LG Koblenz – Az.: 2 Qs 73/20 – Beschluss vom 16.12.2020
In dem Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz am Landgericht am 16. Dezember 2020 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 23. November 2020 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
Mit Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2020 wurde dem Beschwerdeführer und vormals Beschuldigten in dem Verfahren 2030 Js 35668/20 gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.
Hintergrund war, dass der spätere weitere Beschuldigte, pp, der sowohl einen sehr ähnlichen Nachnamen als auch den gleichen zweiten Vornamen wie der Beschwerdeführer trägt und zudem am selben Tag, wenn auch in einem anderen Geburtsjahr, wie dieser geboren wurde, am 13. Juni 2020 einer Verkehrskontrolle durch Beamte der Polizeiinspektion Andernach unterzogen wurde. Im Rahmen dieser Kontrolle wurde der bulgarische Führerschein des weiteren Beschuldigten aufgrund des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt, gemäß §§ 94, 98 StPO, durch die Beamten beschlagnahmt und sichergestellt. Im nachfolgenden Ermittlungsverfahren wurde sodann durch die Staatsanwaltschaft Koblenz aufgrund einer Namensverwechselung der oben genannte Beschluss bei dem Amtsgericht Koblenz gegen den Beschwerdeführer beantragt und schließlich auch durch das Amtsgericht Koblenz erlassen und dem vormals Beschuldigten ordnungsgemäß zugestellt.
Am 2. Juli 2020 teilte die Führerscheinstelle bei dem Ordnungsamt der Stadt Koblenz auf die ihr erteilte Mitteilung in Strafsachen hin mit, dass der Beschwerdeführer nicht im Besitz einer Fahr-erlaubnis sei.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2020, der dem Beschwerdeführer am 26. Juni 2020 zugestellt wurde, legte dieser über seinen Verteidiger mit Schreiben vom 11. Juli 2020 Beschwerde ein. In der Begründung der Beschwerde, die bei dem Amtsgericht Koblenz am 21. Juli 2020 einging, teilte er mit, dass eine Personenverwechselung vorläge und wies auf die Unterschiede zwischen dem kontrollierten Fahrer und dem Beschwerdeführer bezüglich Namen, Adresse und Geburtsjahr hin.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Koblenz, hob das Amtsgericht Koblenz den Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vom 24. Juni 2020 mit Beschluss vom 27. Juli 2020 auf.
Im Anschluss an die Aufhebung des Beschlusses wurde diese durch die Staatsanwaltschaft Koblenz auch der Führerscheinstelle sowie dem Kraftfahrtbundesamt mitgeteilt. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 30. Juli 2020 wurde das Verfahren gegen den Beschwerdeführer und vormals Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Der Beschwerdeführer erbat mit Schreiben seines Verteidigers vom 30. Juli 2020 bei dem Amtsgericht Koblenz eine Kostenentscheidung zu dem Beschluss. vom 27. Juli 2020. Darüber hinaus beantragte er mit Schreiben vom 5. August 2020, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Koblenz am selben Tag, über seinen Verteidiger eine Entschädigung für die erlittenen Strafvollstreckungsmaßnahmen.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz übersandte daraufhin die Akte zum Zwecke des Erlasses einer für den Beschwerdeführer günstigen Kostenentscheidung dem Amtsgericht Koblenz – Ermittlungsrichter -, welches jedoch mit Verfügung vom 21. August 2020 mitteilte, dass von dort aus nichts zu veranlassen sei und das Verfahren im Hinblick auf den Antrag nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz hausintern an den zuständigen Richter weiterleitete.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz übermittelte dem Amtsgericht Koblenz – Ermittlungsrichter – die Akte mit Verfügung vom 28. August 2020 erneut mit der Bitte um Prüfung der Erforderlichkeit einer Kostenentscheidung. Das Amtsgericht Koblenz – Ermittlungsrichter – sandte die Akte, mit dem Hinweis auf die, fehlende Veranlassung einer solchen, zurück an die Staatsanwaltschaft Koblenz.
Mit Schreiben vom 5. August 2020 trug der Beschwerdeführer über seinen Verteidiger vor, dass Anwaltskosten im vorliegenden Fall nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz zu entschädigen seien, da der Verteidiger tätig geworden sei, um eine rechtswidrige Strafverfolgungs-maßnahme abzuwenden.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz beantragte mit Verfügung vom 27. Oktober 2020 festzustellen, dass die Staatskasse nicht verpflichtet ist, den Beschwerdeführer und vormals Beschuldigten zu entschädigen. Dabei wies sie insbesondere darauf hin, dass eine Entschädigung nach § 2 Abs. 1 oder 2 StrEG nur bei Vollzug einer Strafverfolgungsmaßnahme in Betracht komme. Vorliegend sei die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis schon deshalb nicht vollzogen worden, da der Beschwerdeführer keine Fahrerlaubnis besitze.
Der Beschwerdeführer teilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 23. November 2020 unter anderem mit, dass der Staat für die Folgen der fehlerhaften Strafverfolgung aufzukommen habe.
Mit Beschluss vom 23. November 2020 wies das Amtsgericht Koblenz den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Entschädigungspflicht hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2020 zurück. Zur Begründung verwies das Amtsgericht auf den fehlenden Vollzug des Beschlusses vom 24. Juni 2020, da der vormals Beschuldigte keine Fahrerlaubnis besitze.
Die Zustellung des Beschlusses an den Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom selben Tage veranlasst. Eine Zustellungsurkunde findet sich indes nicht in der Akte.
Mit Schreiben vom 30. November 2020, eingegangen bei dem Amtsgericht Koblenz über das elektronische Anwaltspostfach am selben Tag, legte der vormals Beschuldigte über seinen Verteidiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 23. November 2020 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er unter anderem an, dass der Vollzug der Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO bereits mit deren Zustellung im Sinne des § 2 StrEG vollzogen sei. Unabhängig davon, ob eine Fahrerlaubnis vorhanden sei, werde die Entziehung bereits zu diesem Zeitpunkt der Fahrerlaubnisbehörde gemeldet, mit der Folge, dass diese keine Fahrerlaubnis erteilen dürfte und zudem werde die Entziehung der Fahrerlaubnis im Verkehrszentralregister eingetragen.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 8 Abs. 3 StrEG, 311 StPO, insbesondere ist sie auch innerhalb der Wochenfrist des §.311 Abs. 2 StPO eingegangen. Es kann dahinstehen, ob -mangels Zustellungsnachweises – eine Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt und damit der Lauf der Frist gar nicht erst in Gang gesetzt worden ist, da die sofortige Beschwerde jedenfalls innerhalb von einer Woche nach Erlass des Beschlusses bei dem Amtsgericht Koblenz eingegangen ist. Zudem ist das Rechtsmittel auch formgerecht, gemäß §§ 306 Abs. 1, 32a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 StPO, eingegangen.
In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde. jedoch der Erfolg versagt.
Die Entschädigungspflicht nach § 2 StrEG ist gemäß § 8 Abs. 1 StrEG im vorliegenden Verfahren zunächst lediglich dem Grunde nach festzustellen. Sie bindet nur hinsichtlich der Person des Berechtigten, hinsichtlich Art und Zeitraum (§ 8 Abs. 2 StrEG) der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahme und hinsichtlich etwaiger Versagungsgründe (§§ 5, 6 StrEG).
Diese Grundentscheidung steht damit unter dem stillschweigenden Vorbehalt, dass dem Angeklagten durch die vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme möglicherweise ein Schaden entstanden ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird erst im Betragsverfahren nach §§ 10, 13 StrEG geprüft. Von einer Grundentscheidung über die Entschädigungspflicht des Staates für eine bestimmte Strafverfolgungsmaßnahme darf deshalb grundsätzlich nicht unter Hinweis auf mangelnde Kausalität abgesehen werden (vgl. OLG Bamberg, NStZ 1989, 185).
Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 2 StrEG liegen jedoch schon dem Grunde nach nicht vor.
Im Gegensatz zu der in § 1 StrEG geregelten Entschädigung für Urteilsfolgen sieht das Gesetz in § 2 StrEG vor, dass eine Entschädigung für vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen von deren Vollzug abhängt. Sonstige, nicht aus dem Vollzug, sondern infolge der bloßen Anordnung einer Maßnahme entstandenen Schäden sind demnach schon dem Grunde nach nicht entschädigungsfähig (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).
Ein solcher Vollzug der Maßnahme ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich bereits mit der Zustellung der Entscheidung vollzogen, da sie bereits dann ihre volle Wirkung gegenüber dem Führerscheinberechtigten entfaltet. Der hier betroffene Fall weicht jedoch von dem Regelfall, in dem eine tatsächlich erteilte Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, ab. Zustellung des Beschlusses und tatsächlicher Vollzug der Maßnahme fallen vorliegend auseinander, da die bloße Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem vormals Beschuldigten nicht die bezweckte Wirkung entfaltet, da er selbst gar keine Fahrerlaubnis besitzt. Die von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG abgesicherte Rechtsposition ist für den Beschwerdeführer hier durch die Zustellung des Beschlusses deshalb gar nicht betroffen.
Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass ein Vollzug der Maßnahme deshalb gegeben sei, weil nach der Zustellung, unabhängig davon ob tatsächlich eine Fahrerlaubnis erteilt sei, der Entzug der Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt werde und ein entsprechender Eintrag in das Verkehrsregister erfolge, führt dies zu keiner anderen Bewertung.
Zunächst ist zu beachten, dass die von dem Beschwerdeführer begehrten Schäden, namentlich die Kosten eines Verteidigers zur Abwendung einer Strafverfolgungsmaßnahme, nicht unmittelbar aus den vom Beschwerdeführer bezeichneten Maßnahmen zum Vollzug der Strafverfolgungs-maßnahme ‚herrühren. Der Schaden muss jedoch unmittelbar durch die betroffene Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sein, um eine Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach zu begründen (vgl. Kunz in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2018, § 2 StrEG Rn. 15).
Darüber hinaus ist aber auch unter Berücksichtigung dieser über den tatsächlichen Entzug der Fahrerlaubnis hinausgehenden Folgen kein Vollzug der Maßnahme nach § 111a StPO feststellbar. Der Schutzzweck des § 111a StPO als vorbeugende Maßnahme umfasst‘ allein die Absicherung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Sie sichert dagegen z. B. nicht die isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Auflage 2020, § 111a Rn. 1). Die genannten Anordnungen und Eintragungen können daher auch nicht als Grundlage für den Vollzug der Maßnahme herangezogen werden, da sie im vorliegenden Fall nicht über, den Schutzzweck der Maßnahme des § 111a StPO hinaus gehen dürfen und deshalb im vorliegenden Fall des Fehlens einer Fahrerlaubnis keine weitergehende Wirkung entfalten konnten als die Anordnung selbst. Diese war für den vormals Beschuldigten jedoch mangels bestehender Fahrerlaubnis wirkungslos.
Zwar kann auch die – von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG explizit nicht geregelte – bloße Anordnung einer Maßnahme nach § 111a StPO verschiedene negative Auswirkungen für den Betroffenen haben.
Eine allgemeine entsprechende Anwendung des StrEG auf weitere, vom Wortlaut nicht erfasste Maßnahmen und Sachverhalte ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig, da die Rechtsordnung spezielle Regelungen zur entsprechenden Anwendung des StrEG enthält und im Wege des Umkehrschlusses eine analoge Anwendung ausscheidet (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).
Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei der Anwendung des § 2 StrEG muss die Entschädigungspflicht des Staates deshalb auf die Fälle beschränkt sein, in denen der durch § 2 StrEG ausdrücklich festgelegte Schutzbereich betroffen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.