Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Vorsätzlich Fahren ohne Fahrerlaubnis: Strafen und Rückforderungsfragen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was sind die rechtlichen Folgen, wenn man ohne Fahrerlaubnis fährt?
- Kann ich geleistete Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid zurückfordern, wenn dieser aufgehoben wurde?
- Welche Möglichkeiten habe ich, mich gegen eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu wehren?
- Welche Rolle spielt der Vorsatz beim Fahren ohne Fahrerlaubnis und wie wirkt er sich auf die Strafe aus?
- Was bedeutet eine Fahrerlaubnissperre und wie lange kann diese dauern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Fall behandelt die Anrechnung von Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
- Das Amtsgericht hatte eine günstigere Regelung hinsichtlich der Anrechnung der Zahlungen des Angeklagten getroffen, die im Berufungsverfahren geändert wurde, was zu einer rechtlichen Überprüfung führte.
- Die Entscheidung des Landgerichts, Zahlungen auf die Verfahrenskosten anzurechnen, wurde als schadhaft bewertet, da dies gegen das Verschlechterungsverbot des Strafverfahrensrechts verstößt.
- Es wurde klargestellt, dass Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid auch dann im Rahmen des Strafverfahrens berücksichtigt werden können, wenn sie nach der letzten Tatsacheninstanz, aber vor der rechtskräftigen Entscheidung geleistet wurden.
- Die Anrechnung der gezahlten Beträge wirkt sich vorteilhaft auf die Freiheitsstrafe des Angeklagten aus, da diese damit verkürzt werden kann.
- Das Gericht hat die Anrechnungsentscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt und diese klarer gefasst.
- Der Angeklagte bleibt für die Kosten des Rechtsmittels verantwortlich, was eine übliche Praxis im Strafrecht darstellt.
- Die Entscheidung fördert die prozessuale Wirtschaftlichkeit, indem sie eine schnelle und einfache Rückabwicklung wirtschaftlicher Nachteile des Betroffenen ermöglicht.
- Der Beschluss stellt sicher, dass die vom Angeklagten geleisteten Zahlungen bis zur Rechtskraft der entsprechenen Entscheidung berücksichtigt werden.
- Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, die geleisteten Zahlungen im Vollstreckungsverfahren zu prüfen, um die korrekte Anrechnung festzustellen.
Vorsätzlich Fahren ohne Fahrerlaubnis: Strafen und Rückforderungsfragen im Fokus
Das Fahren ohne Fahrerlaubnis ist eine ernsthafte Ordnungswidrigkeit, die mit hohen Strafen und Konsequenzen für die Beteiligten verbunden ist. In Deutschland ist es streng geregelt, dass nur Personen, die im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, ein Kraftfahrzeug führen dürfen. Gelegentlich kann es vorkommen, dass Bußgeldbescheide erlassen werden, die im Nachhinein angefochten oder aufgehoben werden. Dies wirft die spannende Frage auf, ob bereits geleistete Zahlungen in solchen Fällen zurückgefordert werden können und unter welchen Bedingungen dies zulässig ist.
Besonders komplex wird die Situation, wenn es um die Einordnung des Verhaltens als vorsätzliches Handeln geht. Wer wissentlich und willentlich ohne die notwendige Fahrerlaubnis fährt, muss mit zusätzlichen rechtlichen Konsequenzen rechnen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die rechtlichen Erklärungen und die Anwendung von Verwaltungsverordnungen hier eine wesentliche Rolle spielen, um eine faire und gerechte Entscheidung zu treffen. Es ist entscheidend, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen, die in einem solchen Fall zur Anwendung kommen.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der die Thematik des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie die Frage der Rückzahlung von Bußgeldern aufgreift und analysiert.
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Der Fall vor Gericht
Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis: OLG Stuttgart bestätigt Freiheitsstrafe
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einem Beschluss vom 22. Juli 2015 die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart weitgehend zurückgewiesen.
Der Fall dreht sich um das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis, für das der Angeklagte zunächst vom Amtsgericht L. zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt worden war. Zusätzlich wurde eine 18-monatige Sperre für die Fahrerlaubniserteilung angeordnet.
Der Weg durch die Instanzen
Nach einem Einspruch des Angeklagten gegen einen Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K. kam es zum Strafverfahren. Das Amtsgericht L. fällte am 23. September 2014 sein Urteil und ordnete dabei an, dass der Bußgeldbescheid aufgehoben und bereits gezahlte Beträge auf die Freiheitsstrafe angerechnet werden sollten. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein, woraufhin das Landgericht Stuttgart am 28. Januar 2015 die Freiheitsstrafe auf 4 Monate reduzierte, die Fahrerlaubnissperre jedoch beibehielt. Allerdings änderte das Landgericht die Anrechnungsregelung: Statt die auf den Bußgeldbescheid gezahlten Beträge auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, sollten sie nun auf die Verfahrenskosten angerechnet werden.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart bestätigte in seinem Beschluss den Schuldspruch und die Strafzumessung des Landgerichts. Es sah jedoch einen Rechtsfehler in der geänderten Anrechnungsentscheidung. Das Gericht argumentierte, dass die vom Landgericht getroffene Entscheidung zwar der gesetzlichen Regelung des § 86 Abs. 2 OWiG entspreche, jedoch gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO verstoße. Da nur der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt hatte, durfte das Urteil nicht zu seinem Nachteil geändert werden.
Wiederherstellung der ursprünglichen Anrechnungsregelung
Das OLG Stuttgart entschied, die ursprüngliche Anrechnungsregelung des Amtsgerichts wiederherzustellen. Demnach werden Zahlungen, die bis zur Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung auf den Bußgeldbescheid geleistet wurden, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Dabei entsprechen 10 Euro einem Tag Freiheitsstrafe. Diese Regelung sei für den Angeklagten vorteilhafter, da sie zu einer Verkürzung der zu verbüßenden Freiheitsstrafe führe, was für ihn von größerem Gewicht sei als die Höhe der Verfahrenskosten.
Das Gericht betonte, dass die Anrechnung auch dann noch möglich sei, wenn die Zahlungen nach der letzten Tatsacheninstanz, aber vor Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung erfolgt seien. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die wirtschaftlichen Nachteile des Betroffenen möglichst rasch und einfach zu erledigen.
Auswirkungen für den Angeklagten
Für den Angeklagten bedeutet diese Entscheidung, dass alle Zahlungen, die er bis zur rechtskräftigen Aufhebung des Bußgeldbescheids geleistet hat, nun auf seine Freiheitsstrafe angerechnet werden. Im konkreten Fall hatte der Angeklagte während des Revisionsverfahrens einen Betrag von 660,75 Euro auf den Bußgeldbescheid eingezahlt. Die Staatsanwaltschaft muss im Vollstreckungsverfahren prüfen, ob und in welcher Höhe tatsächlich Zahlungen geleistet wurden.
Trotz dieser für den Angeklagten positiven Änderung der Anrechnungsregelung blieb es bei der Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe und der 18-monatigen Fahrerlaubnissperre. Der Beschwerdeführer muss zudem die Kosten seines Rechtsmittels tragen. Die Entscheidung des OLG Stuttgart zeigt, wie komplex die rechtliche Beurteilung selbst bei scheinbar klaren Fällen wie dem Fahren ohne Fahrerlaubnis sein kann und wie wichtig es ist, alle Aspekte eines Urteils sorgfältig zu prüfen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des OLG Stuttgart unterstreicht die strikte Anwendung des Verschlechterungsverbots in Berufungsverfahren. Sie verdeutlicht, dass auch bei der Anrechnung von Zahlungen auf Bußgeldbescheide die für den Angeklagten günstigere Regelung beibehalten werden muss, wenn nur er Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn die ungünstigere Regelung der gesetzlichen Norm entspräche. Die Entscheidung stärkt somit den Schutz des Angeklagten vor einer Schlechterstellung im Rechtsmittelverfahren.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie ohne Fahrerlaubnis gefahren sind und einen Bußgeldbescheid erhalten haben, hat dieses Urteil wichtige Auswirkungen für Sie. Sollte es zu einem Strafverfahren kommen, werden alle Zahlungen, die Sie auf den Bußgeldbescheid geleistet haben – selbst während des laufenden Verfahrens – auf eine mögliche Freiheitsstrafe angerechnet. Dabei entsprechen 10 Euro einem Tag Haft. Dies gilt auch, wenn Sie erst spät im Verfahren gezahlt haben. Wichtig: Diese für Sie günstige Regelung darf in späteren Instanzen nicht zu Ihrem Nachteil geändert werden. Allerdings bleiben die Strafe selbst und ein mögliches Fahrverbot bestehen. Es lohnt sich also, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um Ihre Optionen zu verstehen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln.
FAQ – Häufige Fragen
Sie möchten sich über Fahren ohne Fahrerlaubnis informieren? Dann sind Sie hier genau richtig! In unseren FAQs finden Sie präzise und verständliche Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was sind die rechtlichen Folgen, wenn man ohne Fahrerlaubnis fährt?
- Kann ich geleistete Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid zurückfordern, wenn dieser aufgehoben wurde?
- Welche Möglichkeiten habe ich, mich gegen eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu wehren?
- Welche Rolle spielt der Vorsatz beim Fahren ohne Fahrerlaubnis und wie wirkt er sich auf die Strafe aus?
- Was bedeutet eine Fahrerlaubnissperre und wie lange kann diese dauern?
Was sind die rechtlichen Folgen, wenn man ohne Fahrerlaubnis fährt?
Das Fahren ohne Fahrerlaubnis stellt in Deutschland eine Straftat nach § 21 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) dar. Die rechtlichen Konsequenzen können erheblich sein und hängen von verschiedenen Faktoren ab.
Bei einem Erstverstoß droht in der Regel eine Geldstrafe. Diese orientiert sich am Einkommen des Täters und kann bis zu einem Jahreseinkommen betragen. In besonders schweren Fällen oder bei Wiederholungstätern ist auch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr möglich.
Neben der Geld- oder Freiheitsstrafe kann das Gericht eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängen. Diese beträgt üblicherweise sechs Monate bis fünf Jahre. In besonders schweren Fällen ist sogar eine lebenslange Sperre möglich.
Das als Tatmittel benutzte Fahrzeug kann eingezogen werden, auch wenn es dem Täter nicht gehört. Dies dient dazu, weitere Straftaten zu verhindern.
Wiederholungstäter müssen mit deutlich härteren Strafen rechnen. Hier steigt die Wahrscheinlichkeit einer Freiheitsstrafe erheblich. Auch die Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis fällt in der Regel länger aus.
Bei fahrlässigem Handeln, etwa wenn der Täter irrtümlich davon ausging, noch eine gültige Fahrerlaubnis zu besitzen, reduziert sich das Strafmaß auf maximal sechs Monate Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen.
Neben den strafrechtlichen Folgen drohen auch zivilrechtliche Konsequenzen. Die Kfz-Versicherung kann Regressansprüche geltend machen, wenn es zu einem Unfall kommt. Dies kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Es ist wichtig, zwischen dem Fahren ohne Fahrerlaubnis und dem bloßen Vergessen des Führerscheins zu unterscheiden. Letzteres stellt lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit einem Verwarnungsgeld von 10 Euro geahndet.
Auch Fahrzeughalter können sich strafbar machen, wenn sie wissentlich zulassen oder anordnen, dass jemand ohne Fahrerlaubnis ihr Fahrzeug führt. Hier drohen dieselben Strafen wie für den Fahrer selbst.
Die Strafverfolgungsbehörden gehen beim Fahren ohne Fahrerlaubnis konsequent vor. Selbst wenn zunächst nur ein Bußgeldbescheid ergangen ist, kann dieser aufgehoben und ein Strafverfahren eingeleitet werden, sobald der Vorsatz nachgewiesen wird.
Kann ich geleistete Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid zurückfordern, wenn dieser aufgehoben wurde?
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, bereits geleistete Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid zurückzufordern, wenn dieser später aufgehoben wurde. Die rechtliche Grundlage dafür bildet der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.
Für die Rückerstattung ist die Vollstreckungsbehörde zuständig. Diese entscheidet über die Rückzahlung der geleisteten Beträge. Die Erstattungspflicht liegt bei der Kasse der Verwaltungsbehörde, die den aufgehobenen Bußgeldbescheid ursprünglich erlassen hat, nicht bei der Landesjustizkasse.
Es ist wichtig zu beachten, dass gezahlte oder beigetriebene Geldbeträge zunächst auf andere mögliche Forderungen angerechnet werden. Gemäß § 86 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) erfolgt die Anrechnung in folgender Reihenfolge:
1. Auf eine erkannte Geldstrafe
2. Auf angeordnete Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten
3. Auf die Kosten des Strafverfahrens
Nur wenn nach dieser Anrechnung noch ein Restbetrag verbleibt, wird dieser an den Betroffenen zurückerstattet.
Die Vollstreckungsbehörde prüft auch, ob eine Aufrechnung mit anderen vom Betroffenen geschuldeten Beträgen, beispielsweise aus anderen Bußgeldverfahren, möglich ist.
Neben dem reinen Erstattungsanspruch kann der Betroffene unter Umständen auch einen Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) geltend machen. Dieses Gesetz findet über § 110 OWiG auch im Bußgeldverfahren Anwendung.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Verzinsung der zurückzuerstattenden Beträge besteht hingegen nicht.
Für die praktische Durchführung der Rückforderung empfiehlt es sich, schriftlich bei der zuständigen Behörde die Rückerstattung zu beantragen. Dabei sollten alle relevanten Unterlagen wie der Aufhebungsbescheid und der Zahlungsnachweis beigefügt werden.
Welche Möglichkeiten habe ich, mich gegen eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu wehren?
Bei einer drohenden Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis stehen dem Beschuldigten verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um sich zu verteidigen.
Zunächst ist es wichtig, bereits im Ermittlungsverfahren anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann die Ermittlungsakten einsehen, mögliche Verfahrensfehler aufdecken und eine geeignete Verteidigungsstrategie entwickeln. Dabei kann er prüfen, ob tatsächlich alle Tatbestandsmerkmale des § 21 StVG erfüllt sind.
Kommt es zu einer Anklage, besteht im Strafbefehlsverfahren die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen Einspruch einzulegen. Dadurch wird eine Hauptverhandlung erzwungen, in der die Beweise geprüft und Zeugen vernommen werden können. Der Beschuldigte hat hier die Chance, seine Sicht der Dinge darzulegen.
In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kann der Verteidiger Beweisanträge stellen, Zeugen befragen und in einem Plädoyer auf Freispruch oder eine mildere Strafe plädieren. Kommt es dennoch zu einer Verurteilung, kann binnen einer Woche Berufung eingelegt werden. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht wird der Fall dann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu verhandelt.
Gegen ein Berufungsurteil ist wiederum die Revision zum Oberlandesgericht möglich. Hierbei wird allerdings nur noch geprüft, ob Rechtsfehler vorliegen. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz wird nicht mehr überprüft.
In bestimmten Fällen kann auch eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Betracht kommen, etwa wenn Grundrechte verletzt wurden. Dies ist aber nur in Ausnahmefällen erfolgversprechend.
Neben den formellen Rechtsmitteln gibt es weitere Verteidigungsstrategien: So kann geprüft werden, ob tatsächlich ein Kraftfahrzeug im Sinne des Gesetzes geführt wurde. Auch die Frage, ob der Beschuldigte wusste, dass er keine gültige Fahrerlaubnis besaß, kann relevant sein. Bei ausländischen Führerscheinen ist zu klären, ob diese in Deutschland anerkannt sind.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Rahmen einer Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Gericht eine mildere Strafe auszuhandeln, etwa wenn der Beschuldigte geständig ist und Reue zeigt. Auch die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen nach § 153a StPO kann in manchen Fällen erreicht werden.
Bei einer rechtskräftigen Verurteilung bleibt noch die Option, ein Wiederaufnahmeverfahren anzustreben. Dies ist aber nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, etwa wenn neue Beweismittel auftauchen.
Grundsätzlich ist bei der Verteidigung gegen den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine genaue Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Oft hängt der Erfolg von Details ab, die nur ein erfahrener Verteidiger erkennen und nutzen kann.
Welche Rolle spielt der Vorsatz beim Fahren ohne Fahrerlaubnis und wie wirkt er sich auf die Strafe aus?
Der Vorsatz spielt eine entscheidende Rolle bei der strafrechtlichen Bewertung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Von Vorsatz spricht man, wenn der Täter wissentlich und willentlich ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug führt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn jemand trotz Kenntnis eines Fahrverbots oder einer Fahrerlaubnisentziehung Auto fährt.
Bei vorsätzlichem Handeln droht eine deutlich höhere Strafe als bei fahrlässigem Verhalten. Das Gesetz sieht für vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Im Gegensatz dazu wird die fahrlässige Begehung mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen geahndet.
Der Vorsatz wirkt sich auch auf weitere rechtliche Konsequenzen aus. Bei vorsätzlichem Handeln ist die Verhängung einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis wahrscheinlicher. Diese kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren betragen. In besonders schweren Fällen ist sogar eine lebenslange Sperre möglich.
Zudem kann bei Vorsatz die Einziehung des benutzten Fahrzeugs angeordnet werden, selbst wenn es dem Täter nicht gehört. Dies soll eine zusätzliche abschreckende Wirkung entfalten.
Die Beurteilung des Vorsatzes erfolgt im Einzelfall. Dabei werden alle Umstände berücksichtigt, die Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen. Hat jemand beispielsweise seinen Führerschein zu Hause vergessen, liegt in der Regel kein Vorsatz vor. Anders verhält es sich, wenn jemand wissentlich mit einem gefälschten Führerschein fährt.
Für die Strafzumessung ist auch relevant, ob es sich um eine einmalige Tat oder wiederholtes Fehlverhalten handelt. Bei Wiederholungstätern wird in der Regel von Vorsatz ausgegangen, was sich strafverschärfend auswirkt.
Die vorsätzliche Begehung kann sich auch auf zivilrechtliche Folgen auswirken. So kann der Versicherungsschutz entfallen, wenn jemand vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis einen Unfall verursacht. Die finanziellen Konsequenzen können in solchen Fällen erheblich sein.
Gerichte berücksichtigen bei der Strafzumessung auch die Beweggründe des Täters. Fährt jemand ohne Fahrerlaubnis, um in einer Notsituation Hilfe zu leisten, kann dies strafmildernd wirken. Erfolgt die Tat hingegen aus reiner Bequemlichkeit, wird dies als strafschärfend gewertet.
Der Nachweis des Vorsatzes obliegt der Staatsanwaltschaft. In der Praxis wird häufig aus den äußeren Umständen auf den Vorsatz geschlossen. Wer beispielsweise nach einer Fahrerlaubnisentziehung weiter Auto fährt, handelt in der Regel vorsätzlich.
Was bedeutet eine Fahrerlaubnissperre und wie lange kann diese dauern?
Eine Fahrerlaubnissperre bedeutet, dass einer Person für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird, eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben. Sie wird in der Regel zusätzlich zum Entzug der Fahrerlaubnis angeordnet. Während der Sperrfrist darf die zuständige Behörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen.
Die Dauer einer Fahrerlaubnissperre beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 5 Jahre. In besonders schweren Fällen kann das Gericht auch eine lebenslange Sperre verhängen. Die konkrete Länge hängt vom Einzelfall ab und wird vom Gericht unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes, der Vorgeschichte des Täters und der Prognose für sein zukünftiges Verhalten festgelegt.
Bei der Festsetzung der Sperrfrist berücksichtigt das Gericht verschiedene Faktoren:
- Art und Schwere des Verkehrsverstoßes
- Grad der Schuld des Täters
- Vorstrafen, insbesondere einschlägige Verkehrsdelikte
- Persönliche Umstände des Täters
- Prognose für zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr
Eine vorzeitige Aufhebung der Sperre ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Frühestens 3 Monate nach Rechtskraft des Urteils kann ein Antrag auf Verkürzung gestellt werden. Das Gericht hebt die Sperre auf, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist.
Hierfür können folgende Aspekte eine Rolle spielen:
- Positives Verhalten während der Sperrfrist
- Erfolgreiche Teilnahme an Nachschulungen oder Therapien
- Glaubhafte Einsicht und Reue
- Änderung der persönlichen Lebensumstände
Nach Ablauf der Sperrfrist erhält der Betroffene die Fahrerlaubnis nicht automatisch zurück. Er muss einen Antrag auf Neuerteilung bei der Fahrerlaubnisbehörde stellen. Diese prüft, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererteilung vorliegen. Häufig wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet, um die Fahreignung zu überprüfen.
Während der Sperrfrist darf der Betroffene kein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen. Ein Verstoß gegen die Sperre wird als Fahren ohne Fahrerlaubnis gewertet und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies kann zu einer Verlängerung der bestehenden Sperre oder sogar zu einer neuen, längeren Sperrfrist führen.
Die Fahrerlaubnissperre gilt grundsätzlich auch im Ausland. Eine im EU-Ausland erworbene Fahrerlaubnis wird in Deutschland während der Sperrfrist nicht anerkannt. Erst nach Ablauf der Sperre und Neuerteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland darf der Betroffene wieder am Straßenverkehr teilnehmen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Ordnungswidrigkeit: Eine Ordnungswidrigkeit ist ein weniger schwerwiegendes Vergehen als eine Straftat. Sie wird mit einer Geldbuße geahndet, nicht mit Freiheitsstrafe. Im Straßenverkehr sind Beispiele dafür zu schnelles Fahren oder Falschparken.
- Bußgeldbescheid: Ein Bußgeldbescheid ist ein schriftlicher Bescheid, der eine Person über eine Ordnungswidrigkeit informiert und die zu zahlende Geldbuße festsetzt. Er wird von der Verwaltungsbehörde erlassen und kann angefochten werden.
- Vorsatz: Vorsatz bedeutet, dass jemand eine Handlung bewusst und willentlich ausführt und dabei den Eintritt des rechtswidrigen Erfolgs billigend in Kauf nimmt. Im Zusammenhang mit dem Fahren ohne Fahrerlaubnis bedeutet Vorsatz, dass der Fahrer wusste, dass er keine Fahrerlaubnis besitzt und trotzdem gefahren ist.
- Rechtskraft: Ein Urteil oder Beschluss wird rechtskräftig, wenn es nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Das bedeutet, dass die Entscheidung endgültig ist und nicht mehr geändert werden kann.
- Anrechnungsentscheidung: Bei einer Anrechnungsentscheidung geht es darum, ob und in welcher Höhe bereits gezahlte Geldbeträge auf eine Strafe angerechnet werden. Im vorliegenden Fall ging es um die Anrechnung von Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid auf die verhängte Freiheitsstrafe.
- Verschlechterungsverbot: Das Verschlechterungsverbot besagt, dass ein Urteil in einem Rechtsmittelverfahren (z.B. Berufung oder Revision) nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden darf, wenn nur er das Rechtsmittel eingelegt hat. Das bedeutet, dass das Gericht die Entscheidung der Vorinstanz nicht verschlechtern darf.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis): Diese Vorschrift stellt das Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis unter Strafe. Sie schützt die Verkehrssicherheit, indem sie sicherstellt, dass nur qualifizierte Personen Kraftfahrzeuge führen. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt, was eine Straftat nach § 21 StVG darstellt.
- § 331 StPO (Verschlechterungsverbot): Diese Vorschrift besagt, dass ein Urteil bei einer Berufung durch den Angeklagten nicht zu seinem Nachteil geändert werden darf. Sie dient dem Schutz des Angeklagten und gewährleistet ein faires Verfahren. Im vorliegenden Fall wurde das Verschlechterungsverbot verletzt, da die Anrechnungsentscheidung des Landgerichts für den Angeklagten ungünstiger war als die des Amtsgerichts.
- § 86 OWiG (Anrechnung von Geldbußen und Kosten): Diese Vorschrift regelt die Anrechnung von Geldbußen und Kosten auf eine im Strafverfahren verhängte Geldstrafe oder Freiheitsstrafe. Sie dient der Vermeidung einer doppelten Bestrafung und stellt sicher, dass bereits geleistete Zahlungen berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall wurde die Anrechnung von Zahlungen auf den Bußgeldbescheid auf die Freiheitsstrafe vom OLG Stuttgart bestätigt.
- § 46 OWiG (Rechtskraft des Bußgeldbescheides): Diese Vorschrift regelt den Zeitpunkt, ab dem ein Bußgeldbescheid rechtskräftig wird. Ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid kann nicht mehr angefochten werden und entfaltet seine volle rechtliche Wirkung. Im vorliegenden Fall wurden Zahlungen auf den Bußgeldbescheid bis zu dessen Rechtskraft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
- § 354 StPO (Änderung des Urteils im Revisionsverfahren): Diese Vorschrift ermächtigt das Revisionsgericht, ein Urteil zu ändern, wenn es Rechtsfehler enthält. Sie dient der Korrektur von Fehlern und gewährleistet eine rechtmäßige Entscheidung. Im vorliegenden Fall hat das OLG Stuttgart das Urteil in Bezug auf die Anrechnungsentscheidung geändert und neu gefasst.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 2 Ss 217/15 – Beschluss vom 22.07.2015
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2015 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass die Anrechnungsentscheidung wie folgt geändert und neu gefasst wird:
Zahlungen, die bis zur Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung auf den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K. vom 10. Januar 2014, Az.: …, geleistet sind, werden auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet, wobei 10 Euro einem Tag Freiheitsstrafe entsprechen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht L. verurteilte den Angeklagten am 23. September 2014 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu 5 Monaten Freiheitsstrafe. Eine 18-monatige Sperre für die Fahrerlaubniserteilung wurde angeordnet. Im Hinblick auf den gegen den Angeklagten in gleicher Sache ergangenen Bußgeldbescheid wurde bestimmt:
„Der Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K. vom 10. Januar 2014, Az.: …, wird aufgehoben und die Anrechnung der auf den Bußgeldbescheid bezahlten Geldbeträge angeordnet, wobei 10 Euro 1 Tag Freiheitsstrafe entspricht“.
Auf die gegen dieses Urteil vom Angeklagten eingelegte Berufung wurde das Urteil des Amtsgerichts L. mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2015 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu der Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde. Es verblieb bei der 18-monatigen Fahrerlaubnissperre.
Im Hinblick auf den in gleicher Sache gegen den Angeklagten ergangenen Bußgeldbescheid wurde angeordnet:
„Geldbeträge, die der Angeklagte auf Grund des aufgehobenen Bußgeldbescheids bezahlt hat, werden auf die Kosten des Verfahrens angerechnet.“
Im Übrigen wurde die Berufung verworfen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens hat der Angeklagte – unter Vorlage einer Kopie des Einzahlungsbelegs – mitgeteilt, er habe nun einen Betrag in Höhe von 660,75 Euro auf den gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid bezahlt.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuldspruchs und der Strafzumessung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO.
Lediglich die vom Landgericht getroffene Anrechnungsentscheidung hinsichtlich der Geldbeträge, die der Angeklagte auf Grund des aufgehobenen Bußgeldbescheids bezahlt hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, § 349 Abs. 4 StPO. Insoweit ist das Urteil des Amtsgerichts wiederherzustellen.
Zwar hat das Landgericht diese Anrechnungsentscheidung gemäß der gesetzlichen Regelung des § 86 Abs. 2 OWiG getroffen, indem es bestimmt hat, dass bezahlte Geldbeträge auf die Kosten des Verfahrens anzurechnen sind. Diese sachlich richtige Entscheidung kann dennoch nicht aufrechterhalten werden, weil sie gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO verstößt. Das Amtsgericht hatte eine dem Angeklagten günstigere Anrechnungsentscheidung getroffen, indem es die Anrechnung bezahlter Geldbeträge auf die verhängte Freiheitsstrafe angeordnet hatte. Das Urteil war nur vom Angeklagten angefochten und durfte nicht verschlechtert werden. Gemäß § 331 Abs. 1 StPO darf das Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich er das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Anrechnung von auf den Bußgeldbescheid geleisteten Zahlungen auf die verhängte Freiheitsstrafe – wie vom Amtsgericht bestimmt – ist gegenüber der Anrechnung der Zahlungen auf die Verfahrenskosten – wie vom Landgericht tenoriert – eine für den Angeklagten vorteilhaftere Rechtsfolge. Denn Zahlungen auf den Bußgeldbescheid bewirken nach der amtsgerichtlichen Entscheidung eine Verkürzung der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und diese ist für den Angeklagten von größerem Gewicht als die Höhe der Verfahrenskosten.
Dass bis zum Revisionsverfahren keinerlei Zahlungen auf den Bußgeldbescheid erfolgt waren, ist unschädlich. Insoweit zulässigerweise hat das Amtsgericht nur über den Anrechnungsmodus, nicht aber über eine konkrete Anrechnung von Zahlungen entschieden. Dies steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 86 Abs. 2 OWiG. Danach hat die Anrechnung in der Weise zu erfolgen, dass die anzurechnenden Geldbeträge abstrakt zu bezeichnen sind; eine summenmäßige Darlegung des Verrechnungssystems ist nicht erforderlich (Rebmann/Roth/Herrmann, Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 3. Aufl., § 86, Rn. 14). Gründe, etwa nach der tatrichterlichen Hauptverhandlung bezahlte Beträge nicht mehr zu berücksichtigen, sind auch der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Nach dieser sollen die wirtschaftlichen Nachteile, die der aufgehobene Bußgeldbescheid dem Betroffenen gebracht hat, soweit wie möglich durch eine Anrechnung auf die vermögensrechtlichen Folgen des Straferkenntnisses beseitigt werden (Regierungsentwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 08. Januar 1967, BT-Drs. V/1269, S. 112). Eine Einschränkung dahingehend, dass eine Anrechnung nur bezüglich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Strafverfahren geleisteter Zahlungen auf den Bußgeldbescheid vorgenommen werden darf, ergibt sich demnach nicht. Eine solche ist auch nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht geboten. Dieser besteht darin, die wirtschaftlichen Nachteile des Betroffenen in Bezug auf die auf den Bußgeldbescheid geleisteten Zahlungen im Rahmen des Strafverfahrens möglichst rasch und einfach zu erledigen und so der Prozesswirtschaftlichkeit zu dienen (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 86, Rn. 10; Karlsruher Kommentar zum OWiG-Lutz, 4. Aufl., § 86, Rn. 14), wobei die Anrechnungsregelung des § 86 Abs. 2 OWiG nicht eng auszulegen ist (Rebmann/Roth/Herrmann, a.a.O.). Dieser Sinn und Zweck gebietet es, Zahlungen auf den Bußgeldbescheid auch dann noch im Strafverfahren durch Anrechnung rückabzuwickeln, wenn diese nach der letzten Tatsacheninstanz, aber vor Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung und damit einhergehender rechtskräftiger Aufhebung des Bußgeldbescheids, erfolgt sind.
Die Anrechnung ist daher – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – entsprechend dem Urteil des Amtsgerichts in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zu ändern und neu zu fassen. Damit sind Zahlungen bis zur rechtskräftigen Aufhebung des Bußgeldbescheids zu berücksichtigen.
Die Staatsanwaltschaft wird im Vollstreckungsverfahren zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe im Zeitraum bis zur Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung Zahlungen auf den Bußgeldbescheid vom Angeklagten geleistet wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Neufassung der Anrechnungsentscheidung gab zu einer abweichenden Kostenentscheidung keinen Anlass.