die hauptsächlich handelnde Person war, sondern nur als Streifenpartner dabei. Glaubhaft bestätigen konnte der Polizeibeamte … aber den Einsatzanlass und die beim Angeklagten erkennbaren Ausfallerscheinungen und geröteten Pupillen beschreiben. Ebenfalls glaubhaft bestätigen konnte der Polizeibeamte …, dass der Angeklagte aggressiv in Richtung der Männergruppe geschrien habe, auch über die Köpfe der Polizeibeamten hinweg. Für ihn habe es den Eindruck gemacht, der Angeklagte wolle wieder in das Restaurant. Er habe jedenfalls in diese Richtung gedrängt. Für ihn habe auch im Raum gestanden, dass der Angeklagte möglicherweise bereits einen Hausfriedensbruch begangen haben könnte. Auch sei der Angeklagte nicht freiwillig mit zu der Wand gegangen, an der die Durchsuchung durchgeführt werden sollte. Er habe sich gegen die Durchsuchung massiv gewehrt, obwohl er selbst als derjenige, der als Mann bei einem Mann die Durchsuchung durchführen sollte, versucht habe, ihm den Grund der Durchsuchung zu erklären und ihn vor der Durchsuchung belehrt habe. Der Angeklagte habe schließlich zu Boden gebracht und gefesselt werden müssen, dabei habe er immer wieder die Hände weggezogen. Dem Angeklagten sei schließlich der Gewahrsam zur Verhinderung von Straftaten erklärt worden. Er habe sich auch der Verbringung zum Auto widersetzt. Auf dem Weg vom Auto die Treppe hinunter in den Zellentrakt sei es gegangen. Beim Verbringen in die Zelle habe der Angeklagte sich wieder massiv gewehrt, ebenso beim Entkleiden (Hose, Pulli, Jacke) zum Zwecke der Feindurchsuchung in der Zelle. Später habe der Arrestbeamte zu ihm gesagt, „schau mal, er hat die Matratze zerrissen, die war vorher noch heil“. Er habe dann geschaut und gesehen, dass der Latexbezug der Matratze aufgerissen gewesen sei.
Auch der nachträglich als Unterstützung hinzugekommene Polizeibeamte … konnte glaubhaft Teile des Sachverhalts bestätigen. Er gab an, dass der Angeklagte sich gegen die Durchsuchung gewehrt habe. Als er und seine Kollegin hinzu gekommen seien, sei der Angeklagte bereits an der Wand gestanden und habe herum geschrien. Er habe mitbekommen, wie der Kollege … dem Angeklagten die Durchsuchung angekündigt und unmittelbaren Zwang angedroht habe. Der Angeklagte habe versucht, sich aus den Griffen der Kollegen herauszuwinden und sollte deswegen gefesselt werden. Um dies umsetzen zu können, habe der Angeklagte zu Boden gebracht werden müssen, habe sich aber weiter gewunden. Erst am Boden sei es gelungen, ihm Handfesseln anzulegen. Ihm sei dann der Sicherheitsgewahrsam erklärt worden. Als er aufgerichtet worden sei, um zum Auto gebracht zu werden, habe er sich wieder fallen lassen. Am Boden habe der Angeklagte weiter um sich getreten, weswegen ihm Fußfesseln hätten angelegt werden müssen. Da er nicht habe laufen wollen, habe er zum Auto getragen werden müssen, wobei er weiter um sich getreten und sich gegen das Verbringen in das Dienstfahrzeug gewehrt habe.
Er erinnere sich nicht mehr genau daran, was noch alles in der Zelle los gewesen sei.
In der Zusammenschau dieser Aussagen, insbesondere der eigenen Einlassung des Angeklagten und der Schilderung der Polizeibeamtin M…, ergibt sich für das Gericht ein klares Bild des Geschehensablaufs. Vor allem liefert die eigene Schilderung des Angeklagten, dass ihm alles egal gewesen sei, als er das Verschwinden des geparkten Autos bemerkt habe und dann aggressiv geworden sei und sich gewehrt habe, die Erklärung für das von der Beamtin M… beschriebene, für sie nicht erklärliche Umschlagen der Stimmung des Angeklagten von einer Sekunde auf die andere mitten im Gespräch.
Hinsichtlich der erlittenen Schürfverletzungen der Beamten H… und M… stützt sich die Kammer auf die glaubhaften Angaben der beiden betroffenen Polizeibeamten, die schilderten, diese Verletzungen beim zu Boden bringen des Angeklagten aufgrund des vorhandenen Rollsplits an den Knien bzw. im Falle des Beamten H… zusätzlich im Bereich der Ellenbogen erlitten zu haben. Soweit der Beamte F… Schmerzen am Handgelenk erlitt, vermochte er nicht anzugeben, zu welchem Zeitpunkt des Einsatzes diese entstanden sind. Es wurde daher zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass diese Verletzung während des nach § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Teils des Tatgeschehens eingetreten ist.
Die vom Angeklagten eingeräumte Beschädigung der Matratze wurde glaubhaft auch vom Arrestbeamten B… bestätigt. Dieser schilderte, dass die Matratze nach jeder Entlassung kontrolliert werde. Sie sei zuvor unbeschädigt gewesen. Später, als der Angeklagte in der Zelle gewesen sei, sei der Bezug der Matratze beschädigt gewesen.
Die Überzeugung der Kammer hinsichtlich des Schadens stützt sich auf den auszugsweise verlesenen Ermittlungsbericht, der den Schaden mit 200 € angibt. Diese Schadenshöhe findet ihre Bestätigung in den Angaben der Beamten M… und B…, die angaben, ihres Wissens koste so eine Matratze ca. 200 bzw. 250 € und werde bei Beschädigung komplett ausgetauscht.
Die Überzeugung der Kammer zu der frist- und formgerechten Strafantragsstellung beruht auf den verlesenen Strafanträgen.
Die Überzeugung der Kammer hinsichtlich des beim Angeklagten festgestellten Blutalkoholgehalts und des THC-Nachweises in seinem Blut beruht auf der Verlesung des Ergebnisses der Blutalkoholbestimmung des FTC M. vom 01.10.2021 und der Befundmitteilung über die Untersuchung einer Blutprobe auf berauschende Mittel des FTC M. vom 10.10.2021. Die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte bei der Blutentnahme kooperativ war, beruht auf dem verlesenen ärztlichen Bericht über die Blutentnahme am 25.09.2021 um 00.24 Uhr.
cc) Beweiswürdigung zur Schuldfähigkeit
Hinsichtlich er Frage der Schuldfähigkeit hat sich die Kammer von der Sachverständigen … G…, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sachverständig beraten lassen. Die Gutachterin … G… stützte ihre Expertise auf das Studium der Verfahrensakten sowie die Erkenntnisse, die sie im Rahmen der Berufungshauptverhandlung durch Befragung des Angeklagten und der Zeugen gewinnen konnte. An einer Exploration hatte der Angeklagte nicht teilgenommen.
Die Sachverständige führte aus, dass beim Angeklagten angesichts der bei der Blutentnahme gemessenen Alkoholkonzentration von 2,23 Promille und der von den Zeugen beschriebenen Ausfallerscheinungen von einer Alkoholintoxikation (ICD-10 F 10.0) zum Tatzeitraum auszugehen sei. Zusätzlich sei aufgrund des toxikologischen Ergebnisses von einer Cannabinoidwirkung zum Tatzeitraum auszugehen. Die Intoxikation mit Alkohol und anderen Rauschmitteln unter fiele dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung. In aller Regel käme bei einer Intoxikation eine Störung der Einsichtsfähigkeit nicht in Betracht. Auch vorliegend hätten sich für eine aufgehobene Einsichtsfähigkeit keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Hinsichtlich der Frage der Steuerungsfähigkeit sei in einem weiteren Schritt sei zu prüfen, inwieweit Funktionseinschränkungen vorgelegen hätten. Allein die Diagnose einer akuten Alkoholintoxikation rechtfertige keinen Rückschluss auf eine solche Beeinträchtigung, vielmehr seien deren Auswirkungen im konkreten Fall anhand der sog. Achsensyndrome Koordination, Verhalten, Kognition und Affektivität zu beurteilen. Maßgeblich sei also die Schwere des Rauschzustandes.
Von den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen seien an Koordinationsstörungen eine gewisse Gangunsicherheit und eine verwaschene Sprache beschrieben worden. An Besonderheiten des Verhaltens seien überschießende Reaktionen und eine erhebliche Kampf- und Streitlust zu verzeichnen, was sich in dem Herumschreien/Anschreien anderer Personen äußere, aber auch in den Widerstandshandlungen gegenüber den Polizeibeamten. Als affektive Auffälligkeit seien die Gereiztheit des Angeklagten und seine raschen Stimmungswechsel zu werten. Auf der anderen Seite müsse man sehen, dass sich keine Anhaltspunkte für ausgeprägte Störungen der Orientierung, Sinnestäuschungen oder wahnhafte Verkennung der Situation ergeben hätten. Auch sei durchaus ein teilweises Ansprechen auf Außenreize und entsprechendes Reagieren auf diese zu verzeichnen, wie etwa dass der Angeklagte in Situationen, die mit einem entsprechenden Verletzungsrisiko für ihn verbunden waren, durchaus kooperativ war, etwa beim Hinabsteigen der Treppe oder der Blutentnahme.
Bei einer Gesamtbetrachtung sei das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 20 StGB klar zu verneinen. Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 21 StGB aufgrund erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit könne demgegenüber nicht ausgeschlossen werden.
Die Berufungskammer hat sich den überzeugenden und gut nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen, die dem Gericht aus zahlreichen Verfahren als sachkundige und sorgfältige Gutachterin bekannt ist und die auch von der zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist, nach eigener Prüfung und Bewertung in vollem Umfang angeschlossen.
Auch aus Sicht der Kammer liegen weder Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Einsichts – noch der Steuerungsfähigkeit vor. Insbesondere ist für eine völlige Situationsverkennung oder Desorientierung nichts ersichtlich. Dies ist auch den eigenen Schilderungen des Angeklagten zu entnehmen. Der Angeklagte kann sich an das Geschehen noch gut erinnern. Er hat nach seinen eigenen Angaben die Polizeibeamten als solche erkannt und wusste auch, dass diese einen Ausweis von ihm wollten. Er war also sehr wohl über die Situation orientiert. Die Kammer hat auch bedacht, dass die Blutentnahme fast zweieinhalb Stunden nach dem Geschehen erfolgte, der Blutalkoholgehalt beim Angeklagten zu den Tatzeitpunkten also noch deutlich höher gewesen sein kann. Entscheidender als die Höhe der Blutalkoholkonzentration, die nur ein Indiz für den Grad der Alkoholbeeinflussung bildet, ist jedoch das Maß der Funktionseinschränkung. Die Höhe der Blutalkoholkonzentration relativiert sich vorliegend auch dadurch, dass es sich beim Angeklagten noch um einen relativ jungen Mann handelt, der alkoholgewohnt ist und insbesondere Zeitraum um den Tatzeitpunkt herum exzessiv dem Alkohol zusprach. Dies bedeutet, dass er selbst bei sehr hohen Blutalkoholwerten in seiner Leistungsfähgikeit in weitaus geringem Umfang beeinträchtigt war, als ein nicht trinkgewohnter Mensch. Demzufolge ist auch das individuelle Gewicht einer Blutalkoholkonzentration regelmäßig geringer einzustufen, als bei einem Gelegenheitskonsumenten.
Unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Achsensyndrome geht auch die Kammer daher davon aus, dass zwar beim Angeklagten eine Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit keinesfalls in Betracht kommt. Angesichts der Höhe der Alkoholisierung, des nicht ausschließbar verstärkenden Einflusses durch den Konsum von THC und insbesondere angesichts der sehr gereizten Stimmung des Angeklagten und seines durchaus als Überreaktion zu wertenden aggressiven Verhaltens sowohl auf den Rauswurf aus der Pizzeria, als auch auf die polizeiliche Kontrolle, das noch in der Arrestzelle durch Zerreißen des Latexbezuges mit den Zähnen andauerte, geht auch das Gericht davon aus, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitraum, zumindest nicht ausschließbar, erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert war.
V. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich schuldig gemacht des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der Sachbeschädigung.
Bei der Feststellung der Identität des Angeklagten haben die Beamten eine Vollstreckungshandlung im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB vorgenommen. Diese war auch rechtmäßig, da durch das Polizeiaufgabengesetz zur Gefahrabwehr gedeckt. Nach Art. 13 Abs. 1 PAG kann die Polizei die Identität einer Person feststellen zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut (wie etwa Leben, Gesundheit, Freiheit). Eine konkrete Gefahr setzt eine Sachlage voraus, die nach allgemeiner Lebenserfahrung bei ungehindertem Verlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Sicherheit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt. Erforderlich ist eine gewisse Schadensgeneigtheit der konkret bestehenden Sachlage. Bei einer drohenden Gefahr liegt demgegenüber noch keine hinreichend konkretisierte Tatsachengrundlage vor (BeckOK, Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 22. Edition, Stand 15.04.2023, Art. 11 a Rn. 26).
Vorliegend war der Angeklagte der Gasstätte verwiesen worden, wollte diese aber zunächst nicht verlassen. Er hielt sich, nachdem er die Gaststätte verlassen hatte, weiter vor der Gasstätte auf, schrie und gestikulierte in Richtung von anderen Personen, bei denen es sich wahrscheinlich um Mitarbeiter der Gaststätte handelte. Bei lebensnaher Betrachtung war daher mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Angeklagte wieder versuchen würde, in die Gasstätte zu gelangen und damit einen Hausfriedensbruch begehen würde oder aber dass er eine ggf. auch körperliche Auseinandersetzung mit den anderen Personen suchen würde und ggf. vorsätzliche Körperverletzungen oder Beleidigungen begehen würde.
Inwieweit das Herumschreien des Angeklagten zu nächtlicher Stunde daneben noch eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG darstellte, kann vor dem Hintergrund dieser zu erwartenden Straftaten dahinstehen.
Zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gehört jedenfalls die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Daneben ist die Identitätsfeststellung zur Abwehr einer Gefahr nach herrschender Meinung eine Maßnahme zur Gefahrerforschung oder Gefahrvorsorge, die im Vorfeld konkreter Gefahren eine niedrigere Eingriffsschwelle genügen lässt. In diesem Sinne dient sie zur weiteren Aufklärung einer Gefahrlage oder eines Gefahrverdacht, indem das Gefahrpotential am Geschehen beteiligter Personen überprüft wird (siehe zum Ganzen: BeckOK, a.a.O., Art. 13 Rn. 9).
Vorliegend wollten die Polizeibeamten herausfinden, wen man vor sich habe und ob ein Platzverweis ausreichend sei. Da die Identität des Angeklagten nicht auf andere Weise ermittelt werden konnte, da der Angeklagte von sich aus keinen Ausweis vorzeigte und die Abfrage mit dem von ihm angegebenen Namen nichts ergab, war gem. Art. 13 Abs. 2 S. 3, 5 auch eine Durchsuchung zulässig. Auch zur Eigensicherung war die Durchsuchung gem. Art. 21 Abs. 2 PAG aufgrund des aggressiven Verhaltens des Angeklagten zulässig. Die Maßnahme war verhältnismäßig im Sinne von Art. 4 PAG. Insbesondere ist ein milderes Mittel nicht ersichtlich.
Dem Angeklagten wurde der unmittelbare Zwang, Art. 75, 78 PAG ordnungsgemäß gem. § 81 PAG angedroht. Die durchgeführte Fesselung war zulässig nach Art. 82 PAG. Der Angeklagte durfte nach Art. 13 Abs. 2 S. 3 PAG festgehalten werden. In diesem Fall ist eine Fesselung u.a. zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Widerstand leisten wird. Solche Tatsachen lagen vor, weil der Angeklagte mit seinem Widerstand gegen die Durchsuchung sogar bereits begonnen hatte. Auch die Anwendung des unmittelbaren Zwanges war bei der gegeben Sachlage verhältnismäßig.
Auch die weitere Vollstreckungshandlung, gegen die der Angeklagte Widerstand leistete, nämlich die Ingewahrsamnahme ist jedenfalls von Art. 17 PAG Abs. 1 Nr. 2 PAG (Unterbindungsgewahrsam) gedeckt. Danach kann eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Anders als bei einer Ordnungswidrigkeit genügt jede Straftat. Nur bei Ordnungswidrigkeiten ist eine solche von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit Voraussetzung (BeckOK, a.a.O. Art. 17 Rn. 28). Vorliegend stand die Begehung eines Hausfriedensbruchs (durch erneutes Betreten der Pizzeria trotz Hausverbots) oder einer Körperverletzung oder Beleidigungen zu Lasten der Männer/Angestellten des Lokals im Raum. Für die Frage, ob eine Straftat unmittelbar bevorsteht, ist eine Prognose erforderlich. Vorliegend wussten die Beamten, dass der Angeklagte es nicht einsehen wollte, dass er der Gaststätte verwiesen worden war. Er wurde im Laufe des Gesprächs zunehmend aggressiv, war nicht mehr willens auf ein Gespräch einzugehen. Außerdem drängte er in Richtung der Gaststätte und der Männergruppe und schrie und gestikulierte in deren Richtung, sogar über die Köpfe der Polizeibeamten weg. Er hatte sich zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme bereits gegenüber den Polizeibeamten aggressiv verhalten, sogar bereits eine Straftat in Form eines Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 1 StGB bei der Durchsuchung begangen. Bei dieser Sachlage war mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass der Angeklagte, vor Ort belassen, wieder versuchen würde, zurück ins Lokal zu gelangen oder eine Auseinandersetzung mit den Männern zu suchen. Die Ingewahrsamnahme war auch nicht unverhältnismäßig, sondern unerlässlich. Eine andere Möglichkeit, den Angeklagten von der Örtlichkeit weg zu bekommen oder sonst die Begehung der oben beschriebenen Straftaten zu verhindern, bestand nicht mehr. Insbesondere kam der zunächst ins Auge gefasste Platzverweis aufgrund der Entwicklung der Situation nicht mehr in Betracht. Denn der Angeklagte war hoch aggressiv und reagierte auf keinerlei Aufforderungen durch die Polizeibeamten mehr, war also nicht mehr absprachefähig. In dieser Situation wäre die Aussprache eines Platzverweises nach der Durchsuchung ohne jegliche Erfolgsaussicht und eine bloße Förmelei gewesen. Um diesen Platzverweis durchzusetzen, hätte der Angeklagte dann auch (gestützt auf Art. 17 Abs. Nr. 4 PAG) in Gewahrsam genommen werden müssen.
Es erschließt sich auch zwanglos, dass der Angeklagte die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Handlungen erkannt haben muss. Er wusste, dass er aus der Gaststätte verwiesen worden war und hat nach seinen eigenen Angaben auch verstanden, was die Beamten von ihm wollten. Sein aggressives Verhalten und das sich Wehren hatte seinen Auslöser auch nicht in einem etwaig missverstandenen Verhalten der Beamten, sondern in dem Verschwinden des geparkten Pkws und damit dem Verhalten seiner damaligen Freundin.
Da die Ingewahrsamnahme bereits auf Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG gestützt zulässig war, kann dahinstehen, ob nicht auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 PAG (Schutzgewahrsam) erfüllt gewesen wären. Aus Sicht der Kammer spricht hierfür allerdings einiges: Der Angeklagte war erkennbar stark alkoholisiert und stand zusätzlich erkennbar unter dem Einfluss sonstiger berauschender Mittel. Ein Gespräch mit ihm, um etwa abzuklären, wie er nach Hause kommen würde, wie er von der Örtlichkeit wegkommen würde oder ob Begleiter vorhanden seien, die sich um ihn und dass er sicher nach Hause kommt, kümmern könnten, war nicht mehr möglich. Aus Sicht des Gerichts wäre es unverantwortlich, da für Leib und Leben des Angeklagten gefährlich gewesen, den Angeklagten in seinem berauschten und agitierten Zustand nachts und in unmittelbarer Nähe der G. Str. (einer vierspurigen, relativ viel befahrenen Straße mit zusätzlichem Straßenbahnverkehr) allein zurück zu lassen.
VI. Strafzumessung und Nichtanwendung der Maßregel nach § 64 StGB
1. Strafzumessung
Hinsichtlich der beiden ersten Taten war jeweils der Strafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB als Ausgangspunkt zu nehmen, der Freiheitsstrafe zwischen einem Monat und drei Jahren oder Geldstrafe zwischen fünf und 360 Tagessätzen vorsieht.
Die Berufungskammer hat jedoch jeweils von der optionalen Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer alle Umstände zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten umfassend gewürdigt und abgewogen, insbesondere die nachfolgend genannten:
Zu Gunsten des Angeklagten hat das Gericht berücksichtigt, dass er die von ihm begangen Handlungen eingeräumt hat und sich in der vom Verteidiger verlesenen Einlassung entschuldigt hat, wobei relativierend zu berücksichtigen war, dass der Angeklagte sich in seiner eigenen ergänzenden Einlassung wenig einsichtig zeigte und seine eigene Verantwortung für die Tat herunter spielte. Ebenfalls strafmildernd wurde berücksichtigt, dass die Taten nunmehr bereits mehr als zwei Jahre zurück lagen. Auch hat die Berufungskammer bedacht, dass der Angeklagte möglicherweise mit dem Widerruf der ihm gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zu rechnen hat und damit ggf. eine zusätzliche Freiheitsstrafe von über einem Jahr zu verbüßen haben wird.
Ausdrücklich nicht zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer im ersten Fall die Begehung einer fahrlässigen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen gewertet, da die erlittenen Verletzungen denkbar gering waren.
Zu Lasten des Angeklagten fiel hinsichtlich der zeitlich ersten Tat ins Gewicht, dass diese sich über einen gewissen Zeitraum von wenigstens mehreren Minuten hinzog und der Angeklagte im Rahmen der einheitlichen Tat mehrere auch gewichtige Widerstandshandlungen begangen hat. Vor allem fiel jedoch zu Lasten des Angeklagten jeweils sein strafrechtliches Vorleben ins Gewicht. Der Angeklagte ist vor der Tat seit 2018, …. Bei den hier gegenständlichen Taten handelt es sich um im weiteren Sinne einschlägige Taten, da ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ebenfalls als Aggressionsdelikt zu werten ist. Die Taten wurden weniger als eineinhalb Jahre nach der Verurteilung … begangen. Es handelt sich auch nicht ….
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte, insbesondere …, kam die Verhängung von Geldstrafen, auch soweit eine Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten zu verhängen war, nicht mehr in Betracht. Gemäß § 47 Abs. 1 StGB war vielmehr insoweit die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich, wobei sich das Gericht des Ausnahmecharakters der Freiheitsstrafe bewusst war und es diesen Umstand in seine Abwägung miteinbezogen hat. Schließlich hat sich der Angeklagte aber weder durch vorangegangene Geldstrafen noch durch den Umstand, dass er … und die Verhandlung im Berufungsverfahren anstand (oder gar schon stattgefunden hatte), von der Begehung weiterer vorsätzlicher Straftaten abhalten lassen. Dabei hat die Kammer ausdrücklich noch einmal in die Waagschale geworfen, dass der Angeklagte die Handlungen eingeräumt und sich entschuldigt hat, sowie, dass er in einem festen Arbeitsverhältnis steht. Insbesondere angesichts der gezeigten hohen Rückfallgeschwindigkeit … begangenen Tat und deren erstinstanzlicher Aburteilung ist die Berufungskammer jedoch überzeugt, dass zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Jede andere Reaktion auf das vom Angeklagten begangene Unrecht könnte die erforderliche Spezialprävention nicht gewährleisten. Schließlich ist die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe auch zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich, da es aus Sicht der Allgemeinheit völlig unverständlich wäre, gegen einen Angeklagten lediglich eine Geldstrafe zu verhängen, ….
Unter umfassender Abwägung aller strafzumessungsrelevanter Umstände zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ist für die zeitlich erste Tat eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten, für die zeitlich zweite Tat eine solche von 5 Monaten tat- und schuldangemessen.
Die Kammer hat dabei auch bedacht, dass mit dem Geständnis des Angeklagten und seiner Entschuldigung ein in erster Instanz noch nicht vorliegender Strafmilderungsgrund hinzu gekommen ist sowie, dass hinsichtlich der zweiten (in den Arresträumlichkeiten begangenen) Tat, ein Teil der Tat gem. § 154 a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen wurde. Gleichwohl war hinsichtlich der ersten Tat eine gleich hohe Strafe, wie erstinstanzlich verhängt, hinsichtlich der zweiten Tat eine nur geringfügig geringere tat- und schuldangemessen. Dem erst in zweiter Instanz abgegeben Geständnis des Angeklagten, der sich auch wenig einsichtig zeigte, kommt nur ein geringes Gewicht zu. Das Amtsgericht hat außerdem im ersten Fall den Umstand, dass eine Abfolge von mehreren Widerstandshandlungen vorlag, die Tat sich also über einen gewissen Zeitraum hinzuzog, in beiden Fällen das strafrechtliche Vorleben des Angeklagten nicht mit dem diesen Umständen zukommenden Gewicht berücksichtigt.
Hinsichtlich der zeitlich dritten Tat war der Strafrahmen des § 303 Abs. 1 StGB als Ausgangspunkt zu nehmen, der Freiheitsstrafe zwischen einem Monat und zwei Jahren oder Geldstrafe zwischen fünf und 360 Tagessätzen vorsieht.
Die Kammer hat auch hier von der optionalen Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer wiederum alle Umstände zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten umfassend gewürdigt und abgewogen, insbesondere die nachfolgend genannten:
Zu Gunsten des Angeklagten hat das Gericht berücksichtigt, dass er die von ihm begangene Sachbeschädigung eingeräumt hat. Ebenfalls strafmildernd wurde berücksichtigt, dass die Tat nunmehr bereits einige Zeit zurück liegt und der entstandene Sachschaden gering war. Auch hat die Berufungskammer bedacht, dass der Angeklagte ….
Zu Lasten des Angeklagten fiel erneut vor allem sein strafrechtliches Vorleben ins Gewicht. Der Angeklagte ist vor der Tat seit 2018, also innerhalb weniger Jahre, … strafrechtlich in Erscheinung getreten, gerade auch wegen Aggressionsdelikten (vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung), …. Die hier vorliegende Tat beging er zwischen erstinstanzlicher und Berufungsverhandlung (oder möglicherweise gar nach der Berufungsverhandlung).
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte, insbesondere aber aufgrund dieser erneuten einschlägigen Delinquenz …, kam die Verhängung einer Geldstrafe auch für die Sachbeschädigung nicht mehr in Betracht. Gemäß § 47 Abs. 1 StGB war vielmehr auch insoweit die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich, wobei sich das Gericht auch hier des Ausnahmecharakters der Freiheitsstrafe bewusst war und es diesen Umstand in seine Abwägung miteinbezogen hat. Schließlich hat sich der Angeklagte aber weder durch … und die Verhandlung im Berufungsverfahren anstand (oder schon stattgefunden hatte), von der Begehung weiterer vorsätzlicher Straftaten abhalten lassen. Dabei hat die Kammer ausdrücklich noch einmal in die Waagschale geworfen, dass der Angeklagte die Sachbeschädigung eingeräumt und sich entschuldigt hat, sowie, dass er in einem festen Arbeitsverhältnis steht. Insbesondere angesichts …, der gezeigten hohen Rückfallgeschwindigkeit nach … und deren erstinstanzlicher Aburteilung ist die Berufungskammer jedoch überzeugt, dass zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unerlässlich ist, um die erforderliche Spezialprävention zu gewährleisten. Schließlich ist die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe auch zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich, da es aus Sicht der Allgemeinheit völlig unverständlich wäre, gegen einen Angeklagten lediglich eine Geldstrafe zu verhängen, der bereits mehrfach zu Geldstrafen verurteilt wurde und eine … wird.
Eine Einzelstrafe von 3 Monaten für die Sachbeschädigung ist tat- und schuldangemessen. Auch hier war trotz des in zweiter Instanz erstmals erfolgten Geständnisses die Verhängung einer gleichhohen Freiheitsstrafe, wie erstinstanzlich verhängt, tat- und schuldangemessen. Das Amtsgericht hat nach Überzeugung des Berufungsgerichts das strafrechtliche Vorleben des Angeklagten, insbesondere den Umstand, dass der Angeklagte …, nicht hinreichend berücksichtigt.
Aus diesen Einzelstrafen war gem. §§ 53, 54 Abs. 1 StGB unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 6 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Das Gericht hat bei der Gesamtstrafenbildung noch einmal sämtliche oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte, die auch für die Gesamtstrafenbildung von Bedeutung sind und auf die verwiesen wird, und auch die Person des Angeklagten berücksichtigt. Zu Lasten des Angeklagten fiel insbesondere sein strafrechtliches Vorleben ins Gewicht, …. Zu Gunsten des Angeklagten wurde insbesondere sein Geständnis berücksichtigt. Die Kammer hat bei der Gesamtstrafenbildung auch berücksichtigt, dass den einzelnen Taten ein geringeres eigenes Gewicht zukommt, wenn, wie hier, ein sehr enger zeitlicher und situativer Zusammenhang besteht. Schließlich wurde berücksichtigt, dass das Gericht nicht eruieren konnte, wann hinsichtlich der Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis die letzte Tatsachenverhandlung stattfand. Diese Entscheidung wurde am 09.11.2021 rechtskräftig, so dass eine Berufungsverhandlung und damit die letzte Tatsachenverhandlung wahrscheinlich nach den hier gegenständlichen Taten stattgefunden hat bzw. jedenfalls stattgefunden haben kann und insoweit die genannte Strafe vorliegend im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung einbezogen hätte werden können und müssen, wenn sie nicht schon vollständig vollstreckt gewesen wäre. Die Kammer hat dem Angeklagten daher vorsorglich im Rahmen der vorliegenden Gesamtstrafenbildung einen Härteausgleich für diese bereits vollstreckte Freiheitsstrafe von 3 Monaten gewährt. Unter Berücksichtigung sämtlicher strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte sowie des zu gewährenden Härteausgleichs hat die Berufungskammer eine Gesamtstrafe von 8 Monaten verhängt. Diese Gesamtfreiheitsstrafe wird dem Gesamtgewicht der begangenen Taten und dem Ausmaß der Verfehlungen des bereits mehrfach vorbestraften Angeklagten gerecht.
Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Voraussetzungen für eine günstige Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht vorliegen. Dass der Angeklagte sich diesmal schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, kann nicht erwartet werden. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit vorgenommen worden, insbesondere unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen bereits geschilderten Umstände, die zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die verwiesen wird. Zwar ist aus dem Umstand allein, dass der Angeklagte …, ebenso wenig eine positive Sozialprognose zu versagen wie daraus, dass er …, vorbestraft ist, ohne dass diese Verurteilungen geeignet waren, ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Die Gesamtschau aller Umstände lässt indes die Wahrscheinlichkeit künftig straffreien Lebens des Angeklagten keinesfalls größer erscheinen als die Befürchtung weiterer, insbesondere, gleichgearteter Straftaten. Es fehlt mithin bei Abwägung aller Umstände die auf greifbaren Tatsachen beruhende Grundlage für die Erwartung, der Angeklagte werde bei einer Strafaussetzung zur Bewährung künftig keine Straftaten mehr begehen.
Sorgfältig bedacht wurde dabei insbesondere, dass der Angeklagte erwerbstätig ist und zwar seit mehreren Jahren beim gleichen Arbeitgeber in fester Anstellung. Auch wurde bedacht, dass der Angeklagte in einer festen Beziehung lebt und kürzlich Vater geworden ist und … hat.
Trotzdem erscheint selbst bei Ausschöpfung aller zulässigen und nicht in Strafvollzug bestehenden Sanktionen die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens bei dem Angeklagten deutlich geringer, als diejenige neuer Straftaten. Die verbüßte Freiheitsstrafe war mit drei Monaten relativ kurz. Es darf aber vor allem nicht übersehen werden, dass auch die vorhergehenden bisherigen Ahndungen beim Angeklagten nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. Im Gegenteil wurde der Angeklagte trotz mehrfacher Ahnungen auch zumindest im weiteren Sinne …. Die bisherigen Ahndungen haben also beim Angeklagten nicht den erforderlichen Eindruck hinterlassen, um ihn von der Begehung neuerlicher Straftaten abzuhalten, sondern er ist rasch wieder straffällig geworden. Bei den hier gegenständlichen Taten handelt es sich um einschlägige bzw. zumindest im weiteren Sinne einschlägige Straftaten. Denn bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte handelt es sich, …, um ein Aggressionsdelikt. Der in einer Arbeitsstelle und einem Erwerbseinkommen zu sehende stabilisierende Faktor war bei der Begehung der Taten bereits vorhanden. Schwer wiegt im Rahmen der Gesamtabwägung auch, dass der Angeklagte … ist. Nur etwas mehr als … beging der Angeklagte bereits eine vorsätzliche Straftat und zwar ein vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis. Die Rückfallgeschwindigkeit … ist also hoch. ….
Die bisherige massive Delinquenzbelastung des Angeklagten, die Häufung seiner Straftaten innerhalb weniger Jahre, … und die Persönlichkeit des Angeklagten lassen ohne erneute Einwirkung des Strafvollzugs weitere Rechtsbrüche erwarten. Zu Bedenken war auch, dass die Alkoholproblematik des Angeklagten, die als wesentlicher Faktor der Straffälligkeit des Angeklagten zu sehen ist, weiterhin ungelöst ist, auch wenn der Angeklagte seinen Konsum reduziert hat. Der Angeklagte war bei Begehung der Taten, …, unter Alkoholeinfluss gestanden. Obwohl der Angeklagte selbst angibt, dass er sich nach Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle habe, hat er sich bislang noch nicht ernsthaft um die Lösung seiner diesbezüglichen Suchtproblematik bemüht. Eine nach der Entgiftung vorgesehene stationäre Therapie hat er bislang noch nicht einmal angetreten, sondern auf Januar nächsten Jahres verschoben. Allein der Umstand, dass der Angeklagte nach derzeitigem Stand beabsichtigt, eine stationäre Therapie in einigen Monaten anzutreten, ist von sehr begrenztem prognostischem Wert – zumal auch die Erfolgsaussichten dieser möglichen Therapie nicht abgeschätzt werden können. Hinzu kommt, dass es dem Angeklagten jedenfalls bislang nicht gelungen ist, ein echtes Problembewusstsein oder eine intrinsische Therapiemotivation zu entwickeln. Wie er freimütig einräumte, konsumiert er auch nach der Entgiftung, wenn auch in geringerem Maße, weiter Alkohol, zuletzt in der Woche vor der Berufungshauptverhandlung, während sich seine Partnerin anlässlich der Entbindung des gemeinsamen Kindes im Krankenhaus befand. Als Motiv für die beabsichtigte Therapie nannte er, dass ihm die Absolvierung einer Alkoholtherapie … worden sei. Bedenklich erscheint dem Gericht auch, dass der Angeklagte wenig Bereitschaft zeigte, für die von ihm begangenen Taten eigene Verantwortung zu sehen und zu übernehmen. Er sieht die Schuld für seine Straffälligkeit bzw. seine Verurteilungen bei seiner ehemaligen Freundin (die ihm nicht gut getan habe, weswegen er getrunken habe und die ihn wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis anzeigt habe) und in den Polizeibeamten (weil die ihn zu hart anfassen und ihn damit aggressiv machen würden).
Auch der Umstand, dass der Angeklagte nunmehr verlobt ist und kürzlich erstmals Vater geworden ist nicht geeignet, trotz der oben genannten ungünstigen Umstände doch noch zu einer günstigen Sozialprognose zu führen. Dies gilt um so mehr, als der Angeklagte angab, dass er immer dann, wenn er Stress habe, zu Alkohol greife. Die ersten Wochen und Monate mit einem Neugeborenen lassen sich jedoch schwerlich stressfrei gestalten.
Unter Berücksichtigung aller Umstände kann nicht erwartet werden, dass der Angeklagte sich diesmal die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Einwirkung des Strafvollzugs würde zur Warnung dienen lassen. Im Gegenteil erscheint die Erwartung der Begehung neuer Straftaten durch den Angeklagten deutlich höher, als die Erwartung künftigen straffreien Verhaltens des Angeklagten. Eine … Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung hätte bei dem Angeklagten nicht die erforderliche Warnfunktion und würde von ihm nur als eine im wesentlichen folgenlose Sanktion sowie als Nachgiebigkeit der Justiz ihm gegenüber missverstanden werden und er würde regelrecht zur Begehung weiterer Straftaten ermuntert werden. Nur zur Abrundung der Überzeugungsbildung des Gerichts trägt schließlich noch der Umstand bei, dass der Angeklagte ….
Die Kammer hat bei ihrer Gesamtbewertung schließlich auch bedacht, dass dem Angeklagten der … droht, die im … und dass dem Angeklagten voraussichtlich auch der Verlust seiner Arbeitsstelle drohen wird. Gleichwohl war auch vor diesem Hintergrund keine andere Entscheidung geboten.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist schließlich auch zur Verteidigung der Rechtsordnung gem. § 56 Abs. 3 StGB geboten. Angesichts des hartnäckigen rechtsmissachtenden Verhaltens des Angeklagten wäre es für die rechtstreue Bevölkerung schlechthin unverständlich und würde als unverständliche Nachgiebigkeit verstanden werden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Funktion der Rechtspflege gefährden, würde die verhängte Freiheitsstrafe … zur Bewährung ausgesetzt.
2. Nichtanwendung der Maßregel des § 64 StGB
Auch hinsichtlich der Frage des Vorliegens der medizinischen Voraussetzung des § 64 StGB hat sich die Kammer von der Sachverständigen Dr. G… beraten lassen. Die Sachverständige führte dazu aus, dass für den Angeklagten im Tatzeitpunkt von den sechs Kriterien gem. ICD-10 für eine Alkoholabhängigkeit, jedenfalls drei erfüllt gewesen seien, nämlich eine Toleranzentwicklung, ein Kontrollverlust hinsichtlich Beginn, Menge und Beendigung des Alkoholkonsums und ein starker Wunsch, Alkohol zu konsumieren. Die Diagnose der Alkoholabhängigkeit könne gestellt werden, wenn mindestens drei der sechs Kriterien erfüllt seien. Allerdings lebe der Angeklagten in einer Beziehung, gehe einer Arbeitstätigkeit nach und habe nach seinen Angaben den Alkoholkonsum deutlich reduziert und konsumiere auch kein Cannabis mehr. Es sei daher jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder Leistungsfähigkeit und damit kein Hang im Sinne von § 64 StGB mehr belegbar.
Auch diesen ohne weiteres nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen hat sich die Kammer nach eigener Überprüfung und Bewertung angeschlossen. Außerdem fehlt es nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der klaren Ablehnung einer Therapie unter den Voraussetzungen des § 64 StGB durch den Angeklagten auch an der erforderlichen Erfolgsaussicht im Sinne eines zu erwartenden Therapieerfolgs. Dies gilt umso mehr, als die Therpiedauer im Rahmen einer Maßregel nach § 64 StGB nach den Erfahrungen der Berufungskammer regelmäßig mindestens ein Jahr beträgt, somit länger als die zu verbüßende Strafe ist. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass unter diesen Voraussetzungen im Rahmen der Maßregel eine Bereitschaft des Angeklagten für eine Therapie im Maßregelvollzug doch noch geweckt werden könnte.
VII. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1, 4 StPO.