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Wiedereinsetzungsantrag bei Verhandlungsunfähigkeit – ärztliches Attest

Angeklagte bekommt Wiedereinsetzung aufgrund ärztlichen Attests

Ein Angeklagter, der wegen akuter Erkrankung nicht zu einem Gerichtstermin erscheinen konnte, erhielt auf sofortige Beschwerde hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da das Amtsgericht seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl ohne Prüfung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung verworfen hatte. Das LG Nürnberg-Fürth entschied, dass nicht die genügende Entschuldigung, sondern die nachgewiesene Verhandlungsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest für die Wiedereinsetzung ausschlaggebend ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 Qs 3/24 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Ein ärztliches Attest, das einem Angeklagten Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt, ist für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblich.
  • Die unmittelbare Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl wegen Nichterscheinens des Angeklagten ohne Prüfung der vorgelegten Entschuldigung ist rechtswidrig.
  • Der gerichtliche Beschluss betont, dass es auf die tatsächliche Entschuldigung, nicht auf die subjektive Einschätzung des Angeklagten ankommt.
  • Ein Gericht muss bei Zweifeln an der Verhandlungsunfähigkeit aktiv Ermittlungen anstellen, statt die Entschuldigung direkt zu verwerfen.
  • Die Vorlage eines ärztlichen Attests gilt als ausreichende Entschuldigung, selbst wenn die genaue Art der Erkrankung nicht angegeben ist.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der ärztlichen Beurteilung über die Verhandlungsunfähigkeit und kritisiert die mangelnde Nachforschung des Erstgerichts.
  • Der Beschluss weist darauf hin, dass die Schweigepflicht durch die Vorlage des Attests als aufgehoben gilt, was eine Überprüfung durch das Gericht ermöglicht.
  • Das Urteil stärkt die Rechte der Angeklagten, indem es klare Anforderungen an die Berücksichtigung ärztlicher Atteste stellt.
  • Es wird betont, dass das Gericht verpflichtet ist, alle zugänglichen und notwendigen Informationen einzuholen, bevor es eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung trifft.
  • Die Rechtsprechung legt fest, dass die objektive Unmöglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung durch Krankheit eine gültige Entschuldigung darstellt.

Entschuldigung bei Verhandlungsunfähigkeit

Eine Gerichtsverhandlung kann für einen Angeklagten aus verschiedenen Gründen wie einer akuten Erkrankung unmöglich sein. In solchen Fällen ist es entscheidend, die Verhandlungsunfähigkeit überzeugend darzulegen und zu belegen. Ein ärztliches Attest spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Es muss den Nachweis erbringen, dass der Angeklagte tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen konnte. Wird dennoch gegen einen Angeklagten aufgrund des Fernbleibens ein Urteil gefällt, besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies setzt voraus, dass die Verhandlungsunfähigkeit frist- und formgerecht glaubhaft gemacht wurde.

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➜ Der Fall im Detail


Der Fall der Verhandlungsunfähigkeit und das ärztliche Attest

Im Mittelpunkt des juristischen Interesses stand jüngst ein Fall vor dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth, der die Frage der Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten und die damit verbundene Vorlage eines ärztlichen Attestes betraf. Konkret ging es um eine Angeklagte, gegen die das Amtsgericht Nürnberg einen Strafbefehl erlassen hatte. Auf den Strafbefehl hin legte die Angeklagte Einspruch ein, konnte jedoch zum festgesetzten Termin der Hauptverhandlung am 19.12.2023 aufgrund einer akut aufgetretenen Erkrankung, wie ein ärztliches Attest vom Vortag belegte, nicht erscheinen. Das Amtsgericht verwarf daraufhin den Einspruch der Angeklagten ohne weitere Untersuchung ihrer Verhandlungsunfähigkeit, was die Angeklagte dazu veranlasste, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Dieser Antrag wurde zunächst als unzulässig verworfen, da die versäumte Handlung nicht fristgerecht nachgeholt wurde und die erforderliche Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes angeblich fehlte.

Die rechtliche Auseinandersetzung um den Wiedereinsetzungsantrag

Die Angeklagte legte gegen die Verwerfung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung sofortige Beschwerde ein, was die Kernfrage aufwarf, unter welchen Bedingungen ein ärztliches Attest ausreicht, um eine Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts war rechtlich zulässig und wurde vom LG Nürnberg-Fürth inhaltlich als begründet angesehen. Das LG stellte klar, dass im Falle des Nichterscheinens eines Angeklagten aufgrund von Krankheit das Vorliegen eines ärztlichen Attests in der Regel als ausreichende Entschuldigung zu betrachten ist. Dabei betonte das Gericht, dass nicht die subjektive Einschätzung der Entschuldigung durch den Angeklagten, sondern die objektive Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit entscheidend sei.

Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth

Das LG Nürnberg-Fürth gewährte der Angeklagten aufgrund der vorgelegten Beweise, insbesondere des ärztlichen Attestes, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Gericht führte aus, dass die Bewertung der Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten nicht allein vom Amtsgericht aufgrund einer fehlenden Diagnose im Attest negiert werden könne. Vielmehr sei die Einschätzung des behandelnden Arztes, der die Verhandlungsunfähigkeit explizit bescheinigte, maßgeblich. Zudem wurde kritisiert, dass das Amtsgericht keine weiteren Ermittlungen zur Überprüfung der Verhandlungsunfähigkeit angestellt hatte, obwohl es durch das Attest leicht möglich gewesen wäre, zusätzliche Informationen einzuholen.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für Gerichte, ärztliche Atteste ernst zu nehmen und im Zweifelsfall eigene Nachforschungen anzustellen, bevor ein Einspruch wegen Nichterscheinens verworfen wird. Besonders hervorgehoben wurde, dass das Gericht verpflichtet ist, bei vorhandenen Zweifeln an der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten, diese Zweifel aktiv zu klären. Das LG Nürnberg-Fürth machte deutlich, dass eine ausreichende Entschuldigung durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht werden kann, selbst wenn die Art der Erkrankung darin nicht spezifiziert ist.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

Abschließend manifestiert die Entscheidung die wesentliche Rolle, die ärztliche Atteste im juristischen Prozess spielen, insbesondere im Kontext der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlungsunfähigkeit. Sie betont die Verantwortung der Justiz, individuelle Umstände und Beweislagen genau zu prüfen und dabei auch medizinische Einschätzungen gebührend zu berücksichtigen. Diese richtungsweisende Entscheidung festigt das Recht von Angeklagten auf eine faire Verhandlung, auch und gerade wenn gesundheitliche Probleme ein Erscheinen vor Gericht unmöglich machen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter Verhandlungsunfähigkeit?

Verhandlungsunfähigkeit ist ein Begriff aus dem Rechtswesen, der die durch körperliche oder geistige Beeinträchtigungen bedingte Unfähigkeit einer Person beschreibt, an Verhandlungen teilzunehmen oder diese zu führen. Im rechtlichen Kontext, insbesondere im Strafprozessrecht, bezieht sich Verhandlungsunfähigkeit auf die Unfähigkeit eines Angeklagten, seine Interessen im Rahmen einer Gerichtsverhandlung vernünftig wahrzunehmen und zu vertreten. Dies kann aufgrund verschiedener schwerwiegender gesundheitlicher Probleme der Fall sein, wie beispielsweise akute psychische Störungen, schwere körperliche Erkrankungen oder Zustände, die die kognitive Fähigkeit stark einschränken.

Die Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit hat bedeutende rechtliche Konsequenzen. Sie kann zur vorübergehenden oder endgültigen Einstellung eines gerichtlichen Verfahrens führen, wenn festgestellt wird, dass der Angeklagte aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht in der Lage ist, am Prozess teilzunehmen oder diesen zu verstehen. Ein Gerichtsmediziner oder ein behandelnder Arzt kann die Verhandlungsunfähigkeit attestieren, jedoch ist es letztendlich die Entscheidung des Gerichts, auf Basis des vorgelegten Attests und weiterer Beweise, über die Verhandlungsunfähigkeit und die daraus resultierenden Schritte zu urteilen.

Ärztliche Atteste, die zur Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit vorgelegt werden, müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Sie müssen nicht nur die Art der Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit des Betroffenen detailliert beschreiben, sondern auch die voraussichtliche Dauer der Verhandlungsunfähigkeit angeben. Unzureichende oder allgemein gehaltene Atteste können vom Gericht abgelehnt werden, da sie nicht genügend Beweise für eine tatsächliche Verhandlungsunfähigkeit liefern.

In einigen Fällen kann die Verhandlungsunfähigkeit auch strategisch von Angeklagten genutzt werden, um eine Verzögerung des Verfahrens zu erreichen. Daher ist eine sorgfältige Prüfung durch das Gericht erforderlich, um sicherzustellen, dass die beanspruchte Verhandlungsunfähigkeit legitim ist und nicht missbräuchlich eingesetzt wird, um sich den rechtlichen Konsequenzen zu entziehen.

Wann ist ein ärztliches Attest für einen Wiedereinsetzungsantrag erforderlich?

Ein ärztliches Attest ist für einen Wiedereinsetzungsantrag erforderlich, wenn ein Angeklagter, Zeuge oder eine andere am Gerichtsverfahren beteiligte Person aus Krankheitsgründen nicht an einem Gerichtstermin teilnehmen kann. Dieses Attest dient als Nachweis der krankheitsbedingten Verhandlungsunfähigkeit und ist entscheidend, um rechtliche Nachteile zu vermeiden, die aus der Nichtteilnahme am Gerichtstermin resultieren könnten. Solche Nachteile können je nach Rolle im Verfahren von der Anordnung eines Zwangsgeldes bis zur Verurteilung in Abwesenheit reichen.

Das ärztliche Attest muss spezifische Informationen enthalten, um vom Gericht als gültiger Nachweis der Verhandlungsunfähigkeit anerkannt zu werden. Es muss klarstellen, dass es zur Vorlage bei Gericht bestimmt ist, aus welchem Grund der Patient verhandlungsunfähig ist (Art der Erkrankung und deren Auswirkungen) und wie lange die etwaige Verhandlungsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Ein einfaches Attest, das lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, ohne die spezifischen Auswirkungen der Erkrankung auf die Fähigkeit zur Teilnahme am Gerichtsverfahren zu erläutern, ist nicht ausreichend.

Die Entscheidung, ob ein Attest die Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft macht, liegt letztendlich beim Gericht. Das Gericht prüft das vorgelegte Attest und entscheidet auf dieser Grundlage, ob die betreffende Person tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht am Gerichtstermin teilnehmen konnte. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht der Arzt, sondern das Gericht anhand des Attestes entscheidet, ob die betreffende Person in der Lage ist, den Gerichtstermin wahrzunehmen.

Wie wird ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt?

Um einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, müssen bestimmte prozessuale Schritte und formale Anforderungen beachtet werden. Dieses Verfahren ermöglicht es einer Partei, die aufgrund von Verhandlungsunfähigkeit oder anderen unverschuldeten Gründen eine Frist versäumt hat, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, sodass sie so gestellt wird, als hätte sie die Frist nicht versäumt. Die folgenden Schritte skizzieren das allgemeine Verfahren für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags:

  • Antragsfrist beachten: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss innerhalb einer bestimmten Frist gestellt werden. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 StPO ist der Antrag binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Diese Frist beginnt, sobald das Hindernis, das die fristgerechte Handlung verhindert hat, nicht mehr besteht.
  • Form des Antrags: Der Antrag kann schriftlich beim zuständigen Gericht eingereicht werden. In einigen Fällen kann der Antrag auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts gegeben werden. Es ist ratsam, den Antrag detailliert zu begründen und alle relevanten Informationen und Beweise beizufügen.
  • Begründung und Glaubhaftmachung: Im Antrag muss dargelegt werden, warum die Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Zudem müssen die Gründe für die Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden. Dies kann durch Vorlage von Beweismitteln wie ärztlichen Attesten, Reiseunterlagen oder Zeugenaussagen erfolgen.
  • Nachholung der versäumten Handlung: Neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung muss die versäumte Handlung, wie beispielsweise die Einlegung eines Rechtsmittels, nachgeholt werden. Dies sollte idealerweise zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag erfolgen.
  • Entscheidung des Gerichts: Nach Eingang des Antrags prüft das Gericht die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung. Das Gericht bewertet, ob die Partei ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war und ob der Antrag frist- und formgerecht gestellt wurde. Anschließend trifft das Gericht eine Entscheidung über den Antrag.

Es ist wichtig, dass der Antragsteller die spezifischen Anforderungen und Fristen des jeweiligen Rechtsgebiets beachtet, da diese je nach Gerichtsbarkeit (z.B. Zivil-, Straf- oder Verwaltungsrecht) variieren können. In komplexen Fällen kann es ratsam sein, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand korrekt und erfolgversprechend gestellt wird.

Welche Fristen sind bei einem Wiedereinsetzungsantrag zu beachten?

Bei einem Wiedereinsetzungsantrag sind verschiedene Fristen zu beachten, die je nach Umstand und Rechtsgebiet variieren können. Die grundlegenden Fristen, die im Allgemeinen für einen Wiedereinsetzungsantrag gelten, sind:

  • Zweiwöchige Frist: Die Wiedereinsetzung muss grundsätzlich innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, das zur Fristversäumung geführt hat, behoben ist. Der Tag, an dem das Hindernis weggefallen ist, wird dabei nicht mitgerechnet.
  • Einmonatige Frist: In bestimmten Fällen beträgt die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung einen Monat. Dies gilt insbesondere, wenn die Partei verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder der Beschwerde einzuhalten.
  • Absolute Wiedereinsetzungsfrist: Unabhängig von der spezifischen Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung gibt es eine absolute Wiedereinsetzungsfrist. Nach Ablauf eines Jahres, gerechnet vom Ende der versäumten Frist an, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Verfahren nicht unbegrenzt durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung verzögert werden können.

Es ist wichtig zu beachten, dass falls das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder einen staatlich anerkannten Feiertag (maßgeblich ist, ob dieser Feiertag am Gerichtsort gilt) fällt, die Frist erst mit dem darauffolgenden Werktag abläuft.

Die genauen Fristen und Voraussetzungen können je nach Rechtsgebiet und spezifischem Fall variieren. Daher ist es ratsam, sich im Zweifelsfall rechtlich beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Fristen eingehalten werden.

Wie kann Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht werden?

Verhandlungsunfähigkeit kann durch verschiedene Beweismittel glaubhaft gemacht werden. Ein ärztliches Attest ist zwar das gängigste und oft überzeugendste Mittel, um eine krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit nachzuweisen, aber es gibt auch andere Beweismittel, die herangezogen werden können:

  • Detaillierte ärztliche Atteste: Neben einem einfachen Attest können detaillierte medizinische Berichte und Gutachten vorgelegt werden, die die Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit ausführlich beschreiben.
  • Zeugenaussagen: Personen, die Kenntnis vom Zustand des Betroffenen haben, können als Zeugen auftreten. Dies können beispielsweise Familienangehörige, Pflegepersonal oder Arbeitskollegen sein.
  • Eigene glaubhafte Schilderung: Die betroffene Person kann ihre Situation und die Gründe für ihre Verhandlungsunfähigkeit selbst schildern, sofern sie dazu in der Lage ist. Dies kann schriftlich oder mündlich erfolgen.
  • Vorlage von Dokumenten: Medizinische Unterlagen, wie Krankenhausberichte, Rezepte oder Nachweise über erfolgte Behandlungen, können ebenfalls zur Glaubhaftmachung beitragen.
  • Sachverständigengutachten: In manchen Fällen kann das Gericht ein Sachverständigengutachten anordnen, um die Verhandlungsunfähigkeit zu überprüfen.
  • Vorherige medizinische Geschichte: Dokumentation über frühere medizinische Behandlungen oder chronische Erkrankungen kann die Glaubwürdigkeit der aktuellen Verhandlungsunfähigkeit untermauern.

Es ist wichtig, dass die vorgelegten Beweismittel überzeugend und relevant sind. Das Gericht wird die Gesamtheit der Beweise prüfen, um zu entscheiden, ob die Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht wurde. In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, dass die Beweismittel zeitnah und in Übereinstimmung mit den prozessualen Anforderungen eingereicht werden.

Was passiert, wenn ein Gericht das vorgelegte ärztliche Attest nicht anerkennt?

Wenn ein Gericht das vorgelegte ärztliche Attest als unzureichend für den Nachweis der Verhandlungsunfähigkeit erachtet, gibt es mehrere Schritte und Rechtsmittel, die der Betroffene ergreifen kann:

  • Nachbesserung und erneute Vorlage: Zunächst kann das Gericht den Betroffenen auffordern, ein detaillierteres Attest oder zusätzliche medizinische Unterlagen vorzulegen, die die Verhandlungsunfähigkeit klarer belegen. In diesem Fall sollte der Betroffene seinen Arzt um ein ausführlicheres Attest bitten, das spezifisch auf die Anforderungen des Gerichts eingeht.
  • Einholung eines Sachverständigengutachtens: Das Gericht kann auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens anordnen, um die Verhandlungsunfähigkeit zu überprüfen. Der Betroffene kann ebenfalls die Einholung eines solchen Gutachtens beantragen, wenn er der Meinung ist, dass dies seine Position stärken könnte.
  • Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts: Falls das Gericht auch nach Nachbesserung das Attest nicht anerkennt und dies zu einer für den Betroffenen nachteiligen Entscheidung führt (z.B. Ablehnung eines Wiedereinsetzungsantrags), kann der Betroffene gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Die Beschwerde muss innerhalb einer bestimmten Frist und in der vorgeschriebenen Form eingereicht werden.
  • Rechtsmittel einlegen: Abhängig von der Art der Entscheidung und dem Stadium des Verfahrens können weitere Rechtsmittel, wie Berufung oder Revision, in Betracht kommen. Diese Rechtsmittel zielen darauf ab, die Entscheidung des Gerichts von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen.
  • Rechtliche Beratung in Anspruch nehmen: In jeder Phase des Verfahrens ist es ratsam, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Ein Rechtsanwalt kann die Situation bewerten, die Erfolgsaussichten der verschiedenen Rechtsmittel einschätzen und den Betroffenen durch das weitere Verfahren begleiten.

Es ist wichtig zu beachten, dass das weitere Vorgehen von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den rechtlichen Rahmenbedingungen abhängt. Daher sollten Betroffene stets individuellen Rechtsrat einholen, um ihre Rechte und Optionen vollständig zu verstehen und wirksam zu vertreten.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 329 Abs. 1, 7 StPO (Strafprozessordnung): Regelt die Folgen des Nichterscheinens des Angeklagten im Strafprozess und die Bedingungen, unter denen ein Wiedereinsetzungsantrag wegen Verhandlungsunfähigkeit gestellt werden kann. Dies ist relevant, da es die rechtliche Grundlage für die Bewertung der Verhandlungsunfähigkeit und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bietet.
  • § 412 Satz 1 StPO: Bezieht sich spezifisch auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichterscheinen des Angeklagten. Die Norm ist zentral, da sie zusammen mit § 329 StPO die gesetzliche Grundlage für den im Text diskutierten Wiedereinsetzungsantrag bildet.
  • § 46 Abs. 3 StPO: Bestimmt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stehen. Diese Vorschrift ist wesentlich, um das Rechtsmittelverfahren zu verstehen, das der Angeklagte im beschriebenen Fall genutzt hat.
  • Rechtsbereich „Strafrecht“: Allgemeiner Rechtsbereich, zu dem der vorliegende Fall gehört. Das Verständnis des Strafrechts ist notwendig, um die Tragweite von Verhandlungsunfähigkeit, Strafbefehlen und der daraus resultierenden juristischen Verfahren zu erfassen.
  • Arztgeheimnis und dessen Aufhebung durch Vorlage des Attests: Thematisiert die rechtliche Problematik, die entsteht, wenn ein ärztliches Attest zur Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit vorgelegt wird. Dies berührt das Arztgeheimnis und dessen Aufhebung, was für das Verständnis der rechtlichen Zulässigkeit von Ermittlungen in medizinischen Fragen durch das Gericht relevant ist.
  • Prinzip der Glaubhaftmachung in der StPO: Ein übergeordnetes Prinzip, das besagt, dass bestimmte Tatsachen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens glaubhaft gemacht werden müssen, wie hier die Verhandlungsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest. Dieses Prinzip ist entscheidend für das Verständnis, warum das Attest ausreichend war, um die Wiedereinsetzung zu begründen.

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 Qs 3/24 – Beschluss vom 05.02.2024

Leitsatz:

Erscheint der Angeklagte nicht zum Termin, kommt es im Fall des § 412 Satz 1, § 329 Abs. 1, 7 StPO nicht darauf an, ob er sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist.


Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten wird ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.12.2023 – 53 Cs 213 Js 26287/23 – gewährt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Nürnberg erließ am 09.11.2023 einen Strafbefehl gegen die Angeklagte. Hiergegen legte sie fristgerecht Einspruch ein. Das Amtsgericht bestimmte Termin zur Hauptverhandlung auf den 19.12.2023 und lud die Angeklagte entsprechend. Am 18.12.2023 ging folgendes ärztliche Attest der Allgemeinärzte … beim Amtsgericht ein:

„Ärztliches Attest, Nürnberg, 18. Dezember 2023

Für Frau …

Die o.g. Patientin befindet sich in unserer Behandlung. Sie kann aufgrund einer akut auftretenden Erkrankung an der Gerichtsverhandlung am 19.12.23 nicht teilnehmen.

(Unterschrift, Stempel)“

Zum Termin am 19.12.2023 erschien die Angeklagte nicht. Der Strafrichter verwarf ohne weitere Ermittlungen zur Verhandlungsfähigkeit mit Urteil den Einspruch der Angeklagten. Das Urteil begründete er damit, die Angeklagte sei ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.

Mit Schreiben vom 28.12.2023 beantragte die Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Urteil. Mit Beschluss vom 03.01.2024 verwarf das Amtsgericht den Antrag als unzulässig. Die versäumte Handlung sei innerhalb der Frist nicht nachgeholt worden. Es fehle auch an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes.

Gegen den Beschluss wendet sich die Angeklagte mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung ist statthaft (§ 46 Abs. 3 StPO) und auch sonst zulässig erhoben.

2. Sie ist auch begründet, weil der Angeklagten Wiedereinsetzung zu gewähren war.

Gegen die Verwerfung eines Einspruchs durch Urteil im Fall des Nichterscheinens ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft (§ 412 Satz 1, § 329 Abs. 7 StPO). Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils zu stellen (§ 329 Abs. 7 Satz 1 StPO) und zu begründen, was hier geschehen ist.

Ein Wiedereinsetzungsgrund ist glaubhaft gemacht. Das Attest vom 18.12.2023 rechtfertigte das Ausbleiben der Angeklagten im Hauptverhandlungstermin. Dort wurde ihr für den 19.12.2023 ausdrücklich Verhandlungsunfähigkeit attestiert. Das reicht. Es ist nicht ersichtlich, wie das Amtsgericht bei Kenntnis einer Diagnose zu einer anderen Bewertung als der Arzt hätte gelangen wollen oder können. Die Verhandlungsunfähigkeit folgt oftmals gerade nicht allein aus der Diagnose an sich, sondern aus der Schwere des Befundes und den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls, die üblicherweise von dem untersuchenden Arzt bei Erstellung des Attests verarbeitet und bewertet werden, ohne dass dies in einem ICD-10-Code hinreichenden Ausdruck fände. Die Relevanz eines ärztlichen Attests kann nicht allein deshalb verneint werden, weil bei ärztlich ausdrücklich bescheinigter Verhandlungsunfähigkeit die Art der Erkrankung nicht angegeben ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11.05.1998 – 1 ObOWi 169/98, juris Rn. 6 ff.).

Das Amtsgericht muss, sollte es gleichwohl Zweifel an dem Attest hegen, diese Zweifel klären (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 329 Rn. 20 m.w.N.), denn es ist nicht entscheidend, ob ein Angeklagter sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist. Das Attest enthielt den Namen, die Telefonnummer und die Anschrift der behandelnden Ärzte. Das Amtsgericht hatte somit eine leicht realisierbare Möglichkeit weiterer, freibeweislicher Sachverhaltsaufklärung. Ein kurzes Telefonat hätte hier Klarheit bringen können, wäre aber auch das Mindeste gewesen, was das Amtsgericht hätte unternehmen müssen (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 03.06.2008 – 5 Ss OWi 320/08, juris Rn. 11 ff.). Hinderungsgründe gab es nicht, denn in der Vorlage des Attests lag zugleich die Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht (OLG München, Beschluss vom 27.06.2017 – 5 OLG 15 Ss 173/17, juris Rn. 16; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.01.2009 – 2 St OLG Ss 259/08, juris Rn. 12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.10.1993 – 3 Ws 154/93, juris Rn. 7 f.; LR-StPO/Bertheau/Ignor, 27. Aufl., § 53 Rn. 80).

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