LG Augsburg – Az.: 1 Qs 339/17 – Beschluss vom 12.09.2017
1. Die Verfahren 1 Qs 339/17, 1 Qs 340/17 und 1 Qs 341/17 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 28.08.2017 wird als unbegründet verworfen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Am 24. Juli 2017 ging beim Polizeipräsidium Schwaben-Nord ein datumsloses und nicht unterschriebenes handschriftlich gefertigtes Schreiben ein. Dieses lautet:
„Die Pädophilen sind überall. So ist mir bekannt, dass auch in D. die Pädophilen ihr Unwesen treiben. Besonders Herr … und sein Sohn vertreiben Kinderpornographie der übelsten Art. Der Computer ist im Keller versteckt“.
Die zuständige KPI stellte fest, dass die namentlich benannten Personen tatsächlich existierten, dass aber deren Wohnadresse falsch angegeben sei. Beide seien polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten.
Die Staatsanwaltschaft erholte Auszüge aus dem Bundeszentralregister, aus denen sich jeweils ergab, dass dort keine Eintragungen enthalten sind. Sodann beantragte sie den Erlass dreier Durchsuchungsbeschlüsse für Wohn- und Geschäftsanwesen der Beschuldigten.
Auf entsprechenden Hinweises des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts, dass ein anonymer Hinweis nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Regel nicht genügt, einen Anfangsverdacht zu begründen, beharrte die Staatsanwaltschaft auf ihrem Antrag. Dieser wurde durch Beschluss vom 21.08.2017 abgelehnt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 30.08.2017, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass der Standort eines Computers – „im Keller“ – angegeben worden sei und deshalb die Anzeige über eine pauschale anonyme Anzeige hinausgehe.
II.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der drei beantragten Durchsuchungsbeschlüsse ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Bei der vorliegenden Sachlage kann schon kein Anfangsverdacht angenommen werden.
Es gibt kein einziges, auf irgendeine Art und Weise objektivierbares Indiz, das einen Tatverdacht gegen die Beschuldigten begründen könnte.
Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 Abs. 1 GG gebietet, dass nur dann in den daraus resultierenden Schutzbereich eingegriffen werden darf, wenn hierfür konkrete tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.
Im Einklang mit der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14.07.2017, 2 BvR 274/14) bedeutet dies, dass eine anonyme Anzeige grundsätzlich nicht ausreicht einen Anfangsverdacht zu begründen.
Jegliche andere Sichtweise würde dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen. Es ist mit der Rechtsordnung und dem Wertesystem der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar, wenn allein aufgrund einer anonymen Behauptung Durchsuchungen bei bislang völlig unbescholtenen Bürgern erfolgen. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft auch die Unschuldsvermutung zu beachten.
Soweit die Staatsanwaltschaft die anonyme Anzeige rechtsirrig für nicht pauschal erachtet, weil eine Adresse angegeben wurde und als Standort eines Computers der Keller genannt wurde, verkennt sie, dass sich aus derart nichtssagenden Angaben bei objektiver Betrachtung keinerlei Erkenntnisse ergeben, die einen Verdacht begründen oder erhärten können.
Daraus, dass ein Haus einen Keller hat, lässt sich jedenfalls kein Schluss darauf ziehen, dass kinderpornographische Schriften vertrieben werden. Und die Behauptung, dort sei ein Computer, ist genauso pauschal gehalten, wie die Beschuldigung selbst. Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der anonymen Anzeige lassen sich hieraus nicht ziehen.
Anders als bei namentlich gekennzeichneten Anzeigen setzt sich ein anonymer Anzeigeerstatter nicht der Strafverfolgung wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede aus. Weder die Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters noch die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist für die Ermittlungsbehörden einschätzbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb im bereits zitierten Beschluss ausführlich und zu Recht dargelegt, dass eine anonyme Anzeige nur genügen kann, „wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wird.“
Beides ist im vorliegenden Fall so offensichtlich nicht gegeben, dass sich die Frage stellt, ob die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens im vorliegenden Fall überhaupt zulässig war, zumal bereits Form und Diktion der Anzeige im vorliegenden Fall die Glaubhaftigkeit der Behauptungen nicht unterstreichen.