Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Bedeutung der Zuständigkeit im Strafverfahren: Ein wegweisendes Urteil
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Gerichte sind bei einer Strafeinstellung grundsätzlich zuständig?
- Was passiert bei einer nachträglichen Änderung der Rechtslage mit der Gesamtstrafe?
- Wann kann eine Gesamtfreiheitsstrafe neu festgesetzt werden?
- Welche Rolle spielt die Staatsanwaltschaft bei der Strafeinstellung?
- Wie unterscheiden sich die Aufgaben von Strafvollstreckungskammer und erkennendem Gericht?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
- Datum: 20.11.2024
- Aktenzeichen: 6 Ws 547/24
- Verfahrensart: Sofortige Beschwerde
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Verurteilter: Der Verurteilte, der gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier Beschwerde eingelegt hat. Er argumentierte, dass die Neufestsetzung seiner Gesamtfreiheitsstrafe falsch sei, da einige der ihm zugeschriebenen Taten nach aktueller Rechtslage nicht mehr strafbar sind.
- Staatsanwaltschaft: Diese hatte beantragt, die Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und zehn Monate neu festzusetzen, da eine der Straftaten nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr strafbar sei.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Verurteilte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe wegen mehrerer Straftaten verurteilt. Nach einer Revision und neuen rechtlichen Gegebenheiten wandte sich der Verurteilte gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die seine Gesamtfreiheitsstrafe auf vier Jahre festgelegt hatte. Insbesondere die Neufestsetzung der Strafe war Gegenstand des Streits, da sich die rechtliche Lage hinsichtlich einiger der Straftaten verändert hatte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, welches Gericht die Zuständigkeit hat, die Gesamtfreiheitsstrafe nach neuen rechtlichen Gegebenheiten neu festzusetzen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier wurde aufgehoben und der Fall zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht Bitburg verwiesen.
- Begründung: Die Strafvollstreckungskammer war nicht zuständig, da die Neufestsetzung einer Strafe ein Akt der Strafzumessung ist, der in die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs fällt. Das Oberlandesgericht Koblenz folgte der Meinung der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass solche Entscheidungen von dem Gericht getroffen werden müssen, das ursprünglich die Strafen beschlossen hat.
- Folgen: Der Fall wird vom Amtsgericht Bitburg neu verhandelt, welches die korrekte Zuständigkeit zur Neufestsetzung der Strafen hat. Die endgültige Entscheidung über die Neufestsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe steht somit noch aus.
Bedeutung der Zuständigkeit im Strafverfahren: Ein wegweisendes Urteil
Im Bereich des Strafverfahrensrechts spielen Zuständigkeiten und Kompetenzverteilungen eine zentrale Rolle für einen rechtsstaatlichen Prozess. Die Frage, welche Instanzen und Entscheidungsträger befugt sind, bestimmte juristische Schritte zu unternehmen, ist von fundamentaler Bedeutung für die korrekte Anwendung der Strafprozessordnung.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für strafrechtliche Entscheidungen sind komplex und erfordern eine präzise juristische Interpretation der geltenden Rechtsgrundlagen. Insbesondere bei spezifischen Verfahrenskonstellationen wie jenen nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313 Abs. 4 EGStGB kommt der fachlichen Verantwortung der zuständigen Organe eine besondere Bedeutung zu.
Der folgende Beitrag widmet sich einem konkreten Gerichtsurteil, das die Anwendung dieser Rechtsnormen beispielhaft beleuchtet und zentrale Fragen der rechtlichen Zuständigkeit näher betrachtet.
Der Fall vor Gericht
Oberlandesgericht hebt Entscheidung zur Gesamtfreiheitsstrafe auf
In einem Beschluss vom 20. November 2024 hat das Oberlandesgericht Koblenz die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Bitburg zurückverwiesen. Der Fall betrifft die Neufestsetzung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach einer Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und weiterer Delikte.
Prozesshistorie und ursprüngliche Verurteilung
Das Amtsgericht Bitburg hatte den Betroffenen am 7. Dezember 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Berufungen erhöhte das Landgericht Trier die Strafe am 8. Juni 2021 auf vier Jahre. Das Oberlandesgericht Koblenz änderte auf die Revision des Verurteilten den Schuldspruch bezüglich der Betäubungsmitteltaten und ließ eine Einzelstrafe von drei Monaten ohne Auswirkung auf die Gesamtfreiheitsstrafe entfallen.
Antrag auf Neufestsetzung der Strafe
Der Verurteilte beantragte im April 2024 Straferlass für zwei der Taten. Die Staatsanwaltschaft unterstützte eine Reduzierung der Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und zehn Monate, da eine der Taten nach aktueller Rechtslage nicht mehr strafbar sei. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier lehnte eine Änderung der Gesamtfreiheitsstrafe ab.
Zuständigkeit des Erstgerichts
Das Oberlandesgericht Koblenz stellte in seinem Beschluss klar, dass für die Neufestsetzung einer Gesamtfreiheitsstrafe nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist. Diese Auffassung wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung durchgängig vertreten. Das Gericht begründete dies mit der grundsätzlichen Aufgabenabgrenzung zwischen erkennenden Gerichten und Strafvollstreckungskammern. Die Neufestsetzung einer Freiheitsstrafe sei ein originärer Akt der Strafzumessung, der in die Zuständigkeit des Tatgerichts falle.
Rechtliche Begründung der Entscheidung
Das Oberlandesgericht stützte seine Entscheidung auf die Regelungssystematik der Strafprozessordnung. Auch in Fällen, in denen das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz entschieden hat, bleibe das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Willen bei der Einführung der relevanten Vorschriften. Das Gericht verwies die Sache daher zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht Bitburg als zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt die Zuständigkeit bei der Neufestsetzung von Gesamtfreiheitsstrafen nach dem neuen Cannabis-Gesetz: Nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das erstinstanzliche Gericht muss darüber entscheiden. Diese Klarstellung schafft Rechtssicherheit im Umgang mit der neuen Gesetzeslage und zeigt, dass auch scheinbar formale Zuständigkeitsfragen erhebliche praktische Bedeutung haben können. Das Urteil verdeutlicht zudem die Wichtigkeit einer korrekten Verfahrensführung bei der Überprüfung von Strafen nach Gesetzesänderungen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie wegen Cannabis-Delikten verurteilt wurden und eine Überprüfung Ihrer Strafe anstreben, müssen Sie sich an das Gericht wenden, das Sie ursprünglich verurteilt hat – nicht an die Strafvollstreckungskammer. Dies gilt auch, wenn Sie sich bereits in Haft befinden. Durch diese klare Zuständigkeitsregelung wissen Sie genau, welches Gericht für Ihren Antrag zuständig ist, was Verzögerungen durch falsch adressierte Anträge vermeidet. Lassen Sie sich am besten anwaltlich beraten, um das weitere Vorgehen optimal zu gestalten.
Benötigen Sie Hilfe?
Cannabis-Verurteilung und die neue Gesetzeslage?
Die Neufestsetzung von Strafen nach dem neuen Cannabis-Gesetz wirft viele Fragen auf. Wir helfen Ihnen, die aktuelle Rechtslage zu verstehen und Ihre individuellen Möglichkeiten auszuloten. Dabei prüfen wir sorgfältig, ob in Ihrem Fall eine Überprüfung der Strafe in Betracht kommt und welches Gericht dafür zuständig ist. Gemeinsam entwickeln wir die optimale Strategie für Ihr Anliegen. Sprechen Sie uns an, um Ihre Situation vertraulich zu besprechen und Klarheit über Ihre Rechte zu gewinnen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Gerichte sind bei einer Strafeinstellung grundsätzlich zuständig?
Bei einer Strafeinstellung nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313 EGStGB ist das erkennende Gericht des ersten Rechtszuges für die Neufestsetzung der Strafe zuständig.
Zuständigkeit des erkennenden Gerichts
Das erkennende Gericht ist jenes Gericht, das die ursprüngliche Strafe verhängt hat. Die Zuständigkeit bleibt auch dann bestehen, wenn sich der Verurteilte bereits im Strafvollzug befindet.
Wenn Sie von einer Strafeinstellung betroffen sind, ist für Ihre Angelegenheit zuständig:
- Das Amtsgericht als erstinstanzliches Gericht bei Strafen bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe
- Das Landgericht bei Strafen über vier Jahre oder bei Katalogstraftaten nach § 74 Abs. 2 GVG
- Das Oberlandesgericht bei bestimmten Staatsschutzdelikten
Besonderheiten im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gilt eine Sonderregelung: Hier sind die Jugendrichter in ihrer Funktion als Vollstreckungsleiter selbst für die Amnestie-Fälle zuständig.
Verfahrensablauf
Der Antrag auf Neufestsetzung muss beim zuständigen Gericht gestellt werden. Das Gericht prüft dann:
- Die ursprüngliche Verurteilung
- Die Anwendbarkeit der neuen Rechtslage
- Die Notwendigkeit einer Neuberechnung der Strafe
Die Entscheidung über die Neufestsetzung erfolgt in der Regel ohne mündliche Verhandlung. Bei Gesamtstrafen wird jede Einzelstrafe neu bewertet und gegebenenfalls eine neue Gesamtstrafe gebildet.
Was passiert bei einer nachträglichen Änderung der Rechtslage mit der Gesamtstrafe?
Wenn sich die Rechtslage nach einer rechtskräftigen Verurteilung ändert und eine der abgeurteilten Taten nicht mehr strafbar ist, muss die Gesamtstrafe neu festgesetzt werden.
Grundsätzliche Regelung
Die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe erfolgt, wenn eine der Einzelstrafen aufgrund einer Gesetzesänderung wegfällt oder sich ändert. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine der abgeurteilten Taten durch eine Gesetzesänderung nicht mehr strafbar ist.
Zuständigkeit und Verfahren
Das erkennende Gericht des ersten Rechtszuges – also das Gericht, das ursprünglich das Urteil gefällt hat – ist für die Neufestsetzung der Strafe zuständig. Wenn Sie von einer solchen Situation betroffen sind, wird das Gericht die verbliebenen Einzelstrafen erneut würdigen und eine angemessene neue Gesamtstrafe bilden.
Berechnung der neuen Gesamtstrafe
Bei der Neufestsetzung gelten folgende Prinzipien:
- Die neue Gesamtstrafe wird durch Erhöhung der höchsten verbliebenen Einzelstrafe gebildet
- Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen
- Bei zeitigen Freiheitsstrafen darf die Gesamtstrafe 15 Jahre nicht übersteigen
- Bei Geldstrafen ist die Obergrenze 720 Tagessätze
Wichtig: Die Neufestsetzung führt nicht automatisch zu einer Verkürzung der Gesamtstrafe im Verhältnis der weggefallenen zur Gesamtzahl der abgeurteilten Taten. Das Gericht muss vielmehr eine neue Gesamtstrafe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festsetzen.
Praktische Auswirkungen
Wenn Sie zu einer Gesamtstrafe verurteilt wurden und eine der Taten durch eine Gesetzesänderung nicht mehr strafbar ist, wird das Gericht:
- Die weggefallenen Einzelstrafen aus der Berechnung herausnehmen
- Die verbleibenden Einzelstrafen neu bewerten
- Eine neue angemessene Gesamtstrafe unter Berücksichtigung aller Umstände bilden
Die Neufestsetzung erfolgt nicht automatisch, sondern das Gericht muss eine neue Entscheidung treffen. Die Staatsanwaltschaft muss in diesen Fällen von Amts wegen tätig werden und eine Überprüfung der Urteile veranlassen.
Wann kann eine Gesamtfreiheitsstrafe neu festgesetzt werden?
Eine Gesamtfreiheitsstrafe muss neu festgesetzt werden, wenn sich die rechtliche Bewertung einzelner Taten ändert, die der ursprünglichen Gesamtstrafe zugrunde lagen. Dies ist besonders relevant bei Gesetzesänderungen wie dem Cannabisgesetz.
Gesetzliche Voraussetzungen
Die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe ist zwingend erforderlich, wenn eine der Einzelstrafen wegen einer Tat verhängt wurde, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist. Dies gilt auch, wenn die Tat nur noch mit einer Geldbuße bedroht ist.
Wenn Sie wegen mehrerer Taten verurteilt wurden, kommt eine Neufestsetzung in folgenden Fällen in Betracht:
- Bei Tateinheit (§ 52 StGB) von weiterhin strafbaren und seit dem 1. April 2024 straflosen Handlungen
- Bei einer Gesamtstrafe (§ 53 StGB), die eine nun straflose Tat enthält
- Wenn eine der Einzelstrafen neu festgesetzt oder ermäßigt wurde
Zuständigkeit und Verfahren
Das ursprünglich erkennende Gericht ist für die Neufestsetzung zuständig. Stellen Sie sich vor, Sie wurden vom Amtsgericht verurteilt – dann muss auch dieses Gericht über die Neufestsetzung entscheiden.
Bei der Neufestsetzung wird die alte Gesamtstrafe aufgelöst. Das Gericht prüft dann die verbliebenen Einzelstrafen erneut und bildet daraus eine neue, angemessene Gesamtstrafe.
Praktische Auswirkungen
Die neue Gesamtstrafe kann niedriger ausfallen als die ursprüngliche, muss es aber nicht zwangsläufig. Wenn Sie beispielsweise wegen Cannabisbesitz und anderen Delikten verurteilt wurden, wird das Gericht nur noch die weiterhin strafbaren Handlungen berücksichtigen.
Der Antrag auf Neufestsetzung kann gestellt werden, sobald das neue Gesetz in Kraft getreten ist. Bei Cannabis-bezogenen Strafen ist dies seit dem 1. April 2024 möglich.
Welche Rolle spielt die Staatsanwaltschaft bei der Strafeinstellung?
Die Staatsanwaltschaft nimmt als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ eine zentrale Position bei der Einstellung von Strafverfahren ein. Sie entscheidet eigenständig über den weiteren Verlauf eines Verfahrens und verfügt über verschiedene Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung.
Grundsätzliche Entscheidungsbefugnisse
Die Staatsanwaltschaft prüft nach Abschluss der Ermittlungen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklageerhebung vorliegt. Wenn die Beweislage für eine wahrscheinliche Verurteilung nicht ausreicht, stellt sie das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft kann ein Verfahren auf verschiedene Weise beenden:
- Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO, wenn eine Verurteilung unwahrscheinlich erscheint
- Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO bei Bagatelldelikten ohne öffentliches Interesse
- Einstellung gegen Auflagen nach § 153a StPO bei Vergehen, wenn die Auflagen geeignet sind, das öffentliche Interesse zu beseitigen
Besondere Zuständigkeiten bei Gesetzesänderungen
Bei der Neufestsetzung von Strafen nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313 Abs. 4 EGStGB ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die Akten dem zuständigen Gericht zur Entscheidung vorzulegen. Sie wird von Amts wegen tätig, wenn sie von Umständen erfährt, die eine Neufestsetzung der Strafe erforderlich machen.
Bei der Einstellung eines Verfahrens prüft die Staatsanwaltschaft auch mögliche Verfahrenshindernisse wie fehlende Strafanträge oder eingetretene Verjährung. Wenn Sie als Beschuldigter von einem Ermittlungsverfahren betroffen sind, entscheidet die Staatsanwaltschaft über dessen weiteren Verlauf und kann das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einstellen.
Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Wenn Sie als Betroffener oder die Staatsanwaltschaft mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind, kann diese mit einer sofortigen Beschwerde angefochten werden.
Wie unterscheiden sich die Aufgaben von Strafvollstreckungskammer und erkennendem Gericht?
Die Strafvollstreckungskammer und das erkennende Gericht haben klar getrennte Zuständigkeiten im deutschen Rechtssystem.
Aufgaben des erkennenden Gerichts
Das erkennende Gericht ist das Gericht, das ursprünglich das Urteil gefällt hat. Es ist grundsätzlich für die Neufestsetzung von Strafen nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313 EGStGB zuständig. Dies gilt insbesondere bei der Anpassung von Strafen aufgrund der Cannabis-Legalisierung.
Wenn Sie beispielsweise wegen mehrerer Straftaten zu einer Gesamtstrafe verurteilt wurden, ist das ursprünglich urteilende Gericht für die Neufestsetzung dieser Strafe verantwortlich. Dies liegt daran, dass dieses Gericht am besten mit den Einzelheiten des Falls vertraut ist.
Aufgaben der Strafvollstreckungskammer
Die Strafvollstreckungskammer hat dagegen andere spezifische Aufgaben:
Sie entscheidet hauptsächlich über:
- Die mögliche Aussetzung des Strafrests zur Bewährung
- Beschwerden gegen Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt
- Angelegenheiten des laufenden Strafvollzugs
Besondere Konstellationen
In bestimmten Fällen kann es zu einer Übertragung der Zuständigkeit kommen. Wenn ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug geurteilt hat, kann es die Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Diese Abgabe ist dann bindend, kann aber vom Oberlandesgericht widerrufen werden.
Für Sie als Betroffener bedeutet dies: Wenn Sie einen Antrag auf Neufestsetzung Ihrer Strafe stellen möchten, müssen Sie sich an das Gericht wenden, das Sie ursprünglich verurteilt hat. Dies gilt besonders bei Anträgen im Zusammenhang mit der Cannabis-Legalisierung.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Freiheitsstrafe
Eine Freiheitsstrafe ist eine vom Gericht verhängte Strafe, bei der der Verurteilte für einen bestimmten Zeitraum in einer Justizvollzugsanstalt (Gefängnis) untergebracht wird. Sie ist neben der Geldstrafe die wichtigste Hauptstrafe im deutschen Strafrecht und ist in §§ 38, 39 StGB geregelt. Die Dauer kann zwischen einem Monat und 15 Jahren liegen, in besonderen Fällen auch lebenslang. Bei einer Gesamtfreiheitsstrafe werden mehrere Einzelstrafen zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst.
Revision
Die Revision ist ein Rechtsmittel gegen Gerichtsurteile, das sich ausschließlich auf die Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Anders als bei der Berufung werden keine neuen Tatsachen geprüft. Die Revision ist in §§ 333-358 StPO geregelt. Sie kann beispielsweise eingelegt werden, wenn Verfahrensvorschriften verletzt wurden oder das Gesetz falsch angewendet wurde. Ein erfolgreiches Revisionsverfahren führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Strafvollstreckungskammer
Die Strafvollstreckungskammer ist eine spezielle Abteilung des Landgerichts, die für Entscheidungen während der Strafvollstreckung zuständig ist (§§ 78a, 78b GVG). Sie entscheidet unter anderem über vorzeitige Haftentlassung, Aussetzung der Strafe zur Bewährung oder Beschwerden gegen Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt. Anders als das erkennende Gericht befasst sie sich nicht mit der ursprünglichen Straffestsetzung.
Berufung
Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile, bei dem eine vollständige neue Verhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht stattfindet (§§ 312-332 StPO). Das Berufungsgericht kann alle Aspekte des Falls neu bewerten, also sowohl die Beweisaufnahme wiederholen als auch die rechtliche Würdigung überprüfen. Im Beispiel führte die Berufung zu einer Erhöhung der ursprünglichen Strafe von dreieinhalb auf vier Jahre.
Gericht des ersten Rechtszuges
Das Gericht des ersten Rechtszuges (auch: Erstgericht oder Tatgericht) ist dasjenige Gericht, das sich als erstes mit einem Fall befasst und ein Urteil fällt. Es ist nach § 462a StPO auch für spätere Entscheidungen wie die Neufestsetzung von Strafen zuständig, selbst wenn zwischenzeitlich andere Gerichte in höheren Instanzen entschieden haben. Im konkreten Fall ist dies das Amtsgericht Bitburg.
Strafzumessung
Die Strafzumessung ist der Vorgang, bei dem das Gericht die konkrete Strafe für eine Straftat festlegt. Sie erfolgt nach den Grundsätzen des § 46 StGB und muss alle relevanten Umstände wie Schuld, Beweggründe, Vorstrafen und Folgen der Tat berücksichtigen. Eine Neufestsetzung der Strafe kann erforderlich werden, wenn sich rechtliche Grundlagen ändern oder Teildelikte nachträglich wegfallen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB: Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Neufestsetzung einer Gesamtfreiheitsstrafe. Sie ermöglicht es dem Verurteilten, unter bestimmten Bedingungen eine Verringerung der Strafdauer zu beantragen. Dabei müssen spezifische rechtliche Kriterien erfüllt sein, um eine Anpassung der Strafe zu rechtfertigen.
Im vorliegenden Fall wendet sich der Verurteilte gegen die Versagung der Neufestsetzung seiner Gesamtfreiheitsstrafe. Die Anwendung von Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB ist zentral, da es um die Bewertung der Möglichkeit geht, die Strafe aufgrund veränderter Umstände neu festzusetzen.
- Art. 316p EGStGB: Diese Bestimmung legt die verfahrensrechtlichen Schritte fest, die bei der Beantragung eines Straferlasses zu beachten sind. Sie regelt die Einreichung, Prüfung und Entscheidung über solche Anträge durch die zuständigen Behörden oder Gerichte.
In diesem Fall hat der Verurteilte einen Straferlass bezüglich bestimmter Taten beantragt. Art. 316p EGStGB ist dabei entscheidend, da er die rechtlichen Grundlagen für die Prüfung und mögliche Gewährung des Straferlasses durch das Gericht vorgibt.
- § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO: Dieser Paragraph der Strafprozessordnung befasst sich mit der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen in der Strafvollstreckung. Er legt fest, unter welchen Umständen und in welchem Umfang eine solche Beschwerde zulässig ist.
Der Verurteilte hat eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer eingereicht. § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO ist hier relevant, da er die rechtlichen Voraussetzungen und die Zulässigkeit dieser Beschwerdeart regelt.
- § 311 Abs. 2 StPO: Diese Vorschrift regelt die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern und legt fest, welche Gerichte für bestimmte Entscheidungen im Strafvollstreckungsprozess verantwortlich sind. Sie definiert die organisatorischen Rahmenbedingungen der Strafvollstreckung.
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, dass die Strafvollstreckungskammer nicht zuständig ist, die Neufestsetzung der Strafe vorzunehmen. § 311 Abs. 2 StPO bildet die rechtliche Grundlage für diese Zuständigkeitsentscheidung.
- § 306 Abs. 1 StPO: Dieser Paragraph legt fest, welche Verfahren und Instanzen in der Strafprozessordnung zulässig sind. Er definiert die generellen Regeln für die Antrags- und Beschwerdemöglichkeiten im Strafvollstreckungsverfahren.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird unter Berücksichtigung von § 306 Abs. 1 StPO als zulässig bewertet. Diese Vorschrift ist maßgeblich für die Beurteilung, ob der Verurteilte sein Recht auf Beschwerde korrekt ausgeübt hat.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 6 Ws 547/24 – Beschluss vom 20.11.2024
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