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Strafaussetzung zur Bewährung – Widerruf

LG Kaiserslautern, Az.: 5 Qs 101/14, Beschluss vom 26.01.2015

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 04.09.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rockenhausen vom 02.09.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Der Beschwerdeführer wurde am 3.12.2013 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. U.a. hatte er dem Vermieter seiner Lebensgefährtin in E. ins Gesicht getreten. Das Amtsgericht unterstellte den Verurteilten einem Bewährungshelfer und legte ihm u.a. auf, „nach Entlassung aus dem Strafvollzug insgesamt 250 Stunden gemeinnütziger unentgeltlicher Arbeit nach näherer Weisung des Bewährungshelfers abzuleisten“.

Dem kam der Verurteilte nur einen Tag lang nach, weshalb ein Bewährungswiderruf erfolgte, gegen den sich die sofortige Beschwerde richtet.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg:

1. Ein Bewährungswiderruf nach § 56f Abs.1 Nr. 3 StGB ist nur zulässig, wenn die Auflagen, gegen die der Verurteilte gröblich oder beharrlich verstoßen haben muss, gerichtlich hinreichend bestimmt festgesetzt waren. In dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts vom 03.12.2013 wird hingegen – was der Verteidiger zutreffend rügt – dem Verurteilten auferlegt, „insgesamt 250 Stunden gemeinnützige Arbeit nach näherer Weisung des Bewährungshelfers abzuleisten“.

Diese angeordnete Arbeitsauflage entsprach nicht dem Bestimmtheitsgebot, dies mit der Folge, dass Verstöße dagegen keinen Widerruf der Bewährung rechtfertigen (vgl. m.w.N. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2.7.1996 – Az. 3 Ws 552/96; zitiert nach juris mit Fundstellenhinweis u.a. NStZ-RR 1997, 2; OLG Köln, Beschluss vom 2.11.2010, juris; Fischer 61. Aufl. 2014, StGB § 56b Rn. 8; Schönke/Schröder/Kinzig/Stree, 29.Auflage 2014, StGB § 56b Rn. 14).

Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss vom 24.09.2011, Az.: 2 BvR 1165/11 (abgedruckt u.a. StV 2012, 481 ff.), hierzu ausdrücklich aus:

„Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorschriften kommt insbesondere dem Bestimmtheitsgebot freiheitsgewährleistende Funktion zu (…). Auflagen nach § 56b StGB und Weisungen nach § 56c Abs. 1 StGB müssen gemäß Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Danach hat das Gericht und nicht erst der Bewährungshelfer die Vorgaben so bestimmt zu formulieren, dass Verstöße einwandfrei festgestellt werden können und der Verurteilte unmissverständlich weiß, wann er einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB zu erwarten hat (…). Nur dem Richter hat der Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt, dem Verurteilten besondere Pflichten aufzuerlegen (§ 56c StGB). Mangels einer gesetzlichen Ermächtigung dürfen Bewährungshelfer schon nach dem Strafrecht (§ 56d Abs. 3 StGB) dem Verurteilten gegenüber keine selbständigen Anordnungen treffen (…). Das Bestimmtheitsgebot kann allerdings nicht bedeuten, dass die Weisung bis ins Letzte präzisiert sein muss. Da dem Bewährungshelfer nach § 56d Abs. 3 Satz 2 StGB die Aufgabe zukommt, die Erfüllung der Weisungen zu überwachen, kann es sinnvoll sein, von ihm gewisse Einzelheiten der Mitwirkung des Verurteilten an Kontrollmaßnahmen festlegen zu lassen. Der Gesetzgeber hat aber seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie das nach der Eigenart der zu ordnenden Sachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Gleiches muss auch für die Bestimmtheit der vom Richter zu erteilenden Bewährungsweisung gelten. Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die von der Regelung Betroffenen zu berücksichtigen (…). Danach können gewisse Konkretisierungen der Verhaltensmaßgaben eines Bewährungsbeschlusses dem Bewährungshelfer überlassen werden, soweit eine Konkretisierung unmittelbar durch gerichtlichen Bewährungsbeschluss – beispielsweise im Hinblick auf organisatorische oder durch Interessen des Verurteilten bedingte Flexibilitätserfordernisse – nicht sinnvoll praktikabel ist. Dies kann auch Festlegungen zur Bestimmung der Zeitpunkte betreffen, zu denen bestimmte Leistungen zu erbringen sind, ohne dass darin eine Übertragung des gesetzlich dem Gericht vorbehaltenen Weisungsrechts zu sehen wäre (…). Dies ändert aber nichts daran, dass ein Bewährungswiderruf nur in Betracht kommt, wenn dem Verurteilten zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, was genau von ihm erwartet wird und wann er einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB zu erwarten hat.“

Diesen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts wird der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts vom 03.12.2013 nicht gerecht. Dort wird weder die genaue Arbeitsstelle noch der Zeitraum zur Ableistung der gemeinnützigen Arbeit benannt. Der Verurteilte kann dem Beschluss somit nicht hinreichend sicher entnehmen, was von ihm verlangt wird und wann er mit einem Widerruf der Bewährung zu rechnen hat.

Die in der gerichtlichen Praxis verbreitete Übung, nur die Anzahl von Arbeitsstunden zu bestimmen und die Auswahl der Arbeitsstelle sowie den zeitlichen Ablauf (Anzahl der Wochenstunden sowie Wochenarbeitstage mit Beginn und Ende) dem Bewährungshelfer zu überlassen, wird daher zukünftig keinen Bestand haben.

Der Kammer ist bekannt, wie schwer es ist, geeignete Arbeitsstellen für verurteilte Straftäter zu finden. Gemeinnützige Einrichtungen stehen insbesondere bei Gewalttätern wie dem Beschwerdeführer häufig einer Zuweisung skeptisch bis ablehnend gegenüber. Bei öffentlichen Einrichtungen – wie hier der Wohnortgemeinde – ist eine Beaufsichtigung der Probanden mit erheblichem Aufwand verbunden und können vielfältige Gründe angeführt werden, warum man lieber andere Kräfte als strafrechtlich verurteilte Einwohner zur Arbeit einsetzt.

Art, Anfang und Ablauf der Arbeitsleistung muss – wenn eine Arbeitsstelle überhaupt gefunden werden kann – den örtlichen Gegebenheiten und der Eignung des Verurteilten angepasst werden, was ein Bewährungshelfer viel effektiver als ein Richter kann. Über den Bewährungshelfer kann der Verurteilte in die Auswahl der Arbeitsstelle und die Gestaltung der Arbeit auch besser einbezogen werden.

Gleichwohl ist § 56d Abs. 3 S. 2 StGB insoweit für die Übertragung keine ausreichende Rechtsgrundlage, da der Bewährungshelfer nur die Erfüllung der Auflagen überwachen soll. Der mit der Auswahl von Arbeitsstellen verbundene Mehraufwand für die Tatgerichte ist in Beachtung der dargestellten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinzunehmen. Die sich für die Verurteilten ergebenen Erschwernisse durch direkte Kommunikation mit Gericht und möglichem Arbeitsleistungsempfänger sind nach Möglichkeit auszugleichen.

2. Beschlüsse wie der angefochtene Bewährungsbeschluss vom 3.12.2013 werden daher keinen Bewährungswiderruf rechtfertigen. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht jedoch seinen ungenügenden Bewährungsbeschluss im Laufe des Bewährungs- und Widerrufsverfahrens nachträglich ausreichend konkretisiert. Eine solche nachträgliche Konkretisierung (OLG Hamm, Beschluss vom 6.1.2004 – 3Ss 512/03 abgedruckt StV 2004, 657 f.) genügt dem Rechtsstaatsprinzip und dem Richtervorbehalt (BVerfG aaO Rn 18 f.).

Die Amtsrichterin hat mit Verfügung vom 5.6.2014 dem Verurteilten aufgegeben, „sofort die Ableistung der Arbeitsstunden aufzunehmen.“ Sie hat sich dabei auch die Auswahl des Arbeitsleistungsempfängers Ortsgemeinde U. (vgl. Bericht des Bewährungshelfers vom 13.5.2014; Bl. 13 d.A.) zu eigen gemacht. Dies genügt den Anforderungen an eine gerichtliche Bestimmung von Arbeitszeit und Arbeitsort gerade noch, zumal der Verurteilte keine Alternativen zu der im Hinblick auf die Ortsnähe in seinem Interesse (er hat keinen Führerschein und der Wohnort ist an den öffentlichen Nahverkehr schlecht angebunden)  getroffenen Bestimmung vorgebracht hat.

3. Dem Beschwerdeangriff, die richterliche Abmahnung vom 5.6.2014 sei dem Verurteilten „zu spät zugegangen“, bleibt der Erfolg versagt. Zum einen oblag es dem Beschwerdeführer, seine Entlassung aus der Strafhaft dem Gericht mitzuteilen (vgl. Ziffer 4. des Bewährungsbeschlusses). Zum anderen wurde ihm das Schreiben ausweislich Bl. 16 d.A. am 20.6.2014 (nochmals) an den Wohnort übersandt und war am 5.8.2014 Gegenstand der Beratung durch den Bewährungshelfer.

4. Eine Anrechnung erbrachter Arbeitsstunden auf die nun zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe ist unter Beachtung von § 56f Abs. 3 S. 2 StGB nicht geboten. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Bericht des Bewährungshelfers vom 9.9.2014 (Bl. 41 d.A.) hat der Verurteilte nur einen einzigen Tag gearbeitet. Diese Leistung ist so wenig nachhaltig und erst auf massiven Druck des Bewährungshelfers erfolgt, dass sie dem Verurteilten nicht im Sinne eines Zeichens der Läuterung gut gebracht werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S.1, 2.Alt. StPO.

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