Klärung zur Einziehung von Wertersatz bei Dritten – LG Nürnberg-Fürth
Im Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth – Az.: 18 Qs 19/23 – wurde entschieden, dass ersparte Aufwendungen nicht nach § 73b Abs. 1 StGB bei Dritten, die nicht Täter oder Teilnehmer sind, eingezogen werden können, da sie nicht unter den Begriff des Gegenstandes fallen und somit einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden können. Das Gericht hob daher einen Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg auf, der den Vermögensarrest in das Vermögen einer unverdächtigen Dritten angeordnet hatte. Es wurde festgestellt, dass Ersparnisse mangels Gegenständlichkeit nicht im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden können. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Übersicht
- Klärung zur Einziehung von Wertersatz bei Dritten – LG Nürnberg-Fürth
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Wertersatzeinziehung: Eine rechtliche Herausforderung
- Klarstellung: Ersparter Aufwand nicht einziehbar – Landgericht setzt Grenzen
- Ein bahnbrechendes Urteil in der Rechtsprechung zum Wertersatz
- Der juristische Knackpunkt: Wertersatz und ersparte Aufwendungen
- Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth
- Die Begründung für die rechtliche Klarstellung
- ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht entschied, dass ersparte Aufwendungen nicht als einziehbare Gegenstände nach § 73b Abs. 1 StGB behandelt werden können, wenn sie an Dritte weitergereicht werden.
- Der ursprüngliche Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg, der einen Vermögensarrest gegen eine unverdächtige Dritte verhängte, wurde aufgehoben.
- Es wurde klargestellt, dass Ersparnisse wegen ihrer Nicht-Gegenständlichkeit rechtlich nicht an Dritte im Sinne einer Einziehung weitergereicht werden können.
- Die Entscheidung betont die Unterscheidung zwischen Gegenständen und nichtgegenständlichen Vorteilen im Kontext der Einziehung von Wertersatz.
- Das Gericht wies darauf hin, dass § 73b Abs. 2 StGB keine Anwendung findet, da ersparte Aufwendungen nicht unter den Begriff des Gegenstandes fallen.
- Die Staatskasse wurde zur Übernahme der Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet.
- Die Entscheidung stützt sich auf die Auslegung der aktuellen Rechtslage und entsprechende Urteile des Bundesgerichtshofs.
- Die Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung von § 73b StGB wurde diskutiert, aber es wurde festgestellt, dass ersparte Aufwendungen nicht als Gegenstände im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können.
Wertersatzeinziehung: Eine rechtliche Herausforderung
Im Strafrecht spielt die Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte eine zentrale Rolle. Sie dient dazu, die Bereicherung aus Straftaten zu verhindern und dem Staat die Möglichkeit zu geben, diese Vermögenswerte zu konfiszieren. Doch was passiert, wenn die ursprünglich erlangten Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind? In solchen Fällen sieht das Gesetz eine sogenannte Wertersatzeinziehung vor.
Komplexer wird die Situation, wenn Dritte, die nicht an der Straftat beteiligt waren, von den Erträgen profitieren. Die Weitergabe oder Reinvestition unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte an unbeteiligte Dritte wirft rechtliche Fragen auf. Kann der Staat in solchen Fällen die Wertersatzeinziehung auch gegen Dritte anordnen? Diese Problematik stellt die Justiz vor Herausforderungen und erfordert eine sorgfältige rechtliche Abwägung.
Klarstellung: Ersparter Aufwand nicht einziehbar – Landgericht setzt Grenzen
In einem wegweisenden Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az.: 18 Qs 19/23, wurde kürzlich ein bedeutender juristischer Sachverhalt geklärt, der sich mit der Einziehung von Wertersatz beschäftigt, insbesondere in Fällen, in denen es um ersparte Aufwendungen geht. Der Beschluss vom 01.02.2024 adressiert ein komplexes rechtliches Problem: Kann Wertersatz in Form von ersparten Aufwendungen bei Dritten eingezogen werden, die nicht als Täter oder Teilnehmer an der ursprünglichen Tat beteiligt waren?
Ein bahnbrechendes Urteil in der Rechtsprechung zum Wertersatz
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte gegen mehrere Beschuldigte Ermittlungsverfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung eingeleitet. In diesem Zusammenhang ordnete das Amtsgericht Nürnberg den Vermögensarrest in das Vermögen einer Drittpartei an, die unverdächtig war, direkt an den Straftaten beteiligt zu sein. Diese Dritte soll Taterträge in Form von ersparten Aufwendungen, konkret hinterzogene Umsatzsteuer aus verschiedenen Veranlagungs- und Voranmeldungszeiträumen, erhalten haben. Dies führte zur rechtlichen Frage, ob solche ersparten Aufwendungen im Rahmen der Einziehung von Wertersatz bei Dritten eingezogen werden können.
Der juristische Knackpunkt: Wertersatz und ersparte Aufwendungen
Das zentrale rechtliche Problem in diesem Fall war die Frage, ob und inwieweit ersparte Aufwendungen als Gegenstände im Sinne des § 73b Abs. 2 StGB betrachtet und damit einem Dritten, der nicht als Täter oder Teilnehmer an der Tat beteiligt war, einziehungsrechtlich zugeschrieben werden können. Nach geltendem Recht unterliegt die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes dem § 73b Abs. 2 StGB. Allerdings werden ersparte Aufwendungen in diesem Paragraphen nicht als einziehbarer Gegenstand erfasst, was bedeutet, dass sie nicht im einziehungsrechtlichen Sinn bei Dritten eingezogen werden können.
Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth
Das Landgericht Nürnberg-Fürth kam zu dem Schluss, dass der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg rechtswidrig sei. Die statthafte Beschwerde der Beschwerdeführerin war sowohl zulässig als auch begründet. Das Gericht hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und legte dar, dass die Einziehung von Wertersatz bei Dritten, in Form von ersparten Aufwendungen, nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht. Die Entscheidung unterstreicht, dass ersparte Aufwendungen mangels Gegenständlichkeit nicht weitergereicht werden können, und stellt damit klar, dass eine solche Einziehung bei Dritten nicht zulässig ist.
Die Begründung für die rechtliche Klarstellung
Die Entscheidung des Gerichts basierte auf einer detaillierten Analyse der relevanten rechtlichen Bestimmungen und der herrschenden Rechtsprechung. Insbesondere wurde die Gesetzesbegründung zu § 73b StGB herangezogen, die klarstellt, dass der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen dem „erlangten Etwas“ und „Gegenständen“ vorsieht. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da ersparte Aufwendungen nicht als Gegenstände im Sinne der Einziehungsvorschriften angesehen werden können. Die Gerichtsentscheidung spiegelt somit eine gründliche Auslegung des Gesetzes wider und trägt dazu bei, die Anwendung der Einziehungsvorschriften zu präzisieren.
Insgesamt stellt das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth eine signifikante Klärung im Bereich der Einziehung von Wertersatz dar, insbesondere hinsichtlich der Behandlung von ersparten Aufwendungen. Es verdeutlicht die Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten zur Einziehung bei Dritten und bestärkt das Prinzip der Rechtssicherheit in komplexen juristischen Fragestellungen.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was versteht man unter Wertersatzeinziehung?
Unter Wertersatzeinziehung versteht man im deutschen Strafrecht eine Maßnahme, bei der nicht der ursprünglich aus einer Straftat erlangte Gegenstand selbst, sondern ein Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, eingezogen wird. Dies ist in § 73c des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt und kommt dann zur Anwendung, wenn der ursprüngliche Gegenstand nicht mehr vorhanden ist oder aus anderen Gründen nicht eingezogen werden kann.
Die Wertersatzeinziehung ist besonders eingriffsintensiv, da sie auch legale Vermögenswerte des Täters betreffen kann, wie zum Beispiel durch Pfändung seines Sportwagens oder Grundstücks, um den Wert des durch die Straftat Erlangten zu kompensieren. Der Betroffene kann versuchen, die Einziehung von Wertersatz abzuwenden, indem er beispielsweise nachweist, dass die eingezogenen Werte nicht aus der Straftat stammen. Allerdings liegt die Beweislast hierfür beim Betroffenen.
Die Einziehung von Wertersatz hat in der Praxis eine größere Bedeutung als die Einziehung des Originalgegenstandes, da es häufig vorkommt, dass der ursprüngliche Gegenstand nicht mehr greifbar ist. Der Wertersatz kann auch bei Personen eingezogen werden, die nicht unmittelbar an der Tat beteiligt waren, unter bestimmten Voraussetzungen.
Zusammengefasst ermöglicht die Wertersatzeinziehung den Behörden, den wirtschaftlichen Vorteil, den ein Täter aus einer Straftat gezogen hat, abzuschöpfen, auch wenn die konkreten Gegenstände nicht mehr verfügbar sind. Dadurch soll verhindert werden, dass Straftäter von ihren illegalen Handlungen profitieren.
Wie wird Wertersatz bei Dritten rechtlich behandelt?
Die rechtliche Behandlung der Wertersatzeinziehung bei Dritten im deutschen Strafrecht ermöglicht es, Vermögenswerte von Personen einzuziehen, die nicht direkt an der Straftat beteiligt waren. Dies ist insbesondere in den §§ 73b und 76a des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Die Einziehung bei Dritten kann erfolgen, wenn diese durch die Straftat einen Vermögensvorteil erlangt haben, auch wenn sie nicht Täter oder Teilnehmer der Straftat waren.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die Einziehung von Wertersatz auch dann zulässig ist, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann oder die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Dies erweitert den Anwendungsbereich der Vermögensabschöpfung erheblich und ermöglicht es, Vermögenswerte einzuziehen, die durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangt wurden.
Die Entschädigung der durch die Straftat Geschädigten erfolgt grundsätzlich erst im Strafvollstreckungsverfahren. Konnte der deliktisch erlangte Gegenstand sichergestellt werden, wird er nach Rechtskraft des Urteils dem Verletzten zurückübertragen. Hat das Gericht hingegen die Einziehung von Wertersatz angeordnet, also eines Geldbetrages, der dem Wert des Erlangten entspricht, wird dieser zur Entschädigung der Geschädigten verwendet.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Einziehung von Wertersatz bei Dritten nicht willkürlich erfolgt. Es müssen klare Beweise vorliegen, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat stammt oder der Dritte den Vermögensgegenstand unter bestimmten Umständen, wie beispielsweise durch Erbschaft, erlangt hat.
In der Praxis bedeutet dies, dass Dritte, die Vermögenswerte aus Straftaten erlangt haben, unter bestimmten Voraussetzungen zur Verantwortung gezogen werden können, auch wenn sie nicht direkt an der Tat beteiligt waren. Dies dient dem Zweck, die durch Straftaten erlangten Vermögensvorteile abzuschöpfen und die Geschädigten zu entschädigen.
Welche Rolle spielt § 73b Abs. 2 StGB bei der Einziehung von Wertersatz?
§ 73b Abs. 2 StGB spielt eine wichtige Rolle bei der Einziehung von Wertersatz, da er die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einziehung von Taterträgen bei Drittbegünstigten festlegt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Einziehung von Wertersatz auch dann anordnen, wenn der Drittbegünstigte die aus der Straftat stammenden Vermögenswerte nicht mehr besitzt oder diese nicht mehr mit ihrem Wert vorhanden sind.
Die Regelung ermöglicht es, dass Vermögenswerte, die als Ersatz für zerstörte, beschädigte oder entzogene Gegenstände erlangt wurden, oder die aufgrund eines durch die Straftat erlangten Rechts erworben wurden, eingezogen werden können. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der ursprüngliche Tatertrag nicht mehr vorhanden ist oder aus anderen Gründen nicht eingezogen werden kann.
Es ist jedoch umstritten, ob für die Anwendung des § 73b Abs. 2 StGB ein subjektiver Bereicherungszusammenhang erforderlich ist, also ob der Drittbegünstigte wissen oder zumindest billigend in Kauf nehmen musste, dass der Vermögensvorteil aus einer Straftat stammt. Die Rechtsprechung und die Literatur sind in dieser Frage nicht einheitlich.
Zusammenfassend ermöglicht § 73b Abs. 2 StGB die Einziehung von Wertersatz bei Dritten, auch wenn der ursprüngliche Tatertrag nicht mehr greifbar ist, und trägt damit zur effektiven Abschöpfung illegal erlangter Vermögenswerte bei. Die genauen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Norm sind jedoch rechtlich nicht abschließend geklärt und Gegenstand juristischer Diskussionen.
Können ersparte Aufwendungen bei Dritten eingezogen werden?
Ja, ersparte Aufwendungen können bei Dritten eingezogen werden, wenn diese durch eine Straftat entstanden sind. Dies ist insbesondere relevant, wenn durch die Straftat Kosten vermieden wurden, die ansonsten angefallen wären. Die Einziehung ersparter Aufwendungen ist ein Aspekt der Vermögensabschöpfung im Strafrecht, der darauf abzielt, den wirtschaftlichen Vorteil, der aus einer Straftat gezogen wurde, abzuschöpfen.
Die Rechtsprechung und die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass nicht nur unmittelbar durch die Tat erlangte Taterträge, sondern auch indirekte wirtschaftliche Vorteile, wie eben ersparte Aufwendungen, eingezogen werden können. Dies kann beispielsweise bei der Hinterziehung von Steuern oder Sozialabgaben der Fall sein, wo der Täter oder Dritte durch die Nichtzahlung finanzielle Vorteile erlangt haben.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einem Urteil vom 31.08.2023 die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen angeordnet, was zeigt, dass die Gerichte bereit sind, diese Form der Vermögensabschöpfung anzuwenden.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Einziehung bei Dritten bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss. So muss beispielsweise ein Zusammenhang zwischen der Straftat und dem erlangten Vorteil bestehen. Die Einziehung ersparter Aufwendungen bei Dritten wird daher in der Regel nur dann in Betracht gezogen, wenn diese in irgendeiner Form von der Straftat profitiert haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ersparte Aufwendungen als Teil des durch die Straftat erlangten wirtschaftlichen Vorteils angesehen werden können und somit grundsätzlich der Einziehung unterliegen können. Dies gilt sowohl für Täter und Teilnehmer als auch unter bestimmten Umständen für Dritte, die von der Straftat profitiert haben.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 73b Abs. 2 StGB: Regelt die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes und schließt explizit die Einziehung ersparter Aufwendungen bei Dritten aus, da diese mangels Gegenständlichkeit nicht erfasst werden. Dies ist zentral für den Kontext der Wertersatzeinziehung ersparter Aufwendungen bei Dritten, da es die Grenzen der Einziehbarkeit solcher Vorteile aufzeigt.
- § 73b Abs. 1 StGB: Bestimmt die Bedingungen, unter denen die Einziehung bei anderen, die nicht Täter oder Teilnehmer sind, angeordnet werden kann. Die Unterscheidung zwischen „erlangtem Etwas“ und „Gegenständen“ ist entscheidend, da ersparte Aufwendungen nicht als „Gegenstände“ für die Einziehung qualifizieren.
- § 73 Abs. 1 StGB: Definiert, was es bedeutet, durch eine Tat „etwas erlangt“ zu haben, und legt die Grundlage für die Einziehung von Taterträgen. Dies ist relevant, da ersparte Aufwendungen als „erlangtes Etwas“ durch die Tat betrachtet werden können, was direkte Auswirkungen auf den Umfang der Einziehbarkeit hat.
- § 111e Abs. 1 StPO: Regelt die Voraussetzungen für die Anordnung des Vermögensarrests zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehung von Wertersatz. Die Relevanz ergibt sich aus der Entscheidung des Gerichts, den Vermögensarrest im konkreten Fall aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Einziehung von Wertersatz bei der Beschwerdeführerin nicht vorlagen.
- RICHTLINIE 2014/42/EU: Setzt den Rahmen für die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der EU und betont die Notwendigkeit, dass Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass Erträge eingezogen werden können. Diese Richtlinie unterstreicht die internationale Dimension und die Bemühungen um eine einheitliche Praxis bei der Einziehung von Taterträgen, einschließlich der Verschiebung von Wertersatz.
- § 73c StGB: Erläutert die Einziehung eines Geldbetrages, der dem Wert des Erlangten entspricht, wenn die Einziehung eines Gegenstandes nicht möglich ist. Dies verdeutlicht, wie das Recht auf Fälle reagiert, in denen das direkt Erlangte nicht greifbar ist, eine Situation, die eng mit der Thematik der ersparten Aufwendungen zusammenhängt.
Das vorliegende Urteil
LG Nürnberg-Fürth – Az.: 18 Qs 19/23 – Beschluss vom 01.02.2024
Leitsätze:
1. Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliegt § 73b Abs. 2 StGB.
2. Weil ersparte Aufwendungen dort allerdings nicht erfasst werden, könnten sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB bei anderen, die nicht Täter oder Teilnehmer sind, eingezogen werden.
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin [ ] vom [ ] hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom [ ], Az.: [ ], aufgehoben.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth führt gegen diverse Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung in einer noch zu ermittelnden Anzahl an Fällen. Mit Beschluss vom [ ] ordnete das Amtsgericht Nürnberg – Ermittlungsrichter – den Vermögensarrest in Höhe von [ ] in das Vermögen der unverdächtigen Dritten [ ] an, Az.: [ ]. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin heißt es in dem angefochtenen Beschluss wie folgt:
„Die Dritte [ ] erlangte Taterträge in Höhe von insgesamt [ ]. Hierbei handelt es sich in Höhe von [ ] um einen Teilbetrag aus der hinterzogenen Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume [ ], [ ] und Voranmeldungszeiträume [ ] betreffend das Einzelunternehmen [ ]. In Höhe von [ ] um einen Teilbetrag aus der hinterzogenen Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume [ ] betreffend das Einzelunternehmen [ ]. In Höhe von [ ] um einen Teilbetrag aus der hinterzogenen Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume [ ] betreffend das Einzelunternehmen [ ]. In Höhe von insgesamt [ ] wurden der Dritten [ ] Geldbeträge aus den soeben genannten Firmen unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen, sodass die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz gem. §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 Nr. 2, 73c, 73d Abs. 2 StGB über einen Betrag in Höhe von [ ] vorliegen.“
Die Beschwerdeführerin legte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten [ ] vom [ ], eingegangen am [ ], Beschwerde ein. Eine Beschwerdebegründung wurde binnen eines Monats nach Erhalt der Arrestakten angekündigt.
Das Amtsgericht halt der Beschwerde unter dem [ ] nicht ab.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragte mit Verfügung vom [ ], die Beschwerde vom [ ] gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom [ ] über den Vermögensarrest in Höhe von [ ] in das Vermögen der [ ] „kostenpflichtig als unbegründet aus dessen zutreffenden Gründen zu verwerfen“ und legte die Akten dem Landgericht Nürnberg-Fürth vor. Aufgrund Verfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom [ ], erledigt am gleichen Tage, wurde Akteneinsicht gewährt. Eine Beschwerdebegründung ging nicht ein.
Mit Verfügung vom [ ] wurde der Vorgang unter Darlegung der Rechtsansicht der Kammer der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zur Stellungnahme zugeleitet. Unter dem [ ] nahm diese Stellung.
II.
Die statthafte Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Beschluss ist rechtswidrig, weil nicht die für § 111e Abs. 1 StPO erforderliche Annahme begründet ist, dass in Person der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Die hier – allein – maßgebliche Einziehung von Taterträgen bei anderen gemäß § 73b StGB scheidet aus, weil der geldwerte Vorteil in Form einer Ersparnis mangels Gegenständlichkeit einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden kann. Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliegt § 73b Abs. 2 StGB. Weil Ersparnisse dort allerdings nicht von dem Begriff des Gegenstandes erfasst werden, können sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden. Ob gegen die in dem angefochtenen Beschluss genannten Beschuldigten die dort beschriebene Verdachtslage besteht, kann an dieser Stelle ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob die Beschwerdeführerin als ‚andere, die nicht Täterin oder Teilnehmerin ist‘ im Sinne des § 73b StGB anzusehen wäre.
1. Gemäß § 111e Abs. 1 S. 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen für die Einziehung von Wertersatz vorliegen. Liegen dringende Gründe für die Annahme vor, soll der Vermögensarrest angeordnet werden, § 111e Abs. 1 S. 2 StPO.
2. a) aa)
Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an, § 73 Abs. 1 StGB. Beim Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Durch die Tat erlangt wird ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zufließt, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021 – 3 StR 381/21 m.w.N.). Einem Kontoinhaber kommt Verfügungsmacht über das Buchgeld auf seinem Konto zu. Zwar handelt es sich bei der Kontoinhaberschaft zunächst im eine formal-rechtliche Position, die Ansprüche gegenüber dem Bankinstitut auf Auszahlung des Guthabensaldos begründet. Indes hat der Kontoinhaber die Möglichkeit über die Beträge auf seinem Konto jederzeit und ungehindert durch Überweisungen oder Barabhebungen zu verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2022 – 2 StR 175/22). Beim Delikt der Steuerhinterziehung oder dem des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt können die verkürzten Steuern oder Gesamtsozialversicherungsbeiträge „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese erspart. Maßgeblich bleibt dann aber immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2021 – 1 StR 28/21 m.w.N; BGH, Beschuss vom 23.12.2020 – 1 StR 310/20). Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht, § 73c S. 1 StGB.
bb) Gemäß § 73b Abs. 1 S. 1 StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat (Nr. 1), ihm das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (Nr. 2 lit. a) und b)) oder das Erlangte auf ihn als Erbe übergegangen ist oder als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist (Nr. 3 lit. a) und b)). Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 des § 73b Abs. 1 StGB einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, oder gezogene Nutzungen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an (§ 73b Abs. 2 StGB).
b) aa)
Für den Fall, dass das „Erlangte“ in einer Steuerersparnis oder in einer Ersparnis von Gesamtsozialversicherungsbeträgen besteht und an Dritte „weitergereicht“ worden sein soll, vertrat der Bundesgerichtshof für die bis zum 30.06.2017 geltende Rechtslage für „Verschiebungsfälle“ folgende Auffassung: Zunächst unterwarf er dieses grundsätzlich dem Verfall von Wertersatz nach § 73a Satz 1 StGB a. F. mit der Begründung, ersparte Aufwendungen verbrauchten sich als nichtgegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17). Hatte der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt, so richtete sich die Anordnung des Verfalls nach § 73 Abs. 3 StGB in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung gegen ihn. Handeln „für einen anderen“ verlangte danach zwar keinen echten oder gar offene, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde musste bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. „Dadurch“ bedeutete zwar vom Wortlaut her nicht „unmittelbar durch ein- und dieselbe Handlung“. In Fällen, in denen der erlangte Gegenstand nicht um Rahmen der Tat selbst, sondern erst durch vermittelnde Rechtsgeschäfte zu dem Dritten gelangt war, bedurfte es für die Zurechnung aber jedenfalls eines Bereicherungszusammenhangs zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. Ein Bereicherungszusammenhang wurde u.a. im Verschiebungsfall angenommen, bei dem der Täter dem Dritten die Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen ließ, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern (vgl. BGH, Urteil vom 03. Dezember 2013 – 1 StR 53/13 m.w.N.). Ein Verschiebungsfall konnte auch dann angenommen werden, wenn das Erlangte lediglich aus ersparten Aufwendungen bestand. In diesen Fällen musste sich aber aufgrund weiterer Umstände – etwas durch eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse feststellen lassen, dass mit den in Frage stehenden Transaktionen das ziel verfolgt wurde, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder eines weiteren Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 1 StR 36/17; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12 jeweils m.w.N.).
bb) (A)
Für den Fall, dass das „Erlangte“ in einer Steuerersparnis oder in einer Ersparnis von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen besteht und an Dritte „weitergereicht“ worden sein soll, hatte der 1. Strafsenat – allerdings nicht tragend – für die Rechtslage ab dem 01.07.2017 ursprünglich die Auffassung vertreten, unter den Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 StGB könne der Wert ersparter Aufwendungen, der an Dritte verschoben worden sei, bei diesen abgeschöpft werden und sich dabei auf § 73b Abs. 2 StGB bezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 01. Juni 2021 – 1 StR 133/21).
(B)
Hernach vertrat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in dieser Konstellation für die seit dem 30.06.2017 geltende Rechtslage für „Verschiebungsfälle“ soweit ersichtlich folgende Aufassung (vgl. BGH, Urteil vom 01. Juli 2021 – 3 StR 518/19): Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliege § 73b Abs. 2 StGB. Weil Ersparnisse dort allerdings nicht erfasst würden, könnten sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden. Dieses wird wie folgt begründet: Nach der Gesetzesbegründung zu § 73b StGB n.F. solle die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes § 73b Abs. 2 StGB unterliegen. Es heiße dort (BT-Drucks. 18/9525 S. 67): „Absatz 2 stellt klar, dass nicht nur die „Verschiebung“ des deliktisch erlangten Gegenstandes selbst, sondern auch die Weiterreichung des Wertersatzes vom „Verschiebungs-/Erbfall“ erfasst werden.“ Gegenstände im Sinne des § 73b Abs. 2 StGB seien dabei aber – nur – individualisierte Sachen und Rechte; ersparte Aufwendungen würden insoweit hingegen ebenso wenig wie von dem Gegenstandsbegriff des § 73a StGB erfasst. Der Gesetzgeber differenziere in den §§ 73 ff. StGB und in § 73b StGB sprachlich zwischen dem „erlangten Etwas“ und „Gegenständen“, so dass bereits der Gesetzeswortlaut ein unterschiedliche Begriffsverständnis nahelege. Daher führe der Umstand, das das erlangte Etwas in ersparten Aufwendungen bestehen könne, nicht automatisch dazu, dass dies auch für einen Gegenstand im Sinne des§ 73b Abs. 2 StGB gelte (der wiederum auf ersparte Aufwendungen Anwendung finden müsse). Dagegen spreche vielmehr, dass das Gesetz das Merkmal des „Gegenstands“ bei der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB ebenfalls verwende und ersparte Aufwendungen dort nicht als Gegenstände erfasst würden. Auch nach der Rechtsprechung zum Wertersatzverfall nach § 73a StGB a.F. seien ersparte Aufwendungen „nichtgegenständliche Vorteile“. Dieses Verständnis sei auf § 73b Abs. 2 StGB zu übertragen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber demselben Begriff in einzelnen Normen des Einziehungsrechts einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt geben und die bisherige Rechtsprechungspraxis habe ändern wollen.
(C)
Der 1. Strafsenat hat sich dem angeschlossen und für durch das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern erzielte Ersparnisse ausgeführt, diese würden mangels Gegenständlichkeit nicht von § 73b Abs. 2 StGB erfasst und könnten damit nicht im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden (BGH, Beschluss vom 22. August 2022 – 1 StR 187/22). Zur Begründung zitiert er in dieser Entscheidung jene eigene vom 19.05.2022 (1 StR 405/21), in der zwar nicht dieser Grundsatz, wohl aber die Auffassung vertreten wurde, ersparte Aufwendungen verbrauchten sich als nicht gegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 22.08.2022 (1 StR 187/22) hat der 1. Strafsenat am 17.11.2022 neuerlich die Auffassung vertreten (1 StR 323/22), § 73b Abs. 2 StGB sei der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der geldwerte Vorteil in Form einer Ersparnis mangels Gegenständlichkeit, einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden könne, auch nicht im Anwendungsbereich der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB.
Nach Ansicht des ersten Senats des Bundesgerichtshofs ist dann, wenn das originär Erlangte in ersparten Aufwendungen besteht, im Ergebnis niemals oder jedenfalls nur selten davon auszugehen, dass verschobene Vermögensvorteile Wertersatz für die ersparten Aufwendungen darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 1 StR 529/19, juris Rn. 13). Dies hat der Bundesgerichtshof sogar für einen Fall entschieden, in dem die Täterin einer Umsatzsteuerhinterziehung von den Firmenkonten fortlaufend erhebliche Beträge in bar für sich abheben ließ, die in ihrer Höhe den Umsatzsteuerersparnissen der betroffenen Gesellschaften entsprachen (BGH a.a.O. Rn. 6). Zur Begründung weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass sich Kontoguthaben aus mannigfaltigen Geldzu- und -abflüssen zusammensetzten, nicht nur aus den die [Umsatz]steuerbeträge betreffenden Zahlungsvorgängen. Die sich nur allgemein im Vermögen niederschlagende Steuerersparnis dürfe nicht mit dem Fall einer etwa durch Betrug oder Vorteilsannahme oder zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzug erlangten und als solche identifizierbaren Gutschrift verwechselt werden (BGH a.a.O. Rn. 12 ff).
(D)
Das Schrifttum schloss sich diesem Grundsatz an: § 73b Abs. 2 StGB gelte vergleichbar mit § 73a StGB nur für erlangte Gegenstände und damit nicht auch für ersparte Aufwendungen. Nicht-Gegenständliches könne nicht gegenständlich eingezogen werden (vgl. Bittmann, NZWiSt 2021, 464 (470)). Im Ergebnis vertreten dieses auch Michael Lindemann/Jan Bauerkamp in Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2022, § 73b Rn. 21, wenn sie ausführen, soweit die Frage der Einziehung des Wertersatzes Konstellationen betreffe, in denen nicht das originär Erlangte vom Täter oder Teilnehmer auf den Drittbegünstigten verschoben werde, sondern ein dementsprechender Wert, greife § 73b Abs. 2 StGB. Eine Herleitung dieser Möglichkeit aus § 73b Abs. 1 StGB sei demnach weder notwendig noch vom Gesetzgeber intendiert. Hiernach solle ein unter den Voraussetzungen von Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder 2 des § 73b StGB erlangter Gegenstand beim Drittbegünstigten abgeschöpft werden können, wenn er dem originär Erlangten entspreche; zusätzlich bestehe die Möglichkeit der Abschöpfung von Nutzungen.
(E)
Das OLG Frankfurt vertrat in seiner Entscheidung vom 28.10.2021 hingegen (3 Ws 506/21): Auch wenn aus einer Straftat unmittelbar nur Ersparnisse (etwa von Steuern oder Sozialversicherungsabgaben) erlangt worden seien, könne der aus diesen Ersparnissen resultierende Vermögensvorteil Gegenstand einer Vermögensverschiebung i.S.d. § 73b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB sein und deshalb unter Umständen bei einem Dritten eingezogen werden. Das folge jedenfalls aus § 73b Abs. 2 StGB. Die Anwendung der Vorschrift setze allerdings einen Bereicherungszusammenhang voraus. Der im Zuge der Verschiebung überwiesene Geldbetrag sei zumindest als „Gegenstand“ i.S.d. § 73b Abs. 2 StGB einzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspreche. Dieser Ansicht folgen auch Teile der Literatur, wie beispielsweise Rettke (WiStra 2023, 290), wonach § 73b Abs. 2 StGB keine Ansatzpunkte für Einschränkungen biete. Wie sich aus dem Wortlaut „der dem Wert des Erlangten entspricht“ ergebe, komme jedes Etwas als vor der Übertragung Erlangtes im Sinne des § 73b Abs. 2 StGB in Betracht, mithin auch ersparte Aufwendungen.
cc) Die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes unterliegt § 73b Abs. 2 StGB. Weil Ersparnisse dort allerdings nicht erfasst werden, können sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden. Den zitierten Entscheidungen des 3. und 1. Strafsenates (3 StR 518/19; 1 StR 187/22 und 1 StR 323/22) ist zu folgen.
Die von der Staatsanwaltschaft in der Verfügung vom [ ] ausgeführten Erwägungen vermögen daher für die hier zu entscheidende Konstellation nicht zu überzeugen. Dass in sogenannten „Verschiebungsfällen“ grundsätzlich auch die Einziehung des Wertes des Erlangten in Betracht kommt, ist dabei nicht zu verkennen. Jedoch handelt es sich vorliegend um die Konstellation der ersparten Aufwendungen, welche – wie bereits dargestellt – schon begrifflich nicht unter § 73b Abs. 2 StGB zu fassen ist. Eine andere Ansicht lässt sich weder dem von der Staatsanwaltschaft zitierten Urteilen des Bundesgerichtshofs noch der Bundestagsdrucksache im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses entnehmen. Der Entscheidung des OLG Frankfurt kann nicht gefolgt werden. Ferner gilt betreffend die Umsetzung des Ziels der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung aufgrund der RL 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union das folgende:
Zutreffend ist, dass Art. 6 der RICHTLINIE 2014/42/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Erträge oder andere Vermögensgegenstände eingezogen werden können, deren Wert den Erträgen entspricht, die von einer verdächtigten oder beschuldigten Person direkt oder indirekt an Dritte übertragen wurden oder die durch Dritte von einer verdächtigten oder beschuldigten Person erworben wurden, zumindest wenn diese Dritten aufgrund konkreter Tatsachen und Umstände – unter anderem dass die Übertragung oder der Erwerb unentgeltlich oder deutlich unter dem Marktwert erfolgte – wussten oder hätten wissen müssen, dass mit der Übertragung oder dem Erwerb die Einziehung vermieden werden sollte.“
Unter „Erträge“ fällt dabei nach Art. 2 Nr. 1 der vorbezeichneten Richtlinie jeder wirtschaftlicher Vorteil, der direkt oder indirekt durch eine Straftat erlangt wird, wobei dieser Vorteil aus Vermögensgegenständen aller Art bestehen kann und eine spätere Reinvestition oder Umwandlung direkter Erträge sowie geldwerte Vorteile einschließt.
Die durch den Gesetzgeber geschaffene Rechtslage für die Verschiebung bzw. Weiterreichung eines Wertersatzes und Umsetzung der vorbezeichneten Richtlinie ist möglicherweise missglückt, aber insoweit eindeutig: Die Wertersatz-(dritt-)einziehung regelt § 73b Abs. 2 StGB. Der Wortlaut zeigt zunächst, dass diese nicht von § 73b Abs. 1 StGB umfasst sein kann: Es heißt dort „Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist“. § 73 StGB allerdings erfasst nur das unmittelbar erlangte „Etwas“ in Abs. 1, die Nutzungen in Abs. 2 und die Surrogate in Abs. 3. Die Einziehung von Wertersatz ist nicht dort, sondern in § 73c StGB geregelt. § 73a StGB regelt die erweiterte Einziehung von Taterträgen. Der Wortlaut des § 73b Abs. 2 StGB zeigt, dass der Gesetzgeber – entsprechend der vom 3. Strafsenat (3 StR 518/19) zutreffend zitierten Gesetzesbegründung – die Wertersatz-(dritt-)-einziehung in dieser Vorschrift (und nicht über § 73c Satz 1 StGB) regeln wollte: Es heißt in § 73b Abs. 2 StGB: „Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht (…)“. Eine ähnliche Formulierung enthält § 73c Satz 1 StGB für den Wertersatz: „(…) Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht“. Während § 73 StGB keine Regelung für die Einziehung eines „Etwas, das dem Wert des Erlangten entspricht“ trifft und daher die Vorschrift des § 73c StGB zur Ergänzung notwendig macht, ist in § 73 b Abs. 2 StGB ausdrücklich eine Regelung für Gegenstände getroffen, die dem Wert des Erlangten entsprechen. Demnach bedarf es bei der Wertersatz-(dritt-)einziehung über § 73b Abs. 2 StGB eines „Gegenstandes“. Dieser Begriff kann aber nicht anders ausgelegt werden als in anderen Vorschriften der §§ 73 ff. StGB, die ihn verwenden. Gegenstände sind aber Sachen und Rechte, nicht aber ersparte Aufwendungen wie die infolge der Nichtabgabe der geforderten Erklärung ersparten Steuern (vgl. MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Auflage 2020, StGB § 73a Rn. 19 m.w.N.). Wenn aber die Wertersatz-(dritt-)einziehung in § 73b Abs. 2 StGB und nicht in § 73c StGB geregelt sein soll, dort aber nur „Gegenstände“ erfasst sind, unter die ersparte Aufwendungen nicht fallen, können diese auch nicht unter den Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 StGB bei Dritten eingezogen werden. Der Gesetzgeber hätte die Möglichkeit gehabt, für die Wertersatz-(dritt-)einziehung ausdrücklich § 73c Satz 1 StGB in Bezug zu nehmen oder aber eine ähnliche Regelung wie § 73c Satz 1 StGB („wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich“) auch in § 73b Abs. 2 StGB zu treffen. Dieses ist jedoch unterblieben. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will (vgl. statt vieler BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 28.7.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14). Der Gesamtzusammenhang lässt aber erkennen, dass er Wertersatz-(dritt-)einziehung ersparter Aufwendungen nicht wollte, andernfalls er die entsprechende Regelung getroffen hätte.
Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung bzw. Interpretation des § 73b StGB rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise: Art. 6 bezieht sich auf Erträge, Art. 2 Nr. 1 spricht in diesem Zusammenhang von „Vermögensgegenständen aller Art“. § 73b Abs. 2 StGB spricht damit korrespondierend von einem „Gegenstand“. Ersparnissen fehlt es aber – wie dargelegt – an der Gegenständlichkeit.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.