AG Rudolstadt – Az.: 770 Js 21821/10 – 1 Ls – Beschluss vom 05.03.2012
Der Antrag des Zeugen Marcel P., ihm für die Dauer seiner Vernehmung Rechtsanwalt F. aus Greiz als Zeugenbeistand beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Gemäß § 68 b Abs. 2 Satz 1 StPO ist einem Zeugen, der bei seiner Vernehmung keinen anwaltlichen Beistand hat und dessen schutzwürdigen Interessen nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann, ein Rechtsanwalt als Zeugenbeistand zur Seite zu stellen, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Zeuge seine Befugnisse und Interessen in der Vernehmungssituation nicht selbst wahrnehmen kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Zeuge sich einer tatsächlich und rechtlich schwierigen Situation gegenübersieht und daher die Gefahr besteht, daß er seine prozessualen Rechte nicht sachgerecht ausüben kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 68 b Rn. 10; KMR-Neubeck, StPO, § 68 b Rn. 12). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Bestellung eines Zeugenbeistands als Ausnahmefall regelmäßig lediglich in außergewöhnlichen Situationen zur Anwendung kommen (vgl. Graf-Monka, StPO, § 68 b Rn. 5). Solche besonderen Umstände, die beim Anlegen eines objektiven Maßstabes die Beiordnung eines anwaltlichen Beistands erfordern könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so daß für die Bestellung eines Beistands vorliegend kein Raum ist. Daß hier Aussage gegen Aussage steht, ist für sich allein kein Grund für eine Beiordnung.
Im konkreten Einzelfall besorgt das Gericht desweiteren, daß eine Interessenkollision in der Person des Beistands vorliegt. Ein solcher Zielkonflikt im Sinne des § 68 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 StPO ist nicht nur, was vielmehr eine Selbstverständlichkeit darstellt, gegeben, wenn der anwaltlichen Beistand auch den im betreffenden Verfahren Beschuldigten berät (vgl. Radtke/Hohmann-Otte, StPO, § 68 b Rn. 7), sondern auch dann, wenn ein anderer Anwalt seines Strafverteidigerbüros den Angeklagten, der in dem zugrundeliegenden Fall ein gewichtiges Interesse an einer bestimmten Aussage des Zeugen hat, vertritt, so daß der gewählte Beistand nicht nur den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint sowie unter diesen Umständen nicht sichergestellt ist, daß der Zeuge frei von Einflüssen Dritter seiner Zeugenpflicht zu wahrheitsgemäßer Aussage nachkommen kann.
Das freie Recht des Zeugen, sich auf eigene Kosten der Hilfe eines, notwendigerweise anderen, Anwalts zu versichern (§ 68 b Abs. 1 StPO), bleibt unberührt.