Jedes Jahr aufs Neue wird die polizeiliche Kriminalstatistik veröffentlicht, welche einen Überblick über die aktuellen Straftaten in Deutschland gibt. Im Jahr 2020 wurden rund 5,31 Millionen Straftaten von der Polizei bearbeitet, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bundesbürger zumindest in seinem Umfeld mit einer Straftat in Berührung kommt, nicht gerade als gering eingestuft wird. Ob dies nun durch eine aktive Straftat, als Opfer oder als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren passiert sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Fakt ist jedenfalls, dass es im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht ist ein Recht, mit welchem sich die meisten Menschen in ihrem Leben noch nicht auseinandergesetzt haben. Das Wissen um das Zeugnisverweigerungsrecht sowie die genauen Hintergründe dieses Rechts kann jedoch früher oder später einmal sehr wichtig werden.
Der Wahrheit verpflichtet
Wer in ein Strafverfahren verwickelt wird, der hat sowohl Rechte als auch Pflichten. Zu den wesentlichen Pflichten eines Zeugen gehört die Verpflichtung, in dem Strafverfahren nur die Wahrheit zu sagen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem $ 57 Strafprozessordnung (StPO). Verstößt ein Zeuge gegen diese Verpflichtung, so kann dieses Verhalten strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Für eine beschuldigte Person in einem Strafverfahren führen wahrheitswidrige Angaben, auch wenn dies ein wenig widersinnig klingen mag, nicht zwingend zu einer strafrechtlichen Würdigung dieses Verhaltens.
Die Wahrheitspflicht eines Zeugen in einem Strafverfahren umfasst nicht nur die wahrheitsgemäße Aussage. Vielmehr muss ein Zeuge zwingend alle wesentlichen Details im Zusammenhang mit der Straftat in dem Strafverfahren auch aussagen. Das Verschweigen von wesentlichen Details kann ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies bedeutet, dass das wissentliche Verschweigen von wesentlichen Details eines Zeugen gerichtlich als Lüge gewertet wird – sofern der zugrundeliegende Sachverhalt durch dieses Verschweigen in einen gänzlich anderen Blickwinkel gerückt wird.
Als Zeuge in einem Strafverfahren besteht gem. § 511 StPO auch die Verpflichtung des persönlichen Erscheinens zu dem gerichtlichen Termin. Bleibt ein gerichtlich geladener Zeuge ohne wichtige Hinderungsgründe dem Gerichtstermin fern kann dieses Verhalten ein Ordnungsgeld nach sich ziehen. Bei mehrfacher Wiederholung dieses Verhaltens kann das Gericht sogar eine Ordnungshaft anordnen.
Der Gesetzgeber kennt jedoch Gründe für die Verweigerung einer Aussage vor Gericht. Dies ist der wesentliche Charakter des Zeugnisverweigerungsrechts. Unterschieden wird dabei zunächst erst einmal zwischen dem familiären und dem berufsbedingten Zeugnisverweigerungsrecht.
Das familiäre Zeugnisverweigerungsrecht gibt einem Zeugen das Recht zu schweigen, wenn durch die Aussage des Zeugen ein enger Vertrauter bzw. Verwandter strafrechtlich belastet werden würde.
Das familiäre Zeugnisverweigerungsrecht kann jedoch gem. § 52 StPO lediglich zur Anwendung kommen, wenn
- der verlobte Partner
- der Ehepartner
- eingetragene Lebenspartner
- Verwandte in gerader Linie
- verschwägerte Personen
von der Aussage des Zeugen betroffen wären.
Sollte es sich bei diesen Personen um einen Angeklagten in einem Strafprozess handeln hat der Zeuge das Recht, die Aussage zu verweigern.
Als Verwandte in gerader Linie gelten in rechtlicher Sicht sowohl die eigenen Eltern als auch die Großeltern sowie die Kinder und Enkelkinder eines Zeugen. Dementsprechend kann das familiäre Zeugnisverweigerungsrecht bei einer Cousine oder einem Cousin nicht zur Anwendung gebracht werden. Ein Zeuge muss dementsprechend der gerichtlichen Aufforderung zur Zeugenaussage folgen und wahrheitsgemäß aussagen.
Die Aussage muss selbstverständlich der Wahrheit entsprechen. Damit das Gericht diese Aussage jedoch verwerten kann ist es zunächst erforderlich, dass der Zeuge im Rahmen der Verhandlung im Hinblick auf das etwaig bestehende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wird. Erfolg diese Belehrung nicht, so darf die von dem Zeugen getätigte Aussage gerichtlich nicht verwertet werden.
Das Zeugnisverweigerungsrecht hat für den Zeugen keine rechtlich verpflichtende Wirkung. Dementsprechend kann sich eine angeklagte Person in einem Strafverfahren auch nicht darauf verlassen, dass der Zeuge nicht aussagt. Wenn ein Zeuge den Wunsch zur Zeugenaussage in dem Strafverfahren verspürt kann dementsprechend auch eine Aussage erfolgen. Diese Zeugenaussage hat dann auch eine gerichtliche Verwertbarkeit, da das Zeugnisverweigerungsrecht ausschließlich dem Zeugen vorbehalten ist. Eine angeklagte Person in einem Strafverfahren kann sich mit keinem Rechtsmittel gegen eine Zeugenaussage, die von dem Zeugen freiwillig trotz des bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts und einer vorherigen Belehrung abgegeben wurde, wehren. Der Zeuge sollte sich jedoch vorab darüber gewahr sein, welche Folgen mit der Zeugenaussage für die angeklagte Person einhergehen.
Eine getätigte Zeugenaussage in einem Strafverfahren lässt sich nur schwerlich zurücknehmen oder gar abändern. Der Zeuge sollte also auf jeden Fall dahingehend beraten werden, welche Konsequenzen für den Zeugen selbst im Fall einer vorschnell getätigten und etwaig falschen Zeugenaussage drohen können.
Das berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht hat seine rechtliche Grundlage in den §§ 53 sowie 53a der StPO.
In der gängigen Praxis betrifft dies in erster Linie die Berufsgruppen
- – Ärzte
– Steuerberater
– Rechtsanwälte
– Geistliche
– Abgeordnete
Personen, die einen derartigen Beruf ausüben, können sich im Rahmen eines Strafverfahrens auf das berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dieses berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht gilt jedoch lediglich dann, wenn diese Personen ihre Kenntnisse über den Sachverhalt bei der Ausübung ihrer Berufstätigkeit erhalten haben. Bei derartigen Berufsgruppen gilt die Verschwiegenheitsverpflichtung, auf welche jede Person vertrauen darf.
Das berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht entbindet jedoch nicht von der Wahrheitsverpflichtung vor Gericht. Dies bedeutet, dass auch diejenigen Personen, welche vor Gericht erscheinen und einer der oben genannten Berufsgruppen angehören, wissentlich keine falschen Angaben machen dürfen. Hat eine angeklagte Person beispielsweise gegenüber einem Geistlichen oder seinem eigenen Rechtsanwalt ein Geständnis abgelegt, so darf diese Person vor Gericht diesbezüglich lediglich schweigen aber nicht wissentlich eine Falschaussage tätigen.
Während das familiäre Zeugnisverweigerungsrecht rechtlich betrachtet für die angeklagte Person einen gewissen Schutzcharakter hat, so schützt das berufsbedingte Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO ausdrücklich den beruflichen Geheimnisträger. Auch diese Person muss dementsprechend im Vorfeld auf das etwaige Bestehen eines berufsbedingten Zeugnisverweigerungsrechts hingewiesen sowie umfassend belehrt werden. So wie auch bei dem familiären Zeugnisverweigerungsrecht gilt dabei, dass diejenigen Aussagen, die ohne eine entsprechende vorherige Belehrung des Zeugen getätigt werden, nicht gerichtlich verwertet werden dürfen. Sollte ein Berufsgeheimnisträger jedoch freiwillig vor Gericht die Aussage tätigen, so darf die Zeugenaussage auch ohne vorherig erfolgte Belehrung seitens des Gerichts verwertet werden.
Im Rahmen eines Zivilgerichtsverfahrens gibt es neben dem familiären Zeugnisverweigerungsrecht und dem berufsbedingten Zeugnisverweigerungsrecht auch noch das Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht hat seine rechtliche Grundlage in dem § 384 ZPO und gibt dem Zeugen das Recht auf die Verweigerung der Aussage, sofern durch die eigene Aussage die eigene Strafverfolgung befürchtet werden muss. Im Volksmund ist dieses Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen dahingehend bekannt, dass sich kein Zeuge vor Gericht selbst belasten muss.
Das Recht zu schweigen hat im Strafverfahren selbst natürlich auch die angeklagte Person. Generell ist die Verschwiegenheit vor Gericht im Zweifel stets die bessere Lösung. Niemand, weder ein Zeuge noch eine angeklagte Person, sollte dementsprechend ohne die vorherige rechtsanwaltliche Beratung eine Aussage tätigen. Die Folgen für eine Falschaussage können enorm gravierend sein und dürfen nicht unterschätzt werden.
Wenn Sie von einem derartigen Sachverhalt betroffen sind und von einem Gericht als Zeuge geladen wurden sollten Sie zunächst erst einmal einen erfahrenen Rechtsanwalt aufsuchen und sich kompetent rechtsanwaltlich beraten lassen. Wir sind eine überaus erfahrene Rechtsanwaltskanzlei und verfügen über die erforderliche juristische Kompetenz, um Ihnen bei Ihrer Angelegenheit rechtlich zur Seite zu stehen. Als Zeuge haben Sie zwar nicht die rechtliche Verpflichtung in Form eines gesetzlichen Anwaltszwanges so wie es bei einer angeklagten Person unter Umständen der Fall wäre, allerdings steht Ihnen das Recht auf eine vorherige anwaltliche Beratung rechtlich gesehen zu. Von diesem Recht sollten Sie auch auf jeden Fall Gebrauch machen, da eine Falschaussage für Sie mit erheblichen Konsequenzen verbunden ist. Wir stehen diesbezüglich sehr gern für Sie zur Verfügung.