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Voraussetzungen einer Funkzellenabfrage zu Verkehrsdaten

LG Arnsberg – Az.: 2 Qs – 410 UJs 300/19 – 52/19 – Beschluss vom 07.06.2019

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft B wird der Beschluss des Amtsgerichts B vom 06.06.2019, Az.: 5 Gs 1086/19 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Mobilfunknetzbetreiber

………….

werden gemäß §§ 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. 100a Abs. 2 Nr. 1 n) StPO, 96 TKG verpflichtet, Auskunft über sämtliche Verkehrsdaten der Basisstation mitzuteilen, welche die Örtlichkeit

……….

in der Zeit vom 31.05.2019, 14:00 Uhr bis 31.05.2019, 17:00 Uhr mit Telekommunikation versorgt hat.

Von den Verkehrsdaten ausgenommen gemäß sind die retrograden Standortdaten( § 100g Abs. 1 S. 1 Nr.1 StPO, 96 TKG).

2.  Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft B wird der Beschluss des Amtsgerichts B vom 06.06.2019, Az.: 5 Gs 1087/19 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Netzbetreiber………… werden gemäß §§ 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. 100a Abs. 2 Nr. 1 n) StPO, 96 TKG verpflichtet, nach Zielsuche die bekannt gewordenen Verkehrsdaten für den Zeitraum 29.05.2019, 06:00 Uhr – 05.06.2019, 12:00 Uhr zur Festnetznummer ……….mitzuteilen.

Von den Verkehrsdaten ausgenommen gemäß sind die retrograden Standortdaten( § 100g Abs. 1 S. 1 Nr.1 StPO, 96 TKG).

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft B führt unter dem Aktenzeichen 410 UJs 300/19 ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrugs bzw. Betrug als Teil einer Bande gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB.

Dem Verfahren liegt zugrunde, dass unbekannte Täter sich seit dem 29.05.2019 gegenüber der 89-jährigen Geschädigten als Polizeibeamten „Herrn T1“ ausgegeben haben und von dieser unter Hinweis darauf, dass sie Opfer einer Bande werden könnte, die Übergabe ihrer Wertsachen forderten. Die Geschädigte hob am 31.05.2019 14.500 EUR von ihrem Konto ab und übergab dieses Geld einem von dem angeblichen Polizeibeamten gesandten Boten, der sich „T2“ nannte. Tage später erhielt die Geschädigte weitere Anrufe, die dazu dienten, sie dazu zu bewegen, ihre Sparbriefe aufzulösen und das Geld ebenfalls zu übergeben.

Voraussetzungen einer Funkzellenabfrage zu Verkehrsdaten
(Symbolfoto: Harmony Video Production/Shutterstock.com)

Die Kreispolizeibehörde führt darüber hinaus weitere Ermittlungsverfahren wegen gleichgelagerter Fälle im Raum T, bei denen ebenfalls die hier verwendeten Namen „T1“ und „T2“ verwendet werden. In diesen weiteren Verfahren ist bereits eine Telefonüberwachung installiert. Diese hat ergeben, dass an dem 31.05.2019 eine Datenverbindung von über 3 Stunden stattgefunden hat, die genau im Zeitpunkt der Geldübergabe der Geschädigten an den Boten endet. Hierbei handele es sich voraussichtlich um ein What’s App Gespräch, dessen Inhalt von einer Telefonüberwachung nicht umfasst wird. In den gleichgelagerten Fällen sei das übliche Vorgehen, dass der sogenannte Logistiker die ganze Zeit mit dem Keiler in Verbindung bleibt, bis die Geldübergabe an den Boten gesichert ist.

Die Staatsanwaltschaft B hat am 05.06.2019 beim Amtsgericht B einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses nach § 100g Abs.1, 2 und 3 StPO zur Erhebung aller angefallenen Telekommunikationsdaten (Funkzellenabfrage) sowie der retrograden Verbindungsdaten und dem Zielsuchlauf zur Festnetznummer der Geschädigten, gestellt. Art und Umfang der bereitzustellenden Daten sollen sich dabei nach §§ 96, 97 TKG richten.

Der zuständige Ermittlungsrichter hat die Anträge in den angefochtenen Beschlüssen vom 06.06.2019 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Erhebung von Verkehrsdaten in Form einer Funkzellenabfrage sowohl gemäß § 96 TKG gespeichert werden dürfen, als auch gemäß § 113b TKG gespeichert werden müssen. Eine Erhebung könne daher nur unter den Voraussetzungen des § 100g Abs. 3 S. 2 i.V.n. Abs. 2 StPO erfolgen. Die hierfür erforderliche Katalogstraftat nach § 100g Abs. 2 S. 2 StPO liege jedoch nicht vor.

Der Antrag auf Erhebung von Verkehrsdaten in Form eines Zielsuchlaufs ist mit gleicher Begründung abgelehnt worden.

Hiergegen wenden sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit der sie ihre ursprünglichen Anträge weiter verfolgt. Auf das Vorbringen in der Beschwerdeschrift wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sachen der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel sind begründet.

1. Soweit das Amtsgericht darauf hinweist, dass eine Katalogtat nach § 100g Abs. 3 S. 2 StPO, welche die Erhebung der Verkehrsdaten nach § 113b TKG zulässt, nicht vorliegt, ist dies zutreffend. Die Staatsanwaltschaft hat in ihren Anträgen jedoch nicht die Herausgabe der Verkehrsdaten nach § 113b TKG beantragt, sondern ihre Anträge bereits auf die Verkehrsdaten nach § 96 TKG beschränkt.

2. Die Erhebung aller angefallenen Verkehrsdaten nach § 96 TKG im Wege der Funkzellenabfrage ist gemäß § 100g Abs. 1  StPO möglich, wenn (kumulativ) der durch Tatsachen konkretisierte Verdacht einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere einer Katalogtat des § 100a Abs. 2 StPO, besteht, die Datenerhebung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (vgl. KK-StPO/Bruns, 8. Aufl. 2019, StPO § 100g Rn. 12).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es besteht der Verdacht eines gewerbsmäßigen Betruges. Diese Tat stellt eine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 n) StPO dar. Die vorliegende Tat ist auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung. Dies folgt aus dem gezielten Vorgehen der Täter, sich insbesondere hoch betagte, wehrlose Opfer auszusuchen und der Höhe der Beute, die insbesondere für die konkreten Opfer im Alter zu einer Existenzgefährdung führen kann. Die Datenerhebung steht aufgrund dieser Umstände auch in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Ohne die Herausgabe der Daten ist eine Ermittlung des Aufenthaltes des Täters aussichtslos, da es sich insbesondere bei den bekannten Telefonnummern um Sim-Karten mit gefälschten Daten handelt.

Nicht erfasst von der Erhebung der Verkehrsdaten sind die retrograden Standortdaten. Die Erhebung dieser Daten ist ausschließlich gemäß § 100 g Abs. 3 i.V.m. § 100 g Abs. 2 StPO und § 113b TKG zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 03. August 2017 – 1 BGs 237/17 -, juris). Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

3. Die Erhebung der nach einer Zielsuche bekannt gewordenen Verkehrsdaten nach § 96 TKG ist ebenfalls zulässig nach den §§ 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. 100a Abs. 2 Nr. 1 n) StPO. Insoweit wird auf die Begründung unter Ziffer 2. Verwiesen.

Nicht erfasst von der Erhebung der Verkehrsdaten sind die retrograden Standortdaten. Die Erhebung dieser Daten ist ausschließlich gemäß § 100 g Abs. 3 i.V.m. § 100 g Abs. 2 StPO und § 113b TKG zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 03. August 2017 – 1 BGs 237/17 -, juris). Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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