LG Saarbrücken – Az.: 2 Qs 11/11
Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 04.01.2011 (Az.: 6 BRs 79/08 = 40 VRs 09 Js 1894/06) aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Am 24.04.2008 verurteilte das Amtsgericht Saarlouis die Beschwerdeführerin wegen Untreue in 48 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Der Beschluss nach § 268 a StPO (Bl. 7 d. A.) lautet:
„1. Die Bewährungszeit beträgt 3½ Jahre.“
2. Die Angeklagte hat sich straffrei zu führen.
3.
4. Die Angeklagte hat 100 Std. gemeinnützig nach Weisung ihres Bewährungshelfers zu arbeiten.
5. Die Angeklagte wird unter Bewährungsaufsicht gestellt.
6. Innerhalb der Bewährungszeit hat die Angeklagte jeden Wohnungswechsel unter Angabe des Aktenzeichens des gegen sie ergangenen Urteils dem Amtsgericht in Saarlouis mitzuteilen.
7. Rechtfertigt die Angeklagte das in sie gesetzte Vertrauen nicht, handelt sie insbesondere den Bewährungsauflagen zuwider, so hat sie den Widerruf der Aussetzung zu erwarten.“
Die Arbeitsauflage hat die Beschwerdeführerin bislang nicht erfüllt. Der Kontakt zu ihrem Bewährungshelfer ist ausweislich des Bewährungshelferberichtes vom 20.11.2010 mittlerweile vollständig abgebrochen.
Das Amtsgericht Saarlouis bestimmte gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO für den 21.12.2010 einen Anhörungstermin, welchem die Beschwerdeführerin ohne Angaben von Gründen fernblieb.
Mit Beschluss vom 04.01.2011 (Bl. 21f. d. A.), der Beschwerdeführerin zugestellt am 03.05.2011 (Bl. 34 d. A.), widerrief das Amtsgericht Saarlouis die gewährte Strafaus-setzung. Als Begründung führt das Amtsgericht aus, die Verurteilte habe „seit dem 24.04.2008 keine gemeinnützige Arbeitsleistungen erbracht und auch nicht dargetan, dass es ihr aufgrund ihrer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich war, die Auflage(n) zu erfüllen“. Sie habe daher „gröblich und beharrlich“ gegen die erteilte Auflage verstoßen.
Ferner habe sie „seit Oktober 2009 keinen Kontakt zum Bewährungshelfer gehalten“. Sie habe „sich somit der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe beharrlich entzogen und dadurch Anlass zur Besorgnis gegeben, dass [Sie] erneut Straftaten begehen wird.“
Mit Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Saarlouis hat die Beschwerdeführerin am 03.05.2011 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt (Bl. 36 d. A.).
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat mit Verfügung vom 19.05.2011 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 311 StPO zulässig und in der Sache auch begründet. Denn derzeit besteht kein ausreichender Widerrufsgrund.
1.
Ein Widerruf wegen des vom Amtsgericht angenommenen gröblichen und beharrlichen Auflagenverstoßes (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Ziffer 3 StGB) scheidet gegenwärtig aus.
a) Die Kammer lässt hierbei offen, ob die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitsauflage dem Bewährungshelfer überlassen werden darf, da diese Übertragung mit dem verfassungs-rechtlichen Bestimmtheitsgebot kollidiert (so die ganz h.M., OLG Dresden, StV 2009, 531; OLG Braunschweig, StV 2007, 257; OLG Köln, Beschluss vom 02.11.2010, 2 Ws 704 / 10, zitiert nach juris, dort Rn. 5; LG Zweibrücken, VRS 119, 121; KG Berlin, Beschluss vom 13.04.2005, 5 Ws 157 / 05, zitiert nach juris, dort Rn. 6; OLG Hamm (3. Senat), Beschluss vom 06.01.2004, 3 Ss 512 / 03, zitiert nach juris, dort Rn. 30; OLG Frankfurt am Main, NStZ – RR 1997, 2, 3; OLG Schleswig, Beschluss vom 09.04.1986, 1 Ws 141 / 86, zitiert nach juris, dort Rn. 6; Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 56 b Rn. 8; Stree / Kinzig in Schönke – Schröder, StGB, 28. Auflage 2010, § 56 b Rn. 14 m.w.N; Groß in Münchener Kommentar zum StGB, § 56 b Rn. 24; a.A. OLG Hamm (2. Senat), NStZ 1998, 56; Hubrach in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2008, § 56 b Rn. 19).
b) Der Widerruf wegen eines Auflagenverstoßes kommt jedenfalls deshalb derzeit nicht in Betracht, da das Gericht keine Frist zur Erfüllung der Arbeitsauflage bestimmt hat und die Bewährungszeit gegenwärtig noch fortdauert.
Bewährungsauflagen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein. Eine Verurteilte muss dem Beschluss unmissverständlich entnehmen können, unter welchen Umständen der Widerruf der Strafaussetzung und der damit einhergehende empfindliche Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 des Grundgesetzes droht (OLG Braunschweig, StV 2007, 257, 258 m.w.N.; OLG Dresden, StV 2009, 531). Das Gericht darf sich hierbei nicht darauf beschränken, nur den Umfang zu erbringender gemeinnütziger Leistungen zu beziffern. Vielmehr muss in dem Auflagenbeschluss auch die Zeit bestimmt sein, innerhalb derer die Arbeitsauflage zu erfüllen ist (OLG Köln, a.a.O; OLG Hamm (3. Senat), a.a.O.; Hubrach in Leipziger Kommentar zum StGB, a.a.O).
Wird aber – wie vorliegend – eine Frist, innerhalb derer die angeordnete Auflage zu erfüllen ist, in dem Auflagenbeschluss nicht vorgegeben, so gilt als Erfüllungsfrist die Dauer der Bewährungszeit (KG Berlin, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Diese läuft jedoch erst am 23.10.2011 ab.
2.
Aber auch ein Widerruf nach § 56 f Abs. 1 Ziffer 2 StGB scheidet derzeit aus.
Der Widerruf nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass sich die Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begeht.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin, die offenkundig nicht an einer Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe interessiert ist und sich damit beharrlich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers entzieht, rechtfertigt bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift allein den Widerruf nicht. Auch indiziert der Verstoß nicht ohne weiteres die Besorgnis der Begehung neuer Straftaten (Stree / Kinzig in Schönke – Schröder, StGB, 28. Auflage 2010, § 56 f Rn. 7 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2001, 4 Ws 315 / 01, zitiert nach juris, dort Rn. 7).
Der Bewährungswiderruf nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Ziffer 2 StGB ist keine Strafe für den Weisungsverstoß, sondern das Ergebnis einer erneut anzustellenden, negativ ausfallenden Kriminalprognose (BVerfG NStZ – RR 2007, 338, 339). Maßgebend ist hierbei, ob unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Weisungsverstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit der Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht (BVerfG, NStZ – RR 2007, 338; OLG Nürnberg, StV 2010, 314).
Das bisherige Sich – Entziehen und auch die übrigen Umstände lassen nicht ohne weiteres derart zuverlässige Rückschlüsse auf eine negative kriminelle Prognose zu. Das Amtsgericht hat keine konkreten und objektivierbaren Anhaltspunkte genannt, aus welchen sich die Gefahr der erneuten Straffälligkeit ergeben. In dem Widerrufsbeschluss wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt.
Die Gefahr der erneuten Straftatenbegehung drängt sich hier auch nicht auf. Ermittlungen der Kammer bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken haben ergeben, dass dort zwar Verfahren gegen die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich geführt, diese jedoch – mit Ausnahme eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen das Schulpflichtgesetz (22 Js 555 / 10) – eingestellt wurden. Ein nach Mitteilung der PI Dillingen bei der PBI Homburg anhängiges Verfahren wegen „Tankbetruges“ (Bl. 35 d. A.) ist bei der Staatsanwaltschaft noch nicht registriert.
Es bestehen demnach auch keine Anhaltspunkte für eine derart kriminelle Neigung der Beschwerdeführerin zur gewohnheitsmäßigen Begehung von Straftaten, so dass allein der Weisungsverstoß bereits die Besorgnis der erneuten Straftatenbegehung rechtfertigen könnte.
III.
Für das weitere Verfahren weist die Kammer darauf hin, dass es dem Amtsgericht Saarlouis unbenommen bleibt, die Arbeitsauflage nach § 56 e StGB nunmehr nachträglich zu konkretisieren und hierbei der Beschwerdeführerin eine Einsatzstelle und eine konkrete Ableistungsfrist zu benennen.
IV.
Da das Rechtsmittel Erfolg hat, sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin der Landeskasse aufzuerlegen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage 2010, § 473 Rn. 2).