BayObLG: Geltende Rechtsprechung zu Alkohol, Schuld und Strafmaß
In einem Urteil des BayObLG mit dem Aktenzeichen 202 StRR 101/23 vom 09.01.2024 ging es um die Voraussetzungen für die Annahme einer alkoholbedingten Schuldunfähigkeit. Das Gericht entschied, dass trotz Anhaltspunkten für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit, der Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB rechtsfehlerfrei ausgeschlossen wurde. Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Alkoholintoxikation ist normalerweise eine Blutalkoholkonzentrationsberechnung erforderlich, es sei denn, die Trinkmengenangaben sind zu vage.
Die Entscheidung über die Tagessatzhöhe einer Geldstrafe und die Berücksichtigung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB wurden ebenfalls thematisiert. Aufgrund von Fehlern in der Urteilsbegründung bezüglich der Tagessatzhöhe und der Nichtberücksichtigung von Zahlungserleichterungen wurde das Urteil teilweise aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Übersicht
- BayObLG: Geltende Rechtsprechung zu Alkohol, Schuld und Strafmaß
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit – ein kontroverses Rechtsproblem
- Alkohol und Schuld: Richtungsweisendes Urteil zu Schuldfähigkeit und Strafmaß
- Die Gratwanderung der Justiz bei alkoholbedingten Delikten
- Die richtige Strafe finden: Zwischen Rechtsprechung und Wirtschaftlichkeit
- Ein wegweisendes Urteil mit Blick auf Alkohol und Schuld
- ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB wurde rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, obwohl Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung vorlagen.
- Für die Schuldfähigkeitsbeurteilung ist in der Regel eine Blutalkoholkonzentrationsberechnung erforderlich, außer bei zu vagen Trinkmengenangaben.
- Die Tagessatzhöhe der Geldstrafe wurde aufgrund unzureichender Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten beanstandet.
- Die Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB wurde vom Gericht nicht angemessen in Betracht gezogen.
- Das Urteil wurde im Ausspruch über die Tagessatzhöhe und die Entscheidung über Zahlungserleichterungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen.
- Die weitergehende Revision des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen.
- Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wurde bestätigt.
- Die Bemessung der Geldstrafe muss die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten angemessen berücksichtigen.
Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit – ein kontroverses Rechtsproblem
Eine Straftat unter Alkoholeinfluss kann gravierende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Entscheidend für die Strafbarkeit ist, ob der Täter im Zeitpunkt der Tat schuldfähig war oder nicht. Die Schuldfähigkeit stellt ein zentrales Prinzip des Strafrechts dar und erfordert, dass der Täter fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Ob eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit vorliegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der konsumierten Alkoholmenge, der individuellen Alkoholverträglichkeit und den Begleitumständen der Tat. Die Beurteilung gestaltet sich oft komplex, da Experten unterschiedliche Ansichten vertreten und eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt werden muss. Nicht selten stehen Gerichte vor der diffizilen Aufgabe, anhand der Umstände des Einzelfalls eine faire Entscheidung zu treffen.
Alkohol und Schuld: Richtungsweisendes Urteil zu Schuldfähigkeit und Strafmaß
Das Oberlandesgericht Bayern hat in einem bemerkenswerten Urteil vom 09.01.2024, Aktenzeichen 202 StRR 101/23, wichtige Aspekte zur Schuldfähigkeit bei Alkoholeinfluss hervorgehoben. Im Kern ging es um die Frage, ob und inwiefern eine alkoholbedingte Beeinträchtigung die Schuldfähigkeit eines Angeklagten ausschließen oder mindern kann. Der Fall, der zur Verhandlung stand, betraf einen Angeklagten, der wegen sexueller Belästigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt wurde. Von besonderem Interesse war dabei, dass das Amtsgericht zuvor entschieden hatte, eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB auszuschließen, trotz Anhaltspunkten, die auf eine Beeinträchtigung hindeuteten.
Die Gratwanderung der Justiz bei alkoholbedingten Delikten
Die Justiz steht regelmäßig vor der Herausforderung, die Auswirkungen von Alkoholkonsum auf die Schuldfähigkeit zu beurteilen. Das BayObLG stellte klar, dass die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht durch Anhaltspunkte einer alkoholbedingten Beeinträchtigung beeinträchtigt wird, solange das erstinstanzliche Gericht eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei ausschließt. Dies bekräftigt die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der individuellen Umstände jedes Falles. Besonders interessant ist die Betonung des Gerichts auf die Notwendigkeit, den Blutalkoholgehalt zur Tatzeit zu berechnen, es sei denn, die Angaben zu Trinkmengen sind so vage, dass eine zuverlässige Bestimmung unmöglich ist. In solchen Fällen muss sich die Beurteilung der Schuldfähigkeit ausschließlich auf psychodiagnostische Kriterien stützen.
Die richtige Strafe finden: Zwischen Rechtsprechung und Wirtschaftlichkeit
Ein weiterer bedeutender Punkt in diesem Urteil betrifft die Festlegung der Tagessatzhöhe für die verhängte Geldstrafe. Das Landgericht Würzburg hatte die Tagessatzhöhe basierend auf den selbst geschilderten wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten festgesetzt, wurde jedoch vom BayObLG korrigiert, da die Angaben als „unkonkret“ und „nebulös“ eingestuft wurden. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und fundierten Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, um eine gerechte Strafe sicherzustellen. Darüber hinaus betonte das BayObLG die Notwendigkeit, mögliche Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB in Betracht zu ziehen, was zeigt, wie wichtig es ist, die individuellen Umstände des Angeklagten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Ein wegweisendes Urteil mit Blick auf Alkohol und Schuld
Das Urteil des BayObLG verdeutlicht, wie komplex die Beurteilung von Schuldfähigkeit unter Alkoholeinfluss ist und setzt Maßstäbe für die rechtliche Handhabung solcher Fälle. Die Entscheidung betont, dass jede Feststellung zu alkoholbedingter Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auf soliden Beweisen und umfassenden Bewertungen basieren muss. Ebenso wichtig ist die transparente und nachvollziehbare Festsetzung der Strafe, die die finanzielle Lage des Angeklagten angemessen berücksichtigt.
Insgesamt stärkt dieses Urteil die Rechtsprechung, indem es klare Richtlinien für den Umgang mit Fällen von Alkoholeinfluss bietet, gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit einer individuellen Fallbewertung hervorhebt. Die Berücksichtigung psychodiagnostischer Kriterien und die sorgfältige Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse sind dabei von entscheidender Bedeutung.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was versteht man unter alkoholbedingter Schuldunfähigkeit?
Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit bezieht sich auf einen rechtlichen Zustand, in dem eine Person aufgrund ihres Alkoholkonsums nicht in der Lage ist, das Unrecht ihrer Handlung zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im deutschen Strafrecht ist dies im § 20 StGB geregelt. Schuldunfähigkeit liegt vor, wenn eine Person zur Zeit der Begehung einer Straftat aufgrund bestimmter Umstände, wie etwa einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung durch Alkoholkonsum, nicht fähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder entsprechend dieser Einsicht zu handeln.
Die Beurteilung der Schuldunfähigkeit hängt maßgeblich von der Blutalkoholkonzentration (BAK) zum Zeitpunkt der Tat ab. Generell wird eine Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB ab einem BAK-Wert von 3,0 Promille in Betracht gezogen. Bei Tötungsdelikten wird die Grenze aufgrund der höheren Hemmschwelle sogar erst ab 3,3 Promille angesetzt. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Werte nicht absolut sind und die Beurteilung der Schuldunfähigkeit immer eine Einzelfallentscheidung darstellt, bei der auch individuelle Faktoren wie die Alkoholtoleranz berücksichtigt werden müssen.
Sollte eine Person aufgrund von Alkoholkonsum als schuldunfähig eingestuft werden, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie straffrei ausgeht. Stattdessen kann sie gemäß § 323a StGB wegen Vollrauschs belangt werden, wenn sie sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen Zustand versetzt hat, in dem sie eine rechtswidrige Tat begeht. Dieser Paragraph sieht vor, dass Personen, die im Zustand der Schuldunfähigkeit eine Straftat begehen, dennoch bestraft werden können, wenn sie sich bewusst in diesen Zustand versetzt haben.
Es ist auch möglich, dass bei einer Blutalkoholkonzentration zwischen 2,0 und 2,9 Promille von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen wird, was zu einer Strafmilderung führen kann. Die Entscheidung über die Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit einer Person wird letztlich von einem Gericht getroffen, wobei in der Regel ein psychiatrisches Gutachten zur Beurteilung der psychischen Verfassung des Täters zum Tatzeitpunkt herangezogen wird.
Zusammenfassend ist die alkoholbedingte Schuldunfähigkeit ein komplexes rechtliches Konzept, das eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls erfordert, um festzustellen, ob eine Person aufgrund ihres Alkoholkonsums zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Lage war, das Unrecht ihrer Handlung zu erkennen oder danach zu handeln.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 20 StGB (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen): Dieser Paragraph ist zentral für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten. Im Kontext des Urteils wird klargestellt, dass trotz Anzeichen einer alkoholbedingten Beeinträchtigung die Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei ausgeschlossen wurde. Es verdeutlicht die Notwendigkeit, jeden Fall individuell zu prüfen und die Auswirkungen von Alkohol auf die Schuldfähigkeit genau zu bewerten.
- § 318 StPO (Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung): Die Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wird hier thematisiert. Es wird bestätigt, dass eine solche Beschränkung zulässig ist, solange die Schuldfähigkeit korrekt bewertet wurde. Dies ist wichtig für das Verständnis des gerichtlichen Berufungsverfahrens und die Möglichkeit, gegen Urteile vorzugehen.
- Berechnung des Blutalkoholgehalts: Obwohl kein spezifischer Gesetzestext genannt wird, ist die korrekte Berechnung des Blutalkoholgehalts zur Tatzeit für die Beurteilung der Schuldfähigkeit essenziell. Die Erläuterung, dass in Fällen vager Trinkmengenangaben die Schuldfähigkeit allein nach psychodiagnostischen Kriterien beurteilt wird, unterstreicht die Komplexität der Feststellung von Schuld bei Alkoholeinfluss.
- § 40 StGB (Tagessatzhöhe bei Geldstrafen): Die Bemessung der Tagessatzhöhe basiert auf den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten. Fehlerhafte Bemessungen, wie im vorliegenden Fall, wo das Gericht die Tagessatzhöhe auf unzureichend begründeten Angaben festlegte, können zu einer Revision führen. Dies zeigt die Bedeutung einer genauen Prüfung der finanziellen Situation des Angeklagten.
- § 42 StGB (Zahlungserleichterungen): Die Erwägung von Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB in Fällen, wo dies aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten angezeigt ist, wurde im vorliegenden Fall versäumt. Die Vorschrift stellt sicher, dass die finanziellen Belastungen einer Strafe für den Angeklagten tragbar sind.
- § 353 StPO (Aufhebung des Urteils): Dieser Paragraph ermöglicht die Aufhebung eines Urteils bei Rechtsfehlern, wie sie im vorliegenden Urteil identifiziert wurden. Die Rückverweisung zur erneuten Verhandlung zeigt die Möglichkeit der Rechtspflege, Fehlurteile zu korrigieren und eine gerechte Entscheidung zu ermöglichen.
Das vorliegende Urteil
BayObLG – Az.: 202 StRR 101/23 – Beschluss vom 09.01.2024
Leitsätze:
1. Der Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch steht nicht entgegen, dass sich aus dem Ersturteil zwar Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit ergeben, das Amtsgericht einen Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB aber rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. (Rn. 6 – 7)
2. Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit im Falle einer Alkoholintoxikation ist grundsätzlich eine Berechnung des Blutalkoholgehalts zur Tatzeit vorzunehmen. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Trinkmengenangaben so vage sind, dass selbst unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes eine auch nur annähernd verlässliche Ermittlung des Blutalkoholgehalts nicht möglich ist. In einem solchen Fall richtet sich die Beurteilung der Schuldfähigkeit allein nach psychodiagnostischen Kriterien. (Rn. 8)
3. Die Bemessung der Tagessatzhöhe ist rechtsfehlerhaft, wenn sich das Tatgericht auf die Angaben des Angeklagten stützt, diese aber die festgesetzte Höhe nicht rechtfertigen und eine weitere Begründung für die Entscheidung über die Tagessatzhöhe unterbleibt. (Rn. 13 – 14)
4. Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe muss sich das Tatgericht mit der Frage der Gewährung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB befassen, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten naheliegt. (Rn. 15)
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 05.09.2023 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Tagessatzhöhe und, soweit eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen unterblieben ist, aufgehoben.
II. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 07.02.2023 wegen sexueller Belästigung in 3 Fällen gemäß §§ 184i Abs. 1, 53 StGB zur Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt, wobei es ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war. Gegen diese Entscheidung legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein, die jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurden. Mit Urteil vom 05.09.2023 verhängte das Landgericht Würzburg, das von einer wirksamen Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist, eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro und verwarf die weitergehende Berufung des Angeklagten und diejenige der Staatsanwaltschaft. Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Außerdem wird ein „Verstoß gegen Prozessvoraussetzungen im Zusammenhang mit der Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften“ geltend gemacht, weil der Beschwerdeführer der Auffassung ist, dass die Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch wegen unzulänglicher Feststellungen zur Schuldfähigkeit durch das Amtsgericht unwirksam sei.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Berufungskammer ist zu Recht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 Satz 1 StPO ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen, was das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat, weil das Fehlen erforderlicher Feststellungen durch die Berufungskammer einen sachlich-rechtlichen Mangel des Berufungsurteils darstellen würde (st.Rspr., vgl. zuletzt BayObLG, Beschluss vom 22.11.2023 – 202 StRR 86/23 = BeckRS 2023, 35649; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23 = BeckRS 2023, 31050; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23 bei juris = BeckRS 2023, 31056, jew. m.w.N.).
a) Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt nur dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder derart knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (st.Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2017 – 4 StR 547/16 = BGHSt 62, 155 = NJW 2017, 2482 = NZV 2017, 433 = StraFo 2017, 280; Urt. v. 02.12.2015 – 2 StR 258/15 = StV 2017, 314 = BeckRS 2016, 3826). Die Beschränkung ist ebenfalls unwirksam, wenn aufgrund der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.08.2014 – 2 StR 60/14 = NStZ 2014, 635; 19.03.2013 – 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463; BayObLG, Beschl. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23 a.a.O.; 03.07.2023 – 202 StRR 34/23 bei juris = BeckRS 2023, 17751; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23 a.a.O.; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23, jew. a.a.O.; 18.03.2021 – 202 StRR 19/21 bei juris = BeckRS 2021, 14721, jew. m.w.N.).
b) Derartige zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch führende Defizite haften dem erstinstanzlichen Urteil entgegen den von der Revision geäußerten Bedenken nicht an.
aa) Die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn nach den Feststellungen im Ersturteil Anhaltspunkte für eine aufgehobene Schuldfähigkeit im Sinne des § 20 StGB vorhanden sind, die aufgrund der Urteilsfeststellungen nicht ausgeräumt wurden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 bei juris = BeckRS 2021, 1625; OLG Bamberg, Urt. v. 14.03.2017 – 3 OLG 6 Ss 22/17 = StV 2018, 276 = OLGSt StPO § 318 Nr 30 = BeckRS 2017, 106512 m.w.N.).
bb) Eine derartige Konstellation ist jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat sich das Amtsgericht eingehend mit der Frage beschäftigt, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums aufgehoben im Sinne des § 20 StGB war, und hat dies rechtsfehlerfrei verneint.
(1) Zwar ist der Tatrichter bei Beurteilung der Schuldfähigkeit im Falle einer Alkoholintoxikation grundsätzlich gehalten, eine Berechnung des Blutalkoholgehalts zur Tatzeit vorzunehmen, was das Amtsgericht unterlassen hat. Es obliegt grundsätzlich dem Tatgericht, aufgrund von festgestellten Trinkmengen eine Berechnung des Blutalkoholgehalts im Tatzeitpunkt vorzunehmen, weil dessen Höhe ein gewichtiges Indiz für eine erhebliche alkoholische Aufnahme und damit das Ausmaß der Beeinträchtigung der Schuld darstellt (vgl. nur BGH, Urt. v. 27.09.2023 – 2 StR 46/23 bei juris = BeckRS 2023, 32664; Beschluss vom 20.07.2023 – 2 StR 88/22 bei juris = BeckRS 2023, 24570; 20.06.2023 – 5 StR 58/23 bei juris = BeckRS 2023, 19322; 02.05.2023 – 1 StR 41/23 bei juris = BeckRS 2023, 16447; BayObLG, Urt. v. 15.01.2021 – 202 StRR 111/20 = DAR 2021, 274 = BeckRS 2021, 1621; Beschluss vom 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 bei juris = BeckRS 2021, 1625; 08.12.2020 – 202 StRR 123/20 = Blutalkohol 58 [2021], 34 = StV 2021, 257 = VerkMitt 2021, Nr. 22 = BeckRS 2020, 35557). Hiervon ist das Tatgericht nicht schon dann entbunden, wenn die Angaben des Angeklagten zum konsumierten Alkohol nicht exakt sind. Vielmehr ist eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholkonsums ermöglichen (BayObLG, Urt. v. 15.01.2021 – 202 StRR 111/20 a.a.O. m.w.N.).
(2) Die Berechnung einer möglichen Blutalkoholkonzentration aufgrund von Trinkmengen kann indes dann unterbleiben, wenn die Trinkmengenangaben so vage sind, dass selbst unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes eine auch nur annähernd verlässliche Ermittlung des Blutalkoholgehalts nicht möglich ist (BGH, Urt. v. 07.11.2018 – 5 StR 241/18 bei juris; 25.10.2017 – 2 StR 118/16 = NStZ-RR 2018, 69 = StraFo 2018, 202; Beschluss vom 20.04.2022 – 6 StR 111/22 bei juris; BayObLG a.a.O.). Denn bei einer völlig ungesicherten Tatsachenbasis kann einer hierauf gründenden Berechnung des Blutalkoholgehalts kein ausreichender Indizwert beigemessen werden. In einem solchen Fall richtet sich die Beurteilung der Schuld nur nach psychodiagnostischen Kriterien (BGH, Urt. v. 26.11.1998 – 4 StR 406/98 = NStZ-RR 1999, 297 = DAR 1999, 194 = Blutalkohol 37, 74; BayObLG a.a.O. m.w.N.).
(3) Eine solche Ausnahmekonstellation lag hier vor, so dass das Amtsgericht rechtsfehlerfrei von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration mangels hinreichender Verlässlichkeit der Berechnungsgrundlagen abgesehen hat. Nach den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils hat sich der Angeklagte nicht zur Sache eingelassen. Die vernommenen Zeugen gaben zwar an, dass der Angeklagte alkoholisiert gewesen sei, keiner der Zeugen konnte jedoch Angaben zu Trinkmengen machen.
(4) Die Erwägungen des Amtsgerichts zum Ausschluss eines Zustands der Schuldunfähigkeit anhand der aufgrund der Beweisaufnahme herausgearbeiteten psychodiagnostischen Kriterien sind nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat berücksichtigt, dass der Angeklagte zwar erheblich alkoholisiert war und sich beim Begehen einer Treppe am Geländer festgehalten hat, aber von seinem Bekannten nicht gestützt werden musste. Ferner hat es in die Überlegungen eingestellt, dass sich der Angeklagte beim Verlassen der Örtlichkeit sogar für sein „blödes“ Verhalten entschuldigt habe, woraus das Tatgericht den durchaus möglichen Schluss gezogen hat, dass er in der Lage war, sein Handeln noch zu überblicken und zu reflektieren. Außerdem hat es überzeugend der Tatausführung, bei der es dem Angeklagten unter anderem gelang, die Verletzte auf seinen Schoß zu ziehen und mit einer gezielten Handbewegung in deren Schritt unter den Rock zu greifen, Bedeutung beigemessen und im Rahmen der gebotenen Gesamtschau dieser Umstände ausgeschlossen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt vollständig aufgehoben war. Hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
2. Die Bemessung der Geldstrafen hinsichtlich der jeweiligen Anzahl der Tagessätze und der hieraus gebildeten Gesamtstrafe weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings hält die Festsetzung der Tagessatzhöhe auf 50 Euro der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht beschränkte sich zur Begründung seiner Entscheidung über die Tagessatzhöhe auf den bloßen Hinweis, dass diese „entsprechend der vom Angeklagten selbst geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse“ auf 50 Euro festzusetzen sei. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum einen hat das Landgericht diese Angaben an anderer Stelle des Berufungsurteils selbst in Zweifel gezogen, indem es sie als „unkonkret“ und „nebulös“ bezeichnet hat, so dass es in sich widersprüchlich ist, wenn sich das Tatgericht auf die entsprechende Einlassung stützt. Zum anderen rechtfertigt die im Berufungsurteil wiedergegebene Einlassung des Angeklagten zu seinen Einkommensverhältnissen als selbständiger Versicherungsmakler ohnehin nicht die Annahme eines monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 1.500 Euro. Hiernach hat der Angeklagte ausgesagt, er „zahle“ – nach Abzug der Aufwendungen für seine private Krankenversicherung in Höhe von etwa 450 Euro monatlich, der nicht näher bezifferten Mieten für die Geschäftsräume sowie eines Betrages von 500 Euro für „Investitionsschulden“ – monatlich 1.000 Euro netto „an sich aus“. Unter Zugrundelegung dieser Angaben erschließt sich schon rein rechnerisch die Festlegung der Tagessatzhöhe auf 50 Euro nicht, sodass nicht die Rede davon sein kann, dass der Bemessung der Tagessatzhöhe auf den Angaben des Angeklagten beruhen würde. Denn bei einem Selbstständigen bestimmt sich die Tagessatzhöhe grundsätzlich nach dem erzielten Gewinn, abzüglich der hierauf entfallenden Einkommensteuern, der für die soziale Absicherung erforderlichen Beträge (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 113/115) und gegebenenfalls etwaiger Unterhaltsverpflichtungen (BGH, Beschluss vom 14.01.2021 – 1 StR 242/20 = BeckRS 2021, 3064). Zu diesen Positionen verhält sich das Berufungsurteil nicht.
b) Wenn das Tatgericht aber – wie hier – ein Nettoeinkommen zugrunde legt, das mit der Einlassung des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen ist, ist es gehalten, diese plausibel zu widerlegen, indem es entweder entsprechende Ermittlungen anstellt bzw., sofern die Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde oder der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – 1 StR 536/16 = StraFo 2017, 465 = wistra 2018, 43 = BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25), das erzielte oder erzielbare Nettoeinkommen nach § 40 Abs. 3 StGB im Schätzungsweg bestimmt. Im Falle der Vornahme einer Schätzung ist es erforderlich, dass das Tatgericht die konkreten Schätzgrundlagen, von denen es ausgeht, darlegt. Da das Landgericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, weist das Berufungsurteil nicht nur ein einfach gesetzliches Begründungsdefizit auf, weil das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nachzuprüfen (BayObLG, Beschluss vom 18.10.2023 – 202 StRR 76/23 bei juris = BeckRS 2023, 31058; OLG Köln, Beschluss vom 23.03.2021 – III-1 RVs 50/21 bei juris; KG, Beschluss vom 19.11.2019 – [3] 121 Ss 143 = OLGSt StGB § 219a Nr 1; MüKo-StGB/Radtke 4. Aufl. § 40 Rn. 121), sondern verstößt zudem gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 = wistra 2015, 388 = DAR 2015, 576 = NStZ-RR 2015, 335 = NZV 2016, 48 = NStZ-RR 2016, 46 = StV 2016, 554).
3. Darüber hinaus hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht in Erwägung gezogen, ob dem Angeklagten Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu bewilligen sind. Da die Entscheidung nach § 42 StGB zwingend vorgeschrieben ist, muss sich das Urteil damit befassen, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten naheliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2018 – 2 StR 348/17 = NStZ-RR 2018, 238 = BGHR StGB § 42 Zahlungserleichterungen 2 = StV 2019, 440). Dies ist hier der Fall, weil schon in Anbetracht der hohen Tagessatzanzahl und seiner bisherigen, vom Landgericht nicht widerlegten Angaben zu den Einkommensverhältnissen damit zu rechnen ist, dass der Angeklagte den Betrag der Geldstrafe nicht aus laufendem Einkommen, Rücklagen oder Vermögen sofort begleichen kann (vgl. BGH a.a.O.; Beschluss vom 18.09.2019 – 2 StR 196/19 bei juris u. 19.12.2018 – 4 StR 198/18 bei juris).
III.
Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist das Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Würzburg zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).