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Zuständigkeit des Amtsgerichts oder Landgerichts bei Steuerhinterziehung

OLG Brandenburg – Az.: 2 Ws 202/21 – Beschluss vom 10.02.2022

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Cottbus vom 2. November 2021 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten darin entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus legt dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 9. Juli 2020 zur Last, im Zeitraum vom 31. Mai 2014 bis zum 31. Mai 2019 in sieben Fällen die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt zu haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), wobei in einem Fall lediglich eine versuchte Tat vorliegen soll.

Das Landgericht hat die Anklage hinsichtlich der Taten Nr. 1 – 5 zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren jedoch abweichend von der Entschließung der Staatsanwaltschaft vor dem Amtsgericht Cottbus – Strafrichter – eröffnet, weil die Sache weder einen besonderen Umfang noch eine besondere Bedeutung aufweise (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG). Die Eröffnung hinsichtlich der Taten Nr. 6 und 7 der Anklage (Einkommensteuer 2015 und 2016) hat das Landgericht abgelehnt, weil die für die Festsetzung der Einkommensteuer maßgebliche Höhe der Abgeordnetenbezüge jeweils bereits durch den Landtag unter Nennung der steuerlichen Identifikationsnummer dem zuständigen Finanzamt gemeldet worden seien und es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass dem Angeschuldigten dies unbekannt gewesen sein könnte, zumal er aktenkundig auch darauf verwiesen hatte, dass seine Bezüge jährlich durch die Landtagsverwaltung mitgeteilt worden seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Cottbus sofortige Beschwerde eingelegt und beanstandet, dass das Landgericht das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht eröffnet und hinsichtlich der Taten Nr. 6 und 7 die Eröffnung abgelehnt habe. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist dem Rechtsmittel beigetreten.

II.

Die gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, von der abzuweichen das Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft keine Veranlassung bietet, ohne Erfolg.

1. Die Strafkammer hat mit zutreffender Begründung das Hauptverfahren vor dem sachlich zuständigen Amtsgericht – Strafrichter – eröffnet (§ 209 Abs. 1 StPO, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG) und dabei mit Recht angenommen, dass eine Zuständigkeit des Landgerichts sich nicht aus einem – hier ersichtlich nicht vorliegenden – besonderen Umfang des Verfahrens und auch nicht aus einer besonderen Bedeutung des Falles ergibt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG). Im Falle eines etwaigen, bislang hier auch konkret noch nicht abzusehenden Medien- und Öffentlichkeitsinteresses ist im Hinblick auf das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eine die Zuständigkeit des Landgerichts begründende besondere Bedeutung nur ausnahmsweise bei Konstellation eines überragenden oder bundesweiten Interesses anzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10. Dezember 2019 – III-4 Ws 268/19, zit. nach Juris). Einen solchen Fall hat die Strafkammer mit Recht verneint.

2. Das Landgericht hat darüber hinaus auch mit Recht die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten zu Nr. 6 und 7 der Anklage abgelehnt.

Der Senat teilt die von der Strafkammer vertretene Auffassung, dass angesichts des Wortlauts der gesetzlichen Regelung („in Unkenntnis lässt“) eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ausscheiden muss, wenn die zuständigen Finanzbehörden zum maßgeblichen Veranlagungszeitpunkt von den wesentlichen steuerlich relevanten Umständen bereits Kenntnis haben (OLG Oldenburg, Urt. v. 16. November 1998 – Ss 319/98, BeckRS 1998, 16504 und Beschl. 10. Juli 2018, 1 Ss 51/18, BeckRS 2018, 21189; OLG Köln, Urt. v. 31.Januar 2017 – 1 RVs 253/16, BeckRS 2017, 107137; ebenso BayOblG, Beschl. v. 3. November 1989 – RReg 4 St 135/89, zit. nach Juris Rn. 26). Entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft widerspricht diese zutreffende Rechtsauffassung auch nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der es „im Gegensatz zu § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO“ bei dem – hier nicht einschlägigen – Tatbestand von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auf eine Kenntnis bzw. Unkenntnis der Finanzbehörden nicht ankommt (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10, Rn. 27; Beschl. v. 20. November 2012 – 1 StR 391/21, jeweils zit. nach Juris).

Da nach dem Ergebnis der Ermittlungen nichts dafür spricht, dass dem Angeschuldigten die Meldung seiner Bezüge an die zuständige Finanzbehörde nicht bekannt war, besteht kein hinreichender Tatverdacht für das Vorliegen eines Tatentschlusses zu einem insoweit allein in Betracht kommenden Versuch der Steuerhinterziehung. Dass der Angeschuldigte dem Finanzamt zunächst nicht mitgeteilt hatte, dass das von ihm betriebene Gewerbe seit Oktober 2014 ruhe und er insoweit keinerlei Einnahmen erzielt habe, vermag mangels insoweit in Betracht kommender Steuerverkürzung eine Strafbarkeit nicht zu begründen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

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